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BGH zu der Frage, dass der Tatrichter, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht – auch im Rahmen der grundsätzlich seinem Ermessen unterliegenden Schadensschätzung (§ 287 ZPO) – auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten darf, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag und wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und ihnen Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen

BGH zu der Frage, dass der Tatrichter, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht - auch im Rahmen der grundsätzlich seinem Ermessen unterliegenden Schadensschätzung (§ 287 ZPO) - auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten darf, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag und wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und ihnen Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen

vorgestellt von Thomas Ax

Zur Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) durch die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund der Inanspruchnahme eigener Sachkunde des Gerichts im Rahmen der Schadensschätzung (hier entgangener Gewinn, § 252 Satz 2 BGB, § 287 Abs. 1 ZPO; im Anschluss an BVerfG, NJW 2003, 1655, unter II. 1.; BVerfG, Beschluss vom 09.10.2007 – 2 BvR 1268/03, BeckRS 2007, 28255; ; BVerfG, NJW 2021, 50, Rn. 20; BGH, Urteil vom 06.12.1995 – VIII ZR 270/94, NJW 1996, 584, unter II. 3. b) cc); Beschluss vom 09.01.2018 – VI ZR 106/17, NJW 2018, 2730, Rn. 16 = IBR 2018, 424 ).
BGH, Beschluss vom 26.03.2024 – VIII ZR 89/23
vorhergehend:
OLG Brandenburg, 15.08.2023 – 7 U 40/20
OLG Brandenburg, 12.04.2023 – 7 U 40/20
LG Potsdam, 05.02.2020 – 6 O 85/17


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. März 2024 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bünger, die Richter Kosziol und Dr. Schmidt sowie die Richterinnen Wiegand und Dr. Böhm

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts – 7. Zivilsenat – vom 12. April 2023 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15. August 2023 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte ihre Verurteilung zur Zahlung der Höhe nach angreift.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorstehend genannten Urteil zurückgewiesen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf 350.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

1

Die Klägerin nimmt nach einem Unternehmenskauf die Beklagte wegen pflichtwidriger Konkurrenztätigkeit zuletzt auf Zahlung entgangenen Gewinns in Anspruch.

2

Die Beklagte war Gründerin, Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der K. S. GmbH (im Folgenden: K. S. GmbH), deren Geschäftsgegenstand die Betreuung schwerstkranker Kinder ist. Im April 2015 veräußerte sie ihre Anteile an der Gesellschaft zu einem Kaufpreis von 2 Mio. EUR an die Klägerin. Diese ist (als Konzernmutter) mit mehreren Gesellschaften ebenfalls im Bereich der Kinderintensivpflege tätig. Der Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag der Parteien enthielt ein “Wettbewerbs- und Abwerbeverbot”, wonach sich die Beklagte verpflichtete, für die Dauer von 30 Monaten nach dem Kauf keine Konkurrenztätigkeit auf dem Gebiet der Betreuung schwerstkranker Kinder – auch nicht durch Gründung eines Unternehmens – auszuüben und keine Mitarbeiter der K. S. GmbH abzuwerben.

3

Die Beklagte blieb zunächst Geschäftsführerin der veräußerten Gesellschaft. Nachdem es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien gekommen war, sprach die Klägerin im Februar 2016 zunächst die ordentliche, später auch die außerordentliche Kündigung des Dienstleistungsvertrags mit der Beklagten aus und berief diese als Geschäftsführerin ab.

4

Im März 2016 gründete die Beklagte mittels einer Strohfrau die F. GmbH, welche die Pflege schwerstkranker Kinder im räumlichen Geschäftsgebiet der K. S. GmbH anbot. Bis Ende Mai 2016 kündigten mindestens 32 Angestellte der K. S. GmbH dort ihre Arbeitsverhältnisse und schlossen Arbeitsverträge mit der F. GmbH.

5

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe schon vor dem Verkauf ihrer Gesellschaftsanteile an sie geplant, eine Konkurrenzgesellschaft zu gründen, Mitarbeiter zu übernehmen und auch bisherige Kunden der K. S. GmbH abzuwerben. Die erstinstanzlich zuletzt auf die Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Stammkapitalanteils gerichtete Klage der Klägerin hat vor dem Landgericht keinen Erfolg gehabt. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und nach einem Hinweis des Berufungsgerichts auf eine mögliche Nebenpflichtverletzung der Beklagten aus dem Unternehmenskaufvertrag aufgrund der Konkurrenztätigkeit zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung entgangenen Gewinns in Höhe von 800.000 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Das Berufungsgericht hat – unter Zurückweisung des Rechtsmittels und Abweisung der Klage im Übrigen – die Beklagte zur Zahlung von 350.000 EUR nebst Zinsen verurteilt.

6

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Zulassung der Revision mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung begehrt.

II.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

8

Die Beklagte hafte der Klägerin auf Schadensersatz, da sie eine Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag über die Gesellschaftsanteile verletzt habe (§ 453 Abs. 1, § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB). Auf die Frage der Wirksamkeit des im Unternehmenskaufvertrag der Parteien vereinbarten Wettbewerbs- und Abwerbeverbots komme es nicht an. Denn auch ohne eine ausdrückliche Vereinbarung bestehe für den Verkäufer – hier die Beklagte – ein Verbot des Wettbewerbs mit dem auf den Käufer – hier die Klägerin – übergegangenen Unternehmen. Das Verbot folge als Nebenpflicht aus dem Vertragszweck, dem Käufer die Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen, und reiche daher sachlich, räumlich und zeitlich so weit, wie es erforderlich sei, um diesen Zweck nicht zu gefährden.

9

Hiernach hätte es die Beklagte unterlassen müssen, dazu beizutragen, dass so viele Mitarbeiter die K. S. GmbH verlassen, dass die Unternehmensfortführung gefährdet werde. Dabei sei unerheblich, ob jeder einzelne Mitarbeiter sein Arbeitsverhältnis zur Klägerin “auf Veranlassung der Beklagten” beendet habe. Pflichtwidrig sei es schon gewesen, den Mitarbeitern eine Gelegenheit zum Wechsel zu dem am selben Ort und im selben Marktsegment betriebenen, neu eingerichteten Unternehmen zu bieten, zu dessen Gründung die Beklagte beigetragen habe. Die Nebenpflicht der Beklagten, eine Konkurrenz zum verkauften Unternehmen zu unterlassen, sei vorliegend zeitlich auf eine Spanne von drei Jahren zu begrenzen.

10

Somit habe die Beklagte den Schaden auszugleichen, welcher der Klägerin durch die Errichtung eines Konkurrenzunternehmens entstanden sei. Die Klägerin mache einen entgangenen Gewinn geltend, indem sie ihre “Ist-Gewinne” den aus ihrer Sicht erzielbaren hypothetischen Gewinnen, jeweils ab dem Beginn der Konkurrenztätigkeit der Beklagten (März 2016) bis einschließlich April 2018, gegenüberstelle. Dies sei dem Grunde nach berechtigt, so dass die Klägerin so zu stellen sei, wie sie bei Unterlassung der vertragswidrigen Konkurrenz der Beklagten stünde. Insoweit müsse für jeden angeführten Grund eines Gewinnrückgangs erläutert werden, dass er auf dem unlauteren Einfluss der Beklagten beruhe und nicht auf anderen Ursachen, etwa eigenen – von der Pflichtverletzung der Beklagten unabhängigen – unternehmerischen Entscheidungen der Klägerin. Weder den Darlegungen der Klägerin noch den Einwendungen der Beklagten könne mit dem Anspruch nachgegangen werden, die Auswirkungen der jeweils vorgetragenen Umstände auf den von der Klägerin vorgetragenen Gewinnrückgang exakt voneinander abzugrenzen und genau festzustellen, was einerseits auf unerlaubter Konkurrenz durch die Beklagte beruhe und andererseits welche davon unabhängigen unternehmerischen Entscheidungen der Klägerin – etwa die Hinzuziehung von Fremdpersonal – sich ungünstig ausgewirkt hätten.

11

Diese Fragen seien mit Beweismitteln nicht zu beantworten. Ein betriebswirtschaftlicher Sachverständiger werde die Motivationslage der Unternehmensführung der Klägerin nicht präzise aufklären und benennen können. Daher müsse bereits die Beurteilung, ob ein Schaden entstanden sei, mithin ob und in welchem Umfang ein entgangener Gewinn der Klägerin allein auf dem vertragswidrigen Zutun der Beklagten und nicht auf anderen, von ihr nicht verschuldeten Ursachen beruhe, im Wege einer Schätzung ermittelt werden (§ 287 Abs. 1 ZPO).

12

Im Ergebnis seien die von den Parteien vorgetragenen Gründe bezüglich des (behaupteten) Gewinnrückgangs der Klägerin ungefähr gleichgewichtig. Demzufolge habe die Klägerin einen Anspruch auf die Erstattung der Hälfte des ihr in den ersten drei Jahren nach der Unternehmensübernahme entgangenen Gewinns.

13

Auch die Höhe des Schadens müsse geschätzt werden (§ 287 Abs. 1 ZPO). Als Schätzgrundlagen kämen die Berechnungen der Klägerin, die einen entgangenen Gewinn in Höhe von 800.000 EUR geltend mache, und die Einwendungen der Beklagten in Betracht, nach denen “einzelne Positionen auf ungeschickte Unternehmensführung ohne Beeinflussung durch die Beklagte oder auf unternehmerisch nicht veranlasste Darstellung eines vermeintlichen Schadens zurückzuführen seien”. Der Senat sehe keine Aussicht in dem Versuch, mit sachverständiger Hilfe festzustellen, ob die von der Beklagten beanstandeten Positionen betriebswirtschaftlich gar nicht zur Ermittlung eines tatsächlichen und fiktiven, ohne schädigendes Ereignis zu erwartenden Gewinns geeignet seien und ob einzelne Rechnungsposten in ihrer Höhe und Entwicklung eher auf der unerlaubten Konkurrenz oder eher auf davon unbeeinflussten unternehmerischen Entscheidungen der Klägerin beruhten. Der Vortrag der Klägerin zu dem zu erwartenden Gewinn des von der Beklagten übernommenen Unternehmens stelle sich jedenfalls als plausibel und schlüssig dar, so dass er als Anhaltspunkt einer Schadensschätzung verwendet werden könne. Die geringeren Geschäftsführerkosten im tatsächlichen Verlauf – durch die Kündigung des Vertrags mit der Beklagten – müsse sich die Klägerin wie einen Vorteilsausgleich anrechnen lassen. Von einem hiernach bereinigten Schadensbetrag in Höhe von 700.000 EUR habe die Beklagte somit die Hälfte zu tragen.

III.

14

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere übersteigt der Wert der Beschwer die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Sie hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch in der Sache Erfolg (§ 544 Abs. 9 ZPO) und führt zu einer auf die – einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs bildenden (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2011 – II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschlüsse vom 22. Juli 2014 – VIII ZR 334/13, Rn. 8; vom 16. November 2021 – VIII ZR 15/20, Rn. 11; jeweils mwN) – Höhe des Anspruchs beschränkten Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2016 – V ZR 258/15, NJW 2017, 736 Rn. 25; vom 25. Juli 2022 – VIa ZR 622/21, Rn. 5), weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung insoweit eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Denn es hat zur Höhe des von der Klägerin behaupteten – von der Beklagten bestrittenen – Schadens in Form des entgangenen Gewinns den (angebotenen) Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erhoben.

15

1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 86, 133, 144; 96, 205, 216; BVerfG, Beschluss vom 16. Januar- 2 BvR 1114/23, Rn. 30; Senatsbeschlüsse vom 26. Mai 2020 – VIII ZR 64/19, NJW-RR 2020, 1019 Rn. 13; vom 22. Juni 2021 – VIII ZR 134/20, NJW- RR 2021, 1093 Rn. 13; vom 10. Oktober 2023 – VIII ZB 29/22, NJW-RR 2024, 60 Rn. 19). Der Anspruch auf rechtliches Gehör als grundrechtsgleiches Recht soll sicherstellen, dass die Entscheidung des Gerichts frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2024 – 2 BvR 1114/23, aaO; Senatsbeschluss vom 26. Mai 2020 – VIII ZR 64/19, aaO).

16

Ferner gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines solchen erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (st. Rspr.; siehe etwa BVerfGE 65, 305, 307; 69, 141, 144; BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2024 – 2 BvR 1114/23, aaO; BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2016 – V ZR 232/15, Rn. 5; vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 4; vom 12. Oktober 2021 – VIII ZR 91/20, NJW-RR 2022, 86 Rn. 16; vom 9. Mai 2023 – VIII ZR 160/21, Rn. 15; jeweils mwN).

17

2. Gemessen hieran ist dem Berufungsgericht eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG anzulasten. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung der Schadenshöhe im Wege richterlicher Schätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO, § 252 Satz 2 BGB) den angebotenen Sachverständigenbeweis nicht erhoben, sondern zur Ermittlung des von der Klägerin begehrten entgangenen Gewinns allein auf deren – von der Beklagten bestrittenen – Vortrag zur tatsächlichen sowie zur hypothetischen Gewinnentwicklung des gekauften Unternehmens abgestellt hat.

18

a) Die Annahme des Berufungsgerichts, es bestehe keine Aussicht, mithilfe eines Sachverständigen festzustellen, ob einzelne von der Klägerin zur Ermittlung ihres entgangenen Gewinns herangezogene, von der Beklagten beanstandete Positionen, betriebswirtschaftlich überhaupt einen entgangenen Gewinn begründen können und überdies von der Klägerin der Höhe nach zutreffend berechnet wurden, verletzt die Beklagte in ihrem rechtlichen Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Denn das Berufungsgericht hat diesbezüglich eine besondere eigene Sachkunde in Anspruch genommen, ohne darzulegen, woher es diese bezieht.

19

aa) Der Tatrichter darf, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht – auch im Rahmen der grundsätzlich seinem Ermessen unterliegenden Schadensschätzung (§ 287 ZPO) – auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag. Zudem muss der Tatrichter, wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und ihnen Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen (vgl. BVerfG, NJW 2021, 50 Rn. 20; BGH, Urteile vom 6. Dezember 1995 – VIII ZR 270/94, NJW 1996, 584 unter II 3 b cc; vom 8. Juni 2004 – VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254, 262; vom 29. Januar 2019 – VI ZR 113/17, BGHZ 221, 43 Rn. 32; vom 10. November 2022 – I ZR 16/22, GRUR 2023, 416 Rn. 47; Beschlüsse vom 9. Januar 2018 – VI ZR 106/17, NJW 2018, 2730 Rn. 16; vom 25. Oktober 2023 – VII ZR 17/23, NJW-RR 2024, 148 Rn. 17, 20). Überschreitet das Gericht die Grenzen, die seinem Ermessen im Sinne des § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO gesetzt sind, weil es nach Vorstehendem eine nicht dargelegte Sachkunde in Anspruch nimmt und lehnt es hiernach einen Beweisantrag ab, stellt dies zugleich eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1655 unter II 1; NJW 2021, 50 Rn. 20; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 – IX ZR 173/03, NJW-RR 2007, 500 Rn. 9). Dies gilt auch dann, wenn der Tatrichter auf ein Sachverständigengutachten verzichten will, weil er es auf Grundlage eigener Sachkunde für ungeeignet zur Erbringung sachdienlicher Erkenntnisse hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 2 BvR 1268/03, Rn. 18; BVerfG, GRUR-RR 2009, 375 Rn. 21; BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – VI ZR 106/17, aaO).

20

bb) So liegt der Fall hier. Durch die Annahme, ein Sachverständiger könne weder beurteilen, ob die von der Klägerin vorgelegte Gewinnermittlung der Jahre 2016 bis 2018 zutreffend nach bilanziellen und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde, noch die Höhe der einzelnen Positionen auf ihre Richtigkeit überprüfen, hat sich das Berufungsgericht eine Sachkunde angemaßt, ohne darzulegen, woher es diese nimmt, und versäumt, die Parteien vor Erlass des Urteils hierauf hinzuweisen.

21

(1) Die Nichtzulassungsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, die Beklagte habe die Gewinnermittlung der Klägerin als zur Schadensdarlegung schon grundsätzlich ungeeignet angesehen und hierzu konkret eingewandt, mehrere von der Klägerin in die Berechnung ihres tatsächlichen und ihres hypothetischen Gewinns eingestellte Positionen hätten bereits dem Grunde nach hierzu nicht herangezogen werden dürfen.

22

So hat die Beklagte etwa vorgebracht, die Klägerin habe für die Gewinnermittlung des Jahres 2016 eine gewinnmindernde Wertberichtigung in Höhe von 145.790,83 EUR vorgenommen und periodenfremde Aufwendungen in Höhe von 105.239,55 EUR eingestellt, welche aus dem Jahresabschluss hätten herausgerechnet werden müssen. Zu letzterem hat die Klägerin darauf hingewiesen, diese Periodenverschiebung habe in 2016 zwar den Gewinn erhöht, jedoch der Sache nach den “zuviel gezahlten Kaufpreis kompensiert.” Zudem hat die Beklagte eingewandt, mit Blick auf die Konzernstruktur der Klägerin könne nur der Jahresabschluss im Ganzen Grundlage der Schadensermittlung sein. Es müssten die vollständigen Jahresabschlüsse der Jahre 2015 bis 2018 – einschließlich der Beschlussnachweise -, die Gewinn- und Verlustrechnungen, die Erlöskonten und sämtliche Kontennachweise vorgelegt werden. Diese Unterlagen seien sachverständig auszuwerten. Erst hiernach böte sich dem Gericht eine geeignete Schätzgrundlage.

23

Mit seiner gegenteiligen Annahme, ein Sachverständiger könne nicht feststellen, ob die seitens der Beklagten beanstandeten Positionen “betriebswirtschaftlich” zur Gewinnermittlung “geeignet” seien, hat sich das Berufungsgericht – wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht rügt – ein Fachwissen angemaßt, ohne anzugeben, woher es dieses bezieht, und ohne zuvor den Parteien einen entsprechenden Hinweis zu erteilen. Bereits die Bewertung, ob die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und die hierin enthaltenen Positionen – wie etwa die vorgenannte Wertberichtigung – in betriebswirtschaftlicher Hinsicht zur Ermittlung eines entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) geeignet sind, setzt eine Sachkunde voraus. Eine solche – vorliegend nicht dargelegte – zuverlässige Sachkunde zur Beurteilung einer Gewinnermittlung kann, anders als die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung meint, nicht ohne Weiteres allein deshalb angenommen werden, weil sich das Berufungsgericht (ständig) mit handels- und gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten befasse (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2023 – VII ZR 17/23, NJW-RR 2024, 148 Rn. 18 [zu bautechnischem Fachwissen]).

24

(2) Das Berufungsgericht hat sich ebenso hinsichtlich der Beurteilung der Höhe einzelner in die Gewinnermittlung durch die Klägerin eingestellter Positionen eine eigene Sachkunde angemaßt, ohne darzulegen, worauf diese beruht.

25

(a) Die Nichtzulassungsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass die Beklagte dem Vortrag der Klägerin, wonach diese aufgrund des Verlusts zahlreicher Mitarbeiter auf den – gewinnmindernden – Einsatz von geleastem Fremdpersonal angewiesen gewesen sei, entgegengehalten habe, diese Maßnahme sei aufgrund gesunkener Patientenzahlen nicht notwendig gewesen. Zudem hat die Beklagte die seitens der Klägerin angegebenen Fremdpersonalkosten in Höhe von 397.938 EUR bestritten. Die Beklagte hat ferner den von der Klägerin behaupteten Verlust in Höhe von 355.500 EUR für das Jahr 2016 unter Hinweis auf Umsatzzahlen und den Personalaufwand bestritten; ebenso den Anfall von Managementkosten in Höhe von 10.000 EUR.

26

(b) Den seitens der Beklagten – auch insoweit – angebotenen Sachverständigenbeweis hat das Berufungsgericht nicht erhoben. Es hat vielmehr angenommen, ein Sachverständiger könne nicht angeben, ob einzelne Rechnungsposten in ihrer Höhe “eher auf die unerlaubte Konkurrenz” durch die Beklagte oder “eher auf davon unbeeinflusste unternehmerische Entscheidungen der Klägerin” zurückzuführen seien, und hat den Vortrag der Klägerin zu dem zu erwartenden Gewinn des von dieser übernommenen Unternehmens in der Gesamthöhe von 800.000 EUR als “plausibel und schlüssig” angesehen.

27

Insoweit hat das Berufungsgericht verkannt, dass die vorgenannten Einwände der Beklagten nicht die von ihm zuvor bereits bejahte – von den Parteien im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht angegriffene – Kausalität des Verhaltens der Beklagten für den entgangenen Gewinn der Klägerin betreffen, sondern die Erforderlichkeit sowie die Höhe einzelner in die Gewinnberechnung der Klägerin eingestellter Positionen. Inwiefern es ausgeschlossen ist, dass ein Sachverständiger – einen grundsätzlichen Kausalitätsbeitrag der Beklagten hierzu annehmend – beurteilen kann, ob schadensbegründende – und damit gewinnmindernde – Maßnahmen der Klägerin, etwa durch Hinzuziehung von Fremdpersonal, erforderlich waren (§ 249 BGB; vgl. hierzu Senatsurteil vom 9. Dezember 2020 – VIII ZR 371/18, NJW-RR 2021, 201 Rn. 49 mwN) und ob diese der Höhe nach zutreffend berechnet wurden, legt das Berufungsgericht nicht dar. Dies ist auch nicht ersichtlich, da es sich um dem Sachverständigenbeweis zugängliche Tatsachen handelt.

28

b) Die dem Berufungsgericht unterlaufene Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich (§ 544 Abs. 9 ZPO).

29

aa) Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht im Falle der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einem anderen, hinsichtlich der Schadenshöhe der Beklagten günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

30

bb) Dies gilt sowohl für den Fall, dass ein Sachverständiger zur Berechnung des entgangenen Gewinns der Klägerin fachliche Angaben machen kann, als auch in dem – vom Berufungsgericht angenommenen – Fall, dass er hierzu nicht in der Lage ist und demzufolge weitere Erkenntnisse nicht gewonnen werden können. Denn auch dann fällt die Entscheidung des Berufungsgerichts möglicherweise anders aus, weil der Schaden der Klägerin nicht, wie es das Berufungsgericht im angegriffenen Urteil getan hat, auf der Grundlage von deren Angaben zum tatsächlichen und zum hypothetischen Gewinn im Wege der Schätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO, § 252 Satz 2 BGB) ermittelt werden kann. Ist es einem Sachverständigen nicht möglich, weitere Erkenntnisse zur Höhe des entgangenen Gewinns der Klägerin zu ermitteln, entbehrt eine Schadensschätzung – wie die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend rügt – einer tragfähigen Grundlage. Denn der Vortrag der Klägerin zu ihrem zu erwartenden Gewinn kann nicht als “plausibel und schlüssig” und als (alleiniger) “Anhaltspunkt einer Schadensschätzung” gesehen werden, weil die Beklagte – wie ausgeführt – zahlreiche der Gewinnermittlung zu Grunde liegenden Positionen bestritten hat.

31

Mit seiner Schadensschätzung auf einer zwischen den Parteien streitigen Tatsachengrundlage hat das Berufungsgericht verkannt, dass die aus den Vorschriften der § 287 Abs. 1 ZPO und § 252 Satz 2 BGB folgenden Darlegungs- und Beweiserleichterungen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24. Juni 2009 – VIII ZR 332/07, NJW-RR 2009, 1404 Rn. 16; Beschluss vom 6. Juni 2023 – VI ZR 197/21, NJW-RR 2023, 1038 Rn. 13; jeweils mwN) nichts daran ändern, dass es im Rahmen der notwendigen Prognose des entgangenen Gewinns im Sinne des § 252 Satz 2 BGB konkreter Anknüpfungstatsachen bedarf, die der Geschädigte – hier die Klägerin – darlegen und zur Überzeugung des Gerichts nachweisen muss (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2017 – VI ZR 530/16, NJW 2018, 864 Rn. 15). Erst wenn die Klägerin die für eine Schätzung erforderlichen und bestrittenen Anknüpfungstatsachen, die ihre Gewinnerwartung wahrscheinlich machen sollen, bewiesen hat, kann auf der dann gesicherten Tatsachengrundlage die Schadensschätzung vorgenommen werden (vgl. BGH, Urteile vom 29. März 2000 – VIII ZR 81/99, NJW 2000, 2272 unter II B 2; vom 21. Januar 2016 – I ZR 90/14, GRUR 2016, 860 Rn. 34; vom 8. Mai 2018 – VI ZR 295/17, VersR 2018, 1067 Rn. 37; Beschluss vom 8. Februar 2023 – IV ZR 9/22, ZfSch 2023, 330 Rn. 21; Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 5. Aufl., § 287 Rn. 41). Ist dieser Beweis der Anknüpfungstatsachen – wovon das Berufungsgericht gehörswidrig ausgegangen ist – nicht möglich, überschreitet das Gericht die seinem Ermessen nach § 287 Abs. 1 ZPO gesetzten Grenzen, da es zu einer Schätzung greift, ohne für diese eine tragfähige Grundlage zu haben (vgl. BGH, Urteile vom 17. Januar 1995 – VI ZR 62/94, NJW 1995, 1023 unter II 2 a; vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, NJW 2014, 3151 Rn. 17).

32

Damit ist der Gehörsverstoß in Form der Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens vorliegend auch dann entscheidungserheblich, wenn dieses “weitere Erkenntnisse” nicht erbringen kann, da in diesem Fall die Schätzung des Schadens der Klägerin nicht in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Weise erfolgen darf.

33

3. Die weiteren – den Schaden der Klägerin dem Grunde nach betreffenden – Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO).

IV.

34

Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und der Rechtsstreit hinsichtlich der Anspruchshöhe zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 9 ZPO).

OLG Oldenburg zu der Frage, dass sich ein zur Fälligkeit der Werklohnforderung führendes Abrechnungsverhältnis nicht allein daraus ergibt, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrags gem. § 103 InsO abgelehnt hat

OLG Oldenburg zu der Frage, dass sich ein zur Fälligkeit der Werklohnforderung führendes Abrechnungsverhältnis nicht allein daraus ergibt, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrags gem. § 103 InsO abgelehnt hat

vorgestellt von Thomas Ax

Ein zur Fälligkeit der Werklohnforderung führendes Abrechnungsverhältnis ergibt sich nicht allein daraus, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrags gem. § 103 InsO abgelehnt hat.
OLG Oldenburg, Urteil vom 23.04.2024 – 2 U 128/23
vorhergehend:
LG Oldenburg, 24.11.2023 – 5 O 1825/21

 
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 24.11.2023 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer Landgerichts Oldenburg (5 O 1825/21) wird mit der Maßgabe auf seine Kosten zurückgewiesen, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wird.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

3. Die Revision des Klägers wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des ### (Schuldner) restlichen Werklohn von der Beklagten.

Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil einschließlich der Anträge Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Kläger weiterverfolgte Werklohnforderung des Schuldners nicht fällig sei. Es fehle an einer nach der Beweisaufnahme nicht feststellbaren Abnahme durch die Beklagte, welche diese wegen wesentlicher Mängel sowie ausstehender Restleistungen auch zu Recht verweigere. Es lägen nach den zuletzt nicht mehr angegriffenen Ausführungen des beauftragten Sachverständigen Mängel vor. Ein Teil dieser Mängel zöge bezifferbare Beseitigungskosten in Höhe von 6.104,70 € brutto nach sich. Ferner bestünden erhebliche Mängel, für die neben dem Schuldner auch die Beklagte wegen einer unzureichenden Planung und Ausschreibung verantwortlich sei, was teilweise deren Beteiligung unter dem Gesichtspunkt von Sowiesokosten rechtfertige. Der Kostenaufwand für die Beseitigung dieser Mängel stünde nicht fest, was unerheblich sei. Sie seien funktionaler Natur und führten gemeinsam mit denjenigen Mängeln, deren Beseitigungsaufwand feststehe, sowie den ausstehenden Restleistungen dazu, dass die Abnahmereife nicht gegeben sei. Der Umstand, dass der Kläger gem. § 103 InsO die Nichterfüllung des Vertrages gewählt habe, begründe kein unabhängig von der Abnahme die Fälligkeit des Werklohnanspruchs nach sich ziehendes Abrechnungsverhältnis. Die Klage sei indes als endgültig unbegründet abzuweisen, weil der Kläger die Fälligkeit durch die Wahl der Nichterfüllung i.S.d. § 103 InsO nicht mehr herbeiführen könne.

Gegen dieses Urteil wendet der Kläger sich mit seiner Berufung. Er meint, die Wahl der Nichterfüllung des Bauvertrages durch ihn gem. § 103 InsO führe für sich genommen und unabhängig von der Abnahme oder Abnahmereife zu einem die Fälligkeit der Vergütungsforderung auslösenden Abrechnungsverhältnis. Das ergäbe sich aus grundsätzlichen Erwägungen zu § 103 InsO und den Besonderheiten des vorliegenden Streitfalls wie der Bereitschaft des Schuldners zur Leistungserbringung sowie einem Annahmeverzug der Beklagten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Darüber hinaus meint der Kläger, das seitens des Schuldners hergestellte Werk weise lediglich unwesentliche Mängel auf, die einer Abnahme nicht entgegenstünden, woraus die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs folge. Die durch den Sachverständigen festgestellten Mängel, die mit einem Aufwand von 6.104,70 € brutto zu beseitigen seien, stünden dem nicht entgegen. Die weiteren durch das Landgericht angenommenen Mängel, für die ein Beseitigungsaufwand nicht feststünde, könnten der Abnahmereife nicht entgegenstehen, weil die ihnen zugrundeliegenden Arbeiten vom Schuldner angesichts der vorgefundenen Bausubstanz gar nicht anders hätten ausgeführt werden können, sondern eine andere, nicht vorgegebene Planung vorausgesetzt hätten, deren Umsetzung mit erheblichen Eingriffen in die Bausubstanz verbunden gewesen wäre. Deswegen sei es dem Kläger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, die Abnahme wegen dieser Mängel zu verweigern.


Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 24.11.2023 zum AZ 5 O 1825/21 aufzuheben und die Beklagte entsprechend der erstinstanzlichen Anträge zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt sowie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen unbegründet und führt allein zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung, dass die Klage mangels Fälligkeit als derzeit unbegründet abgewiesen wird.

Dem aufgrund des § 80 Abs. 1 InsO prozessführungsbefugten Kläger steht ein fälliger Anspruch auf den geltend gemachten Werklohn des Schuldners gem. §§ 631 Abs. 1, 650a BGB nicht zu. Die Werkleistung ist weder abgenommen noch abnahmereif. Ferner kommt weder die Fälligkeit gem. § 641 Abs. 2 BGB (Durchgriffsfälligkeit) noch die Fälligkeit auf Grundlage eines Abrechnungsverhältnisses in Betracht.

1. Die Werkleistung des Schuldners ist weder ausdrücklich noch konkludent durch die Beklagte abgenommen worden. Gegen diese durch das Landgericht nach Beweisaufnahme getroffene Feststellung bringt die Berufung nichts vor. Auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils wird insoweit verwiesen.

2. Die Fälligkeit der Werklohnforderung ergibt sich auch nicht über die Abnahmereife der Werkleistung.

Zwar kann im Falle des Zusammentreffens einer unberechtigten Abnahmeverweigerung des Bestellers mit der Abnahmereife des Werks der Unternehmer unmittelbar auf Zahlung des Werklohns klagen. In seinem Zahlungsantrag liegt ein konkludentes Abnahmeverlangen (vgl. OLG Nürnberg, NZBau 2021, 539 Rn. 9 ff. m.w.N.). Allerdings ist die Leistung des Schuldners, deren Erfüllung der Kläger i.S.d. § 103 InsO abgelehnt hat, nicht abnahmereif. Sie weist nicht nur unwesentliche Mängel auf.

a) Der Kläger trägt als Prozessstandschafter des Auftragnehmers die Beweislast dafür, dass die Mängel der Werkleistung des Schuldners unwesentlich sind. Diesen Beweis hat er nicht erbracht. Vielmehr steht auf Grundlage der Gutachten des Sachverständigen EE fest, dass die Mängel der Werkleistung der Klägerin nicht unwesentlich sind und die Beklagte deswegen berechtigen, die Abnahme zu verweigern.

Die Frage, wann ein Mangel unwesentlich ist, ist einer generalisierenden Betrachtung nicht zugänglich, sondern immer am Einzelfall zu entscheiden (vgl. BGH NJW 1981, 1448, 1449 zu § 12 Abs. 3 VOB/B). Es bedarf der Abwägung der beiderseitigen Interessen dahin, ob es für den Auftraggeber zumutbar ist, sich auf eine zügige Abwicklung des gesamten Vertragsverhältnisses einzulassen und so auf die vor der vollzogenen Abnahme bestehenden Vorteile zu verzichten (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeilt/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn.6). In die Bewertung sind der Umfang der Mängelbeseitigungsmaßnahmen, insbesondere die Höhe der Mängelbeseitigungskosten (BGH a.a.O.; BauR 2000, 1482), aber auch die Auswirkungen des Mangels auf die Funktionsfähigkeit des Gesamtwerks und das Maß der Beeinträchtigung einzustellen (vgl. Werner/Pastor, 17. Auflage, Rn. 1787; OLG München Urteil vom 15. Januar 2008 – 13 U 4378/07 -). Eine fühlbare Beeinträchtigung der Funktionalität bzw. Gebrauchsfähigkeit eines Bauwerks, zieht regelmäßig die Einstufung des Mangels als wesentlich nach sich (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn.6). Liegen mehrere Mängel vor, ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich.

b) Diese Kriterien berücksichtigend geht der Senat vorliegend von wesentlichen Mängeln im Gewerk des Schuldners aus.

aa) Zunächst steht fest, dass die vom Landgericht mit insgesamt 6.104,70 € bezifferten Mängelpunkte vorliegen. Auf die insoweit durch die Berufung nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts (S. 9 – 11 LGU) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

bb) Damit hat es indes nicht sein Bewenden. Denn überdies bestehen erhebliche Mängel in Bezug auf die Entwässerung:

(…)

Es steht mithin angesichts der insoweit vom Kläger nicht in Abrede genommenen tatsächlichen Feststellungen fest, dass die Entwässerung des Daches und der Balkone nicht ordnungsgemäß hergestellt, sondern erheblich mangelbehaftet ist.

Der Annahme der Mangelhaftigkeit steht nicht entgegen, dass die Mängel weitgehend auch darauf beruhen, dass die Entwässerung der Flächen und Balkone unzureichend geplant und ausgeschrieben war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes weist ein Werk nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf und ist damit mangelbehaftet, soweit es nicht die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktionstauglichkeit erreicht (vgl. BGH NZBau 2008, 109, 110). Das wiederum gilt unabhängig von der Frage, ob die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben oder die anerkannten Regeln der Technik eingehalten wurden (vgl. BGH a.a.O.). Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und ist dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung respektive Ausführungsart oder den anerkannten Regeln der Technik nicht zu erreichen, schuldet der Auftragnehmer dennoch die vereinbarte Funktionstauglichkeit (vgl. BGH a.a.O.). Reicht mit anderen Worten die Umsetzung der Leistungsbeschreibung (Leistungssoll) nicht aus, um ein funktionstaugliches Werk herzustellen, liegt ein Mangel trotz Erfüllung der Leistungsbeschreibung vor, soweit das Werk nicht funktionstauglich ist (Erfolgssoll verfehlt). Das gilt selbst dann, wenn die Funktionsuntauglichkeit auf vom Besteller bindend vorgegebener Leistungsbeschreibung, auf fehlerhafter Planung des Bestellers bzw. seines Architekten oder einer fehlerhaften Vorunternehmerleistung beruht. Der Werkunternehmer kann sich in diesen Fällen seiner Verantwortung für den Mangel seines Werks nur durch die Erfüllung seiner Prüfungs- und Hinweispflichten entlasten (vgl. BGH a.a.O.). Der Unternehmer wird mithin von der Mängelhaftung frei, wenn er bei gebotener Prüfung die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbeschreibung, der Planung des Bestellers bzw. seines Architekten oder einer Vorunternehmerleistung nicht erkennen konnte, er im Falle der Erkennbarkeit ordnungsgemäß auf seine Bedenken hingewiesen hat oder die Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht nicht ursächlich dafür war, dass die fehlerhaften Vorleistungen nicht korrigiert wurden (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 5 Rn.70 ff).

Dem ist der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. Jurgeleit, a.a.O.; BGH a.a.O.) nicht nachgekommen. Es steht nach den Ausführungen des Sachverständigen fest, dass der Schuldner die unzureichende Ausschreibung/Planung als Fachunternehmer hätte erkennen können und müssen. Unstreitig sind Bedenkenhinweise durch ihn nicht erteilt worden. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass es eines Bedenkenhinweises nicht bedurft hätte. Ein allgemeiner Grundsatz, dass der Unternehmer auf die Fachkenntnisse des Hauptunternehmers vertrauen darf, ist grundsätzlich nicht anzuerkennen (vgl. Jurgeleit, a.a.O., Teil 5 Rn.65). Eine solche Annahme ist auch vorliegend nicht angezeigt.

Ferner trifft die rechtliche Sichtweise der Berufung nicht zu, dass das Landgericht die Mangelhaftigkeit der Leistung des Schuldners auf eine “Hilfskonstruktion” wegen einer angeblichen Verletzung der Aufklärungspflicht gestützt hat. Es hat vielmehr die Grundlagen des BGH zum funktionalen Mangelbegriff zutreffend angewendet. Ferner geht der Einwand der Berufung ins Leere, der Sachverständige habe erklärt, die Arbeiten hätten durch den Schuldner gar nicht anders ausgeführt werden können. Das hat der Sachverständige in Bezug auf die Entwässerung nicht angegeben und das trifft auch nicht zu.

Die Funktionsbeeinträchtigungen bei der Entwässerung von Dachflächen und Balkonen sind wesentlich. Sie beeinträchtigen die Nutzbarkeit und Funktionalität des durch den Schuldner hergestellten Bauwerks insgesamt. Das zieht die Wesentlichkeit des Mangels nach sich (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn.6). Angesichts der Funktionsbeeinträchtigung bedarf es auch nicht der Feststellung des konkreten Mängelbeseitigungsaufwands. Die Feststellung der Wesentlichkeit dieser Mängel im Zusammenhang mit der Entwässerung lässt sich unabhängig davon treffen. Auch die Frage, inwieweit sich die Beklagte an den Kosten für die mangelfreie Herstellung in Form der Vergabe zusätzlicher vergütungspflichtiger Aufträge bzw. Sowieso-Kosten zu beteiligen hätte, kann auf sich beruhen. Sie ist von derjenigen der gegebenen Mangelhaftigkeit getrennt zu betrachten und spielt für die Einordnung, ob wesentliche oder unwesentliche Mängel vorliegen, keine Rolle.

cc) Hinzu tritt, dass im Bereich B 470/Küche (Mangelpunkt 37 GA) ein Gesimsblech nicht erneuert worden ist. Außerdem ist im Bereich B 533 (Mangelpunkt 40 und 45 GA) die Attikaabdeckung nicht umlaufend ausgeführt und es fehlt der Handlauf der Bodeneinschubtreppe als Absturzsicherung im Spitzbodenbereich (Mangelpunkt 49 GA), was unabhängig von der nicht erfolgten Ausschreibung dieser Leistungen einen Mangel darstellt. Die Abdeckung ist zum Schutz der Attika funktional erforderlich; der Einbau des Handlaufs aus Sicherheitsgründen. Auch insoweit steht die denkbare Zuschusspflicht der Beklagten im Rahmen einer Mängelbeseitigung der Annahme eines Mangels nicht entgegen.

dd) Die Gesamtheit der unter aa) bis cc) beschriebenen Mängel führt zu der Bewertung, dass diese wesentlich sind und das Werk nicht abnahmereif ist. Dasselbe Ergebnis zieht bereits die separate und eigenständige Betrachtung der Mängel aus dem Bereich der Entwässerung nach sich.

Vor diesem Hintergrund lässt der Senat es auf sich beruhen, ob tatsächlich von einer Mangelhaftigkeit ausgegangen werden kann, weil

– die Gehwegplatten auf der Dachterrasse im Bereich B533 (Mangelpunkt 42 GA) nicht plan verlegt sind

– der Laufweg vor dem Spitzboden nicht komplett hergestellt worden ist, weil sonst die Brandschutztür nicht geschlossen werden könnte bzw. die Brandschutzluken wegen der Dämmung nicht schließbar sind (Mangelpunkte 48, 50 – 52)

– die Abdichtung im Bereich der Balkone B250, B 436 und B 439a jeweils an die Türschwelle und nicht unter die Fenster geführt worden ist (Mangelpunkte 3, 4, 5, 18, 27 GA).

Insoweit hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 24.3.2023 (Protokoll S. 3 f.; Bl. 60 f. Bd. II d.A.) ausgeführt, dass die Einhaltung der verletzten allgemein anerkannten Regeln der Technik im Rahmen der vorgenommenen Altbausanierung dazu geführt hätte, dass andere verletzt worden wären bzw. die Einhaltung aller Fachregeln erhebliche Umbaumaßnahmen wie den Abbruch und Neubau der Balkone nach sich gezogen hätte. Vor diesem Hintergrund käme möglicherweise in Betracht, dass die Beklagte trotz der an sich notwendigen Hinweise auf eine Durchführung der aus der Sicht des Unternehmers bedenklichen Leistungen bestanden hätte (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 5 Rn. 74), was indes keiner abschließenden Entscheidung bedarf.

3. Für eine Durchgriffsfälligkeit gem. § 641 Abs. 2 BGB hat der Kläger keinerlei Tatsachen vorgetragen. Vielmehr ergibt sich aus dem Streitverkündungsschriftsatz der Beklagten vom 27.6.2023 (Bl. 117 Bd. II d.A.), dass im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber weder ausreichende Zahlungen vorgenommen wurden, noch eine Abnahme der Leistungen erfolgt ist.

4. Die Abnahme als Voraussetzung der Vergütungsfälligkeit ist auch nicht aus anderen Umständen entbehrlich. Ein die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis liegt nicht vor. Insbesondere ergibt sich ein solches nicht daraus, dass der Kläger die Erfüllung des Bauvertrages, auf den das Erfüllungswahlrecht des § 103 InsO grundsätzlich Anwendung findet (vgl. BGH NZI 2002, 375, 376), mit Schriftsatz vom 24.4.2023 (Bl. 70 Bd. II d.A.) abgelehnt hat.

a) Der Senat verkennt nicht, dass dies in der Literatur teilweise abweichend beurteilt wird. Es wird vertreten, dass der die Erfüllung ablehnende Insolvenzverwalter unabhängig von einer Abnahme und wesentlichen Mängeln des teilweise erbrachten Werkes einen Anspruch auf den fiktiven Wert des mangelfreien Werkes abzüglich der Mangelbeseitigungskosten habe (vgl. Huber ZInsO 2005, 449, 551). Andernorts wird unter Bezugnahme auf die Vorschrift des § 645 BGB sowie die missliche Lage des Insolvenzverwalters, der zur Erfüllung des Bauvertrages in Gestalt eines abnahmereifen Werks außerstande ist und damit die Werklohnforderung nicht zur Masse ziehen kann, das Abnahmeerfordernis suspendiert und auf § 271 BGB zurückgegriffen (vgl. Bopp, Der Bauvertrag in der Insolvenz, S. 241f) bzw. unter Annahme einer Vertragsspaltung in einen erfüllten und einen nicht erfüllten Teil des Bauvertrages, die auf der analogen Anwendung des § 105 InsO auch auf die Vorleistung des Schuldners beruht, eine Abrechnung der Vergütungsforderung unter Minderung von Mangelbeseitigungskosten angenommen (vgl. Bopp, a.a.O., S. 284ff). Ferner wird vertreten, dass ein zur Fälligkeit führendes Abrechnungsverhältnis dadurch entsteht, dass der die Vertragserfüllung ablehnende Insolvenzverwalter für das mangelhafte Werk Vergütung verlangt und der Auftraggeber diese verweigert, weil er damit seine Gegenansprüche geltend mache oder jedenfalls die Abnahme des mangelhaften Teilgewerks endgültig verweigere (vgl. Matthies, BauR 2012, 1005, 1011). Demgegenüber vertreten andere Stimmen die Auffassung, dass die Erfüllungsablehnung i.S.d. § 103 InsO kein eigenes Abrechnungsverhältnis begründet, sondern vielmehr die Vergütungsforderung für den Insolvenzverwalter undurchsetzbar bleibt, wenn wesentliche Mängel vorliegen, keine Abnahme erfolgt ist und die Abnahme auch nicht aus anderen Gründen ausnahmsweise entbehrlich erscheint (vgl. Schmitz, Der Bauvertrag in der Insolvenz, ibr-online, Stand 30.8.2021, Rn. 53f; ders. in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2. Aufl., Kap. 9 Rn. 91, 94 ff; Thode ZfBR 2006, 638, 640; wohl auch Matthies in BeckOK Insolvenzrecht, 34. Edition, Stand: 15.01.2024, Bau- und Architektenrecht in der Insolvenz Rn. 337).

b) Die letztgenannte Auffassung verdient den Vorzug. Ein Abrechnungsverhältnis allein dadurch, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrages gem. § 103 InsO ablehnt, ist nicht anzuerkennen.

aa) Ein die Fälligkeit der Werklohnforderung unabhängig von einer Abnahme und trotz fehlender Abnahmepflicht herbeiführendes Abrechnungsverhältnis ist gegeben, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrages, sondern Minderung oder Schadensersatz verlangt oder die Abnahme des Werks oder weitere Arbeiten des Unternehmers ernsthaft und endgültig ablehnt (vgl. BGH NJW 2006, 2475 Rn. 26 m.w.N.; BGH NJW 2017, 1607 Rn. 44, 47) oder die Erfüllung unmöglich geworden ist (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 490 m.w.N.). Es sind mithin Fälle betroffen, in denen dem Unternehmer eine Werklohnforderung zusteht und der Besteller allein auf Geldzahlung gerichtete Ansprüche wegen der unvollständigen oder mangelhaften Fertigstellung des Werks beanspruchen kann (BGH NJW 2005, 2771). Das entscheidende Kriterium für die Annahme eines solchen Abrechnungsverhältnisses liegt darin, dass es dem Unternehmer rechtlich und/oder tatsächlich unmöglich ist, den Anspruch des Bestellers im Wesentlichen mangelfrei zu erfüllen und er damit selbst die Voraussetzungen für eine Pflicht des Bestellers zur Abnahme und damit letztlich die Fälligkeit seines Werklohnanspruchs nicht herbeiführen kann (vgl. BGH NJW 2020, 2270 Rn. 21).

bb) Gemessen daran begründet die Wahl der Nichterfüllung des Bauvertrages durch den klagenden Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO kein unabhängig von der Abnahme und Abnahmereife die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis.

Nach gefestigter Rechtsprechung hat die Wahl der Nichterfüllung des Vertrages durch den Insolvenzverwalter keine materiell-rechtliche Wirkung, sondern bestätigt nur die durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesetzlich eingetretene Suspendierung der Hauptleistungspflichten (vgl. BGH NZI 2002, 375). Diese wirkt nur für die Dauer des Insolvenzverfahrens und schafft ein auf dessen Zeitraum begrenztes Leistungsverweigerungsrecht (vgl. Huber in MüKo InsO, 4. Aufl., § 103 Rn. 18, 43). Macht nun der Vertragspartner von der ihm in § 103 Abs. 2 S. 1 InsO eröffneten Möglichkeit, seinen Anspruch wegen Nichterfüllung zur Insolvenztabelle anzumelden, keinen Gebrauch, bleibt ihm sein (werkvertraglicher) Erfüllungsanspruch erhalten (vgl. BGH NZI 2013, 296 Rn. 8), sofern dem nicht eine anderweitige Regelung in einem Insolvenzplan oder eine Restschuldbefreiung des Schuldners entgegenstehen. Dieser Anspruch ist während des Insolvenzverfahrens undurchsetzbar, kann aber nach Aufhebung des Insolvenzverfahren geltend gemacht werden (vgl. BGH a.a.O.). Genauso kann der Schuldner in diesem Fall, soweit er nicht als juristische Person liquidiert und beendet wird, nach der (abnahmereifen) Erfüllung die ausstehende Vergütung verlangen.

Auch wenn das Wiederaufleben der Forderungen nach Beendigung eines Insolvenzverfahrens nicht der Regelfall sein wird, entsteht angesichts der dargestellten Rechtslage gerade keine Sachlage, in der es dem Schuldner rechtlich und/oder tatsächlich unmöglich wäre, die Voraussetzungen der Abnahmepflicht des Bestellers herbeizuführen, wenn sich der Insolvenzverwalter i.S.d. § 103 InsO dafür entscheidet, den Bauvertrag nicht zu erfüllen, solange der Besteller seinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht gem. § 103 Abs. 2 S. 1 InsO zur Insolvenztabelle anmeldet. Soweit eine Werklohnforderung lediglich undurchsetzbar ist, begründet dies kein Abrechnungsverhältnis (vgl. BGH NJW 2020, 2270 Rn. 19 ff., 21 für den Fall der Verjährung); wird dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt oder wird er als juristische Person liquidiert und beendet, erlöschen die Forderungen.

Auch bezogen auf den Insolvenzverwalter lässt sich kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Er hat zwar nach der grundsätzlich bindenden sowie rechtsgestaltenden Ablehnung der Erfüllung des Bauvertrages oder dem Schweigen auf eine Aufforderung des Bestellers, sein Wahlrecht auszuüben (§ 103 Abs. 2 S. 2, 3 InsO), keine Möglichkeit mehr, die Abnahmereife herzustellen. Allerdings handelt es sich unter dem maßgeblichen Blickwinkel des bestehenden Bauvertrages und nicht der persönlichen Möglichkeiten des Insolvenzverwalters lediglich um einen temporären Zustand, der mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet. Zudem erscheint es verfehlt, für die Bestimmung des Abrechnungsverhältnisses allein auf den Zeitpunkt der Erfüllungsablehnung gem. § 103 InsO abzustellen. Vielmehr ist maßgeblich, dass der Insolvenzverwalter bis zur Ausübung seines Wahlrechts die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hatte, den Anspruch des Bestellers im Wesentlichen mangelfrei zu erfüllen und damit selbst die Voraussetzungen für eine Pflicht des Bestellers zur Abnahme und damit letztlich die Fälligkeit seines Werklohnanspruchs herbeizuführen. Mit seiner Entscheidung, den Bauvertrag nicht zu erfüllen, verhält sich der Insolvenzverwalter wie ein Unternehmer, der die Mängelbeseitigung verweigert und als Kompensation für die Mängel einen Abzug von der Rechnung vornimmt. Genauso wie dem Unternehmer dieser Weg, ein Abrechnungsverhältnis dergestalt eigenmächtig herbeizuführen, verschlossen bleibt (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 492), gilt dies für den Insolvenzverwalter.

Damit ist der Insolvenzverwalter auch nicht über die Maßen benachteiligt. Es entspricht seinen Pflichten, abzuschätzen, ob die Erfüllung des Bauvertrages und der damit zur Masse zu ziehende (Rest-) Werklohn es rechtfertigt, das Bauwerk mangelfrei fertig zu stellen. Danach hat er die Entscheidung zu treffen, ob es lohnt, den Betrieb des Schuldners aufrecht zu erhalten, oder, wenn dies unwirtschaftlich oder unmöglich erscheint, gegebenenfalls einen Drittunternehmer mit der Mängelbeseitigung zu beauftragen. In diesem Fall werden die (Nach-)Erfüllungsansprüche des Bestellers gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO sowie die Werklohnansprüche eines beauftragten Drittunternehmers nach § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten und es entsteht ein Haftungsrisiko des Insolvenzverwalters nach § 61 Abs. 1 S. 2 InsO. Auch wenn entsprechende Entscheidungen im Einzelfall schwierig zu treffen sein mögen, weil der Bautenstand und die Mängel für den Insolvenzverwalter schwer zu beurteilen sein können, liegen sie in seinem ihm gesetzlich übertragenen Pflichtenkreis. Damit verbundene Risiken können mithin nicht als unzumutbar angesehen werden. Insbesondere stellen sie keinen sachlich gerechtfertigten Grund dar, dem Insolvenzverwalter wider die werkvertraglichen Grundsätze den für ihn deutlich einfacheren und haftungsrechtlich risikoärmeren Weg zu eröffnen, die Vertragserfüllung gem. § 103 InsO abzulehnen und im Anschluss dem Besteller die Vergütung zu berechnen, um diese im Streitfall gerichtlich geltend zu machen, im Zuge dessen die Mängel aufzuklären und die Kosten für deren Beseitigung bestimmen sowie diese durch Urteil von der Werklohnforderung in Abzug bringen zu lassen. Anders ausgedrückt: Kommt der Insolvenzverwalter den ihm gesetzlich übertragenen Pflichten nach, wird er sich für eine Vertragserfüllung entscheiden, wenn der ausstehende Werklohnanspruch die Kosten der mangelfreien Fertigstellung übersteigt. Er wird indes davon absehen, sofern die Kosten der Mängelbeseitigung die unbezahlte Vergütung erreichen oder übersteigen.

Schon aus diesem Grund lässt sich nicht einwenden, dass der Besteller mit seiner Entscheidung, keinen Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen und damit den Bauvertrag unbeendet zu belassen, wirtschaftliche Zwecke verfolgt. Zum einen wäre er dazu allein auf Grund einer vorangehenden, wirtschaftlichen Entscheidung des Insolvenzverwalters in der Lage. Überdies gilt Folgendes: Sobald feststeht, dass der Besteller das Werk dauerhaft mit den darin verkörperten Mängeln behält, die Mangelbeseitigung dauerhaft unmöglich wird oder der Besteller das Werk selbst bzw. durch einen Drittunternehmer fertigstellen lässt, entsteht ein die Fälligkeit der Werklohnforderung unabhängig von der Abnahme auslösendes Abrechnungsverhältnis (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 490ff). Gleiches gilt, sobald der Besteller einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zur Insolvenztabelle anmeldet. Vorliegend steht allerdings entgegen der Andeutungen der Berufung gerade nicht fest, dass die Beklagte die Arbeiten so belassen möchte. Sie befindet sich ausweislich ihres unwidersprochen gebliebenen Vortrags aus dem Streitverkündungsschriftsatz im Streit mit ihrem Auftraggeber.

Auch der Umstand, dass der Besteller im Falle des Schadensersatzverlangens wegen Nichterfüllung mit diesen Kosten gegenüber dem durch den Insolvenzverwalter geltend gemachten Werklohnanspruch aufrechnen kann (vgl. BGH NZBau 2005, 685, 686f), rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Dies mag es für den Besteller attraktiver machen, den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend zu machen. Solange er dies indes nicht tut, entsteht kein Abrechnungsverhältnis.

Die von der Berufung darüber hinaus geltend gemachten Umstände vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, wie ein Verzug der Beklagten mit der Annahme von Mängelbeseitigungsarbeiten oder eine nicht bzw. zu niedrig geleisteten Sicherheit gem. § 650f BGB, lässt der Senat dahinstehen. Denn sie rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Insbesondere kommt eine Fälligkeit der Forderung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben aus den durch den Kläger dargestellten Gründen nicht in Betracht.

5. Allerdings war die Klage nicht als endgültig, sondern nur mangels Fälligkeit als derzeit unbegründet abzuweisen. Sollte die Beklagte oder ihre Auftraggeberin die Mängel beseitigen oder sie doch noch ihre Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend machen, träte ein Abrechnungsverhältnis ein.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die beschränkte Zulassung der Revision zugunsten des Klägers beruht darauf, dass die Frage, ob die Wahl der Nichterfüllung eines Werkvertrages durch den Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO unabhängig von der der Abnahme oder eines anderen Abnahmesurrogats ein die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis herbeiführt, höchstrichterlich nicht geklärt und in der Literatur umstritten ist.

OLG Stuttgart zu der Frage, dass eine der Höhe nach unangemessene Sicherheit sich insbesondere daraus ergeben kann, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt

OLG Stuttgart zu der Frage, dass eine der Höhe nach unangemessene Sicherheit sich insbesondere daraus ergeben kann, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt

vorgestellt von Thomas Ax

1. Eine unangemessene Benachteiligung kann auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn sich aus den vom Auftraggeber gestellten formularmäßigen Vertragsbestimmungen eines Bauvertrags – für sich genommen oder in ihrem Zusammenwirken – ergibt, dass der Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt.
2. Eine solche, der Höhe nach unangemessene Sicherheit kann sich dabei insbesondere daraus ergeben, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt und dem Auftraggeber für etwaige Mängelansprüche sowohl die Sicherheit für die Vertragserfüllung als auch die Sicherheit für Mängelansprüche zur Verfügung steht.
OLG Stuttgart, Urteil vom 25.04.2024 – 13 U 97/23
vorhergehend:
LG Stuttgart, 04.04.2023 – 47 O 611/21

In dem Rechtsstreit

(…)

wegen Bürgenhaftung

hat das Oberlandesgericht Stuttgart – 13. Zivilsenat – durch die Richterin am Oberlandesgericht ###, den Richter am Landgericht Dr. ### und die Richterin am Oberlandesgericht ### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen. Streitwert des Berufungsverfahrens: 406.097,00 Euro

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Bestimmungen zur Gestellung von Sicherheiten in einem Bauvertrag über die schlüsselfertige Erstellung des Bauvorhabens “###”, bestehend aus zwei Gebäuden mit insgesamt 52 Wohnungen, Freianlagen und Tiefgarage in der ###-Straße ### in ###. Die Beklagten werden hierbei als Bürgen der zwischenzeitlich insolventen Generalunternehmerin ### GmbH von der Klägerin (Bestellerin/Auftraggeberin) auf Zahlung von insgesamt 406.097,00 Euro in Anspruch genommen.

Der zwischen der Klägerin und der ### GmbH am 23.03.2016 geschlossene “Vertrag über Planungs- und Bauleistungen in einem partnerschaftlichen Baumodell” (Anlage K 1 – nachfolgend “GU-Vertrag”, auf CD-ROM [wie alle Anlagen K 1 bis K 53]) enthält u.a. die folgenden Bestimmungen (wobei AN = Auftragnehmer/### GmbH, AG = Auftraggeber/Klägerin):

“§ 2 Vertragsgrundlagen

Der AN hat seine Leistungen aufgrund folgender Vertragsgrundlagen zu erbringen:

2.1 dieser Vertrag,

(…)

2.3 Für Bauleistungen die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der bei Vertragsunterzeichnung gültigen Fassung.

(…)

2.8 lm Falle von Widersprüchen zwischen den Vertragsgrundlagen hat diejenige Angabe Gültigkeit, die zu einer höherwertigeren Ausführung des Bauvorhabens führen wird. Ist der Widerspruch hierdurch nicht aufzulösen, sind die erforderlichen Angaben dem Referenzobjekt (§ 3.8.1 dieses Vertrages) zu entnehmen. Sind aus dem Referenzobjekt keine Vorgaben ableitbar, gehen zeichnerische Angaben den textlichen vor. Soweit hierdurch der Widerspruch noch nicht gelöst wird, geht die vorstehend oder in der Auflistung in Anlage 2.2 zuerst genannte Vertragsgrundlage der später genannten Vertragsgrundlage vor.

(…)

§ 10 Zahlungen und Abrechnung

10.1 Für seine Leistungen erhält der AN zunächst Abschlagszahlungen nach Maßgabe des ggf. wegen geänderter oder zusätzlicher Leistungen anzupassenden Zahlungsplans (Anlage 2.2 ###). Die Höhe der jeweiligen Zahlung richtet sich nach dem tatsächlichen Leistungsstand, wobei jeweils 90 % des Wertes der nachgewiesenen erbrachten Leistungen zu Vertragspreisen zur Auszahlung gelangen. Der Sicherheitseinbehalt ist durch Erfüllungsbürgschaft eines deutschen Kreditinstituts oder eines deutschen Kreditversicherers gem. Muster AG ablösbar.

(…)

10.4. Alle Abschlagszahlungen sind, zuzüglich Mehrwertsteuer, 15 Werk-Tage nach Eingang einer prüffähigen Abschlagsrechnung fällig.

10.5 Die Schlusszahlungen erfolgt, ggfs. abzüglich des nachfolgend in § 13.3 dieses Vertrages bestimmten Einbehalts für Mängelansprüche in Höhe von 5 %, innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme und Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung.

(…)

§ 11 Abnahme der Leistungen des AN

11.1 Alle Leistungen des AN nach § 3 dieses Vertrages sind förmlich abzunehmen. Eine fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B sowie eine Abnahme durch Ingebrauchnahme sind ausgeschlossen. § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB bleibt unberührt. Teilabnahmen sind ausgeschlossen.

11.2 Der AN hat die vollständige Fertigstellung der ihm nach Maßgabe dieses Vertrages übertragenen Leistungen schriftlich anzuzeigen und die Abnahme der Leistungen zu beantragen. Eine Abnahmebegehung zur Erlangung der förmlichen Abnahme der dem AN übertragenen Leistungen hat innerhalb von 20 Werktagen nach Zugang der Anzeige beim AG zu erfolgen. Mit dem Abnahmeverlangen hat der AN dem AG folgende Unterlagen zu übergeben:

(1) Nachunternehmerverzeichnis

(2) Behördliche Genehmigungen, soweit diese nicht dem AG in direktem Wege zugestellt wurden

(3) Alle Prüftestate und Abnahmebescheinigungen von staatlichen Stellen oder hierfür besonders bestimmten Stellen, insbesondere Abnahmebescheinigungen des TÜV für diejenigen technischen Anlagen, die einer solchen Abnahme bedürfen

(4) Alle vertraglich vereinbarten Nachweise über Eigenschaften von Baustoffen

(5) Alle Bedienungs-, Wartungs- und Pflegeanleitungen, Handbücher und sonstige Unterlagen für technische Anlagen, die einer solchen Abnahme bedürfen

(6) Die gültigen Bestands- und Revisionspläne der baulichen Anlagen einschließlich Kalt- und Warmwasserzuleitungen, Heizungs-, Lüftungs-, Klimaanlagen, Elektroanlagen, Abwasserleitungen, Beförderungsanlagen, Feuerlöschanlagen sowie Werkstattzeichnungen der technischen Anlagen;

(7) Sämtliche Werkstatt- und Montagepläne

(8) Einweisungsprotokolle für Nutzer

Die Übergabe der vorstehenden Unterlagen ist Abnahmevoraussetzung, soweit der AN sie nicht von Dritten, die nicht selbst von ihm beauftragt sind (z.B. Behörden), nicht erhält oder vom AG selbst zu beschaffen sind. Sofern im Vertrag weitere Unterlagen genannt sind, sind diese spätestens vier Wochen nach Abnahme zu übergeben. (…)

§ 13 Sicherheiten

13.1 Erfüllungssicherheit

Der AN hat dem AG für die Erfüllung aller Ansprüche, die dem AG aus diesem Vertragsverhältnis gegenüber dem AN zustehen oder zustehen können, insbesondere Erfüllungsansprüche, Mängelansprüche einschließlich bei der Abnahme vorbehaltener Mängel, Rückzahlungsansprüche bzgl. geleisteter Anzahlungen, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, Schadenersatzansprüche statt der Leistung oder aus sonstigen Gründen einschließlich deliktischer Ansprüche Sicherheit in Höhe von 5 % des Brutto-Vertragspreises gemäß § 7.1 dieses Vertrages (einschließlich MwSt.) zu leisten. Die Sicherheit hat auch künftige Ansprüche aus etwaigen Änderungs-, Ergänzungs-, Erweiterungs-, Zusatz oder Nachtragsvereinbarungen mit abzusichern. Im Übrigen hat die Sicherheit ebenfalls gesetzliche und vertragliche Rückgriffs- und Schadenersatzansprüche (einschließlich Bürgenregress- und Gesamtschuldnerausgleich) des AG gegenüber dem AN für den Fall, dass der AG,

• gem. § 1 a Arbeitnehmerentsendegesetz auf Mindestentgelt,

• nach den Vorschriften des SGB oder anderen gesetzlichen Vorschriften für Sozialversicherungsbeiträge/Unfallversicherungsbeiträge und andere Beiträge, die vom AN oder dessen Subunternehmern geschuldet werden;

• im Zusammenhang mit den Steuerabzugsverpflichtungen nach den §§ 48 bis 48d EstG, in Anspruch genommen werden, abzusichern.

Die Vertragsparteien haben als Sicherheit eine Bürgschaft vereinbart. Die Bürgschaft muss selbstschuldnerisch, unbefristet, unbedingt, unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit sowie der Aufrechenbarkeit mit anderen als unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen als auch auf Vorausklage sowie auf Hinterlegung ausgestellt sein. Die Bürgschaftsforderung muss deutschem Recht unterstehen; der Bürge muss seinen Geschäftssitz in Deutschland haben oder aber unwiderruflich einen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland benennen. Sie muss auch ansonsten dem Muster in Anlage 10.1 entsprechen.

Die Bürgschaft ist binnen einer Frist von zwei Wochen nach Abschluss dieses Vertrages zu stellen. Solange die Bürgschaft nicht vorliegt, kann der AG den Einbehalt von Abschlagszahlungen in entsprechender Höhe vornehmen (siehe oben § 10.1.). Er kann außerdem diesen Vertrag kündigen, wenn die Bürgschaft nicht innerhalb einer angemessenen Nachfrist nachgereicht wird.

13.2 Austausch der Sicherheiten

Der AN kann vorbehaltlich der nachfolgenden Regelung die Erfüllungssicherheit nach Abnahme seiner Leistung, Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung sowie Gestellung der Sicherheit für Mängelansprüche zurückverlangen. Der AG kann nach seiner Wahl die Übergabe einer neuen Teilerfüllungssicherheit zur Absicherung folgender Ansprüche geltend machen:

(i) Anspruch auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel in Höhe des Nacherfüllungsinteresses (bis zum zweifachen Mängelbeseitigungsaufwand) sowie

(ii) Anspruch auf Erbringung von zurückgestellten, bis zur Abnahme nicht ausgeführten Leistungen in Höhe der hierfür anfallenden Vergütung

oder die Rückgabe der Erfüllungssicherheit gemäß § 13.1 dieses Vertrages in entsprechender Höhe (teilweise) verweigern.

13.3 Bürgschaft für Mängelansprüche

Für die Dauer der Mängelhaftung hat der AN dem AG für etwaige Mängelhaftungsansprüche Sicherheiten in Höhe von 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssummen zu leisten (einschließlich MwSt.). Sicherheiten sind in Form von Mängelhaftungsbürgschaften gemäß Muster in Anlage 13.3 zu erbringen, für die § 13.1 entsprechend gilt. Bis zur Überreichung kann der AG 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssumme einbehalten. § 17 Abs. 6 VOB/B ist im Übrigen ausgeschlossen.

Nach Ablauf der jeweiligen Verjährungsfristen für die Mängelansprüche erfolgt eine entsprechende (Teil-)Freigabe. Im Hinblick auf folgende Gewerke, für die die Parteien eine zehnjährige Verjährungsfrist vereinbart haben, vereinbaren die Parteien, dass der AG die Bürgschaft für Mängelansprüche in Höhe von EUR ### (zweifacher Wert) erst nach Ablauf der zehnjährigen Gewährleistungsfrist freizugeben und dann die Urkunde zurückzugeben hat. (…)”

Die Beklagte zu 1) gab am 07.07.2016 zu dem o.g. Bauvorhaben für die ### GmbH gegenüber der Klägerin eine “Kombinierte Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft” über eine Höchstbetragssumme von 175.000,00 Euro und am 23.09.2016 eine solche über einen Höchstbetrag von 31.097,00 Euro ab (Anlage K 2).

Die Beklagte zu 2) erteilte am 11.07.2016 zu dem o.g. Bauvorhaben für die ### GmbH gegenüber der Klägerin eine “Kombinierte Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft” zum Höchstbetrag von 100.000,00 Euro und am 12.09.2016 eine weitere Bürgschaft zur Sicherstellung der “vertragsgemäßen Ausführung” und der “vertragsgemäßen Mängelansprüche” bis zu einem Betrag von 100.000,00 Euro (Anlage K 2).

Die ### GmbH beendete ihre Leistungen nicht vollständig. Mit Schreiben vom 02.05.2018 (Anlage K 16) erklärte die Klägerin die Kündigung des GU-Vertrags. Nach eigenem Insolvenzantrag der ### GmbH vom 02.11.2019 wurde am 01.01.2020 das Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet. Die Klägerin nahm infolgedessen die Beklagten jeweils auf der Grundlage der übernommenen Bürgschaften auf Zahlung in Anspruch (Anlage K 31).

Im Einzelnen begehrt die Klägerin Ersatz von behaupteten Fertigstellungsmehrkosten und Mängelbeseitigungskosten, Ersatz für ihren Kunden (den Erwerbern) mangelbedingt erteilte Gutschriften, Ersatz sonstiger Schäden sowie Zahlung von Vertragsstrafe wegen behaupteter verschuldeter Überschreitung des Gesamtfertigstellungstermins. Auf Seite 4 f. ihrer Replik vom 24.06.2022 (eALG Bl. 206 f.), worauf wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Klägerin überdies klargestellt, in welcher konkreten Reihen- und Rangfolge sie die behaupteten – jeweils nach Grund und Höhe streitigen – und in ihrer Summe die Höchstbeträge der streitgegenständlichen Bürgschaften übersteigenden Ansprüche – verteilt auf die vier Bürgschaften – geltend macht.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

1. Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 206.097,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

2. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 200.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

Die Beklagten haben jeweils Klageabweisung betragt.

Sie sind den behaupteten Hauptforderungen im Einzelnen entgegengetreten und haben darüber hinaus die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 768, 812, 821 BGB) erhoben. Die Sicherungsabreden im GU-Vertrag, bei denen es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handele, hielten der erforderlichen Inhaltskontrolle nicht stand und seien unwirksam. Es liege eine Übersicherung vor, welche den Auftragnehmer (### GmbH) unangemessen benachteilige.

Die Beklagte zu 2) hat des Weiteren geltend gemacht, dass die Klägerin ihre am 12.09.2016 abgegebene Bürgschaft nicht akzeptiert habe und daher ohnehin keine Grundlage bestehe, aus dieser vorzugehen.

Für die weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und den übrigen landgerichtlichen Akteninhalt Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagten könnten ihrer Inanspruchnahme als Bürgen aus § 765 BGB den ihnen nach §§ 768, 821 BGB im Verhältnis zur Klägerin zustehenden Einwand entgegenhalten, dass die zwischen der Klägerin und der ### GmbH zustande gekommenen Sicherungsvereinbarungen insgesamt nach §§ 305, 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien. Die von der Klägerin gestellte vertragliche Regelung in § 13 in Kombination mit den Regelungen in § 10 des GU-Vertrags benachteilige die ### GmbH unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Bei den maßgeblichen Vertragsbestimmungen handele es sich um formularmäßig vorgedruckte Regelungen der Klägerin. Diese seien nicht gemäß § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB im Einzelnen von den Parteien ausgehandelt worden. Vielmehr habe die Klägerin sie der ### GmbH einseitig gestellt. Aus dem Inhalt und der Gestaltung der in einem Bauvertrag verwendeten Bedingungen könne sich nach der Rechtsprechung ein vom Verwender zu widerlegender Anschein ergeben, dass sie zur Mehrfachverwendung vorformuliert seien. Diesen Anschein erwecke der GU-Vertrag. Die einzelnen Reglungen bestünden aus einer Vielzahl von formelhaften Wendungen zur Regelung typischer konfliktgefährdeter Sachverhalte. Der Klägerin sei es trotz entsprechenden Hinweises nicht gelungen, diesen Anschein zu widerlegen. Das seitens der Klägerin geäußerte Bestreiten, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, sei nicht ausreichend. Tatsachen, die Anhaltspunkte zur Widerlegung des Anscheins böten, trage die Klägerin nicht vor.

Das von der Klägerin verwendete Klauselgefüge über die Stellung einer Vertragserfüllungs- und Mängelbürgschaft in Kombination mit dem unter § 10 geregelten Einbehalt stelle gemäß § 307 Abs. 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung der ### GmbH dar. Zusammenfassend lasse sich aus der Zusammenschau der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sagen, dass eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vorliege, wenn nach Abnahme des Werkes Ansprüche des Auftraggebers über einen nicht unerheblichen Zeitraum besichert würden, die nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme lägen. Dies sei ebenso der Fall, wenn für den Zeitraum vor Abnahme Ansprüche des Auftraggebers von über 10 % der Auftragssumme gesichert würden. Möglich sei auch, dass eine Kombination beider für sich genommen wirksamen Sicherungen zu einer Unwirksamkeit der Regelungen insgesamt führen könne, wenn diese sich überlappten und beide dem Auftraggeber zur Verfügung stünden. Gerade ein solcher Fall der Überlappung mehrerer Sicherheiten liege hier vor. Hierdurch bestehe die Gefahr, dass der Klägerin über den Zeitraum der Abnahme hinaus für Mängelansprüche sowohl die Erfüllungsbürgschaft (bzw. der Sicherheitseinbehalt von 10 %) als auch die Bürgschaft der Mängelansprüche (§ 13.3) zur Befriedigung zustünden.

Zunächst sei bereits zweifelhaft, ob sich eine Unangemessenheit und damit Unwirksamkeit dieser Abreden bereits mit Blick auf das Verhältnis von § 10.1 in Zusammenschau mit § 13.1 ergebe. § 10 regele, dass die Leistungen des Auftragnehmers nach dem Leistungsstand zu bezahlen und insoweit Abschlagszahlungen fällig seien, wobei nur 90 % zur Auszahlung gelangten. Dieser Sicherungseinbehalt in Höhe von 10 % könne durch eine Erfüllungsbürgschaft abgelöst werden. § 13.1 regele weiter zur Erfüllungssicherheit, dass der Auftragnehmer eine Sicherheit zur Erfüllung aller Ansprüche, insbesondere Erfüllungs- als auch Mängelansprüche, in Höhe von 5 % des Bruttovertragspreises zu leisten habe. Diese Regelungen legten den Anschein nahe, dass der Auftragnehmer zum einen eine Bürgschaft in Höhe von 10 % zu leisten habe, um den vollen Betrag seiner Abschlagsrechnungen zu erhalten, und daneben eine weitere Bürgschaft in Höhe von 5 %, die sowohl die Erfüllungsansprüche absichere und insoweit den gleichen Inhalt habe wie die unter § 10.1 geregelte Bürgschaft, als auch mögliche Gewährleistungsansprüche. Die Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten mit sodann 15 % überschreite das Maß des Angemessenen. Dieser Auslegung stehe der letzte Absatz in § 13.1 nicht zwingend entgegen, wonach der Auftraggeber, solange die Bürgschaft nicht vorliege, den Einbehalt von Abschlagszahlungen in entsprechender Höhe nach § 10.1 vornehmen könne. Soweit die Klägerin daraus folgere, dass die Sicherheiten in § 10 und § 13.1 eindeutig nicht kumulativ bestehen sollten, sei dies gerade mit Blick darauf, dass § 10 keinerlei Bezug auf § 13.1. nehme (wohingegen für die Schlusszahlungen in § 10.5 durchaus ein Bezug zu § 13.3 hergestellt werde), weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik zwingend, zumal in § 10.1. vorgeschrieben werde, dass die Sicherheit durch Erfüllungsbürgschaft “gem. Muster AG” abgelöst werden könne, wohingegen § 13.1. bereits im Vertragstext konkrete Vorgaben für die Bürgschaft mache und hier auf Anlage 10.1 als Muster verweise.

Deutlich werde die unangemessene Benachteiligung auch mit Blick auf § 13.1 sowie § 13.3, die letztlich beide zur Sicherung von Mängelansprüchen des Auftraggebers dienten. Nach dem Wortlaut in § 13.1 sichere die Erfüllungssicherheit alle Ansprüche des Auftraggebers, mithin sowohl Erfüllungs- als auch Mängelansprüche. § 13.3 regele eine zu stellende Sicherheit in Höhe von 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme für etwaige Mängelhaftungsansprüche, bis zu deren Vorlage der Auftraggeber 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme einbehalten könne. § 13.2 regele zum Austausch der Sicherheiten, dass die Erfüllungssicherheit nach Abnahme der Leistung, Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung und auch Gestellung der Sicherheit nach § 13.3 zurückverlangt werden könne. Der Auftraggeber könne jedoch nach seiner Wahl die Rückgabe der Erfüllungssicherheit verweigern oder eine neue Teilerfüllungssicherheit für die Ansprüche auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel sowie auf Erbringung nicht ausgeführter Leistungen nach § 13.2 verlangen. Durch die Vertragskonstruktion könne es zu einer Konstellation kommen, wonach die Klägerin durch die Kombination dieser Sicherheiten auch nach Abnahme Sicherheiten in Höhe von deutlich über 5 % der Auftragssumme einbehalte, was unter Berücksichtigung der Interessen des Auftragnehmers unangemessen sei. Der Auftraggeber habe durch das Wahlrecht in § 13.2 die Möglichkeit, zusätzlich zu der Summe von 5 % – auch noch längere Zeit nach der Abnahme, z.B. bei Streit über noch offene Forderungen des Auftragnehmers – eine Erhöhung der Bürgschaft um das Doppelte von Mängelbeseitigungskosten zu verlangen oder eben die Erfüllungsbürgschaft einzubehalten.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel vollumfänglich weiter.

Soweit das Landgericht die maßgeblichen Vertragsbestimmungen im GU-Vertrag als der AGB-Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB unterliegend ansehe, werde dem nach wie vor widersprochen und insoweit auf den Vortrag in erster Instanz verwiesen.

Die Auffassung des Landgerichts, dass die vertraglichen Sicherheitsabreden nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien, sei unzutreffend. Zunächst sei die Darstellung der Regelungen zur Erfüllungssicherheit aus dem GU-Vertrag im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils unvollständig. Zwar würden die maßgeblichen Regelungen in § 10.1 und § 13.1 zutreffend zitiert. Das Erstgericht übersehe allerdings, dass die Vertragsparteien in § 2.3 die Geltung der “Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der bei Vertragsunterzeichnung gültigen Fassung” (seinerzeit die VOB/B 2012) vereinbart hätten. Bei der Erfüllungssicherheit hätten die Vertragsparteien – anders als explizit bei der Mängelsicherheit (§ 13.3) – die Regelung des § 17 Abs. 6 VOB/B nicht ausgeschlossen, so dass diese im Hinblick auf die vereinbarten Erfüllungssicherheiten in § 10.1 und § 13.1 vereinbart worden sei. Auch hätten die Parteien durch Einbeziehung der VOB/B 2012 ein alternatives Wahlrecht des Auftragnehmers gem. § 17 Abs. 3 VOB/B 2012 vereinbart.

Soweit das Landgericht den Regelungen in § 10.1 und § 13.1 des GU-Vertrags die (mögliche) Verpflichtung entnehme, dass der Auftragnehmer zum einen eine Bürgschaft in Höhe von 10 % (zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts in § 10.1) zu leisten habe und daneben eine weitere Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % gem. § 13.1, sei eine solche “kundenfeindlichste” Auslegung nicht möglich und zulässig. Denn nach der vereinbarten Regelung in § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B 2012 dürfe der Auftraggeber den Sicherheitseinbehalt zwar – wie in § 10.1 des GU-Vertrags vorgesehen – bei den einzelnen Abschlagsrechnungen in Höhe von maximal 10 % vornehmen, allerdings insgesamt nur bis zur Höhe der vereinbarten Sicherheitssumme, welche in § 13.1 in Höhe von 5 % des Bruttovertragspreises vereinbart worden sei. Selbst wenn man die Gefahr einer Kumulation von Einbehalt/Ablösebürgschaft gem. § 10.1 und Vertragserfüllungsbürgschaft gem. § 13.1 annehmen wollte, so habe auch dann jedenfalls die Gefahr einer Erfüllungssicherheit von über 10 % des Bruttovertragspreises nicht bestanden, da sowohl Einbehalt/Ablösebürgschaft (§ 10.1 des GU-Vertrags i.V.m. § 17 Abs. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B), als auch Bürgschaft (§ 13.1 des GU-Vertrags) auf eine Höhe von je 5 % beschränkt gewesen seien, somit zusammen allenfalls maximal 10 % des Bruttovertragspreises erreicht hätten, was nicht zu beanstanden wäre. Die Möglichkeit einer Kumulation habe aber ohnehin angesichts der Regelungen in § 13.1 des GU-Vertrags nicht bestanden, da darin einerseits die höhenmäßige Begrenzung des in § 10.1 des GU-Vertrags vereinbarten Sicherheitseinbehalts (5 % des Bruttovertragspreises) durch das Wort “entsprechender” zum Ausdruck komme, andererseits auch, dass die Sicherheiten in Gestalt eines Werklohneinbehalts gemäß §§ 10.1, 13.1 bzw. einer Vertragserfüllungsbürgschaft gemäß § 13.1 zwei Alternativen derselben Sicherheit verkörperten, so dass jede Kumulierung insoweit ausscheide. Diese Alternativität ergebe sich zusätzlich aus den vereinbarten Regelungen der VOB/B 2012, § 17 Abs. 6 Nr. 1 bzw. Nr. 3 [gemeint wohl: Abs. 3]. Auch die “kundenfeindlichste” Auslegung müsse sich im Rahmen der anerkannten Auslegungsgrundsätze bewegen. Wenn das Landgericht darauf abstellen wolle, dass der Konnex von § 13.1 und § 10.1 zwar durch die vorgenannten Verweise in § 13.1 aufgezeigt werde, es aber in § 10.1 an korrespondierenden Verweisen wiederum auf § 13.1 fehle, so überzeuge dies nicht. Das Gericht verkenne, dass im Rahmen von § 307 BGB zwar grundsätzlich eine einzelklauselbezogene Würdigung erfolge, bei dem zugrunde zu legenden Klauselinhalt und dessen Auslegung – auch nach § 305c Abs. 2 BGB – jedoch nicht nur der Wortlaut der jeweiligen Einzelklausel zu berücksichtigen sei, sondern auch deren erkennbarer Sinn und Zweck sowie systematische Gesichtspunkte. Eine Formularklausel sei vor dem Hintergrund des gesamten Formularvertrags zu interpretieren. Demgegenüber verstoße es gegen die Grenzen zulässiger Auslegung, wenn eine Klausel isoliert und aus dem Zusammenhang des Gesamtklauselwerks gerissen interpretiert werde. Dies müsse umso mehr gelten, wenn sich, wie es das Landgericht unzutreffend meine, eine Unwirksamkeit nach § 307 BGB ohnehin gerade erst aus einer Gesamtschau und Kumulierung der Rechtsfolgen beider Vertragsbestimmungen herleiten lassen solle.

Auch die Annahme einer unangemessenen “Überlappung” der Sicherungen nach § 13.1 bis § 13.3 des GU-Vertrags sei unzutreffend. Aus § 13.1 ergebe sich zwar, dass die dortige Vertragserfüllungssicherheit auch Mängelansprüche einschließlich bei der Abnahme vorbehaltener Mängel sichern solle. Insofern sicherten sowohl die Vertragserfüllungssicherheit gem. § 13.1 als auch die Mängelsicherheit gem. § 13.3 Mängelansprüche, die bei Abnahme entstanden seien oder nach Abnahme entstünden. Ebenso eindeutig sei aber durch § 13.2 Satz 1 geregelt, dass der Auftragnehmer die Erfüllungssicherheit nach Abnahme seiner Leistung, Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung und Stellung der Sicherheit für Mängelansprüche zurückverlangen könne. Es sei somit ein durchsetzbarer Anspruch auf Herausgabe der Vertragserfüllungssicherheit vereinbart, sodass die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für eine Unangemessenheit sprechende Konstellation, dass die Mängelansprüche sichernde Vertragserfüllungssicherheit “längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss” gerade nicht bestehe. Unbeachtlich sei insoweit, ob eine Mängelbürgschaft durch den Auftragnehmer gestellt werde, oder der Auftraggeber einen Einbehalt in Höhe von 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme vornehme. Unbeachtlich sei auch, dass der Anspruch des Auftragnehmers auf Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit nach § 13 Abs. 2 Satz 1 des GU-Vertrags – im Vergleich zum Wortlaut des § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B – zusätzlich von der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung abhängig gemacht werde. Denn erst nach Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung sei die Berechnung der Höhe der Mängelsicherheit überhaupt möglich; der Auftragnehmer habe es zudem ab Abnahme selbst in der Hand, seine prüffähige Schlussrechnung alsbald nach Abnahme zu stellen – bzw. sei gemäß § 14 Abs. 1 und 3 VOB/B sogar ohnehin gehalten, dies kurzfristig nach Abnahme zu tun.

Demgemäß könne sich eine Unangemessenheit nur aus den weiteren Regelungen in § 13 Abs. 2 Satz 2 des GU-Vertrags ergeben. Jedoch bestehe bei keiner der dort vorgesehenen Konstellationen die Gefahr einer unangemessenen Übersicherung: Fordere der Auftraggeber nach § 13.2 Satz 2 Alt. 1 eine (neue) Teilerfüllungssicherheit (nur) zur Absicherung bestehender Ansprüche auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel (maximal in Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands), so führe dies nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung. Dem Auftraggeber stehe nämlich von Gesetzes wegen ohnehin das Recht auf Zahlungseinbehalt in angemessener Höhe nach §§ 641 Abs. 3 BGB, § 632a Abs. 1 Satz 3 BGB a. F zu. Nachdem dem Auftragnehmer zudem gemäß § 17 Abs. 3 VOB/B 2012 die Wahl unter den verschiedenen Arten der Sicherheit verbleibe, könne dieser sogar auswählen, ob diese Sicherheit durch entsprechende Einbehalte an seinem Werklohn oder durch Bürgschaft geleistet werden solle. Die ihm so zustehende Ablösemöglichkeit eines Einbehalts gem. §§ 641 Abs. 3/632a Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. stelle somit für den Auftragnehmer eine Verbesserung gegenüber der gesetzlichen Lage dar; an Stelle des gesetzlich (nur) vorgesehenen Einbehalts von Werklohnliquidität könne er gemäß § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags eine Bürgschaft stellen, die seine Liquidität weniger belaste und das Risiko einer Insolvenz des Auftraggebers ausblende. Mache der Auftraggeber demgegenüber von seinem Wahlrecht in § 13 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 des GU-Vertrags Gebrauch und verweigere wegen bestehender Ansprüche auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel teilweise die Rückgabe der Erfüllungssicherheit, so stehe ihm neben der bereits übergebenen Sicherheit für Mängelansprüche nicht etwa die gesamte Vertragserfüllungssicherheit gemäß § 13.1 in voller Höhe zusätzlich zur Absicherung von Mängeln nach Abnahme zur Verfügung, sondern eben nur teilweise und nur zur Absicherung eines Anspruchs auf Beseitigung der bei Abnahme festgehaltenen Mängel. Angesichts dessen, dass dem Auftraggeber auf der Grundlage der §§ 632a Abs. 1 S. 3, 641 Abs. 3 BGB a. F. ein Recht zum Einbehalt von Werklohnzahlungen wegen des Anspruchs auf Beseitigung der Abnahmemängel zustehe, ergebe sich auch insoweit allenfalls eine verbesserte Position des Auftragnehmers gegenüber der gesetzlichen Regelung. Und der Auftraggeber habe – anders als der Auftragnehmer gemäß dem ergänzend vereinbarten § 17 Abs. 3 VOB/B 2012 – auch kein Wahl- bzw. Austauschrecht mehr dahingehend, doch stattdessen seinerseits einen Einbehalt von Werklohnliquidität wegen Abnahmemängeln vornehmen zu können. Aus dem in beiden Alternativen des § 13.2 eingeschränkten Sicherungszweck folge zudem, dass eine inhaltliche und zeitliche Parallelität und “Überlappung” einer Sicherung gemäß § 13.2 zu einer Sicherung gemäß § 13.3 im Stadium nach Abnahme allenfalls in ausgesprochen eingeschränktem Umfang entstehen könne, der eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB nicht auslösen könne. Die Überlegung des Landgerichts, dass § 13.2 des GU-Vertrags es dem Auftraggeber ermögliche, auf unangemessene Weise die Vertragserfüllungssicherheit gemäß § 13.1 (teilweise) zurückzuhalten, weil mit dem Auftragnehmer Streit über das Bestehen von Mängeln bei Abnahme entstehen könne, verkenne, dass auch § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B dem Auftraggeber die Möglichkeit eröffne, Teile einer Vertragserfüllungssicherheit wegen noch offener Ansprüche zurückzubehalten, die in den Sicherungszweck dieser Sicherheit fielen. Auch über das Bestehen solcher Ansprüche könne Streit mit einem Auftragnehmer entstehen, der sich potenziell über längere Zeit hinziehen könne. Gleichwohl erkenne die Rechtsprechung eine solche Regelung ohne Weiteres an.

Schließlich führe, selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Regelung in § 13.2. Satz 2 des GU-Vertrags zusätzlich zur Mängelsicherheit nach § 13.3. als solche eine Unangemessenheit bewirkte, dies nach den Grundsätzen der Rechtsprechung nicht zur Unwirksamkeit der Sicherheitenabreden insgesamt. Insbesondere bliebe die Wirksamkeit von § 13.1 des GU-Vertrags (samt Rückgaberegelung in § 13.2 Satz 1) als Rechtsgrund für die von der ### GmbH ursprünglich gestellten Vertragserfüllungssicherheiten, aus denen die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit ihre Klageforderungen herleite, unberührt. Eine solche Beschränkung sei auch keine unzulässige “geltungserhaltende Reduktion”.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:

1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21 wird abgeändert und die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin Euro 206.097,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

2. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21 wird abgeändert und die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin Euro 200.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen jeweils,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil als richtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 01.02.2024 (eAOLG Bl. 114 ff.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagten können der Inanspruchnahme aus den von ihnen übernommenen Bürgschaften gemäß §§ 768 Abs. 1 Satz 1, 812, 821 BGB die Einrede entgegenhalten, die ### GmbH habe die Bürgschaften ohne rechtlichen Grund gestellt.

1. Der Bürge kann gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Hat der Bürge eine Sicherung gewährt, obwohl die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unwirksam ist, so kann er sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Gläubigers auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des Hauptschuldners berufen, dass der Gläubiger die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen hat. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des Akzessorietätsgedankens, der sicherstellen soll, dass der Bürge grundsätzlich nicht mehr zu leisten hat als der Hauptschuldner (BGH, Urt. v. 22.01.2015 – VII ZR 120/14, Rn. 14; Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12, Rn. 15; Urt. v. 12.02.2009 – VII ZR 39/08, BGHZ 179, 374, Rn. 9; Urt. v. 23.01.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311, 316 m.w.N.).

2. Bei den in Rede stehenden und eingangs auszugsweise zitierten Regelungen im GU-Vertrag, namentlich dessen §§ 10, 11 und 13, handelt es sich zur Überzeugung des Senats um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die seitens der Klägerin ihrer Vertragspartnerin, der ### GmbH, im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB gestellt wurden. Das Landgericht hat diese Feststellung mit zutreffender Begründung und unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v. 26.02.2004 – VII ZR 247/02 -; Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 53/03, BGHZ 157, 102) auf einen diesbezüglichen Anscheinsbeweis gestützt. Der mit “Vertrag über Planungs- und Bauleistungen in einem partnerschaftlichen Baumodell” überschriebene GU-Vertrag (Anlage K 1) ist auf seiner ersten Seite mit dem Schriftzug und dem Logo der Klägerin versehen und enthält zahlreiche Regelungen, darunter auch die hier maßgeblichen Bestimmungen, die nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt sind. Des Weiteren finden sich darin Platzhalter und Verweise auf “Muster” des Auftraggebers (so etwa in § 10.1 oder in § 13.1 und § 13.3). Die Klägerin hat den Anschein des Vorliegens von AGB nicht erschüttert, geschweige denn widerlegt. Sie hat in erster Instanz lediglich ohne jede Substantiierung bestritten, dass es sich bei den maßgeblichen Bestimmungen um von ihr gestellte AGB handeln solle. Auch in der Berufungsbegründung verweist sie insoweit nur auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, ohne diesen zu vertiefen oder überhaupt erstmals tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorzutragen, die gegen eine Einordnung der hier maßgeblichen Bestimmungen als AGB sprechen könnten.

3. Die Sicherungsabrede in § 13.1 des GU-Vertrags ist unwirksam, weil sie in der Gesamtschau mit § 13.2, den Bestimmungen zu den Abnahmevoraussetzungen in § 11.1 und 11.2 sowie mit der Regelung in § 13.3 den Auftragnehmer im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Letztlich offenbleiben kann damit, ob die Regelung in § 13.1 darüber hinaus – und davon unabhängig – auch wegen ihres Zusammenspiels mit § 10.1 des GU-Vertrags unwirksam ist (dazu unter 4.).

a) Das Landgericht hat – wie die Klägerin in der Berufungsbegründung konzediert – die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze dazu, wann eine formularmäßige Regelung in einem Bauvertrag über die Stellung von Vertragserfüllungs- und Mängelgewährleistungssicherheiten gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt, zutreffend zusammengefasst. Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn sich aus den vom Auftraggeber gestellten formularmäßigen Vertragsbestimmungen eines Bauvertrags – für sich genommen oder in ihrem Zusammenwirken – ergibt, dass der Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt. Eine solche, der Höhe nach unangemessene Sicherheit kann sich dabei insbesondere daraus ergeben, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt und dem Auftraggeber für etwaige Mängelansprüche sowohl die Sicherheit für die Vertragserfüllung als auch die Sicherheit für Mängelansprüche zur Verfügung steht (BGH, Urt. v. 16.07.2020 – VII ZR 159/19, Rn. 24; Urt. v. 22.01.2015 – VII ZR 120/14, Rn. 18 m.w.N.).

Als AGB sind die formularmäßigen Vertragsbestimmungen dabei gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Sind danach mehrere Auslegungen rechtlich vertretbar, gehen Zweifel bei der Auslegung gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Außer Betracht bleiben (nur solche) Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind. Nach diesen Grundsätzen ist auch im Individualprozess gemäß § 305c Abs. 2 BGB die “kundenfeindlichste” (hier: “auftragnehmerfeindlichste”) bzw. “verwenderfreundlichste” Auslegung zugrunde zu legen, wenn diese im Rahmen einer vorzunehmenden Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit der Klausel führt und dadurch den Vertragspartner des Verwenders begünstigt (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2020 – VII ZR 159/19, Rn. 27).

b) Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze halten die Bestimmungen in den §§ 13.1, 13.2 und 13.3 GU-Vertrag in ihrer Gesamtschau der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Unwirksamkeit ergibt sich insbesondere aus dem Zusammenspiel der Regelungen.

aa) Nach § 13.1 des GU-Vertrags hat der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % des Bruttovertragspreises zu stellen, die nicht nur Vertragserfüllungs- und Überzahlungsansprüche, sondern auch “Mängelansprüche einschließlich bei Abnahme vorbehaltener Mängel” absichert. Des Weiteren hat der Auftragnehmer nach § 13.3 für die Dauer der Mängelhaftung Sicherheiten für etwaige Mängelhaftungsansprüche in Form von Mängelhaftungsbürgschaften in Höhe von 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssummen zu leisten, bis zu deren Überreichung der Auftraggeber 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssumme einbehalten kann, wobei § 17 Abs. 6 VOB/B im Übrigen ausgeschlossen sein soll (§ 13.2 Satz 4). Nach dem Wortlaut der Regelungen in den §§ 13.1 und 13.3 des GU-Vertrags sichern demnach beide Sicherheiten Mängelansprüche ab.

bb) Soweit § 13.2 Satz 1 ein Zurückverlangen der Vertragserfüllungsbürgschaft durch den Auftragnehmer vorsieht, ist diese Möglichkeit des Zurückverlangens an bestimmte qualifizierte Voraussetzungen geknüpft. Solange diese qualifizierten Voraussetzungen gemäß § 13.2 Satz 1 nicht erfüllt sind, kann der Auftraggeber mithin trotz Erbringung der nach § 13.3 geschuldeten Bürgschaft für Mängelansprüche (oder – bei Nichtbeibringung derselben – des Bareinbehalts in Höhe von 5 % nach § 13.3 Satz 3) die Rückgabe der Erfüllungssicherheit nach § 13.1 verweigern. Hieraus allein ergibt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont und der maßgeblichen “kundenfeindlichsten” Auslegung der getroffenen Regelungen bereits die Möglichkeit einer Überlappung der Sicherheiten für einen ungewissen, nicht unerheblichen Zeitraum nach Abnahmereife. Dies ist für sich genommen schon nicht unproblematisch.

So knüpft § 13.2 Satz 1 die Rückgabe der Sicherheit nach § 13.1 zum einen an die Abnahme, die ihrerseits in § 11.2 an bestimmte zusätzliche Voraussetzungen geknüpft ist, und zum anderen an die Voraussetzung der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung an. Weitere Rückgabevoraussetzung ist die “Gestellung der Sicherheit für Mängelansprüche”, wobei sich der Regelung nicht entnehmen lässt, dass diese “Gestellung”, wie die Klägerin meint, auch bereits in dem Einbehalt des Auftraggebers in Höhe der 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme liegen kann. Vielmehr wird – ausdrücklich abweichend von § 17 Abs. 3 VOB/B – in § 13.3 Satz 2 GU-Vertrag auf “Mängelhaftungsbürgschaften gemäß Muster” abgestellt und dem Auftragnehmer insoweit gerade kein Wahlrecht belassen.

(1) Problematisch hieran ist insbesondere schon, dass bereits die “Abnahme” selbst in § 11.2 des GU-Vertrags an qualifizierte Voraussetzungen geknüpft wird, die über die gesetzlichen Voraussetzungen der Abnahmereife hinausgehen, nämlich an die Übergabe der dort genannten Unterlagen, ohne danach zu differenzieren, ob es sich dabei um wesentliche oder unwesentliche Restleistungen handelt. Außerdem nimmt § 11.2 Satz 3 (8) mit der Pflicht des Auftragnehmers zur Übergabe der “Einweisungsprotokolle für Nutzer” an den Auftraggeber letztlich auf § 3.6.6 des GU-Vertrags Bezug, worin es heißt: “Der AN weist das Bedienungspersonal des AG, und/oder der Käufer und/oder der künftigen Verwalter, insbesondere die Hausmeister nach deren Bestellung, in die Bedienung der technischen Anlagen im erforderlichen Umfang, auch nach Fertigstellung und ggfs. mehrmals (max.2), ein.” Hiernach bleibt weitgehend unklar, welche Einweisungen erfolgt und durch Einweisungsprotokolle belegt werden müssen, um die Abnahmevoraussetzungen zu schaffen. Schon dies birgt die Gefahr in sich, dass die Abnahme seitens des Auftraggebers (der Klägerin) trotz vorhandener Abnahmereife wegen des Fehlens (nicht ausschließbar) unwesentlicher Unterlagen oder Einweisungen hinausgezögert wird, und dass deshalb die Vertragserfüllungssicherheit nach § 13.1 trotz bereits von der Auftragnehmerin (### GmbH) erbrachter Mängelgewährleistungsbürgschaft oder – in Ermangelung dessen – vorhandenen weiteren 5 %-Einbehalts (§ 13.3 Satz 3 des GU-Vertrags) für einen ungewissen, nicht unerheblichen Zeitraum nicht zurückgegeben werden muss.

(2) Soweit § 13.2 Satz 1 die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit darüber hinaus an die Voraussetzung der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung knüpft, trifft zwar das Argument der Klägerin zu, dass der Auftragnehmer ohnehin nach § 14 Abs. 3 VOB/B verpflichtet ist, zeitnah nach Fertigstellung eine prüffähige Schlussrechnung einzureichen, und dass ohne eine solche die Höhe der Gewährleistungsbürgschaft (5 % der Schlussrechnungssumme) schon nicht bestimmt werden kann. Allerdings dürfte eine Schlussrechnung – selbst wenn sie nicht prüfbar sein sollte – eher selten zum Nachteil des Auftragnehmers einen zu niedrigen Betrag aufweisen, so dass mit der Vorlage der Schlussrechnung (auch ohne die Voraussetzungen ihrer Prüfbarkeit) und der Gestellung der sich hieraus errechnenden Mängelgewährleistungssicherheit zumindest in der Regel den Interessen des Auftraggebers hinreichend Genüge getan wird, wohingegen sich Streitigkeiten über die Prüfbarkeit der Schlussrechnung durchaus länger hinziehen können.

Der Gesichtspunkt, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft (zugunsten des Auftraggebers) auch Rückzahlungsansprüche wegen Überzahlungen sichert, die ggf. erst nach Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung festgestellt werden können, trägt ebenfalls nicht. Denn der Auftraggeber wird insoweit bereits dadurch geschützt, dass er nach § 10.1 des GU-Vertrags nur Abschlagszahlungen im Umfang des “Wertes der nachgewiesenen erbrachten Leistungen zu Vertragspreisen” leisten muss, und zwar auch hier nur unter der weiteren Voraussetzung des Eingangs einer “prüffähigen Abschlagsrechnung” (§ 10.4). Überdies bleibt die Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung Voraussetzung für die Fälligkeit der Schlusszahlung (§ 10.5).

cc) Eine unangemessene Benachteiligung der ### GmbH als Auftragnehmerin folgt jedenfalls aus dem Zusammenspiel der vorgenannten Regelungen in Verbindung mit der – ihrerseits schon für sich genommen die ### GmbH unangemessen benachteiligenden – Regelung in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags:

(1) Die Klägerin stellt nicht in Frage, dass (zumindest nach der “auftragnehmerfeindlichsten” bzw. “auftraggeberfreundlichsten” Auslegung) sowohl die Erfüllungsbürgschaft nach § 13.1 als auch die “Bürgschaft für Mängelansprüche” nach § 13.3 Mängelansprüche nach Abnahme einschließlich bei Abnahme vorbehaltener Mängel sichern. Dann kann aber die dem Auftraggeber (also nicht etwa dem Auftragnehmer, wie § 17 Abs. 3 VOB/B es ansonsten vorsähe) in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags eingeräumte Wahlmöglichkeit, nach der dieser – wahlweise zur Geltendmachung der Übergabe einer Teilerfüllungssicherheit – die Rückgabe der Erfüllungssicherheit in Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands für sog. Protokollmängel sowie in Höhe der anfallenden Vergütung für bis zur Abnahme noch nicht ausgeführte Leistungen verweigern kann, dazu führen, dass der Auftragnehmer für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass der Auftraggeber zu Unrecht Protokollmängel erhebt und hierüber Streit entsteht. Auch bei berechtigten Ansprüchen auf Beseitigung von bei Abnahme festgestellten Mängeln oder Vornahme von Restarbeiten kann sich deren Erledigung über einen nicht unerheblichen Zeitraum nach Abnahme hinziehen. Dabei kann der zweifache Beseitigungsaufwand je nach Sachlage durchaus eine Größenordnung erreichen, bei der zusammen mit der Sicherheit nach § 13.3 des GU-Vertrags die Schwelle von 5 % der Vertragssumme nicht nur unwesentlich überschritten wird (vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 12.05.2016 – 22 U 34/15, juris Rn. 45 ff.).

(2) Nach Auffassung des Senats lässt sich auch nicht argumentieren, dass die nach § 13.2 Satz 2, 2. Alt. (teilweise) zurückbehaltene Erfüllungssicherheit nur noch die Ansprüche wegen Protokollmängeln und Restarbeiten und die zusätzliche Mängelhaftungssicherheit nur Ansprüche wegen bei Abnahme noch nicht entdeckter Mängel sichere, sich die Sicherungszwecke also gar nicht überschnitten. Ein solches Verständnis gibt jedenfalls die “auftragnehmerfeindlichste” Auslegung nicht her. Zwar dürfte dann, wenn der Auftraggeber sein Wahlrecht nach § 13.2 Satz 2, 1. Alt. dahin ausübt, dass er eine neue Teilerfüllungssicherheit verlangt, hinreichend klar sein, dass diese dann nur noch die vorbehaltenen Ansprüche wegen Protokollmängeln und Restarbeiten sichert. Wählt er aber die teilweise Verweigerung der Rückgabe der Erfüllungssicherheit “in entsprechender Höhe”, dann ergibt sich aus der Klausel gerade nicht eindeutig, dass dann (neben der höhenmäßigen Begrenzung auf den zweifachen Mängelbeseitigungsaufwand) auch der ursprüngliche Sicherungszweck der Erfüllungsbürgschaft auf Protokollmängel und Restarbeiten beschränkt sein soll. Daher erscheint ein Klauselverständnis jedenfalls nicht fernliegend, wonach der einbehaltene Teil der Erfüllungsbürgschaft auch weiterhin Mängelansprüche generell sichert, also auch solche wegen bislang unbekannter Mängel, etwa auch solcher, die in dem Zeitraum, in dem der Auftragnehmer Protokollmängel und Restarbeiten erledigt, erst zu Tage treten. Demgemäß fehlt auch eine eindeutige Regelung, dass die teilweise einbehaltene Erfüllungsbürgschaft schon vor Ablauf der Gewährleistungsfrist zurückzugeben ist, sobald die Protokollmängel und vorbehaltenen Restarbeiten erledigt sind.

Ebenso wenig lässt sich – umgekehrt – den Regelungen in den §§ 13.1 bis 13.3 entnehmen, dass die Mängelsicherheit in § 13.3. nicht auch Ansprüche wegen sog. Protokollmängel erfassen soll. Selbst wenn man also eine Einschränkung des Sicherungszwecks der nach § 13.2 Satz 2, 2. Alt. (teilweise) einbehaltenen Sicherheit auf Protokollmängel und Restleistungen annehmen wollte, dann bliebe immer noch die Möglichkeit einer Überlappung mit § 13.3, weil auch dort Mängelansprüche abgesichert sind und hierunter auch Protokollmängel zu verstehen sind.

(3) Soweit die Klägerin weiter damit argumentiert, dass der Auftragnehmer durch die Klausel in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags sogar bessergestellt sei als bei Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nach § 641 Abs. 3 BGB, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn eine solche Besserstellung würde ein Klauselverständnis voraussetzen, dass der Auftraggeber neben seinem Wahlrecht nach § 13.2 Satz 2 nicht auch noch kumulativ ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB ausüben können soll. Ein solches Verständnis ist aber wiederum nicht zwingend und jedenfalls nicht eindeutig im GU-Vertrag geregelt. Nach der von der Klägerin selbst zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 08.07.1982 – VII ZR 96/81) hindert ein vereinbarter Sicherheitseinbehalt den Auftraggeber auch nach Abnahme der Werkleistung grundsätzlich nicht, die Zahlung fälligen Werklohnes wegen mangelhafter Ausführung des Werkes zu verweigern. Gleiches dürfte dann aber auch für eine anstelle eines Sicherheitseinbehalts vereinbarte Bürgschaft gelten. Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass die Leistungsverweigerung gemäß § 320 BGB (das erst später eingefügte Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB ist nichts anderes als eine Ausprägung des § 320 BGB) über die Sicherung des Anspruchs hinaus auf den Auftragnehmer Druck auszuüben solle, damit er die ihm obliegende Leistung umgehend erbringt. Daher könne die Einrede des § 320 BGB auch nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden (§ 320 Abs. 1 Satz 3 BGB). Solange der Nachbesserungsanspruch bestehe, stehe dem Auftraggeber daher grundsätzlich neben dem Sicherheitseinbehalt ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Werkmängeln zu (BGH, aaO.). Auch wenn eine beträchtliche Sicherheit nicht ohne Belang für die Höhe einer berechtigten Leistungsverweigerung sein möge, brauche sich der Auftraggeber doch nicht wegen Werkmängeln, deren Beseitigungskosten vom Sicherheitsbetrag gedeckt seien, allein auf diesen verweisen zu lassen. Er dürfe vielmehr einen weiteren erheblichen Betrag zurückbehalten, welcher erforderlich erscheine, den Auftragnehmer zur schleunigen Nachbesserung anzuhalten. Die Höhe des Betrags, den der Auftraggeber gemäß § 320 BGB zurückbehalten dürfe, hänge von den jeweiligen Umständen mit Rücksicht auf Treu und Glauben ab (BGH, aaO.).

Nach alledem geht der Bundesgerichtshof allenfalls von einer Reduzierung des Druckzuschlags, aber nicht von einem Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts aus. Solange also in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags nicht eindeutig geregelt ist, dass – entgegen der gesetzlichen Wertung in § 320 Abs. 1 Satz 3 BGB – die neue Teilerfüllungssicherheit oder – nach Wahl des Auftraggebers – die teilweise Einbehaltung der Erfüllungssicherheit wegen Protokollmängeln und Restleistungen an die Stelle des Zurückbehaltungsrechts nach § 641 Abs. 3 BGB treten soll, stellt sich die Regelung nicht als vorteilhaft für den Auftragnehmer dar, der im Übrigen auch nicht danach gefragt werden muss, ob er im konkreten Fall die teilweise Zurückbehaltung der Erfüllungsbürgschaft einem Mängeleinbehalt nach § 641 Abs. 3 BGB vorzieht. Eine angebliche Abwendungsmöglichkeit dieses Einbehalts durch den Auftragnehmer folgt auch nicht aus § 17 Abs. 3 VOB/B, wonach dieser die Wahl unter verschiedenen Sicherheiten hat und eine Sicherheit durch eine andere ersetzen kann. Bei dem Leistungsverweigerungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB handelt es sich schon nicht um eine “Sicherheit” im Sinne des § 17 VOB/B, da es nach der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur der Sicherung von Ansprüchen des Auftraggebers dient, sondern Ausdruck des vertraglichen Synallagmas ist und überdies auf den Auftragnehmer Druck auszuüben soll, damit er die ihm obliegende Leistung umgehend erbringt.

(4) Vor diesem Hintergrund stellt es sich überdies als unangemessen dar, dass § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags das Verlangen einer Teilerfüllungssicherheit oder – wahlweise für den Auftraggeber – die Einbehaltung der Erfüllungsbürgschaft (zusätzlich zur Mängelbürgschaft nach § 13.3) bis zur Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands ermöglicht. Eine Bürgschaft sichert nämlich letztlich immer nur Zahlungsansprüche und nicht unmittelbar den Anspruch auf Mängelbeseitigung. Daher ist auch ein “Druckzuschlag” regelmäßig nicht vom Sicherungszweck einer Bürgschaft erfasst (so auch BGH, Urt. v. 26.03.2015 – VII ZR 92/14).

c) Die aus der Gesamtschau der Bestimmungen in § 13 des GU-Vertrags (auch in Verbindung mit den qualifizierten Abnahmevoraussetzungen des § 11 Abs. 2) folgende unangemessene Benachteiligung der ### GmbH führt wegen der Unteilbarkeit der Regelungen (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2020 – VII ZR 159/19, Rn. 36) zur Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die belastende Wirkung einer für sich allein gesehen noch hinnehmbaren Klausel durch eine oder mehrere weitere Vertragsbestimmungen derart verstärkt werden, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unangemessen benachteiligt wird. Ergibt sich die unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers erst aus der Gesamtwirkung zweier, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Klauseln, sind beide Klauseln unwirksam. Denn es ist nicht Sache des Gerichts auszusuchen, welche der beiden Klauseln bestehen bleiben soll (BGH, Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12, Rn. 27; Urt. v. 05.05.2011 – VII ZR 179/10, Rn. 29; Urt. v. 17.01.1989 – XI ZR 54/88, BGHZ 106, 259, 263 m.w.N.). Gleiches gilt unter den genannten Voraussetzungen auch für den Fall, dass eine der beiden Klauseln bereits für sich genommen unwirksam ist (BGH, Urt. v. 05.05.2011 – VII ZR 179/10, Rn. 29 m.w.N.).

bb) Dies zugrunde gelegt kann vorliegend § 13.1 GU-Vertrag, da die dort geregelte Bürgschaft auch Mängelansprüche nach Abnahme sichert und somit eine Überschneidung mit der Bürgschaft nach § 13.3 droht, ohne die Rückgaberegelung in § 13.2 keinen Bestand haben. § 13.2 kann aber wiederum nicht ohne Weiteres in einen unzulässigen und einen zulässigen Teil aufgespalten werden. Innerhalb von § 13.2 stößt, wie ausgeführt, bereits die Regelung in § 13.2 Satz 1 für sich genommen mit Blick auf die qualifizierten Voraussetzungen der Abnahme in § 11.2 sowie das weitere Erfordernis der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung zumindest auf Bedenken. Jedenfalls in Verbindung mit der Regelung in § 13.2 Satz 2 BGB wird die Schwelle einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers überschritten. Dann ist es aber nicht Sache des Gerichts, hier durch Streichung einzelner Klauseln oder Klauselteile – etwa des gesamten § 13.2 Satz 2 und in § 13.2 Satz 1 der Wörter “vorbehaltlich der nachfolgenden Regelung”, des Worts “prüffähigen” und/oder einzelner Regelungen in § 11.2 – eine noch hinnehmbare Regelung zu generieren. Überdies erhielte die Klausel dadurch einen von ihrem ursprünglichen Inhalt grundsätzlich abweichenden Regelungsgehalt, der letztlich zu einer der Intention des Klauselverwenders entgegenstehenden abweichenden Vertragsgestaltung führen würde (vgl. BGH, Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12, Rn. 28).

cc) Die Rückgaberegelung in § 13.2 GU-Vertrag lässt sich auch nicht insgesamt durch Rückgriff auf § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B ersetzen (sodass § 13.1 für sich genommen bestehen bleiben könnte), nachdem die Parteien mit § 13.2 gerade eine von § 17 Abs. 8 VOB/B abweichende Regelung vereinbart haben, die bei “Widersprüchen” vorgehen sollte (vgl. § 2.8 GU-Vertrag). Dass im Fall der Unwirksamkeit der vorgehenden Klausel dann doch auch insoweit die VOB/B gelten sollte, lässt sich dem GU-Vertrag gerade nicht entnehmen (vgl. auch BGH, Urt. v. 25.03.2015 – VII ZR 92/14, Rn. 43). Im Gegenteil sieht § 20.4 des Vertrags vor, dass in diesem Fall eine “angemessene” Regelung gelten soll, die der unwirksamen Regelung am nächsten kommt. Allerdings sind Klauseln, nach denen eine Regelung gelten soll, die einer nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksamen Klausel soweit wie möglich entspricht, wegen Verstoßes gegen § 306 Abs. 2 ebenfalls nach § 307 BGB unwirksam (vgl. BGH, aaO., Rn. 45 m.w.N).

4. Nach alledem kann offenbleiben, ob sich die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede auch daraus ergibt, dass bei “auftragnehmerfeindlichster” Auslegung die Regelungen in § 10.1, 13.1 und 13.3 Satz 3 GU-Vertrags im Zusammenspiel dazu führen können, dass der Auftragnehmer während des Erfüllungsstadiums (vor Abnahme) Sicherheiten von mehr als 10 % der Auftragssumme stellen muss, oder ob das Verständnis und Verhältnis dieser Regelungen zueinander insoweit in einem Maße unklar ist, dass sie schon deswegen wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam sind.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

2. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe, die die Zulassung gem. § 543 Abs. 2 ZPO gebieten, nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und es werden auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, die eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Rechtsfortbildung erforderlich machen. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar. Die allgemeinen Grundsätze zur Inhaltskontrolle formularmäßiger Sicherheitsabreden in Bauverträgen einschließlich Fragen der Gesamt- oder Teilunwirksamkeit sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwischenzeitlich im Wesentlichen geklärt. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze auf das vorliegende Klauselwerk.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

Kein deliktischer Schadensersatzanspruch bei „Stoffgleichheit“

Kein deliktischer Schadensersatzanspruch bei „Stoffgleichheit“

von Thomas Ax

Ein Leitungswasserschaden wegen teilweise fehlender Isolierung an den Pressfittingen der verbauten Warmwasserleitungen verletzt nicht das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Integritätsinteresse für den geltend gemachten Schaden. Die Stoffgleichheit mit dem Mangelunwert ist gegeben. Der behauptete Mangel war “nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise zu beheben” (BGH, Urteil vom 23.02.2021 – VI ZR 21/20, Rz. 16, IBRRS 2021, 0841), weil die Wasserleitung mit Fußboden, Wand und Estrich in der Weise verbunden war, dass ein Auswechseln nur unter Zerstörung der anderen Bauteile möglich war. Die Bestellerin der Werkleistung hat bei Fertigstellung ein Gebäude erhalten, bei dem nicht nur die Wasserleitungen, sondern auch die damit verbundenen Teile des Fußbodens und der Wände vom Mangel betroffen waren und die Fehlstellen bis zum Eintritt der Leckage weder geortet waren noch mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand hätten beseitigt werden können, sondern nur durch Komplettaustausch.

OLG Celle, Urteil vom 06.03.2023 – 6 U 35/22

Keine Zahlung von Werklohn, wenn das erstellte Bauwerk aufgrund wesentlicher Mängel nicht abnahmereif

Keine Zahlung von Werklohn, wenn das erstellte Bauwerk aufgrund wesentlicher Mängel nicht abnahmereif

von Thomas Ax

Die Klage des Bauunternehmers auf Zahlung von Werklohn wird abgewiesen, wenn das erstellte Bauwerk aufgrund wesentlicher Mängel nicht abnahmereif ist und somit die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Werklohnes nicht erfüllt sind.

Gemäß § 641 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Vergütung bei der Abnahme des Werkes zu entrichten.

Zwar kann grundsätzlich auch die bloße Abnahmereife zur Fälligkeit des Werklohnanspruches führen (vgl. dazu m.N. OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 17. Mai 2021 – 13 U 365/21). Eine solche Abnahmereife liegt bei wesentlichen Mängeln nicht vor.

Ein Werk ist dann frei von Mängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat, § 633 Abs. 2 S. 1 BGB.

Der Unternehmer schuldet nicht nur die Umsetzung einer möglicherweise fehlerhaften Leistungsbeschreibung, sondern einen funktionalen Bauerfolg. Widersprechen die „geschriebenen“ Vertragsbestandteile den allgemeinen Regeln der Technik, so ist der Unternehmer dennoch verpflichtet, ein mangelfreies Werk zu erbringen (vgl. von Rintelen in Messerschmidt/Voit, 4. Auflage 2022, Kapitel H Rn. 3). Denn zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich dabei nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll (vgl. etwa OLG Braunschweig, Grund- und Teilurteil vom 08. Dezember 2016 – 8 U 111/15).

Ein wesentlicher Mangel liegt in der Regel vor, wenn er nach Art, Umfang und/oder Auswirkung von solchem Gewicht ist, dass dem Besteller vor dem Hintergrund der zugrundeliegenden vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung die Übernahme des Bauwerkes nicht zugemutet werden kann. Unwesentlich ist demgegenüber ein Mangel oder eine fehlende Restleistung, wenn es dem Besteller zumutbar ist, die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzunehmen, und das Interesse des Bestellers an einer Beseitigung verbliebener Mängel vor Abnahme im Einzelfall nicht schützenswert erscheint. Maßgebend für die Beurteilung sind hierbei Art und Umfang der noch ausstehenden Restleistungen und der vorhandenen Mängel sowie ihre konkreten Auswirkungen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien. Die Grenze der Wesentlichkeit wird deshalb regelmäßig bei Mängeln erreicht sein, die für den Besteller bzw. Nutzer Gefahren mit sich bringen, die der Gebrauchsfähigkeit des Werkes entgegenstehen (vgl. m.N. Messerschmidt in Messerschmidt/Voit, 4. Auflage 2022, § 640 Rn. 99).

Wenn der Werklohn des Klägers aufgrund nicht unwesentlicher Mängel noch nicht fällig ist und die Abnahme insoweit berechtigterweise verweigert wird, ist eine Vergütungsklage als derzeit unbegründet abzuweisen (vgl. m.N. Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, § 641 Rn. 6).

Völlige Einstellung der Arbeiten als Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 3, 4 VOB/B?

Völlige Einstellung der Arbeiten als Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 3, 4 VOB/B?

von Thomas Ax

Die völlige Einstellung der Arbeiten kann einen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 3, 4 VOB/B darstellen, wenn sich der Unternehmer nicht auf ein entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht berufen kann. Die Einstellung der Arbeiten ist der Extremfall der unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften i. S. des § 5 Abs. 3 VOB/B. In der unberechtigten Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags, einer Abschlagsrechnung oder aus sonstigen Gründen kann eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht liegen, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen, wenn in den Fällen des § 4 Abs. 7 und 8 Nr. 1 und des § 5 Abs. 4 VOB/B die gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen ist.

Wenn der Auftragnehmer den Beginn der Ausführung verzögert, mit der Vollendung in Verzug gerät oder der Verpflichtung nach § 5 Abs. 3 VOB/B nicht nachkommt, kann der Auftraggeber dem Auftragnehmer nach § 5 Abs. 4 VOB/B eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setzen und erklären, dass er nach fruchtlosem Fristablauf den Auftrag entzieht. § 5 Abs. 3 VOB/B verpflichtet den Auftragnehmer, Arbeitskräfte, Geräte, Gerüste, Stoffe oder Bauteile in gebotenem Umfang vorzuhalten. Sind diese so unzureichend, dass die Ausführungsfristen offenbar nicht eingehalten werden können, muss der Auftragnehmer auf Verlangen unverzüglich Abhilfe schaffen.

Die völlige Einstellung der Arbeiten kann einen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen, wenn sich der Unternehmer nicht auf ein entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht berufen kann. Die Einstellung der Arbeiten ist der Extremfall der unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften im Sinn des § 5 Abs. 3 VOB/B (OLG Stuttgart, Urteil vom 28. April 2020 – 10 U 294/19; Urteil vom 17. August 2021 – 10 U 423/20). Kommt der Auftragnehmer der Verpflichtung nach § 5 Abs. 3 VOB/B trotz berechtigten Abhilfeverlangens nicht nach, gerät der Auftragnehmer mit der Abhilfepflicht in Verzug (OLG Stuttgart, Urteil vom 28. April 2020 – 10 U 294/19).

Wenn bei einem VOB/B-Vertrag der Regelungsbereich der Kündigungsgründe nach VOB/B nicht tangiert ist, ist der Auftraggeber bei Vorliegen eines sonstigen wichtigen Grundes berechtigt, den Vertrag fristlos zu kündigen. Voraussetzung ist, dass durch ein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört oder der Vertragszweck so gefährdet ist, dass es dem vertragstreuen Vertragspartner nicht zumutbar ist, den Vertrag fortzusetzen. Auch wenn die rechtliche Herleitung dieses Kündigungsrechts früher nicht einheitlich beurteilt wurde, steht die Existenz dieses außerordentlichen Kündigungsrechts außer Frage (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 40 m.w.N.; OLG Hamm, Urteil vom 22. Dezember 2011 – 21 U 111/10; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – 21 U 136/14; OLG Jena, Urteil vom 3. Februar 2016 – 2 U 602/13; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 10 U 143/15; Urteil vom 19. September 2017 – 10 U 48/15; Joussen/Vygen in Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 21. Aufl., § 8 Abs. 3 VOB/B Rn. 19; Kober in BeckOGK, Stand: 1.1.2024, § 634 BGB Rn. 835; Busche in MünchKomm-BGB, 9. Aufl., § 648a Rn. 24; Brüninghaus in BeckOK VOB, Stand: 31.1.2023, § 8 Abs. 3 Rn. 5) und findet sich mittlerweile in § 648a BGB n.F..

Zur fristlosen Kündigung des Vertrags kann vor allem eine schuldhaft begangene Vertragsverletzung des Vertragspartners berechtigen. Unerheblich ist dabei, ob es sich um die Verletzung einer Haupt- oder Nebenpflicht handelt. Auch Nebenpflichten können für den vereinbarten Vertragszweck von erheblicher Bedeutung sein, soweit das Verhalten des Auftragnehmers hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, dass er sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95). In Fällen einer schwerwiegenden Vertragsverletzung ist eine vorherige Fristsetzung und Kündigungsandrohung grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95).

Ob ein wichtiger Grund zur Kündigung gegeben ist, ist nach Lage des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei sind für die konkrete vertragliche Situation das Interesse des einen Vertragspartners an der Lösung vom Vertrag und das des anderen an dessen Weiterbestand umfassend gegeneinander abzuwägen (BGH, Urteil vom 2. September 1999 – VII ZR 225/98). Allerdings dürfen die Schutzmechanismen der §§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 7 und 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B nicht durch eine außerordentliche Kündigung umgangen werden.

Stützt sich der Vertrauensverlust des Auftraggebers auf mangelhafte oder zögerliche Arbeiten des Auftragnehmers, hat der Kündigung deshalb grundsätzlich eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung vorauszugehen. Entbehrlich ist sie nach allgemeinen Grundsätzen nur, wenn sie eine reine Förmelei wäre (OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 10 U 143/15; Urteil vom 19. September 2017 – 10 U 48/15; Kober in BeckOGK, Stand: 1.1.2024, § 634 BGB Rn. 835).

In der unberechtigten Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags, einer Abschlagsrechnung oder aus sonstigen Gründen, liegt vor eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht, aus der sich die Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung ergibt (vgl. bspw. OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 2011 – 1 U 154/10; OLG Hamm, Urteil vom 22. Dezember 2011 – 21 U 111/10; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 10 U 143/15 m.w.N.).

Die Vertragsparteien eines VOB/B-Vertrags sind während der Vertragsdurchführung zur Kooperation verpflichtet. Aus dem Kooperationsverhältnis ergeben sich Obliegenheiten und Pflichten zur Mitwirkung und gegenseitigen Information. Die Kooperationspflichten sollen unter anderem gewährleisten, dass in Fällen, in denen nach der Vorstellung einer oder beider Parteien die vertraglich vorgesehene Vertragsdurchführung oder der Inhalt des Vertrages an die geänderten tatsächlichen Umstände angepasst werden muss, entstandene Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte nach Möglichkeit einvernehmlich beigelegt werden.

Ihren Ausdruck haben sie in der VOB/B insbesondere in den Regelungen des § 2 Abs. 5 und Abs. 6 gefunden. Danach soll über eine Vergütung für geänderte oder zusätzliche Leistungen eine Einigung vor der Ausführung getroffen werden. Diese Regelungen sollen die Parteien anhalten, die kritischen Vergütungsfragen frühzeitig und einvernehmlich zu lösen und dadurch spätere Konflikte zu vermeiden (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 – VII ZR 393/98, BGHZ 143, 89).

OLG Hamm zu der Frage, dass wenn ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt ist, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, es die daraus folgende Nichtigkeit gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen hat, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben

OLG Hamm zu der Frage, dass wenn ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt ist, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, es die daraus folgende Nichtigkeit gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen hat, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ist ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, hat es die daraus folgende Nichtigkeit gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben.
2. Die Dispositionsmaxime des Zivilrechts findet in den Fällen ihre Grenze, in denen die Parteien gemeinsam vorsätzlich gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen. Die Folgen dieses Verstoßes können nicht durch übereinstimmenden wahrheitswidrigen Parteivortrag umgangen werden.
3. Es ist den Parteien nicht möglich, die Folgen des Gesetzes mit Hilfe zivilprozessualer Vorschriften nachträglich zu umgehen, wenn ein Zivilgericht von den Tatsachen überzeugt ist, die einen Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG begründen.
OLG Hamm, Urteil vom 06.03.2024 – 12 U 127/22
vorhergehend:
LG Bochum, 07.09.2022 – 2 O 213/21


Tenor:

Die Berufungen des Klägers und des Beklagten gegen das am 07.09.2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum (Az. 2 O 213/21) werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 69 % und dem Beklagten zu 31 % auferlegt.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem vorzeitig beendeten Vertrag über die Erbringung von Gartenbauarbeiten auf dem Grundstück des Beklagten im ###-Straße ### in ###.

Der Kläger, der unter der Firma ### einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb betreibt, begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Werklohn. Der Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung von nach seinem Vortrag geleisteten Abschlagszahlungen.

Der Kläger beabsichtigte, den Garten seines Grundbesitzes umzugestalten. Durch einen gemeinsamen Bekannten, Herrn ###, wurde der Kontakt zum Beklagten hergestellt. Die Parteien trafen sich Ende Mai 2020 am Grundstück des Beklagten und besprachen, welche Arbeiten durchgeführt werden sollten. Der Kläger erstellte daraufhin unter dem 05.06.2020 einen Kostenvorschlag über 16.645,00 Euro, der keine Mehrwertsteuer ausweist, und übermittelte diesen per E-Mail dem Beklagten. Wegen der Einzelheiten dieses Kostenvoranschlags wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift Bezug genommen. Der Beklagte erklärte sich per WhatsApp am 26.07.2020 mit diesem Angebot einverstanden. Am 18.09.2020 nahm der Beklagte die Arbeiten auf; wegen winterlicher Witterung wurden sie am 15.12.2020 unterbrochen.

Die Arbeiten des Klägers wurden letztlich nicht fertiggestellt, die Zusammenarbeit der Parteien beendet. Sie trafen sich zu einem klärenden Gespräch. Der Beklagte hatte zuvor die aus seiner Sicht erbrachten Leistungen ermittelt und hierüber die Anlage K3 (Bl. 193 d. eA. II) zum Schriftsatz vom 07.03.2022 erstellt, auf die Bezug genommen wird. Danach errechnete er unter Berücksichtigung von behaupteten Abschlagszahlungen einen offenen Betrag von noch rund 1.700,00 Euro.

Am 20.04.2021 erteilte der Kläger eine Schlussrechnung über 21.843,96 Euro inklusive 16 % Umsatzsteuer, die der Beklagte nicht beglich. Stattdessen erklärte er mit Schreiben vom 07.06.2021 den Widerruf vom Vertrag und bot an, den von ihm selbst ermittelten noch offenen Betrag von 1.700,00 Euro zu zahlen.

Mit der Klage verfolgt der Kläger den Anspruch auf Zahlung des Rechnungsbetrags in Höhe von 21.843,96 Euro weiter. Der Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung von seinem Vorbringen nach geleisteten Barzahlungen in Höhe von 10.000,00 Euro.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ein Widerrufsrecht des Beklagten bestehe nicht. Er hat behauptet, die in der Schlussrechnung abgerechneten Arbeiten mangelfrei erbracht zu haben. Er habe die durch Aufmaß ermittelten Mengen zutreffend in Ansatz gebracht.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 21.843,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2021 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, er sei gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 BGB zum Widerruf des Vertrages berechtigt, weil der Vertrag ausschließlich über Fernkommunikationsmittel im Sinne des § 312c BGB zustande gekommen und er nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei.

Hilfsweise hat der Beklagte behauptet, er habe an den Kläger bereits Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 10.000,00 Euro in bar geleistet, und zwar am 02.10.2020 einen Betrag in Höhe von 5.000,00 Euro, am 30.10.2020 einen Betrag in Höhe von 3.000,00 Euro und am 04.12.2020 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.000,00 Euro.

Weiter hilfsweise hat sich der Beklagte darauf berufen, der Kläger habe nicht sämtliche Arbeiten gemäß Angebot durchgeführt und ersparte Aufwendungen nicht in Abzug gebracht. Der Kläger sei trotz mehrfacher Bitte, weiterzuarbeiten, nicht mehr erschienen. Der Beklagte hat außerdem mit näheren Ausführungen vorgetragen, die Arbeiten seien nicht sach- und fachgerecht durchgeführt worden. Er hat den Umfang der abgerechneten Mengen und Leistungen bestritten.

Der Beklagte hat widerklagend beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an ihn 10.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der Zustellung der Widerklage zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle vom 26.01. und 17.08.2022 Bezug genommen.

Das Landgericht hat sowohl die Klage als auch die Widerklage nach persönlicher Anhörung der Parteien sowie Vernehmung der Zeugen ### und ### abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Vergütungsanspruch des Klägers bestehe nicht, weil die Parteien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen hätten, die nach § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG die Nichtigkeit des gesamten Vertrages zur Folge habe. Der Kläger habe verbotene Schwarzarbeit geleistet, indem er insgesamt 10.000,00 Euro in bar und ohne Rechnungsstellung verlangt und entgegengenommen habe. Dies habe der Beklagte erkannt und bewusst zu seinem eigenen Vorteil ausgenutzt. Auch wenn die Ohne-Rechnung-Abrede nachträglich getroffen worden sei und sich nur auf einen Teil der vereinbarten Vergütung beziehe, sei der gesamte Vertrag nichtig. Aus diesem Grund könne auch der Beklagte die von ihm gezahlten 10.000,00 Euro nicht erstattet verlangen. Ein solcher Anspruch sei gemäß § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen wenden sich die Parteien mit ihren Berufungen, mit denen sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihre erstinstanzlichen Klage- bzw. Widerklageziele weiterverfolgen. Sie tragen übereinstimmend vor, eine “Schwarzgeldabrede” habe es nicht gegeben.

Der Kläger beanstandet unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Ohne-Rechnung-Abrede getroffen worden sei. Er sei der deutschen Sprache nur teilweise mächtig und habe geglaubt, dass Bauunternehmen in Deutschland, wenn sie die Mehrwertsteuer offen auswiesen, diese auch sofort an das Finanzamt abzuführen hätten. Dabei sei ihm der Unterschied zwischen Kostenvoranschlag und Rechnung nicht bewusst gewesen, so dass er davon ausgegangen sei, dass bereits ein Kostenvoranschlag die Zahlungspflicht an das Finanzamt auslöse. Aus diesem Grund habe er die Mehrwertsteuer in seinem Angebot nicht aufgeführt.

Der Kläger meint unter näheren Ausführungen zudem, das Landgericht sei zu Unrecht zu dem Beweisergebnis gelangt, der Beklagte habe an ihn 10.000,00 Euro in bar gezahlt.

Der Kläger beantragt,

das am 07.09.2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 21.843,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2021 zu zahlen sowie

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

den Kläger unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 10.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der Zustellung der Widerklage zu zahlen sowiedie Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte beanstandet ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen, das Landgericht sei zu Unrecht von einer Ohne-Rechnung-Abrede ausgegangen. Er habe sich über die Steuerpflichtigkeit des Klägers keine Gedanken gemacht und sei davon ausgegangen, dieser werde sich um seine etwaigen Pflichten bezüglich steuerlicher Abgaben selbst kümmern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die Terminsprotokolle vom 08.11.2023 und 06.03.2024 nebst dem zugehörigen Berichterstattervermerk Bezug genommen.

Der Senat hat die Parteien ergänzend persönlich zur Sache angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird ebenfalls Bezug genommen auf die Terminsprotokolle vom 08.11.2023 und 06.03.2024 nebst dem zugehörigen Berichterstattervermerk.

II.

Die zulässigen Berufungen haben in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage und die Widerklage zu Recht abgewiesen.

Wechselseitige Ansprüche der Parteien aus dem streitgegenständlichen Vertrag bestehen nicht, weil dieser nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nichtig ist.

1. Diese Vorschrift enthält das Verbot zum Abschluss eines Werkvertrages, wenn dieser Regelungen enthält, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre sich aufgrund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Das Verbot führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Unternehmer vorsätzlich hiergegen verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt (BGH, Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13, Rn. 13; Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14, Rn. 10; Urteil vom 16.03.2017 – VII ZR 197/16, Rn. 15).

Diese Voraussetzungen liegen hier zur Überzeugung des Senats vor. Der Kläger hat gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen, indem er bereits bei Vertragsschluss beabsichtigte, für die vereinbarte Vergütung keine Umsatzsteuer zu verlangen und abzuführen. Der Beklagte hat dies von Anfang an erkannt und bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt, indem er mit dem Beklagten ein um den Umsatzsteueranteil verringertes Entgelt vereinbart hat. Dies ist ausreichend, um einen zur Nichtigkeit des Vertrages führenden Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG anzunehmen (BGH, Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13, Rn. 13; Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13, Rn. 23; Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14, Rn. 10).

a) Das Landgericht hat es nach Beweisaufnahme für erwiesen angesehen, dass der Beklagte insgesamt 10.000,00 Euro in bar an den Kläger als Abschlagszahlungen auf den vereinbarten Werklohn übergeben hat.

aa) Nach § 529 Abs. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (BGH, Urteil vom 08.06.2004 – VI ZR 230/03; Urteil vom 18.10.2005 – VI ZR 270/04, jeweils m.w.N.). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Urteil vom 08.06.2004 – VI ZR 199/03; BGH, Urteil vom 18.10.2005 – VI ZR 270/04, jeweils m.w.N.). Konkrete Anhaltspunkte können sich aus gerichtsbekannten Tatsachen, aus dem Vortrag der Parteien oder aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben, aber auch aus Fehlern, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGH, Urteil vom 08.06.2004 – VI ZR 230/03 m.w.N.).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellung des Landgerichts begründen, wonach der Beklagte insgesamt 10.000,00 Euro in bar als Abschlagszahlungen auf die vereinbarte Vergütung an den Kläger übergeben hat. Die Beweiswürdigung des Landgerichts entspricht den von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelten Grundsätzen und Anforderungen. Auch sieht der Senat keinen Anlass, das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders zu würdigen als das Gericht der Vorinstanz. Es spricht nichts dafür, dass im Fall einer erneuten Beweiserhebung durch den Senat die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt. Da der Senat die Aussagen der Zeugen nicht anders würdigt als das Landgericht, ist eine erneute Vernehmung der Zeugen nicht angezeigt. Der Senat folgt vollumfänglich der umfangreich und überzeugend begründeten Beweiswürdigung des Landgerichts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Mit seinen hiergegen gerichteten Berufungsangriffen dringt der Kläger nicht durch. Er bringt insoweit keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Beweiswürdigung vor. Auch kann er in Bezug auf seinen Vortrag im Schriftsatz vom 31.08.2022 zur Widersprüchlichkeit der Zeugenaussagen keinen Gehörsverstoß geltend machen.

(1) Ohne Erfolg wendet der Kläger zunächst ein, die von den Zeugen bzw. dem Beklagten geschilderten Standorte zum Zeitpunkt der der Geldübergabe seien “nicht kompatibel” und widersprüchlich. Das Landgericht hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung argumentativ damit auseinandergesetzt, dass die Zeugen unter Bezugnahme auf das auf Bl. 64 d. eA. I befindliche Lichtbild leicht unterschiedliche Positionen der Parteien bei der Geldübergabe beschrieben haben. Dies hat das Landgericht – zutreffend – nicht als Umstand angesehen, welcher die Glaubhaftigkeit der Aussagen zu erschüttern vermag, weil die Zeugen einerseits erklärt hätten, dass sie sich nicht ganz sicher seien und sich die Parteien (jedenfalls) in der Nähe vor dem Esszimmerfenster befunden hätten. Dies ist nicht zu beanstanden.

(2) Vor diesem Hintergrund verfängt auch die – erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 31.08.2022 vorgebrachte – Behauptung des Klägers nicht, der Zeuge ### habe von seinem geschilderten Standort die Geldübergabe nicht sehen können. Es ist nicht eindeutig festgestellt, an welcher genauen Position das Geld übergeben wurde. Insbesondere hat auch der Zeuge ### unter Vorhalt des Lichtbilds angegeben, er könne nicht genau sagen, wo die Parteien bei der Geldübergabe gestanden hätten. Er hat lediglich geschätzt, dass dies etwas unterhalb des Bildausschnitts gewesen sei. Unstimmigkeiten in Bezug auf den exakten Ort der Geldübergabe sind aber rechtsfehlerfrei ohne Einfluss auf die Überzeugungsbildung geblieben, dass die Geldbeträge wie festgestellt tatsächlich übergeben wurden. Hinzu kommt, dass die Zeugen auch nur anlässlich einer von drei Geldübergaben ausgesagt haben, diese selbst gesehen zu haben. Entsprechend musste auch kein Ortstermin stattfinden.

(3) Es spricht ferner nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen ### betreffend die getätigten Barzahlungen, dass dieser zunächst angegeben hatte, er habe den Bargeldanteil, welchen er dem Beklagten zur Verfügung gestellt habe, jeweils zeitnah “abgehoben”, was er später dahingehend korrigiert hat, dass er das Bargeld nicht abgehoben, sondern im Safe gehabt habe. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus dieser Korrektur nicht ohne Weiteres der Schluss ziehen, dass die Angaben des Zeugen ### zu den Bargeldübergaben des Beklagten an den Kläger unwahr sind. Vielmehr bezog sich dieser Teil seiner Aussage allein auf die Frage der Herkunft des von ihm zur Verfügung gestellten Betrages, wobei er seine Aussage insoweit zeitnah berichtigt hat.

(4) Schließlich wird auch vom Kläger kein “objektiv unmöglicher Negativbeweis” verlangt. Er ist “den Personen, die dem Beklagten nahestehen”, nicht “schutzlos ausgeliefert”. Vielmehr oblag es zunächst dem Beklagten nachzuweisen, dass er die behaupteten Bargeldzahlungen geleistet hat. Diesen Beweis hat er geführt, wobei die Beweiswürdigung ureigenste Aufgabe des Tatgerichts ist und eine richterliche Kontrolle der Aussagen stattgefunden hat.

cc) Ungeachtet dessen hat der Senat die Parteien – zu anderen noch offenen Fragen – ergänzend persönlich angehört.

(1) Die Angaben des Beklagten zu den Geldübergaben sind glaubhaft. Er hat anschaulich erläutert, dass der Kläger Vorschusszahlungen verlangt habe, weil dieser den Materialeinkauf nicht habe “stemmen” können. Er, der Beklagte, habe jedes Mal eine Quittung verlangt, sei aber vertröstet worden. Er erinnere sich noch genau, dass sie das Geld durchgezählt hätten, weil man so viel üblicherweise nicht zu Hause habe. Dies ist nachvollziehbar, und der Beklagte wirkte bei der Darstellung dieser Ereignisse auch relativ frei und unbefangen. Lediglich bei der Befragung zur im Raume stehenden “Schwarzgeldabrede” wurde er jedes Mal verlegen, zeigte körperliche Reaktionen und konnte nicht spontan antworten. Umso glaubhafter wirkten jedoch damit seine relativ unbefangenen Angaben zu den Zahlungen, bei denen er derartige Reaktionen nicht zeigte.

(2) Demgegenüber glaubt der Senat dem Kläger – insbesondere auch vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen – nicht, dass die behaupteten Zahlungen nicht geflossen sind. Er hat selbst geschildert, dass ihm nicht ausreichend Geld zur Verfügung gestanden und er sich deshalb Geld bei seinem Cousin geliehen habe. Die von ihm gestellten Frage, warum der Beklagte nur vor Ort und nicht auch per WhatsApp oder auf anderem Weg nach einer Quittung gefragt habe, lässt sich ohne Weiteres damit beantworten, dass hier eine Steuerhinterziehung beabsichtigt war (vgl. dazu nachstehend unter lit. b)), der Beklagte ihm seinerzeit vertraute und der Kläger nach den Angaben der Zeugen damit gedroht hatte, ohne weitere Vorschussleistungen die Arbeiten nicht fortzusetzen.

b) Der Senat ist (auch) aufgrund der persönlichen Anhörung der Parteien mit der hierfür erforderlichen Sicherheit (§ 286 Abs. 1 ZPO) davon überzeugt, dass der Kläger bereits bei Vertragsschluss – und nicht erst wie vom Landgericht angenommen bei Zahlung der Barbeträge – beabsichtigte, für die vereinbarte Vergütung keine Umsatzsteuer zu verlangen und abzuführen, und dass der Beklagte dies von Anfang an erkannte und bewusst zu seinem Vorteil ausnutzte, indem er mit dem Beklagten ein Entgelt vereinbarte, das keinen Umsatzsteueranteil enthielt, um so selbst von der Steuerersparnis zu profitieren.

Dies ergibt sich aus der Würdigung der Gesamtumstände.

aa) Der Senat ist überzeugt, dass der Kläger bereits bei Vertragsschluss beabsichtigte, für den vereinbarten Werklohn keine Umsatzsteuer zu verlangen und abzuführen, weil im – von ihm selbst erstellten – Kostenvoranschlag eine Spalte “Steuerpflichtig?” enthalten und dort in der ersten Zeile das Wort “Nein” vermerkt ist. Im Folgenden ist dann auch ausdrücklich keine Mehrwertsteuer ausgewiesen, sondern vielmehr in der dafür vorgesehenen Zeile lediglich ein “- Euro” vermerkt. Zusätzlich haben die Parteien keinen schriftlichen Vertrag geschlossen, sondern sich lediglich mündlich geeinigt. Es wurden – wie vorstehend unter lit. a) bb)) näher begründet – insgesamt 10.000,00 Euro in bar geleistet. Dabei hatte der Kläger weder vor noch nach diesen Zahlungen eine Abschlagsrechnung erstellt. Auch hat er selbst auf mehrmalige Nachfragen seitens des Beklagten keine Quittungen erteilt. All dies diente der Verheimlichung verbotener Schwarzarbeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG. Hinzu tritt, dass die Parteien unstreitig über einen gemeinsamen Bekannten in Kontakt kamen, die Geschäftsbeziehung also ihren Ursprung im privaten Bereich hatte.

bb) Auch die diesbezüglichen Erläuterungen des Klägers in der Berufungsinstanz vermögen diese Überzeugung des Senats nicht zu erschüttern.

(1) Der Kläger hat ausführen lassen, er sei Türke, halte sich zwar seit einigen Jahren in Deutschland auf, sei des Deutschen aber nur teilweise mächtig. Bei Beginn seiner Tätigkeit sei ihm in steuerlicher Hinsicht erläutert worden, dass Bauunternehmen in Deutschland, wenn sie eine Mehrwertsteuer offen auswiesen, diese auch sofort an das Finanzamt abzuführen hätten. Dabei sei ihm der Unterschied zwischen Kostenvoranschlag und Rechnung nicht bewusst gewesen. Er sei also davon ausgegangen, dass bereits ein Kostenvoranschlag eine Zahlungspflicht an das Finanzamt auslöse und habe aus diesem Grunde die Mehrwertsteuer in seinem Angebot nicht aufgeführt. Nach Erbringung seiner Leistungen habe er dann ordnungsgemäß in seiner Rechnung die Mehrwertsteuer offen ausgewiesen. Der Grund für dieses eigenartige Verhalten liege also eindeutig darin, dass ihm aufgrund seiner türkischen Herkunft und seiner geringen Deutschkenntnisse bei Erteilung des Angebots die Modalitäten des hiesigen Steuerrechts nicht hinreichend deutlich bekannt gewesen seien.

(2) Dies überzeugt nicht. Im Gegenteil ist die Angabe, ihm sei der Unterschied zwischen Kostenvoranschlag und Rechnung nicht bewusst gewesen, nicht glaubhaft. Auch wenn er seinerzeit noch nicht lange als Unternehmer tätig gewesen sein sollte, ist jedem, der am Geschäftsleben teilnimmt, bewusst, dass ein Kostenvoranschlag lediglich dazu dient, Verhandlungen zu führen, einen Vertragsschluss vorzubereiten, und für sich allein noch keine Rechtsfolgen auslöst, insbesondere auch nicht im Sinne einer Umsatzsteuerpflicht. Auch durch sprachliche Barrieren, die der Senat im Rahmen der Anhörung des Klägers überdies nicht hat feststellen können, lässt sich dies nicht erklären.

cc) Es ist ferner nicht davon auszugehen, dass der Kläger nach § 19 Abs. 1 UStG von der Verpflichtung zur Abführung von Umsatzsteuer befreit war. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch den Senat hat der Kläger zwar angegeben, er habe ein “Kleinunternehmen”. Der streitgegenständliche Auftrag sei sein erster Auftrag gewesen. Er habe in den vergangenen Jahren einen Umsatz von insgesamt nur “so 25.000,00 Euro” gemacht. Dies ist jedoch nicht glaubhaft. Denn allein der hier in Rede stehende Kostenvoranschlag erreichte eine Nettosumme von 19.807,55 Euro, sodass es schon fernliegend erscheint, dass der Kläger als Kleinunternehmer tätig war.

Entscheidend steht die Behauptung des Klägers, er sei Kleinunternehmer gewesen, jedoch im Widerspruch zum Inhalt der streitgegenständlichen Schlussrechnung. Denn dort werden 16 % Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Klägers angegeben. Für Kleinunternehmer gilt aber nach § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG das “Verbot” des gesonderten Ausweises der Steuer in einer Rechnung; da der Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer schuldet, ist er im Gegenzug auch nicht zum Ausweis von Umsatzsteuer in der von ihm ausgestellten Rechnung berechtigt (Mrosek in Wäger, UStG, 2. Aufl. 2022, § 19 UStG, Rn. 23). Überdies muss eine Rechnung gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG den Hinweis auf den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf enthalten, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt. Letzteres war weder im Kostenvoranschlag noch in der Rechnung der Fall, geschweige denn, dass eine Abschlagsrechnung mit diesem Hinweis erteilt worden wäre. Wenn eine Umsatzsteuerbefreiung vorgelegen hätte, hätte es dazu nahegelegen, eine entsprechende Bescheinigung zu den Akten zu reichen. Dies ist aber nicht geschehen. Schließlich ist der Kläger auf den Vorhalt, dass das Angebot bereits am 05.06.2020 erstellt worden sei, die Gewerbeanmeldung aber erst im September 2020 erfolgt sein soll, zunächst ausgewichen, und er hat erklärt, er gebe keine Stellungnahme ab. Dann hat er ausgeführt, sein Steuerberater habe ihm gesagt, er könne das Angebot schreiben. Auch diese Umstände sprechen für die Absicht des Klägers, Steuern zu hinterziehen.

dd) Der Beklagte hat die Absicht des Klägers, für den vereinbarten Werklohn keine Umsatzsteuer zu verlangen und abzuführen, zur Überzeugung des Senats bereits bei Vertragsschluss erkannt und bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt.

(1) Zwar mag der Beklagte, wie er hat ausführen lassen, davon ausgegangen sein, um etwaige Pflichten des Klägers bezüglich steuerlicher Abgaben werde sich dieser selbst kümmern. Es ist jedoch nicht glaubhaft, dass er sich über die Steuerpflichtigkeit des Klägers keine Gedanken gemacht haben will. Denn im Angebot des Klägers war die Steuerpflichtigkeit ausdrücklich erwähnt und verneint bzw. das Feld für die Mehrwertsteuer mit “- Euro” ausgefüllt. Dass er dieses gedankenlos hingenommen haben will, wenn er einen ihm bis dahin unbekannten Unternehmer beauftragt hat, ist lebensfremd.

(2) Wenn er dann noch zusätzlich ausschließlich Barzahlungen tätigte, ohne dass hierfür eine Abschlagsrechnung erstellt worden war, sprechen diese Umstände für ein einvernehmliches Zusammenwirken der Parteien, um zu Lasten des Finanzamtes Steuern, sprich Geld, zu sparen.

(3) Dies entsprach auch durchaus der Lebenslage der Parteien. Beide haben erklärt, wenig Geld zur Verfügung zu haben. Der Kläger hat erklärt, er werde von seinem Neffen unterstützt, mit dem er zusammenlebe. Dem Beklagte wurden wesentliche Barmittel für die Haussanierung von seinem Vater zur Verfügung gestellt. Der Beklagte hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat selbst erklärt, die Kosten hätten möglichst gering gehalten werden sollen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Geld – so die Aussage des Zeugen ### – wohl auch zu Hause bereits bar vorgehalten wurde.

(4) Hinzu kommt, dass der Beklagte selbst ein Aufmaß erstellt hat, auf dessen Grundlage er die aus seiner Sicht dem Kläger zustehende Vergütung ermittelt und ihm ein Vergleichsangebot unterbreitet hat. Dabei berücksichtigen dieses “Aufmaß”, die hierauf beruhende Berechnung sowie das Vergleichsangebot die Umsatzsteuer wiederum nicht. Auch ein “geschäftsunerfahrener Verbraucher” weiß aber, dass grundsätzlich auf Waren und Dienstleistungen Umsatzsteuern gezahlt werden müssen. Dies gilt für den Beklagten erst recht, weil er – wie er selbst im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch den Senat dargestellt hat – im Rahmen der umfangreichen Sanierung der Immobilie sowohl bestreffend die hier in Rede stehenden Arbeiten als auch betreffend andere Gewerke jeweils Angebote von mehreren Handwerksunternehmen eingeholt hat, die er mit seinem Vater durchging. Damit kann ihm die Pflicht zur Zahlung von Umsatzsteuer nicht entgangen sein.

(5) Der Beklagte hat zudem eingeräumt, dass von ihm beauftragte andere Unternehmen Abschlagszahlungen verlangt hätten, diese aber “großteils als Abschlagszahlung über Rechnung” gefordert hätten. Bei den Angeboten der anderen Garten- und Landschaftsbauer sei die Steuerpflicht ausgewiesen gewesen. Seine Angabe, dass er nicht darauf geachtet habe, dass hier die Steuer nicht ausgewiesen gewesen sei, ist deshalb nicht glaubhaft. Denn er hat auch ausgeführt, dass er auf den Endpreis geachtet, zugleich aber keine schlechte Qualität gewollt habe. Es liegt deshalb nahe, dass die Angebote auch auf inhaltliche Unterschiede abgeglichen wurden und damit das Fehlen der Umsatzsteuer schon deshalb offensichtlich war, weil sie im Angebot ausdrücklich erwähnt ist. Darüber hinaus ist der Kläger nach seinen Angaben als Angestellter im kaufmännischen Bereich in der Lagerlogistik tätig. Auch wenn er eher im Lager als im Büro arbeitet, ist ihm damit aber die grundsätzliche Umsatzsteuerpflicht bekannt.

(6) Schließlich war bei seiner Anhörung besonders auffällig, dass er in der Lage gewesen ist, Fragen grundsätzlich spontan und offen zu beantworten, bei Fragen nach der Steuerpflicht jedoch jedes Mal mit einer Antwort gezögert, unsicher gewirkt und körperlich reagiert hat. So errötete er sichtlich bei dem Thema, dass die Steuer im Angebot nicht ausgewiesen sei, und er hat verlegen seine Hände gerieben.

2. Die Schaffung des Schwarzarbeitstatbestandes des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG führt dazu, dass die Verstöße gegen steuerrechtliche Pflichten bereits ohne Weiteres zur Nichtigkeit des gesamten zugrundeliegenden Werkvertrages führen; eine isolierte Prüfung nur der Ohne-Rechnung-Abrede erfolgt nicht (BGH, Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13, Rn. 29). Die Nichtigkeit des Vertrages ist grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen (Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, Teil 4, Rn. 30a m.w.N.). Ein Verstoß gegen das SchwarzArbG muss nicht immer ausdrücklich vorgetragen werden (KG, Urteil vom 08.08.2017 – 21 U 34/15). Eine Häufung von Indizien kann dazu Anlass geben, einen Verstoß gegen das Schwarzarbeitsverbot auch dann anzunehmen, wenn sich – wie hier – keine Partei auf eine solche Abrede beruft (OLG Schleswig, Beschluss vom 20.12.2016 – 7 U 49/16; OLG Brandenburg, Urteil vom 31.08.2023 – 10 U 207/22 m.w.N.).

Vorliegend haben die Parteien jedoch übereinstimmend vorgetragen, sie hätten keine Ohne-Rechnung-Abrede getroffen, womit die Voraussetzungen einer Nichtigkeit gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nicht mehr vorlägen. Die Frage, ob ein Zivilgericht an eine solche unstreitige Behauptung gebunden ist, selbst wenn Indizien gegen ihre Richtigkeit sprechen, ist streitig.

a) Nach einer Auffassung ist ein Zivilgericht unter der Geltung des Beibringungsgrundsatzes an die Behauptung der Parteien gebunden (KG, Urteil vom 08.08.2017 – 21 U 34/15; Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, a.a.O., Teil 4, Rn. 30a; Voit, NJW 2017, 3795; Eimler, NZBau 2018, 155; Rehbein, IBR 2017, 717; Selle, IBR 2022, 301). Die vom SchwarzArbG zu Recht erwünschte Sanktionierung von Schwarzarbeit erfordere es nicht, hier von den Grundsätzen des Zivilprozesses abzurücken. Denn das Zivilgericht sei verpflichtet, die Anhaltspunkte für den Verstoß gegen das SchwarzArbG den Steuerbehörden oder der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Eine zivilrechtliche Sanktionierung durch die Nichtigkeitsfolge gemäß § 134 BGB sei aber weder möglich noch erforderlich, wenn sich die hiervon ggf. profitierende Partei nicht darauf berufe. Denn auch im Geltungsbereich von § 134 BGB werde im Zivilprozess nicht die Amtsermittlung eingeführt, sondern bleibe es bei der Geltung des Beibringungsgrundsatzes (KG Berlin, a.a.O., Rn. 53).

b) Nach anderer Auffassung ist ein Zivilgericht trotz des übereinstimmenden gegenteiligen Vorbringens der Parteien, es sei keine Absprache zum Zweck der Steuerverkürzung getroffen worden, nicht an dermaßen “unstreitiges” Vorbringen gebunden (OLG Oldenburg, Urteil vom 30.10.1996 – 2 U 151/96; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 138, Rn. 7). Es seien vornehmlich Ausnahmen zu machen für betrügerisches Zusammenwirken der Parteien und für das Geständnis solcher Tatsachen, die das Gericht als offenkundig unwahr erkenne (OLG Oldenburg, a.a.O. unter Berufung auf BGH, Urteil vom 24.05.1962 – VII ZR 46/61). Die Parteien könnten nicht allein durch übereinstimmendes einfaches Leugnen einer Schwarzgeldabrede diese Überzeugungsbildung aufgrund von Anknüpfungstatsachen unterbinden, vielmehr müssten Umstände, Beweggründe und Herkunft der Gelder plausibel erklärt werden (LG Wuppertal, Urteil vom 04.04.2019 – 7 O 258/18). Mit dem durch das Gesetz verfolgten Zweck der Bekämpfung der Schwarzarbeit sei es unvereinbar, wenn die Parteien nichtige Verträge gleichwohl durchführen und vertragliche Streitigkeiten von den Gerichten entscheiden lassen könnten, wenn sie es nur verstünden, die Schwarzarbeit zu verheimlichen. Deshalb könne es in dem Fall, dass Indizien für Schwarzarbeit sprächen, nicht genügen, dass beide Parteien die Vereinbarung von Schwarzarbeit schlicht leugneten (LG Potsdam, Urteil vom 16.05.2023 – 6 O 341/21).

c) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

Ist ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, hat es die daraus folgende Nichtigkeit gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben.

Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Zwar sind nach § 138 Abs. 3 ZPO Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Diese Dispositionsmaxime des Zivilrechts findet jedoch in den Fällen ihre Grenze, in denen die Parteien – wie hier – gemeinsam vorsätzlich gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen. Die Folgen dieses Verstoßes können nicht durch übereinstimmenden wahrheitswidrigen Parteivortrag umgangen werden.

Ziel des Gesetzes ist es, die Schwarzarbeit schlechthin zu verbieten und den Leistungsaustausch zwischen den “Vertragspartnern” zu verhindern. Es will nicht nur den tatsächlichen Vorgang der Schwarzarbeit eindämmen, sondern im Interesse der wirtschaftlichen Ordnung den zugrundeliegenden Rechtsgeschäften die rechtliche Wirkung nehmen (BGH, Urteil vom 16.03.2017 – VII ZR 197/16, Rn. 18 m.w.N.). Durch das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz soll nicht allein der Steuerhinterziehung begegnet und damit ein fiskalischer Zweck verfolgt werden; mit der gesetzlichen Regelung soll vielmehr auch die mit der Schwarzarbeit einhergehende Wettbewerbsverzerrung verhindert oder zumindest eingeschränkt werden. Sie dient damit auch dem Schutz gesetzestreuer Unternehmer und Arbeitnehmer. Diesem Ziel ist nicht dadurch gedient, Parteien, die sich – nachträglich – für die Durchführung eines verbotenen Geschäfts entschieden haben, dieses Vorhaben mit Rechtswirkungen im Rahmen des Erlaubten zu ermöglichen (BGH, a.a.O., Rn. 21 m.w.N.).

Das gilt nach Auffassung des Senats auch dann, wenn die Parteien sich – wie hier – zunächst auf die Durchführung eines verbotenen Geschäfts geeinigt haben, dies dann aber nachträglich durch bloße prozessuale Behauptungen bzw. schlichtes Leugnen quasi zu einem legalen Geschäft erklären wollen. Entgegen der vorstehend unter II. 2. a) dargestellten Auffassung geht es nicht darum, den Amtsermittlungsgrundsatz auch im Zivilrecht anzuwenden und vom Beibringungsgrundsatz abzuweichen. Vielmehr soll es den Parteien nicht ermöglicht werden, die Folgen des Gesetzes mit Hilfe zivilprozessualer Vorschriften nachträglich zu umgehen, wenn ein Zivilgericht von den Tatsachen überzeugt ist, die einen Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG begründen. Wer bewusst das im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz enthaltene Verbot missachtet, soll nämlich nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben und veranlasst werden, das verbotene Geschäft nicht abzuschließen (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14, Rn. 17 m.w.N.). Dieses Ziel würde nicht ausreichend erreicht, wenn es in der Hand der Parteien läge, nachträglich durch offensichtlich wahrheitswidrigen Prozessvortrag die Nichtigkeitsfolgen ihres Vertrages zu umgehen.

3. Da der Vertrag nichtig ist, hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung aus § 631 Abs. 1 BGB.

Auch ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag besteht nicht, weil der Kläger seine Aufwendungen im Hinblick auf den mit der Ausführung des Geschäfts verbundenen Verstoß gegen das Verbotsgesetz des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nicht für erforderlich halten durfte (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13, Rn. 14 m.w.N.).

Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch ist gemäß § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen (BGH, a.a.O., Rn. 17 ff. m.w.N.).

Schließlich ist auch ein Anspruch aus § 951 Abs. 1, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB jedenfalls nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen (BGH, a.a.O., Rn. 30).

4. Schließlich steht dem Beklagten der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten Barbeträge aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht zu. Denn auch bereicherungsrechtliche Ansprüche des Bestellers, der sich auf den Abschluss eines gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßenden Werkvertrags eingelassen hat, sind nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14, Rn. 14-17).

Da sein Widerruf wegen Nichtigkeit des Vertrags ins Leere ging, bestehen auch keine Ansprüche aus §§ 355 Abs. 3 Satz 1, 357 Abs. 1, 312g Abs. 1 BGB, unabhängig von der Frage, ob der Beklagte überhaupt zum Widerruf berechtigt war.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 ZPO.

OLG Schleswig zu der Frage, dass der Auftragnehmer eine kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung nicht einfach hinnehmen darf, sondern sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären muss

OLG Schleswig zu der Frage, dass der Auftragnehmer eine kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung nicht einfach hinnehmen darf, sondern sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären muss

vorgestellt von Thomas Ax

1. Der Auftragnehmer darf eine kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung nicht einfach hinnehmen, sondern muss sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären. Das gilt insbesondere dann, wenn sich für ihn aus der Leistungsbeschreibung die Bauausführung in bestimmter Weise nicht mit hinreichender Klarheit ergibt, er darauf aber bei der Kalkulation maßgebend abstellen will (Anschluss an BGH, Urteil vom 25.06.1987 – VII ZR 107/86, IBRRS 1987, 0611).
2. Reichen die dem Auftragnehmer überlassenen Unterlagen für eine zuverlässige Kalkulation nicht aus, darf er nicht “ins Blaue hinein” und mit der für ihn günstigsten Ausführungsvariante kalkulieren (Anschluss an BGH, Urteil vom 25.06.1987 – VII ZR 107/86, IBRRS 1987, 0611).
3. Die Regelung des § 2 Abs. 5 VOB/B ist nicht anwendbar, wenn die (vermeintlich) geänderte Leistung bereits vom bestehenden vertraglichen Leistungsumfang umfasst ist, etwa weil ein bestimmter vertraglicher Erfolg auf eine erkennbar kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung angeboten wurde (Anschluss an BGH, IBR 1992, 349).
4. Die Anordnung einer Änderung des Bauentwurfs kann in der Übergabe geänderter Pläne liegen. Es ist nicht notwendig, dass der Auftraggeber dabei den Willen hat, das beschriebene Leistungssoll zu ändern. Er kann auch davon ausgehen, die geforderte Ausführung gehöre zur vertraglichen Leistung und sei mit den vereinbarten Preisen abgegolten.
5. Notwendig ist jedoch, dass der Auftragnehmer die Erklärung oder das Verhalten des Auftraggebers als Änderungsanordnung auffassen darf. Der Auftragnehmer muss annehmen dürfen, dass dem Auftraggeber bewusst ist, dass er etwas anderes will als ursprünglich vereinbart.
6. Muss der Auftragnehmer erkennen, dass der Auftraggeber die Leistungsbeschreibung anders versteht als er, hat er den Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass er bei seiner Kalkulation von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist und durch die vorgesehene Ausführung ein Mehraufwand entstehen wird. Nur dann darf er in der Übergabe geänderter Pläne eine Änderungsanordnung sehen.
OLG Schleswig, Urteil vom 09.12.2022 – 1 U 29/21
vorhergehend:
LG Flensburg, 01.04.2021 – 2 O 373/13
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 25.10.2023 – VII ZR 247/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns.

Die Beklagte schrieb Rohbauarbeiten für den Neubau eines Schulgebäudes nebst Sporthalle aus (Anlage B 1, AB). Sie erteilte der Klägerin am 06.08.2009 den Auftrag unter Einbeziehung der VOB/B. Die Streithelfer waren planende und die Bauaufsicht führende Architekten. Nach Durchführung der Arbeiten und Abnahme stellte die Klägerin ihre Schlussrechnung vom 09.11.2010 (Anlage K 1, AB). Nach Streit über die Abrechnung stützte sie sich zuletzt auf die Forderungsaufstellung vom 11.05.2011 (Anlage K 3, AB).

In verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses, zum Beispiel Position 4.1.2.150, war die Herstellung von Stahlbetonunterzügen nach der Statik vorgesehen. In verschiedenen Positionen, zum Beispiel Position 4.2.1.260, war das Mauern tragender Innenwände vorgesehen. In verschiedenen Positionen, unter anderem Position 4.2.1.290, war eine Zulage für das Mauern der letzten Schicht nach Ausschalen der Stahlbetondecke bzw. -balken vorgesehen. Aus der Statik ergab sich, dass es sich bei den Stahlbetonunterzügen überwiegend um nicht tragende obere Wandabschlüsse handeln sollte. Die Klägerin erstellte zunächst die sogenannten Unterzüge als nicht tragende Betonbauteile und stützte sie ab, bis die tragende Wand darunter aufgemauert war. Die Klägerin kündigte in einer Baubesprechung vom 18.11.2009 (Prot. Anlage K 42, Bl. 448 d. A.) Mehrkosten an. Sie stellte mit Schreiben vom 13.04.2010 (Anlage K 38.1, AB) eine Behinderungsanzeige und meldete Mehrkosten an. Sie verlangte schließlich eine Mehrvergütung von 250.687,38 Euro netto nach dem Nachtrag vom 08.11.2010 (Anlage K 17, AB und Bl. 588 d. A).

In der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis (S. 4, Anlage B 1, AB) war in einem Bauzeitplan der Beginn der Gesamtbaumaßnahme für die 33. Kalenderwoche 2009 vorgesehen. Die Rohbauarbeiten sollten von August 2009 bis März 2010 ausgeführt werden, der wesentliche Teil der Leistungen bis Dezember 2009. In detaillierten Bauzeitplänen, etwa vom 04.08.2009 und 09.09.2009 (Anlagen K 41.2, K 41.3, Bl. 267 – 268 d. A.) war der Abschluss der Betonarbeiten und der Verblendarbeiten bis Dezember 2010 vorgesehen.

Die Klägerin hat behauptet, bei einem Unterzug handele es sich um eine selbsttragende Konstruktion, die die Last der Decke aufnehme und einen Freiraum überbrücke. Aus dem Leistungsverzeichnis sei nicht erkennbar gewesen, dass es sich tatsächlich um nicht tragende Balken als oberen Wandabschluss habe handeln sollen. Die Statik habe ihr bei der Erstellung des Angebots nicht vorgelegen. Sie sei erst an 27.08.2009 übergeben worden. Erst durch die Anweisung des Statikers vor Ort habe sich die danach vorgesehene Bauweise ergeben. Im Leistungsverzeichnis (etwa Position 4.2.1.290) sei vorgesehen gewesen, dass zunächst die Decken und die Balken herzustellen und erst dann die tragenden Wände aufzumauern gewesen seien. Sie habe in ihrer Kalkulation zunächst die Herstellung der Unterzüge und deren Notabstützung, dann die Herstellung der Decken vorgesehen. Stattdessen sei die Schalung für die Decken und die Unterzüge in einem Arbeitsgang herzustellen gewesen, was einen Mehraufwand bedeutet habe, da die Schalung länger habe vorgehalten werden müssen und kein Wechsel von einem Bauteil zum anderen möglich gewesen sei. Die Unterzüge hätten bis zur Aushärtung der Wände abgestützt werden müssen. Es habe sich eine bauzeitverlängernde Leistungsminderung ergeben. Unter anderem habe beim Mauern um die Stützen herum gearbeitet werden müssen. Die Arbeiten seien entgegen der Kalkulation in den strengen Winter 2009/10 gerückt.

In den später von der Beklagten übergebenen Bauzeitplänen liege eine Beschleunigungsanordnung gegenüber dem Bauzeitplan aus der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis. Die Beklagte habe eine Fertigstellung der Betonarbeiten bis Weihnachten 2009 gefordert. Die Rohbauarbeiten seien nunmehr bis zur 51. KW 2009 abzuschließen gewesen. Ihr stehe deswegen eine Mehrvergütung von 51.470,58 Euro netto nach dem Nachtrag vom 08.11.2010 (Anlage K 18, AB) zu.

Die Klägerin hat die Zahlung von 497.132,05 Euro nebst Zinsen und Kosten verlangt. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Die Beklagte hat behauptet, im Leistungsverzeichnis sei von Stahlbetonunterzügen die Rede, weil die Bewehrung in die Decke einbinde, was bei Balken nicht immer der Fall sei. Es handele sich dabei um den Sprachgebrauch im Betonbau. Die gewünschte Bauweise habe sich neben der Statik auch aus Plänen ergeben. Die Statik habe der Klägerin bei Angebotsabgabe und Beauftragung vorgelegen, was ihr Geschäftsführer eingeräumt habe (Schreiben vom 05.05.2010, Anlage B 14, Bl. 505 – 506 d. A.). Es sei zunächst die Wand zu erstellen, dann die Decke und der Unterzug zu schalen gewesen. Ein zusätzlicher Leistungsaufwand sei nicht angefallen. Die Reihenfolge der Arbeiten ergebe sich auch aus den Bauzeitplänen der Beklagten und der Klägerin (Anlage B 13, Bl. 490 d. A., Anlagen B 16, B 17, Bl. 1039 – 1045 d. A.).

Aus dem Bauzeitplan in der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis ergebe sich, dass der Rohbau bis Dezember 2009 so weit habe abgeschlossen sein sollen, dass die vorgesehenen Folgegewerke hätten tätig werden können. So sei ein Fenstereinbau ohne Verblendmauerwerk nicht möglich, für die Ausbaugewerke sei ein geschlossener Bau notwendig gewesen.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der näheren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter Klagabweisung im Übrigen zur Zahlung von 427.021,46 Euro nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es, soweit es in der Berufungsinstanz noch darauf ankommt, ausgeführt, wegen der Herstellung der Balken stehe der Klägerin eine Mehrvergütung von 253.596,85 Euro netto zu. Es handele sich um eine geänderte Leistung. Die Auslegung des Leistungsverzeichnisses ergebe als Leistungssoll selbsttragende Unterzüge, was sich aus den Ausführungen der Sachverständigen ergebe.

Geplant gewesen seien dagegen Balken. Es komme nicht darauf an, ob bei der Abgabe des Angebots die Statik vorgelegen habe. Das Leistungsverzeichnis sei eindeutig, so dass keine Notwendigkeit bestanden habe, die Statik heranzuziehen, um es zu überprüfen, auch wenn im Leitungsverzeichnis auf die Statik Bezug genommen werde. Das Risiko eines Widerspruches zur Statik trage die Beklagte. Nach den Ausführungen der Sachverständigen habe das Leistungsverzeichnis eine bestimmte Reihenfolge der Leistungserbringung vorgesehen, wonach zunächst die Unterzüge und dann das Mauerwerk zu erstellen gewesen seien, was sich insbesondere aus den Positionen 4.2.1.290 und 3.2.1.240 ergebe. Dass eine andere Vorgehensweise nur zu Mehrkosten von 752,47 Euro geführt hätte, sei unerheblich, weil sie dem Inhalt des Leistungsverzeichnisses widersprochen habe.

Wegen einer Beschleunigung des Bauablaufes stehe der Klägerin ein Mehranspruch in Höhe von 44.720,78 Euro netto zu. In den Bauzeitplänen vom 04.08.2009 und 09.09.2009 hätten leistungsändernde Anordnungen gelegen. Nach dem Leistungsverzeichnis seien nur die wesentlichen Teile der Rohbauarbeiten bis Dezember 2009 fertigzustellen gewesen. Nach den Ausführungen der Sachverständigen seien wesentlich die Hülle und das Innenmauerwerk. Nach den Bauzeitplänen habe die Klägerin aber auch das Verblendmauerwerk im Jahr 2009 herstellen sollen. Das sei nicht wesentlich, weil es für Folgegewerke nicht entscheidend gewesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die frist- und formgerecht eingereichte und begründete Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, hinsichtlich der Herstellung der Unterzüge verstoße die Auslegung des Leistungsverzeichnisses durch das Landgericht gegen die Grundsätze der Auslegung. Der Bauvertrag sei als sinnvolles Ganzes auszulegen, wobei alle Vertragsbestandteile einzubeziehen seien. Bei öffentlichen Vergaben komme es auf den objektiven Bieterhorizont an. Es gebe keinen Lehrsatz, dass Unklarheiten zu Lasten des Erstellers eines Leistungsverzeichnisses gingen.

Widersprüche seien nach Möglichkeit aufzulösen. Es seien die Umstände des Einzelfalls und die konkreten Verhältnisse des Bauwerks zu berücksichtigen. Das Landgericht habe die Angaben in der Statik unberücksichtigt gelassen. Es habe nur Teile des Wortlauts des Leistungsverzeichnisses berücksichtigt. Es habe die Auslegung nicht der Sachverständigen überlassen dürfen. Nach den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen sei bei dem Ausschalen von Wand- und Deckenflächen zum Teil mit erheblichen Zeitverzögerungen zu rechnen gewesen. Im Leistungsverzeichnis sei jeweils Bezug auf die Position in der Statik genommen. Dies sei Bestandteil der Leistungsbeschreibung. Für einen objektiven Bieter, der die Umstände gekannt habe, sei klar gewesen, dass es sich um nichttragende Bauteile handele, wenn tragende Wände darunter zu errichten gewesen seien. Es habe auch keine zu überspannenden Öffnungen gegeben.

Die Zulage sei nur für die letzte Steinschicht unter den Balken vorgesehen gewesen. Eine Änderung des Auftrags habe es nicht gegeben, da die Statik nicht vom Leistungsverzeichnis abgewichen sei und sie nach dem Schreiben vom 05.05.2010 der Klägerin vor Auftragserteilung vorgelegen habe.

Es fehle eine Anordnung zur Beschleunigung der Bauzeit. Diese liege nicht in der Übersendung des Bauzeitplans, denn die Architekten seien nicht berechtigt gewesen, für sie rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben. Die Betonarbeiten hätten ohnehin bis Weihnachten 2009 fertiggestellt werden müssen, da sie zu den wesentlichen Teilen des Rohbaus gehört hätten. Die Klägerin habe dagegen vorgetragen, es sei die Fertigstellung der Betonarbeiten entgegen des Vertrages gefordert worden. Der Nachtrag habe nichts mit Verblendarbeiten zu tun.

Auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 (Bl. 1400 ff. d. A.) weist die Beklagte ergänzend auf Teile der Leistungsbeschreibung hin. In den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen heiße es, dass es sich bei den Stahlbetonarbeiten um Raumtragewerke handele, die Tragkraft erst nach der Abbindezeit für das gesamte Raumtragewerk erreicht werde und die Ausschalung von Wänden und Decken zum Teil mit erheblicher Zeitverzögerung stattfinden könne und nur in Abstimmung mit dem Statikbüro durchzuführen sei (S. 2, Anlage B 1, AB). Die Klägerin habe deswegen nicht mit der Wiederverwendung von Schalungen kalkulieren dürfen.

Hinsichtlich des Nachtrages 7 gebe es keine Beschleunigungsanordnung. Nach dem Leistungsverzeichnis habe ein Gerüst für die Verblendarbeiten und die nachfolgenden Gewerke für 10 Wochen vorgehalten werden sollen (Pos. 1.2.1.010, Anlage B 1, AB). Die Verblendarbeiten hätten vor der Erstellung des Dachüberstandes beendet sein müssen. Die Zimmererarbeiten hätten nach dem Terminplan im Leistungsverzeichnis im November 2009 beginnen sollen.

Die Streithelfer tragen vor, das Leistungssoll sei nicht geändert worden. Die Leistung sei immer gleich beschrieben gewesen. Die Schalung sei von der Vergütung umfasst gewesen. Es fehle jedenfalls einer Abgrenzung der Mehrkosten zu den Kosten der ohnehin vorzuhaltenden Schalung. Wegen der global-funktionalen Beschreibung der Leistung habe die Klägerin die Statik einsehen müssen.

Der Mehraufwand sei bei einer anderen Reihenfolge der Bauausführung vermeidbar gewesen. Die Klägerin habe sich eigenmächtig für die aufwendigere Bauweise entschieden, entgegen der Vorgaben in der Ausführungsplanung und der Statik. Aus dem Leistungsverzeichnis habe sich diese Reihenfolge nicht ergeben.

Es fehle eine Mehrvergütungsankündigung. Die Klägerin habe gegen ihre Hinweispflicht verstoßen, indem sie nicht auf Mehrkosten hingewiesen habe.

Sie behaupten, die Statik sei der Beklagten mit Schreiben vom 13.08.2009 (Bl. 1373 d. A.) übersandt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 01.04.2021 – 2 O 373/13 – zu ändern, die Klage in Höhe weiterer 355.407,82 Euro abzuweisen und sie zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen 123.724,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2011.

Die Streithelfer schließen sich dem Antrag der Beklagten an.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 tragen sie vor, die Statik sei nicht Teil der Ausführungsunterlagen gewesen. Erst der Statiker habe darauf hingewiesen, dass die Unterzüge nicht selbsttragend hätten sein sollen. Einen konkreten Hinweis auf die dadurch längere Standzeit der Schalung habe sie den Architekten spätestens bei der Baubesprechung am 18.11.2022 gegeben. Der Vertreter der Beklagten, Herr B1, habe nur selten an Baubesprechungen teilgenommen. E habe sich von den Streithelfern vertreten lassen. Sie habe die Mitteilung von Mehrkosten in ihrem Schreiben vom 13.04.2010 an die Streithelfer und Herrn B1 (Anlage BB 6, Bl. 1429R – 1430 d. A.) dargestellt, in dem es heiße, sie seien schon vor der Ausführung angezeigt worden. In ihrer Antwort vom 13.04.2010 (Anlage BB 7, Bl. 1431 – 1431R d. A.) hätten die Streithelfer die Kenntnis nicht bestritten. Zwar treffe es zu, dass die Betonarbeiten im Jahr 2009 abgeschlossen worden seien, aus dem Schreiben vom 13.04.2010 ergebe sich aber, dass Herr B1 bereits vor den Arbeiten Kenntnis von dem Mehraufwand gehabt habe. Die Beklagte habe von dem Mehraufwand auch Kenntnis erlangt, weil durch die zusätzlichen Abfangungsmaßnahmen ein “Stützenwald” entstanden sei und die Arbeiten länger gedauert hätten.

Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs seien die Innenwände nach dem Wortlaut des Leistungsverzeichnisses zunächst ohne die letzte Schicht zu mauern gewesen. Erst später seien die letzten Schichten zu mauern gewesen. Nach den Bauzeitplänen der Parteien seien erst die Innenwände zu mauern gewesen, dann die Stahlbetonarbeiten auszuführen gewesen. Später hätten die Lücken geschlossen werden sollen. Das sei die übliche Reihenfolge. Sie habe darin kein Problem gesehen, weil sie von selbsttragenden Bauteilen ausgegangen sei. Die von ihr gewählte Reihenfolge sei bekannt gewesen. Sie habe mit Schreiben vom 14.04.2010 (Anlage BB 9, Bl. 1436 d. A.) Bedenken gegen das nachträgliche Aufmauern der Wände angemeldet, die von den Streithelfern mit Schreiben vom 15.04.2010 (Anlage BB 10, Bl. 1425 d. A.) zurückgewiesen worden seien.

Hinsichtlich des Nachtrages 7 sei die Überschrift missverständlich. Sie beschreibe nicht den Inhalt des Nachtrages. Der Hintergrund der Beschleunigung ergebe sich aus dem Gutachten der Sachverständigen vom 21.02.2020, S. 21 – 23. Sie habe die gesamte Leistung erbringen sollen. Der Abbau des Krans bedeute das Ende der Rohbauarbeiten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung der Sachverständigen K1 und Vernehmung des Zeugen K2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Sitzungen vom 04.02.2022 (Bl. 1355 – 1360 d. A.) und vom 18.11.2022 (Bl. 1539 – 1546 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache bis auf einen geringen Teil in der Sache erfolgreich.

Der Klägerin steht kein Werklohnanspruch aus § 631 Abs. 1 BGB wegen der Nachträge 6 und 7 zu.

1. Der Klägerin steht kein Mehrkostenanspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B wegen einer Leistungsänderung bei der Herstellung der Unterzüge zu. Sie hat nicht bewiesen, dass eine der Beklagten zurechenbare Änderungsanordnung erfolgt ist.

a) Ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B entsteht, wenn sich die Preisgrundlage für eine im Vertrag vorgesehene Leistung ändert, etwa weil die Leistung anders ausgeführt werden soll als ursprünglich vorgesehen (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 3, 5, 6, 9). Dagegen liegt ein Fall des § 2 Abs. 6 VOB/B vor, wenn eine vertraglich noch nicht vorgesehene Leistung gefordert wird, der Leistungsinhalt also erweitert wird, ohne dass der bisherige Leistungsinhalt geändert wird (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 8). Das korrespondiert mit den Regelungen in § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B, aus denen sich ergibt, wann der Auftragnehmer Anordnungen des Auftraggebers nachkommen muss, nämlich bei Änderungen des Bauentwurfs und bei Zusatzleistungen, die zur Ausführung der vereinbarten Leistung erforderlich werden (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 1 Abs. 3 VOB/B, Rn. 2, § 1 Abs. 4 VOB/B, Rn. 1, 3).

Ob die von den Streithelfern zitierte Entscheidung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.02.2021, 22 U 245/20) die Vorschriften anders auslegen will, wird nicht deutlich. Jedenfalls wäre eine Revision nicht wegen einer Abweichung von dieser Entscheidung zuzulassen, weil die Entscheidung nicht auf der Auslegung des § 2 Abs. 5, 6 VOB/B beruht. Sie geht vielmehr davon aus, dass die VOB/B in dem zu beurteilenden Fall nicht wirksam in den Vertrag einbezogen war.

Danach ist die Vorschrift des § 2 Abs. 5 VOB/B einschlägig. Denn die Herstellung von Unterzügen war von Anfang an vorgesehen. Es geht allein darum, auf welche Weise sie hergestellt werden sollten.

b) Die Ausführung der Unterzüge, wie die Statik sie vorsah, wich von der Ausführung ab, von der die Klägerin nach dem Leistungsverzeichnis ausgehen durfte. Die Unterzüge sollten danach überwiegend nicht als freitragende Bauteile errichtet werden. Diese Abweichung ist als Änderung des Bauentwurfs i. S. d. § 2 Abs. 5 VOB/B zu werten.

aa) Bei einer öffentlichen Ausschreibung ist der Vertragsinhalt durch die Auslegung der Leistungsbeschreibung zu bestimmen. Eine Änderung der Preisgrundlage kommt nur in Betracht, wenn sich durch einen späteren Eingriff des Auftraggebers der vereinbarte Leistungsinhalt geändert hat (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21. Auflage, § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 5).

(1) Der Inhalt einer öffentlichen Ausschreibung ist nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB auszulegen, wobei es auf den objektiven Empfängerhorizont eines fachkundigen, mit der angefragten Leistung vertrauten Bieters ankommt (BGH, Beschluss vom 07.01.2014, X ZB 15/13; OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.10.2020, 11 Verg 9/20). Nach den allgemeinen Auslegungsgrundlagen ist bei der Auslegung von dem Wortlaut der Erklärung auszugehen. Es sind nur die Umstände zu berücksichtigen, die dem Empfänger der Erklärung bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren (BGH, Beschluss vom 13.10.2011, VII ZR 222/10). Die Auslegung hat unter Berücksichtigung des Vertragsinhalts, der sonstigen Umstände und des mit dem Vertrag verfolgten Zwecks zu verfolgen (BGH, Urteil vom 30.06.2011, VII ZR 13/10).

(2) Bei der Auslegung ist danach nicht allein auf den Wortlaut der Positionen des Leistungsverzeichnisses und dort allein auf die Bedeutung des Worts “Unterzüge” abzustellen. Die Auslegung hat jedoch von der Bedeutung dieses Wortlauts auszugehen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts auf der Grundlage der Ausführungen der Sachverständigen ist unter einem Unterzug ein selbsttragendes Bauteil zu verstehen. Konkrete Anhaltspunkte Zweifel an dieser Feststellungen i. S. d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zeigt die Berufung nicht auf.

(3) Die Statik kann nur dann zur Auslegung der Vereinbarung herangezogen werden, wenn sie der Klägerin bei Angebotserstellung bekannt war. Das hat die Beklagte nicht unter Beweis gestellt.

Die Statik war nicht Teil der Vergabeunterlagen. Sie ist nicht in den von der Beklagten als Anlage B 1 vorgelegten Unterlagen enthalten. Bestandteil der Vergabeunterlagen waren einige Zeichnungen, von denen unklar geblieben ist, ob sich aus ihnen ergab, dass die Unterzüge nicht selbsttragend sein sollten.

Das Schreiben vom 13.08.2009 (Bl. 1373 d. A.) allein ist nicht geeignet, den Beweis zu erbringen, dass die relevanten Teile der Statik übersandt worden sind. In dem Schreiben wird ein Satz statische Unterlagen nach einer Planliste erwähnt, ohne dass deutlich wird, welche Unterlagen das gewesen sind. Es kann sich auch nur um die erwähnten Schalpläne gehandelt haben. Zudem ist aus dem Schreiben allein nicht erkennbar, ob die Unterlagen tatsächlich beilagen.

Im Übrigen wäre die Übergabe zwar vor dem Vertragsschluss, aber nach dem Angebot erfolgt. Grundlage für die Kalkulation konnte die Statik damit nicht mehr werden. Sie wäre für die Auslegung des Leistungsverzeichnisses und damit für das Verständnis des Angebots der Klägerin vom 29.06.2009 unerheblich. Es kommt so auch nicht darauf an, ob sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 05.05.2010 (Anlage B 14, Bl. 504 – 506 d. A.) ergibt, dass ihr die Statik bei Auftragserteilung vorlag.

Auch dann wäre der Preis anzupassen. Es dürfte sogar so sein, dass bei einer Änderungsanordnung vor Vereinbarung einer Leistung nicht § 2 Abs. 5 VOB/B eingreift, sondern der übliche Preis heranzuziehen ist (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 3).

(4) Dass in den die Unterzüge betreffenden Positionen des Leistungsverzeichnisses (Pos. 3.1.1.480, 3.1.1.490, 3.1.1.500, 3.1.1.510, 3.1.1.520, 3.1.2.180, 3.1.2.190, 3.1.2.200, 3.1.2.210, 4.1.2.150 – 4.1.2.240, 4.1.2.420, 4.1.2.430) jeweils auf die Statik Bezug genommen wurde, bedeutet nicht, dass die Klägerin sie hätte anfordern müssen. Denn sie musste allein aufgrund dieses Hinweises keinen Anlass zu der Annahme haben, dass sich aus der für die Erstellung des Angebots nicht übergebenen Statik angebotsrelevante Umstände ergaben.

(5) Aus dem weiteren Inhalt der die Unterzüge betreffenden Positionen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich überwiegend nicht um selbsttragende Bauteile handeln sollte. Nach den Ausführungen der Sachverständigen im Termin vom 04.02.2022 (Prot. S. 3, Bl. 1357 d. A.) sprechen weder die Maße noch die Anzahl der Unterzüge gegen die Annahme, dass selbsttragende Bauteile geplant waren.

(6) Aus dem Umstand, dass im Leistungsverzeichnis auch tragende Innenwände vorgesehen waren (Pos. 3.2.1.210, 3.2.1.270, 4.2.1.260, 4.2.1.320, 4.2.1.360), lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass die Unterzüge nicht selbsttragend sein sollten. Es kann nach den Ausführungen der Sachverständigen bautechnisch Sinn ergeben, zum Schutz des Mauerwerks dieses erst nach Abschluss der Betonarbeiten aufzumauern. Auch müssen lange Unterzüge teilweise unterstützt werden, was auch durch tragende Innenwände möglich ist (Prot. v. 04.02.2022, S. 3, 5, Bl. 1357, 1359 d. A.).

Auch der Wortlaut der Zulagepositionen für das spätere Mauern der letzten Schichten unter der Stahlbetondecke bzw. dem Stahlbetonbalken nach dem Ausschalen der Stahlbetondecke (Pos. 3.2.1.240, 3.2.1.290, 4.2.1.290, 4.2.1.340, 4.2.1.380) weist nicht eindeutig auf nicht selbsttragende Bauteile hin.

Nach den Ausführungen der Sachverständigen wird der Begriff Balken sowohl für selbsttragende als auch für nicht selbsttragende Betonbauteile verwendet (Prot. v. 04.02.2022. S. 5 f., Bl. 1359 f. d. A.).

bb) Auch wenn die Statik von Anfang an die Ausführung der Unterzüge weitgehend als nichttragende Bauteile vorsah, ist in der Ausführung nach der Statik eine andere Ausführung der Leistung zu sehen. Denn der Vertragsinhalt auf der Grundlage der dargestellten Auslegung des Leistungsverzeichnisses sah die Ausführung als tragende Bauteile vor.

Dass die Statik von Anfang an die Ausführung als nichttragende Bauteile vorsah, ist unstreitig. Die Klägerin hat nur bestritten, dass die Statik ihr bei der Erstellung des Angebots vorlag, aber nicht behauptet, dass sie nachfolgend geändert worden wäre. Sie hat nur von der Übergabe einer Nachtragsstatik gesprochen, ohne zu behaupten, dass die Änderung die hier relevante Leistung betraf oder dass sie der Angebotserstellung nachfolgte. Sie ist dem Vortrag der Beklagten, dass die Statik wegen der Ausführung der Unterzüge nie geändert worden ist, nicht entgegengetreten. Sie ist auch den Feststellungen des Landgerichts nicht entgegengetreten, nach denen es einen Widerspruch zwischen der Statik und dem Text des Leistungsverzeichnisses gab. Zumindest hat die Klägerin keinen Beweis für eine nachträgliche Änderung angeboten.

Auch in der Berufungserwiderung macht die Klägerin nur geltend, dass die Statik erst am 27.08.2009 geprüft und ihr auf einer CD mit dem Datum 30.09.2009 übergeben worden sei. Sie bezieht sich dabei auf Statiken, die am 02.09.2008 bzw. 17.03.2009 aufgestellt worden sind (Anlage BB 3, Bl. 1250 – 1251 d. A.), und damit deutlich vor dem Angebot.

c) Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass eine der Beklagten zurechenbare Leistungsanordnung erfolgt ist.

aa) Für eine Leistungsanordnung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B notwendig ist eine rechtsgeschäftliche, mit Vertretungsmacht abgegebene Erklärung, in der der Bauherr die geänderte Bauweise anordnet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.10.2013, 22 U 21/13). Die Anordnung kann ausdrücklich, aber auch konkludent erfolgen, etwa dadurch, dass der Auftraggeber in Kenntnis geänderter Bedingungen die Arbeiten fortsetzen lässt (Ingenstau/ Korbion/Keldungs, VOB, 21. Auflage, § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 20). Eine Anordnung kann in der Übergabe geänderter Pläne liegen (KG, Urteil vom 21.04.2016, 27 U 81/15; Kapellmann, Messerschmidt, VOB, 7. Aufl., § 2 VOB/B, Rn. 340). Es ist nicht notwendig, dass der Auftraggeber dabei den Willen hat, das Bausoll zu ändern. Er kann auch davon ausgehen, die verlangte Ausführung sei vom Bausoll gedeckt (Kapellmann, Messerschmidt, VOB, 7. Aufl., § 2 VOB/B, Rn. 340).

Notwendig ist jedoch, wie bei jeder Willenserklärung, dass der Auftraggeber die Erklärung oder das Verhalten des Auftraggebers nach dem objektiven Empfängerhorizont als Änderungsanordnung auffassen darf. Der Auftragnehmer muss annehmen dürfen, dass dem Bauherrn bewusst ist, dass er etwas anderes will als ursprünglich vereinbart.

bb) Es ist danach nicht ausreichend, dass der Klägerin die Statik übergeben worden ist und sie unstreitig danach bauen sollte. Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass aufseiten der Beklagten das Leistungsverzeichnis anders verstanden wurde als aufseiten der Klägerin. Es war für die Klägerin erkennbar, dass die Statik hinsichtlich der Ausführungsart der Unterzüge nie geändert worden war. Sie musste erkennen, dass die Streithelfer den Begriff anders verwendet hatten als er gemeinhin zu verstehen ist.

In dieser Situation musste die Klägerin einem Vertreter der Beklagten deutlich machen, dass sie bei ihrer Kalkulation von anderen Voraussetzungen ausgegangen war und durch die vorgesehene Ausführung nunmehr erheblicher Mehraufwand entstehen werde. Nur dann durfte sie in der Übergabe der Statik oder in dem Zulassen der Fortsetzung der Arbeiten eine Änderungsanordnung sehen.

cc) Inwieweit die Streithelfer von diesen Umständen Kenntnis erhalten haben, kann dahinstehen. Denn sie hatten unstreitig keine Vertretungsmacht für die Beklagte. Sie konnten so keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen für diese abgeben.

Etwaige Kenntnisse der Streithelfer waren der Beklagten nicht analog § 166 Abs. 2 BGB zuzurechnen. Ein Geschäftsherr muss sich entsprechend § 166 Abs. 1 BGB und mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch die Kenntnis eines Wissensvertreters zurechnen lassen. Wissensvertreter ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten (BGH, Urteil vom 26.05.2020, VI ZR 186/17).

Die Streithelfer waren nicht in eine solche Art und Weise in die Organisation der Beklagten eingebunden.

Sie waren allein damit betraut, das Bauvorhaben zu planen und zu überwachen, damit die Schulgebäude mangelfrei errichtet werden konnten. Dazu gehörte nicht die Kenntnisnahme und Weiterleitung von Informationen, die zu Änderungen der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Bauunternehmerin und der Bauherrin führen konnten.

Die Klägerin durfte zudem nicht davon ausgehen, dass die Streithelfer etwaige Kenntnisse von der Problematik an die Beklagte weiterleiten würden. Denn die Streithelfer hatten das Leistungsverzeichnis verfasst und waren damit für die Wahl des missverständlichen Begriffes “Unterzug” verantwortlich. Sie hätten sich bei einer Weiterleitung der Informationen an die Beklagte selbst belastet. Sie zeigten sich auch nicht einsichtig, sondern waren mit der Geltendmachung von Mehrkosten nicht einverstanden. In einer solchen Situation muss sich der Unternehmer an den Bauherrn selbst wenden.

Diese Frage ist ebenso zu beurteilen wie bei der Erteilung eines Bedenkenhinweises nach §§ 13 Abs. 3, 4 Abs. 1 Nr. 4 VOB/B. Auch mit einem Bedenkenhinweis muss sich der Unternehmer jedenfalls dann direkt an den Bauherrn wenden, wenn er Bedenken gegen Anordnungen oder Planungen des Architekten selbst hat (BGH, Urteil vom 19.12.1996, VII ZR 309/95; OLG Oldenburg, Urteil vom 15.10.1997, 2 U 178/97) oder der Architekt sich der Bedenkenanmeldung durch den Unternehmer verschließt (BGH, Urteil vom 19.01.1989, VII ZR 87/88; BGH, Urteil vom 19.12.1996, VII ZR 309/95; Senat, Urteil vom 24.05.2019, 1 U 71/18; OLG Düsseldorf, Baurecht 1995, 244, 245; OLG Celle, Urteil vom 21.10.2004, 14 U 26/04; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2013, 23 U 185/11; Ingenstau/Korbion/Wirth, VOB, 21. Aufl., § 13 Abs. 3 VOB/B, Rn. 78).

Ob der Beklagten ein Planungsverschulden der Streithelfer anzurechnen ist, ist unerheblich, weil die Klägerin nicht Schadensersatz geltend macht, sondern Werklohn.

dd) Auch Herr B1 war nicht für rechtsgeschäftliche Erklärungen für die Beklagte gegenüber der Klägerin bevollmächtigt. Die Klägerin durfte das auch nicht annehmen. In dem von dem Bürgermeister unterschriebenen Auftragsschreiben vom 06.08.2022 (Anlage B 1, AB) wird Herr B1 als Mitarbeiter im Gebäudemanagement bezeichnet. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht ist mit einer solchen Position regelmäßig nicht verbunden.

Ob Wissen von Herrn B1 der Beklagten analog § 166 Abs. 2 BGB zuzurechnen wäre, kann offenbleiben.

Denn es steht nicht fest, dass er von den oben bezeichneten Umständen Kenntnis hatte.

ee) Schriftverkehr mit der Beklagten – oder auch nur mit den Streithelfern – aus dem Jahr 2009 legt die Klägerin nicht vor. Als einzige schriftliche Unterlage aus dem fraglichen Zeitraum legt sie das Protokoll der Baubesprechung vom 18.11.2009 (Anlage K 42, Bl. 448 d. A.) vor, in der Mehrkosten wegen längerer Schalungszeiten angekündigt wurden. Ob das Protokoll einem Vertreter der Beklagten zur Kenntnis gelangt ist, ist unbekannt. Das folgt nicht allein daraus, dass Herr B1 im Verteiler genannt wird.

Nach dem Vortrag der Klägerin sollen Mehrkosten dabei zum ersten Mal zur Sprache gebracht worden sein.

Das wäre erheblich nach dem Beginn der Betonarbeiten gewesen. Auch die Höhe der Mehrkosten wird in dem Protokoll nicht näher dargelegt. Es soll nachfolgend eine erste Kostenzusammenstellung vom 15.12.2009 gegeben haben. Auch eine solche legt die Klägerin nicht vor.

Die Klägerin beruft sich in erster Linie auf ihr Schreiben vom 13.04.2010 (Anlage BB 6, Bl. 1429R – 1430 d. A.), in dem angeführt wird, der Mehrbedarf und die Gründe dafür seien “Ihnen” vor Ausführung der Arbeiten bekannt gemacht worden. Das Schreiben ist als solches nicht zum Beweis geeignet, weil es unstreitig nach dem Abschluss der Betonarbeiten verfasst worden ist. Ob und auf welche Weise die Vertreter der Beklagten Kenntnis erhalten haben sollen, ergibt sich daraus zudem nicht. Ob die Streithelfer die Darstellung bestritten haben, ist unerheblich. Auf solche vorprozessualen Vorgänge sind die prozessualen Regeln nicht anzuwenden.

ff) Nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin im Termin vom 04.02.2022 (insoweit nicht protokolliert) soll über die Frage gesprochen worden sein, nachdem die Anforderungen aus der Statik bekannt geworden waren. Es ist aber offengeblieben, mit wem gesprochen worden ist und wie genau die Angaben dabei waren.

gg) Es reicht nicht aus, wenn durch den Mehraufwand nunmehr ein “Stützenwald” entstand, oder, dass die Dauer der Arbeiten sich verlängerte. Die Vertreter der Beklagten mussten keine Vorstellung davon haben, auf welche Weise oder mit welchem Aufwand die Klägerin die Unterzüge herstellen wollte. Sie konnten so nicht erkennen, ob sich etwas geändert hatte.

hh) Der Senat ist nach der Aussage des Zeugen K2 nicht überzeugt, dass Vertreter der Beklagten die notwendigen Informationen erhalten haben.

Der Zeuge K2 hat bekundet (Prot. v. 18.11.2022, S. 2 ff., Bl. 1540 ff. d. A.), es sei gegenüber dem bauleitenden Architekten Herrn F1 dargelegt worden, dass es zu Mehrkosten komme. Nach seiner Erinnerung sei Herr B1 auch im Thema gewesen. Herr B1 habe an Baubesprechungen teilgenommen und die Protokolle erhalten. Überwiegend sei mündlich gesprochen worden, es habe aber auch jede Menge Schriftverkehr gegeben. Mehrkosten sei widersprochen worden. Eine genaue Situation könne er nicht mehr erinnern. Das Schreiben vom 13.04.2010 habe er verfasst. Herr F1 habe einmal handschriftlich eine Zahl notiert, die zur Lösungsfindung habe dienen sollen. Das habe aber nicht zu einer Einigung geführt.

Die Aussage ist weder für sich noch im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 13.04.2010 glaubhaft. Es fehlen Realkennzeichen für die Aussage, dass Herr K2 oder ein anderer Vertreter der Klägerin mit Herrn B1 über die Mehrkosten und deren Ursachen gesprochen haben. Herr K2 konnte keine konkrete Situation schildern, in der es zu einem solchen Gespräch gekommen sein soll.

Herr K2 schränkte seine Aussage teilweise dahin ein, dass er aufgrund des Schriftverkehrs davon ausgehe, Herr B1 sei informiert gewesen, Herr B1 sei verschiedentlich auf der Baustelle gewesen und habe das Thema wahrgenommen oder man sei zwar bei Baubesprechungen teilweise in verschiedenen Gruppen über die Baustelle gegangen, er gehe aber davon aus, dass das Thema unter anderem Herrn B1 bekannt gewesen sei (Prot. v. 18.11.2022, S. 2, 3, Bl. 1540, 1541 d. A.). Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass Herr K2 nur aufgrund der auf der Baustelle geführten Gespräche darauf schließt, dass auch Herr B1 informiert gewesen sei. Im Übrigen ist nicht glaubhaft, dass es eine große Anzahl von Schreiben aus dem Jahr 2009 zu dem Problem gab. Die Klägerin hat solche Schreiben, wie gesagt, nicht vorgelegt.

Die Aussage wird nicht dadurch glaubhaft, dass Herr K2 bekundet hat, er habe das Schreiben vom 13.04.2010 verfasst und die darin aufgeführten Punkte seien seinerzeit angesprochen worden. Das ersetzt nicht die fehlende Erinnerung daran, in welcher Situation mit wem ein solches Gespräch geführt worden sein soll.

Ob der Streithelfer Herr F1 einmal mit dem Ziel einer Einigung eine Zahl notiert hat, ist unerheblich. Ihm fehlte jedenfalls die Vertretungsmacht für die Beklagte. Im Übrigen fehlt zu einem solchen Vorgang Vortrag der Klägerin.

d) Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht nach den Regelungen des § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B. Sie hat nicht dargelegt, jedenfalls nicht bewiesen, dass ein Vertreter der Beklagten die geänderte Leistung anerkannt hat oder die geänderte Leistung einem Vertrete der Beklagten unverzüglich angezeigt worden ist.

Das würde wiederum ein Bewusstsein einer geänderten Leistung bei einem Vertreter der Beklagten voraussetzen. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

e) Abgesehen von dem fehlenden Anspruchsgrund hat die Klägerin auch die Höhe des Anspruchs nicht plausibel dargelegt.

aa) Ein erheblicher Teil der Mehrkosten soll dadurch entstanden sein, dass die Klägerin die Schalungen für die Unterzüge nicht mehrmals verwenden konnte, weil die nicht selbsttragenden Unterzüge abgestützt werden mussten. Die Klägerin durfte bei ihrer Kalkulation allerdings nicht von einer mehrfachen Verwendung der Schalung ausgehen.

In den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen ist geregelt, dass es sich bei den Stahlbetonarbeiten um Raumtragewerke handelt, die Tragkraft erst nach der Abbindezeit für das gesamte Raumtragewerk erreicht wird und die Ausschalung von Wänden und Decken z. T. mit erheblicher Zeitverzögerung stattfinden kann und nur in Abstimmung mit dem Statikbüro durchzuführen ist (S. 2, Anlage B1, AB). Die Klägerin musste danach damit rechnen, dass die Schalung länger vorgehalten werden musste, nämlich bis der Statiker das Ausschalen genehmigte.

Es handelt sich dabei nicht vornehmlich um eine technische Frage, sondern um die Auslegung der Vertragsbedingungen. Es ist deswegen nicht erheblich, dass die Sachverständige im Termin vom 18.11.2022 ausgeführt hat, bei normalen Abbindezeiten habe die Schalung öfter verwendet werden können. Ein früheres Ausschalen sei mit Zustimmung des Statikers möglich. Nach der Abbindezeit sei die Zustimmung nicht notwendig (Prot. S. 6 f, Bl. 1543 f. d. A.). Die Sachverständige hat damit nur ein übliches Vorgehen auf einer Baustelle geschildert. In den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen wurde aber gerade klargestellt, dass mit Zeitverzögerungen zu rechnen war. Die Klägerin hätte deswegen nicht ohne Nachfrage den üblichen Bauablauf ihrer Kalkulation zugrunde legen dürfen. Das gilt auch dann, wenn der Begriff des Raumtragewerks im Betonbau nicht üblich ist (Prot. v. 18.11.2022, S. 7, Bl. 1545 d. A.). Ein solcher erkennbarer Widerspruch hätte erst recht zu der Nachfrage führen müssen, was gemeint war.

Nach der Aussage des Zeugen K2 gibt es sogar einen Anhaltspunkt dafür, dass die von der Klägerin geltend gemachte Problematik ihre Ursache darin hatte, dass sie den Hinweis in den besonderen technischen Vertragsbedingungen nicht beachtet hat. Er hat bekundet, es habe sich herausgestellt, dass die Tragfähigkeit nur durch das Gesamtwerk, nämlich die Unterzüge und das Dach, habe hergestellt werden können (Prot. v. 18.11.2022, S. 4, Bl. 1542 d. A.). Das deutet auf den in den Vertragsbedingungen beschriebenen Umstand, hin, dass die Tragkraft erst nach Fertigstellung und Abbindezeit des gesamten Raumtragewerks erreicht wird.

bb) Ein Teil der Mehrkosten soll dadurch entstanden sein, dass das Aufmauern der tragenden Wände zwischen der Abfangung der Unterzüge erschwert gewesen sei und sich unter anderem dadurch eine Bauzeitverzögerung ergeben habe. Diese Kosten wären vermeidbar gewesen, wenn vor der Herstellung der Unterzüge die Wände gemauert worden wären. Nach den Ausführungen der Sachverständigen hätte das Vorgehen in anderer Reihenfolge auch bei der Annahme, dass die Klägerin zunächst von freitragenden Bauteilen ausgehen durfte, nur zu Mehrkosten von 752,47 Euro netto geführt (EGA v. 11.02.2020, S. 14).

Die von der Klägerin gewählte Reihenfolge war nicht im Leistungsverzeichnis vorgeschrieben. Aus ihm ergibt sich keine bestimmte Reihenfolge der Arbeiten. Eher ergibt sich, dass die Wände größtenteils vor der Erstellung der Decken hergestellt werden sollten. Auf die gegenteiligen Ausführungen der Sachverständigen (Prot. v. 12.02.2021, S. 3 f., Bl. 1021 f. d. A.) kommt es nicht an, weil es sich nicht um technische Fragen handelt. Die Auslegung des Leistungsverzeichnisses ist eine Rechtsfrage. Es kommt für die Auslegung auch nicht darauf an, ob die Rechtsanwälte der Beklagten im Nachhinein geäußert haben, die Vorgehensweise der Klägerin sei richtig gewesen.

Für die Positionen, die die Herstellung der tragenden Innenwände vorsahen, war jeweils eine Zulage für das spätere Mauern der letzten Schichten vorgesehen (Pos. 3.2.1.210 und 3.2.1.240, 3.2.1.270 und 3.2.1.290, 4.2.1.260 und 4.2.1.290, 4.2.1.320 und 4.2.1.340, 4.2.1.360 und 4.2.1.380 des LV). Bei der gebotenen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ergab sich daraus, dass die tragende Innenwand bereits mit Ausnahme der letzten Schichten hergestellt sein sollte, bevor die Stahlbetondecke hergestellt wurde, denn sonst hätte es nicht der Beschreibung “später” bedurft, die eine Unterbrechung der Arbeiten nahelegt.

Hätten erst die Decken und danach die Wände hergestellt werden sollen, hätte es keines Zusatzes, der auf eine Unterbrechung der Arbeiten hinweist, bedurft.

Dass das Aufmauern der Wände vor den Betonarbeiten geplant war, ergibt sich aus den Bauzeitplänen. So sah etwa der Plan der Beklagten (Anlage B 13, Bl. 490 d. A.) das Aufmauern von Wänden im Untergeschoss für die 37./38. Kalenderwoche, das Herstellen der Stahlbetondecke jedoch erst für die 38./39. Kalenderwoche vor. Im Erdgeschoss sollte das Aufmauern der Wände in der 40./41. Kalenderwoche erfolgen, das Herstellen der Decken in der 42. Kalenderwoche. Ähnliches ergibt sich aus dem von der Klägerin erstellten Bauzeitplan vom 21.09.2009 (Bl. 1039 ff. d. A.). Danach hätte etwa das Aufmauern der Wände im Untergeschoss bis zur 39. Kalenderwoche dauern sollen, das Herstellen der Decke hätte in der 38./39. Kalenderwoche geschehen sollen. Der Ablauf der Herstellung von Mauerwerk und Decke im Erdgeschoss hätte nicht verändert werden sollen. Außerdem war zu einem späteren Zeitpunkt die Herstellung restlichen Ziegelmauerwerks vorgesehen, wobei es sich um das Aufmauern der letzten Schichten handeln dürfte.

Dieser Auslegung des Leistungsverzeichnisses und der Bauzeitpläne hat die Klägerin in der Stellungnahme zum Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 ausdrücklich zugestimmt. Soweit sie geltend gemacht hat, die von ihr – danach frei gewählte – Vorgehensweise sei der Beklagten bekannt gewesen, ist das unerheblich.

Abgesehen davon, dass unklar geblieben ist, ob für die Beklagte Vertretungsberechtigte Kenntnis hatten, kann aus dem bloßen Umstand, dass dem Bauherrn eine vom Unternehmer frei gewählte Reihenfolge der Arbeiten bekannt ist, kein Mehrkostenanspruch erwachsen.

Die Klägerin hat auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 nicht dargelegt, welche Mehrkosten entstanden wären, wenn sie zunächst die Wände gemauert hätte, oder, aus welchem Grund eine solche Reihenfolge nicht möglich gewesen sein soll, als ihr die Anforderungen aus der Statik bekannt wurden. Dabei ist von Bedeutung, dass bereits im Untergeschoss der Sporthalle (Titel 3.1.1) Unterzüge vorgesehen waren und aus den Anforderungen der Statik an sie Rückschlüsse für die Ausführung der Unterzüge jedenfalls im Obergeschoss der Sporthalle hätten gezogen werden müssen.

Die Klägerin hat nur geltend gemacht, dass sich die Mehrkosten auf das Mauern der letzten Schichten bezögen. Eine solche Einschränkung geht weder aus dem Nachtrag 6 noch aus ihrem Vortrag in diesem Rechtsstreit hervor. Im Gegenteil geht die Vorbemerkung des Nachtrags (Ziff. 3 der Beschreibung des Mehraufwands, S. 2) offensichtlich von der Herstellung des gesamten unter den Unterzügen angeordneten Mauerwerks aus. Außerdem ist unstreitig, dass die Klägerin die gesamten Wände erst nach der Herstellung der Unterzüge aufgemauert hat. Sie selbst spricht von einem “Stützenwald“, der auf der Baustelle entstanden sei.

2. Mehrkosten nach dem Nachtrag 7 für eine Beschleunigung des Bauablaufes stehen der Klägerin nicht zu.

Tatsächlich ist eine relevante Beschleunigung des Bauablaufes nicht erfolgt. Zumindest fehlt es an einer der Beklagten zurechenbaren Beschleunigungsanordnung.

a) Die Klägerin macht mit dem Nachtrag 7 Mehrkosten dafür geltend, dass die Betonarbeiten bis Weihnachten 2009 fertigzustellen waren. Das war zwischen den Parteien indes bereits im Vertrag vom 06./20.08.2009 vereinbart worden.

aa) Das dem Vertrag zugrunde liegende Leistungsverzeichnis enthielt in der Vorbemerkung bereits einen groben Bauzeitplan, nach dem die wesentlichen Teile der Rohbauarbeiten bis Dezember 2009 beendet sein sollten (S. 4 der Vorbemerkungen, Anlage B 1, AB). Aus dem für die Ausbaugewerke vorgesehenen Leistungsbeginn ist zu erkennen, dass das Bauwerk zu diesem Zeitpunkt bereit für den Einbau der Fenster und ab da geschlossen für den Beginn des Innenausbaus sein musste. Nach den Ausführungen der Sachverständigen (1. EGA v. 11.02.2020, S. 22) ist daraus jedenfalls zu schließen, dass die Betonarbeiten abgeschlossen sein mussten. Die Herstellung der Sohle, der Außenwände sowie der Decken war notwendig, um einen geschlossenen Bau zu erreichen.

bb) Die Überschrift des Nachtrags ist nicht missverständlich. Er enthält das, was mit der Überschrift angekündigt wird, nämlich Kosten für die Fertigstellung der Betonarbeiten bis Dezember 2009, die indes bereits ursprünglich vertraglich geschuldet war. Die beiden Positionen weisen Schalarbeiten und die Zuteilung eines zweiten Poliers jeweils bis zum 18.12.2009 aus. Es ging somit nicht um die Fertigstellung der Betonarbeiten innerhalb eines verkürzten, vor Dezember 2009 endenden Zeitraums. Das entspricht auch dem durchgehenden Vortrag der Klägerin.

Insofern kann sich die Klägerin nicht auf die Ausführungen der Sachverständigen in dem Ergänzungsgutachten vom 11.02.2020 (S. 21 – 23) stützen. Zwar heißt es dort, nach einem geänderten Bauzeitenplan hätten die Betonarbeiten bis Oktober 2009 statt bis Weihnachten fertiggestellt sein sollen.

Der Senat verkennt auch nicht, dass die Sachverständige im Termin vom 18.11.2022 erklärt hat, aufgrund einer Verkürzung des Zeitraums für die Betonarbeiten auf den 04.11.2009 habe schneller gearbeitet werden müssen (Prot. S. 6, Bl. 1544 d. A.). Das entspricht nicht dem Vortrag der Klägerin. Sie hat in dem Nachtrag keine Kosten für die Fertigstellung der Betonarbeiten bis zum 04.11.2009 kalkuliert.

cc) Eine Verkürzung des ursprünglich vertraglich vorgesehenen Leistungszeitraums scheidet auch wegen des in dem in den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis enthaltenen Bauzeitplan vorgesehenen Beginns der Zimmerer- und Dacharbeiten im November 2009 aus. Die Klägerin musste erkennen, dass die Wände und Decken bis dahin fertiggestellt sein mussten.

Die Klägerin hatte nach dem Leistungsverzeichnis (Pos. 1.2.1) ein Gerüst für die Folgegewerke nach Erstellung der Rohbauarbeiten zu erstellen. Das Gerüst war unter anderem für Arbeiten am Dach notwendig. Die Aufstellung des Gerüsts setzte voraus, dass der Rohbau bereits stehen musste, jedenfalls die Wände, an denen das Gerüst aufzustellen war.

Der Beginn der Arbeiten an dem Dachstuhl und dem Dach setzt voraus, dass zu diesem Zeitpunkt der Rohbau soweit steht, dass das Dach darauf errichtet werden kann. Auch das setzt die Fertigstellung der Wände und der Decken voraus.

b) Im Übrigen fehlte selbst im Falle einer relevanten Baubeschleunigung für einen Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B eine rechtsgeschäftliche Anordnung eines Vertreters der Beklagten. Die von der Klägerin herangezogenen Bauzeitpläne sind ihr von den Streithelfern übergeben worden. Diese waren nicht für rechtsgeschäftliche Erklärungen im Namen der Beklagten bevollmächtigt.

3. Das Urteil des Landgerichts ist in Höhe von 71.613,64 Euro rechtskräftig geworden. Insoweit hat die Beklagte das Urteil nicht angegriffen. In Höhe von insgesamt 354.997,98 Euro war die Klage abzuweisen. In Höhe der Differenz von 409,84 Euro zu dem vom Landgericht ausgeurteilten Betrag von 427.021,46 Euro war die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen.

Der von der Beklagten angegebene Zahlbetrag von 123.724,23 Euro beruht auf einem offensichtlichen Rechenfehler. Dieser Betrag ergibt sich, wenn man den von der Beklagten angegriffenen Betrag von 355.407,82 Euro von der ursprünglichen Klagesumme von 479.132,05 Euro abzieht. Tatsächlich ist von der Höhe der Verurteilung auszugehen. Der Antrag der Beklagten ist dahin auszulegen, dass sie in erster Linie die Klagabweisung in Höhe von 355.407,82 Euro anstrebt, nicht die Verurteilung zur Zahlung von 123.724,23 Euro.

Im Übrigen käme eine Verurteilung in dieser Höhe nicht in Betracht, weil die Klägerin die teilweise Klageabweisung durch das Landgericht nicht angegriffen hat.

Die Klage ist in Höhe von 301.780,25 Euro brutto (253.596,85 Euro netto) abzuweisen, weil der Klägerin kein weiterer Werklohn nach dem Nachtrag 6 zusteht. Diesen Betrag hat das Landgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegt. Das Landgericht hat sich für die Höhe des Betrages auf das Gutachten der Sachverständigen gestützt (Urt. S. 42, 44), die diesen Betrag ermittelt hatte (GA v. 07.03.2017, S. 97). Bei dem vom Landgericht auch genannten Betrag von 253.941,25 Euro netto (Urt. S. 43) handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler.

Die Beklagte ist bei der Berechnung des angegriffenen Betrages von dem letzteren Betrag ausgegangen.

Der Angriff ist daher um 409,84 Euro brutto (344,40 Euro netto) zu hoch. In dieser Höhe ist ihre Berufung unbegründet. Sie war entsprechend zur Zahlung weiteren Werklohns nebst Zinsen zu verurteilen. Wegen der Verurteilung zur Zinszahlung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, das von der Beklagten insoweit nicht angegriffen worden ist.

Die Klage ist in Höhe weiterer 53.217,73 Euro brutto (44.720,78 Euro netto) zurückzuweisen, weil der Klägerin kein weiterer Werklohn nach dem Nachtrag 7 zusteht. Das Landgericht hat diesen Betrag seiner Verurteilung zugrunde gelegt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht angezeigt, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind geklärt.

BGH zu der Frage, dass das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen kann, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist

BGH zu der Frage, dass das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen kann, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist

vorgestellt von Thomas Ax

1. Gemäß § 412 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist. In diesem Fall darf ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO (“kann”) das Gutachten des abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht mehr verwertet werden.
2. Die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen steht der Verwertbarkeit seines Gutachtens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist (Anschluss an BGH, IBR 2007, 530).

BGH, Urteil vom 05.12.2023 – VI ZR 34/22
vorhergehend:
OLG Koblenz, 29.12.2021 – 5 U 1484/21
LG Koblenz, 29.07.2021 – 1 O 363/18

Tatbestand:

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte nach ärztlicher Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten vom 5. Juli 2020 im Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 4. Februar 2021 mündlich erläutert. Die Klägerin hat den Sachverständigen im Termin als befangen abgelehnt und dies anschließend in einem Schriftsatz begründet. Mit Schreiben vom 18. April 2021 hat der Sachverständige dazu Stellung genommen. Daraufhin hat die Klägerin ihr Befangenheitsgesuch mit einem neuen Schriftsatz auch darauf gestützt, dass der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 18. April 2021 in unangemessener Weise Kritik am Befangenheitsantrag sowie an ihrem Prozessbevollmächtigten und dessen Verhalten in der mündlichen Verhandlung geübt habe. Das Landgericht hat das Gesuch der Klägerin, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht (4. Zivilsenat) den Beschluss des Landgerichts abgeändert und das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen für begründet erklärt. Es hat ausgeführt, dass dahinstehen könne, ob die zunächst geltend gemachten Gründe rechtzeitig angebracht worden seien, da es jedenfalls zu diesem Zeitpunkt an einem Befangenheitsgrund gemangelt habe. Jedoch habe der Sachverständige mit seiner Stellungnahme vom 18. April 2021 die Grenzen der gebotenen Neutralität und Sachlichkeit überschritten, indem er das Prozessverhalten und die Persönlichkeitsstruktur des Klägervertreters analysiert und negativ bewertet habe.

3

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (5. Zivilsenat) hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4

Das Berufungsgericht hat – soweit im vorliegenden Zusammenhang relevant – ausgeführt, dass die Klägerin einen Behandlungsfehler oder eine fehlerhafte Aufklärung nicht nachgewiesen habe. Das Gutachten des Sachverständigen vom 5. Juli 2020 und das Ergebnis der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vom 4. Februar 2021 seien weiterhin verwertbar. Das Landgericht sei nicht verpflichtet gewesen, ein neues Gutachten eines anderen Sachverständigen einzuholen. Da der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren, bestehe auch aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zu der Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei der Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei. Darüber hinaus sei das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich, weil sie damit verfahrensfremde Zwecke verfolge. Ablehnungsanträge, welche ausschließlich zur Prozessverschleppung oder zur Verfolgung anderer verfahrensfremder Zwecke gestellt würden, seien aufgrund fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Im vorliegenden Fall sei die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke aus dem Prozessverlauf ersichtlich.

5

Ein neues Sachverständigengutachten müsse nicht deshalb eingeholt werden, weil der Sachverständige die Beantwortung entscheidungserheblicher Fragen verweigert habe oder dessen angeblich widersprüchliche Aussagen hätten aufgeklärt werden müssen. Der Sachverständige müsse auch nicht erneut zur Erläuterung seines Gutachtens geladen werden. Ein Behandlungsfehler sei nicht nachgewiesen.

II.

6

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht keine Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen angeordnet (§ 412 Abs. 2 ZPO) und seine Entscheidung auf die Ausführungen des abgelehnten Sachverständigen gestützt hat.

7

1. Gemäß § 412 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist. In diesem Fall darf ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO (“kann”) das Gutachten des abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht mehr verwertet werden (vgl. Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 406 Rn. 8, § 412 Rn. 29; Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl., § 412 Rn. 1; Huber in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., § 406 Rn. 18, § 412 Rn. 2; Berger in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 406 Rn. 66; BeckOK ZPO/Scheuch, 50. Ed. 1.9.2023, § 406 Rn. 39; Siebert in Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 406 Rn. 16, § 412 Rn. 7; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 406 Rn. 15, § 412 Rn. 3; Katzenmeier in Prütting/Gehrlein, ZPO, 15. Aufl., § 412 Rn. 2).

8

2. Gründe für eine Ausnahme von dieser Regel liegen nicht vor.

9

a) Das Berufungsgericht hat nicht annehmen dürfen, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin unzulässig sei.

10

aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich sei, weil sie damit verfahrensfremde Zwecke verfolge. Ablehnungsanträge, welche ausschließlich zur Prozessverschleppung oder zur Verfolgung anderer verfahrensfremder Zwecke gestellt würden, seien aufgrund fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke sei aus dem Prozessverlauf ersichtlich. In ihrer Stellungnahme zum Sachverständigengutachten habe sich die Klägerin noch einige seiner Aussagen zu eigen gemacht und lediglich die fehlerhafte Zugrundelegung eines falschen Sachverhalts gerügt. Als der Sachverständige jedoch bei seinen der Klägerin ungünstigen Feststellungen geblieben sei, sei der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit angebracht worden. Danach sei offensichtlich, dass die Klägerin die ihr unliebsame Folge der Beweisaufnahme dadurch zu umgehen versucht habe, durch die Ablehnung des Sachverständigen die Einholung eines neuen Gutachtens zu erreichen. Diese unzulässige, weil rechtsmissbräuchliche Prozesstaktik bzw. dieses Ziel ergebe sich schließlich auch aus der Berufungsbegründung, in der die Klägerin mitgeteilt habe, sie hätte ein eigenes Gutachten eingeholt, wenn das Landgericht – statt direkt die Klage abzuweisen – darauf hingewiesen hätte, dass es das Sachverständigengutachten verwerten wolle.

11

bb) Diese Beurteilung des Berufungsgerichts widerspricht der Bindungswirkung der im Ablehnungsverfahren getroffenen Entscheidung. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat ein anderer Zivilsenat des Oberlandesgerichts das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen für begründet erklärt. Diese Entscheidung unterliegt gemäß § 512, § 406 Abs. 5 ZPO nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts, das an sie gebunden ist.

12

cc) Im Übrigen trägt der Verfahrensablauf nicht die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Das Prozessverhalten der Klägerin stellt entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts keine rechtsmissbräuchliche Prozesstaktik dar, um eine unliebsame Folge der Beweisaufnahme zu umgehen, sondern die Wahrnehmung eines prozessualen Rechts. Denn es steht einer Partei frei, vom Ablehnungsrecht (§ 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO) in den durch § 406 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 ZPO bestimmten zeitlichen Grenzen Gebrauch zu machen.

13

b) Zwar steht die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen der Verwertbarkeit seines Gutachtens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2007 – VII ZB 18/06, NJW-RR 2007, 1293 Rn. 12; Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 406 Rn. 8; Siebert in Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 406 Rn. 16; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 406 Rn. 15). Die Entscheidung über die Frage der weiteren Verwertbarkeit ist nicht mehr Teil des Ablehnungsverfahrens. Ein Ablehnungsgesuch ist ein einheitlich zu behandelnder Antrag, der entweder insgesamt zurückzuweisen ist oder zur Feststellung der Befangenheit des Abgelehnten führt. Welche Folgen die erfolgreiche Ablehnung insbesondere im Hinblick auf die bisherige Mitwirkung des abgelehnten Sachverständigen hat, ist vom Gericht im Rahmen seiner Entscheidung, welche Beweise noch zu erheben sind, zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2007 – VII ZB 18/06, NJW-RR 2007, 1293 Rn. 11).

14

aa) Allerdings hat das Berufungsgericht schon keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat.

15

bb) Zudem hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, es bestehe kein Anlass zu der Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen sei.

16

(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe zunächst weder in der Vorbereitung oder in der Begutachtung an sich noch in der schriftlichen Ausarbeitung des Sachverständigen vom 5. Juli 2020 einen Ablehnungsgrund gesehen. Ein Ablehnungsgesuch sei erst nach der mündlichen Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 4. Februar 2021 angebracht worden. Zwar habe ein anderer Senat des Oberlandesgerichts das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt. Allerdings habe dieser eindeutig zwischen dem Verhalten des Sachverständigen bei der Begutachtung und seiner anschließenden schriftlichen Stellungnahme vom 18. April 2021 zum Befangenheitsantrag differenziert und ausgesprochen, dass ein Befangenheitsgrund erst mit seiner Stellungnahme gegeben sei. Er habe herausgearbeitet, dass es zum Zeitpunkt des Befangenheitsgesuchs an einem Befangenheitsgrund gemangelt habe. Daraus ergebe sich, dass Fehlverhaltensweisen des Sachverständigen bei der Vorbereitung der Begutachtung oder der Begutachtung selbst, die eine Ablehnung rechtfertigen könnten, hier nicht vorlägen. Es sei folglich nicht rechtsfehlerhaft gewesen, dass das Landgericht das schriftliche Gutachten und dessen mündliche Erläuterung verwertet habe. Die Ausführungen des Sachverständigen hätten vor dem 18. April 2021 gelegen. Erst ab diesem Zeitpunkt wäre eine Fortsetzung der Tätigkeit des Sachverständigen nicht mehr hinnehmbar gewesen, weil er sich dem Prozessbevollmächtigten gegenüber unsachlich geäußert habe. Da der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren, worauf allein der Befangenheitsgrund im weiteren Schriftsatz der Klägerin gestützt sei, bestehe auch aus der Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zur Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei der Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei.

17

(2) Aus diesen Erwägungen des Berufungsgerichts ergibt sich zunächst nur, was die Klägerin im Sinne von § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO als Grund, der geeignet gewesen ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen (Befangenheitsgrund), geltend gemacht hat und was als Befangenheitsgrund angenommen worden ist. Soweit das Berufungsgericht anschließend meint, es bestehe kein Anlass zur Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei, beschränkt es sich auf den Hinweis, dass der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren. Das Berufungsgericht verhält sich jedoch nicht näher dazu, ob die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen bereits zuvor beeinträchtigt gewesen sein könnte. Daraus, dass eine (mögliche) Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit sich nicht schon früher offenbart hat, folgt nicht, dass eine solche auch nicht vorgelegen hat. Die zur Befangenheit des Sachverständigen führende Kritik am klägerischen Prozessbevollmächtigten betraf insoweit hier gerade auch dessen Verhalten in der mündlichen Verhandlung, anlässlich derer sich der Sachverständige gutachterlich geäußert hatte. Deshalb ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zur Besorgnis bestand, die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen könne schon bei seinen mündlichen Ausführungen in der Verhandlung beeinträchtigt gewesen sein.

18

c) Schließlich kann offenbleiben, ob – wie die Revisionserwiderung meint – trotz erfolgreicher Ablehnung eines Sachverständigen die Verwertbarkeit seines Gutachtens auch dann in Betracht kommt, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat. Denn auch dann käme die Verwertung des Gutachtens jedenfalls nur in Betracht, wenn kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei dessen Erstellung (und ggf. Erläuterung) beeinträchtigt gewesen ist. Dies ist hier nicht der Fall.

19

3. Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

OLG München zu der Frage, dass sich die Höhe der Vergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge bemisst

OLG München zu der Frage, dass sich die Höhe der Vergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge bemisst

vorgestellt von Thomas Ax

1. Das Schweigen des Auftraggebers auf ein Nachtragsangebot des Auftragnehmers gilt – auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr – nicht als Annahme des Nachtragsangebots.
2. Die Höhe der Vergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B bemisst sich nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge, wenn sich die Parteien nicht über die Nachtragshöhe einigen können.
3. Der Auftragnehmer muss substanziiert zu den tatsächlich angefallenen Mehrkosten vortragen. Das gilt auch dann, wenn der Auftragnehmer mit seinem einen Nachunternehmer einen Pauschalpreisvertrag geschlossen hat, der auch andere Arbeiten umfasst.
OLG München, Beschluss vom 03.02.2023 – 28 U 5927/22 Bau
vorhergehend:
OLG München, Beschluss vom 19.12.2022 – 28 U 5927/22 Bau
LG München II, 31.08.2022 – 3 O 860/20 Bau
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 25.10.2023 – VII ZR 44/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Restwerklohn in Anspruch.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München II vom 31.08.2022 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Restwerklohn in Höhe von 29.084,11 Euro nebst Zinsen sowie außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v.1.141,90 Euro verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (die Klägerin hatte zuletzt die Verurteilung der Beklagten zu einer Zahlung i.H.v. 165.931,97 Euro nebst Zinsen sowie außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 3.039,50 Euro beantragt).

Hinsichtlich der Antragstellung erster Instanz wird auf den Tatbestand und hinsichtlich der Begründung des Ersturteils wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen landgerichtlichen Urteils sowie auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt I. Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung die Verurteilung der Beklagten, soweit ihrer Klage nicht in erster Instanz stattgegeben wurde, weiter. Wegen der Berufungsrügen der Klägerin wird auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt II. Bezug genommen.

Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin zuletzt:

1. Das am 31.08.2022 verkündete Urteil des Landgerichts München II unter dem Aktenzeichen 3 O 860/20 wird, soweit es der Klage nicht stattgegeben hat, abgeändert und die Beklagte dazu verurteilt an die Klägerin weitere 136.847,97 EUR nebst Zinsen aus 132.507,21 EUR i.H.v. 8%-Punkten über dem Basiszinssatz ab 20.10.2019, sowie Zinsen aus 4.340,65 Euro i.H.v. 8%-Punkten über den Basiszinssatz ab 18.07.2018 zu zahlen.

2. Das am 31.08.2022 verkündete Urteil des Landgericht München II unter dem Aktenzeichen 3 O 860/20 wird, soweit es der Klage nicht stattgegeben hat, abgeändert und die Beklagte dazu verurteilt an die Klägerin weitere außergerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 1.897,60 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen der Stellungnahme der Beklagten zur Berufung der Klägerin wird auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt III. Bezug genommen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 19.12.2022 darauf hingewiesen, dass und warum er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Hierzu ging fristgemäß eine Gegenerklärung der Klägerin vom 16.01.2023 ein.

Auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren wird im Übrigen Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 31.08.2022, Aktenzeichen 3 O 860/20 Bau, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 19.12.2022 Bezug genommen.

Die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 16.01.2023 geben zu einer Änderung keinen Anlass.

Hierzu ist Folgendes auszuführen:

1. Vergütung für die Leistungen aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 (94.714,00 Euro netto)

Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin in ihrer Gegenerklärung haben die Berufungsrügen der Klägerin, mit denen diese sich dagegen wendet, dass das Landgericht ihr keine Vergütung für Leistungen aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 zugesprochen hat, keine Aussicht auf Erfolg.

a) Nachdem die Parteien im vorliegenden Fall keinen BGB-Vertrag, sondern einen VOB-Vertrag geschlossen haben, gehen die Ausführungen in der Gegenerklärung, wonach sich die Höhe der Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB an der taxmäßigen Vergütung und in Ermangelung einer solchen an der üblichen Vergütung bemesse, ins Leere.

Die Parteien haben sich durch die Vereinbarung der VOB vertraglich auf die Geltung der Preisanpassungsregelungen der VOB im Falle geänderter und zusätzlicher Leistungen geeinigt.

Ein Rückgriff auf § 632 Abs. 2 BGB scheidet deshalb aus.

b) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, wonach die Klägerin einen Vergütungsanspruch für die Arbeiten aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 gem. § 2 Abs. 6 VOB/B nicht schlüssig dargelegt hat.

aa) Die Klägerin ist für den geltend gemachten Anspruch auf zusätzliche Vergütung darlegungs- und beweispflichtig.

bb) Der Ausgangspunkt, § 2 Abs. 6 VOB/B, lautet:

1. Wird eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung. Er muss jedoch den Anspruch dem Auftraggeber ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt.

2. Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Sie ist möglichst vor Beginn der Ausführung zu vereinbaren.

cc) Dem klägerischen Sachvortrag ist bereits keine schlüssige Darstellung zu entnehmen, inwiefern es sich bei den abgerechneten Arbeiten des 15. Nachtrags überhaupt um im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen – in Abgrenzung zu Arbeiten, welche der Beseitigung eigener Mängel dienten – handelte.

Der diesbezügliche Sachvortrag ist in sich widersprüchlich. Die Klägerin hatte Arbeiten in den 256 Hotelzimmern mit 15. Nachtrag vom 26.07.2018 (Anlage K 09) angeboten. Auf Seite 1 des Nachtrags ist davon die Rede, dass sämtliche von der Klägerin verursachten Mangelpunkte beseitigt werden und sämtliche zusätzlichen Punkte, die nicht unter einen Mangelpunkt fallen, nochmals nachgearbeitet werden.

Unstreitig haben sich die Parteien über die Höhe der Vergütung für die Leistungen der Klägerin in den 256 Hotelzimmern nicht geeinigt. Die Beklagte hat den von der Klägerin erstellten Nachtrag gerade nicht unterzeichnet. Ebenso unstreitig hat die Beklagte die Arbeiten der Klägerin aber ausführen lassen.

In der Schlussrechnung vom 20.12.18 (Anlage K 18) rechnet die Klägerin gegenüber der Beklagten “Besondere Zusatzleistungen für Hotel- und Boardinghaus” ab und zwar lt. Pos. NA 15.01 betreffend “Fremdmängel- und Zusatzleistungen” bzw. “Ausbesserungsarbeiten” in 284 Zimmern mit einem Pauschalpreis pro Zimmer.

Hinsichtlich sämtlicher 284 Zimmer, für deren Bearbeitung die Klägerin Vergütung beansprucht, fehlt es somit an hinreichend substantiiertem Sachvortrag der Klägerin, dem sich entnehmen ließe, dass bzw. inwieweit es sich bei den nun abgerechneten Arbeiten um im Vertrag nicht vorgesehene zusätzliche Leistungen i.S. § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B und nicht um die Beseitigung eigener Mängel handelte.

Mit Schriftsatz vom 10.03.2022 (dort Seite 3, 4) trug die Klägerin vor, dass es bei dem 15. Nachtrag um “Verschönerungsarbeiten und Mangelbeseitigungen” gegangen sei und “dass sowohl die Beseitigung von Mängeln als auch zusätzliche Leistungen zusammen abgearbeitet werden und man dafür eine günstigere Pauschale vereinbart” Nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 17.03.2022 ging es bei den mit dem 15. Nachtrag angebotenen Leistungen “nur um weitere Verschönerungarbeiten“, wobei “aber eine Stunde für weitere Mängelbeseitigung auf unsere Kappe geht“.

Demgegenüber wurde mit Schriftsatz vom 25.04.2022 behauptet, dass es nicht um Mängel des Werks der Klägerin gegangen sei, sondern Leistungen aufgrund eines höheren, vom Bauherr geforderten Standards.

Ebenso argumentierte die Klägerin auch in ihrem Schriftsatz vom 01.08.2022 (dort Seite 2).

Die Beklagte hatte daher auch mehrfach eingewandt, dass es sich bei den Leistungen des 15. Nachtrags teilweise um die Beseitigung der eigenen Mängel der Klägerin gehandelt habe und bestritten, dass der 15. Nachtrag nur Arbeiten umfasst habe, die auf das hohe Qualitätsniveau des Bauherrn zurückzuführen seien, so mit Schriftsatz vom 03.03.2022 (dort Seite 3), Schriftsatz vom 25.05.2022 (dort Seite 2) und im Schriftsatz vom 09.08.2022 unter Verweis auf die Aussage des Zeugen H. (dort Seite 2).

Schon das Landgericht hatte die Klägerin mit Verfügung vom 03.02.2022 (dort Seite 2 oben) darauf hingewiesen, dass diese die Beweislast für ihre Behauptung trage, dass zusätzlich zur Pauschale Leistungen beauftragt und ausgeführt worden seien. Die Klägerin hat ihren Sachvortrag dennoch nicht derart ergänzt, dass ihm zu entnehmen wäre, inwiefern es bei den abgerechneten Arbeiten des 15. Nachtrags um zusätzlich beauftragte Arbeiten und nicht um die Beseitigung eigener Mängel ging.

Soweit die Klägerin in ihrer Schlussrechnung und mit ihrer Klage Vergütung für Arbeiten an mehr als 256 Zimmern geltend macht, dies betrifft 28 Zimmer, hat sie darüber hinaus nicht vorgetragen, welche gegenüber ihrem Nachtragsangebot zusätzlichen Zimmer sie bearbeitet haben will. Der durch die Klägerin vorgelegten Stundenaufstellung nach Bautagesberichten (Anlage 60) bzw. den Bautagesberichten (Anlage K 61) ist dies ebenso wenig zu entnehmen.

dd) Die Beklagte hat das Nachtragsangebot Nr. 15, was die Vergütungsabrede angeht, auch nicht nach dem Grundsatz des § 362 Abs. 1 BGB angenommen.

Der Senat hält an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt IV. 1. a) ausführlich dargelegten und begründeten Auffassung fest, dass § 362 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Soweit sich die Klägerin in ihrer Gegenerklärung auf ein Urteil des OLG München vom 07.02.2017, Az. 9 U 2987/16 bezieht, welches einen Projektsteuerungsvertrag mit werkvertraglichem Schwerpunkt als Geschäftsbesorgungsvertrag gewertet habe, kann die dortige Entscheidung nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. In dem vom 9. Senat des OLG München entschiedenen Fall ging es um einen Projektsteuerungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter. Diesen Vertrag stufte der 9. Senat nicht als Werkvertrag ein. Demgegenüber geht es bei dem zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits geschlossenen Vertrag über die Ausführung verschiedener Arbeiten aus dem Bereich des Malerhandwerks und auch bei den Leistungen aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 ihrem Schwerpunkt nach unzweifelhaft um den Austausch Werkleistung gegen Werklohn.

Der vorliegende Fall ist auch nicht mit dem vom OLG Brandenburg mit Urteil vom 04.10.2012, Az. 12 U 39/12 entschiedenen Fall eines Winterdienstvertrages vergleichbar, der im Hinblick auf die Übernahme der ansonsten dem Eigentümer obliegenden Verkehrssicherungspflicht als Geschäftsbesorgungsvertrag mit werkvertraglichem Charakter qualifiziert wurde. An einer derartigen Übernahme von Pflichten des Auftraggebers fehlt es bei der Ausführung von Arbeiten aus dem Bereich des Malerhandwerks ersichtlich. Der Senat hält auch an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 mitgeteilten Ansicht fest, dass insbesondere aus der Auftraggeberhaftung für Nachunternehmer in Bezug auf den Mindestlohn nicht folgt, dass der Nachunternehmer, der seinen Arbeitnehmern den Mindestlohn bezahlt, hiermit ein Geschäft des Hauptunternehmers besorgen würde.

Es kann dahingestellt bleiben, ob jeder Werkvertrag auch eine Geschäftsbesorgung beinhaltet. Selbst wenn das so wäre, würde dies einen Vertrag über die Ausführung von Werkleistungen aus dem Bereich des Malerhandwerks seinem eindeutigen Schwerpunkt nach nicht zu einem Geschäftsbesorgungsvertrag machen.

ee) Nachdem die Klägerin bereits das Vorliegen von Zusatzarbeiten i.S. § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B nicht substantiiert vorgetragen hat, erfolgen die Ausführungen zur Höhe der Vergütung gem. § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B lediglich hilfsweise.

Der Senat hält an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 dargelegten und begründeten Auffassung fest, dass und warum das Landgericht einen Vergütungsanspruch der Klägerin nach § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B zu Recht verneint hat.

Es kann dabei vorliegend dahingestellt bleiben, ob das zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ergangene Urteil des BGH vom 08.08.2019, Az. VII ZR 34/18, in welchem der BGH eine Abkehr vom Prinzip der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung vorgenommen hat und für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen i.S. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B auf die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge abgestellt hat, auf § 2 Abs. 6 VOB/B übertragbar ist.

Denn die im Falle von zusätzlichen Leistungen vorzunehmende Preisanpassung steht in jedem Fall unter der Prämisse der Wahrung des Äquivalenzprinzips. Es soll vermieden werden, dass keine Vertragspartei durch die zusätzlichen Arbeiten einen nicht gerechtfertigten Vorteil erhält oder einen nicht gerechtfertigten Nachteil erleidet. Genau dies wäre aber der Fall, wenn der Unternehmer, unabhängig davon, ob ihm für die Ausführung der zusätzlichen Arbeiten überhaupt Kosten entstehen, dennoch hierfür einen Vergütungsanspruch realisieren könnte. Für den hier vorliegenden Fall, dass der Unternehmer die zusätzlichen Leistungen durch einen Nachunternehmer ausführen lässt, ist sein Vergütungsanspruch der Höhe nach daher maximal durch die an seinen Nachunternehmer gezahlte Vergütung, evtl. zzgl. Wagnis und Gewinn, begrenzt.

Soweit die Klägerin meint, dass die Kosten der zusätzlichen Leistung für die Preisfindung nicht relevant wären, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B, dass dies nicht zutrifft. Im Übrigen sind auch im Rahmen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die Mehr- oder Minderkosten zu berücksichtigen, ebenso im Rahmen des § 2 Abs. 5 VOB/B und für ab dem 01.01.2018 abgeschlossene Bauverträge auch im Rahmen des § 650 c Abs. 1 BGB die tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn. Auch der BGH hat in seinem vorgenannten zu § 2 Abs. 3 VOB/B ergangenen Urteil “auf die durch den Einsatz der Nachunternehmer unmittelbar verursachten Kosten” (Tz. 30), die im dortigen Fall, anders als im vorliegenden Fall, unstreitig waren, zurückgegriffen und dies u.a. damit begründet, “dass diese ohne Weiteres ermittelt werden können und insofern eine realistische Bewertung ermöglichen” (Tz. 32).

Das in der Gegenerklärung angeführte Urteil des BGH vom 14.03.2013, Az. VII ZR 142712 ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Zum einen erging das Urteil zu § 2 Abs. 5 VOB/B, zum anderen verhält sich das Urteil nicht zu der im vorliegenden Fall vorliegenden Fallkonstellation, dass der Unternehmer die zusätzlichen Arbeiten durch einen Nachunternehmer ausführen lässt.

Nachdem die Klägerin trotz eines Hinweises des Landgerichts nicht zu den ihr für die Ausführung des 15. Nachtrags durch den Nachunternehmer entstandenen Kosten vorgetragen hat, stellt sich die insoweit erfolgte Klageabweisung durch das Landgericht als zutreffend dar.

Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass der klägerische Sachvortrag zu den für die Ausführung des 15. Nachtrags entstandenen Kosten bereits in sich widersprüchlich ist. Einerseits behauptet die Klägerin im Schriftsatz vom 05.07.2022 (dort Seite 3), dass ihr nachweisbar Kosten in Höhe von 97.332,48 Euro entstanden seien, von denen sie lediglich 94.714,00 Euro geltend mache.

Andererseits behauptet sie im Schriftsatz vom 01.08.2022, dass es ihr aufgrund des mit ihrer Nachunternehmerin geschlossenen Vertrages und des Abrechnungsverhaltens ihrer Nachunternehmerin eine detaillierte Zuordnung der Arbeiten zu den Leistungspositionen des 15. Nachtrags nicht möglich sei. Trotz des durch das Landgericht erteilten Hinweises vom 22.06.2022 hat die Klägerin weder zu den ihr tatsächlich entstandenen Kosten vorgetragen noch eine Rechnung ihrer Nachunternehmerin bzw. einen Zahlungsbeleg vorgelegt.

ff) Ein Vergütungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B.

Nach dieser Vorschrift steht dem Auftragnehmer, der eine Leistung ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abwendung vom Auftrag ausgeführt hat, dann eine Vergütung zu, wenn der Auftraggeber diese nachträglich anerkennt.

Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch bereits an derartigen eigenmächtigen Leistungen, da die Arbeiten des 15. Nachtrags mit Wissen und Billigung der Beklagten ausgeführt wurden und sich die Parteien lediglich nicht über die Vergütung geeinigt hatten.

gg) Der Senat hält auch an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 dargelegten Auffassung fest, wonach sich ein Vergütungsanspruch der Klägerin nicht aus Bereicherungsrecht ergibt.

Rechtsgrund für eine etwaige Vergütung, hätte die Klägerin substantiiert das Vorliegen von Zusatzarbeiten und ihr durch den Einsatz des Nachunternehmers vorgetragene Kosten vorgetragen, wäre der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag. Es liegt somit nicht der Fall vor, dass die Arbeiten des 15. Nachtrags ohne Rechtsgrund erfolgt wären. Indem die Klägerin der Beklagten die Ausführung der Arbeiten angeboten hat und die Beklagte damit einverstanden war, dass die Klägerin die Arbeiten ausführt und die Arbeiten entgegengenommen hat, haben die Parteien einen Rechtsgrund für die Arbeiten der Klägerin geschaffen. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Parteien nicht über die Vergütung für den Nachtrag geeinigt haben.

Soweit die Klägerin unter Verweis auf die Kommentierung in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage 2015, Rn. 1481 meint, dass die Beklagte das Nachtragsangebot der Klägerin konkludent angenommen habe, weshalb auch die Preise des Nachtragsangebots gelten würden, überzeugt auch dies nicht. Dem steht im vorliegenden Fall schon entgegen, dass die Parteien, nachdem die Beklagte sich mit der von der Klägerin im 15. Nachtrag geforderten Vergütung nicht einverstanden erklärt hatte, Verhandlungen über die Vergütung geführt hatten, welche jedoch zu keiner Einigung führten. Der Senat verweist hierfür auf das Schreiben der Beklagten vom 20.09.2018 (Anlage K 27) sowie die Aussage des Zeugen H. (dort Seite 4).

Soweit die Klägerin in ihrer Gegenerklärung einen möglichen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag in den Raum stellt, verfängt dies ebenso wenig. Die Leistungen der Klägerin auf den 15. Nachtrag erfolgten gerade nicht auftragslos, sondern auf der Grundlage dessen, dass sich die Parteien darüber geeinigt hatten, dass die Klägerin die Arbeiten des 15. Nachtrags ausführt. Der Umstand, dass sich die Parteien nicht über die Vergütung geeinigt haben, qualifiziert die Ausführung der Arbeiten der Klägerin nicht als auftragslos.

Der Kommentierung in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage 2015, Rn. 1482, 1483 ist nicht zu entnehmen, dass der Auftragnehmer, wenn trotz Ankündigung der Mehrkosten eine Preisvereinbarung nicht zustande kommt, bereicherungrechtliche Ansprüche gegen den Auftraggeber geltend machen könnte. In Anbetracht der speziellen Vorschriften der VOB/B für die Geltendmachung von Mehr- oder Minderleistungen ist, anders als beim BGB-Vertrag ein Rückgriff auf bereicherungsrechtliche Ansprüche nicht möglich. (siehe hierzu Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage 2020, Rn. 1393).

2. Vergütung für die Überarbeitung der Flure (“Beschädigung Flure“, 30.000,00 Euro netto)

Auch unter Berücksichtigung der in ihrer Gegenerklärung vorgebrachten Argumente der Klägerin stellt sich die Entscheidung des Landgerichts, dass der Klägerin die in ihrer Schlussrechnung vom 20.12.2018 (Anlage K 18) auf Seite 6 unter “Leistungsmehrungen zur Pauschale” “Beschädigungen Flure” geltend gemachte Vergütung nicht zuzusprechen sei, als zutreffend dar.

Die Klägerin hat bereits nicht substantiiert zu einer Beauftragung dieser Leistungen vorgetragen.

Ausweislich der Schlussrechnung der Klägerin geht es bei dieser Position um die “Entfernung der Beschädigungen in den Fluren vor Erstellung des Anstrichs“, wobei sich die Klägerin auf eine “Vereinbarung Mail vom 05.02.2018” bezieht.

Das Landgericht hat daher zutreffend gesehen, dass die Parteien im Mai 2018 unstreitig eine Gesamtpauschale vereinbart hatten, von der auch diese Arbeiten umfasst waren.

Ein Beauftragung dieser Leistung zusätzlich zur Gesamtpauschale hat die Klägerin weder dargelegt noch nachgewiesen.

Soweit sich die Klägerin zur Darlegung einer solchen über die Gesamtpauschale hinausgehenden Beauftragung im Schriftsatz vom 14.05.2020 (dort Seite 6) auf eine Verzugsanzeige der Beklagten vom 30.08.2018 (Anlage K 28) bezieht und meint, dass sich hieraus eindeutig eine Aufforderung an die Klägerin ergebe, die Flure auszubessern, überzeugt dies nicht.

Tatsächlich handelt es sich bei der vorgelegten Anlage K 28 um eine an die Klägerin gerichtete E-Mail vom 25.06.2018 mit dem Betreff “Stand Mängelbeseitigung Malerarbeiten“, mit dem die Beklagte der Klägerin ein Verzugsschreiben ihres Bauherrn übermittelt und einen Terminplan für die noch durchzuführenden Arbeiten, u.a. die Reinigung des Flurs und Malerarbeiten. Aus dem Inhalt der vorgelegten Anlage ergibt sich, wie das Landgericht richtig bewertet hat, bereits nicht, ob es sich bei den geforderten Arbeiten um Mängelbeseitigung oder um zusätzliche Malerarbeiten handelt, wobei der Betreff der Anlage eher für Ersteres spricht. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da der Anlage K 28 jedenfalls nicht zu entnehmen ist, dass die Beklagte die Klägerin einen neuen Auftrag erteilt hätte, Beschädigungen in den Fluren zu beseitigen. Aus der Anlage K 28 ergibt sich gerade nicht, dass die Beklagte mit dieser E-Mail eine neue, von der Gesamtpauschale nicht erfasste Leistung der Klägerin auslösen wollte. Hierfür fehlt es auch an einer näheren Spezifikation dieser Leistung, z.B. welche Flure bearbeitet werden sollten. Von einer zusätzlichen Vergütung für die Leistung ist in der Anlage K 28 ebenso wenig die Rede. Nachdem die Klägerin für die Beauftragung einer Zusatzleistung darlegungs- und beweispflichtig ist, gehen solche Unklarheiten zu ihren Lasten.

Im Übrigen hat die Klägerin auch eine Ausführung der abgerechneten Arbeiten in den Fluren nicht nachgewiesen. Das Landgericht hat sich für diese Bewertung zutreffend auf die Aussage des Zeugen H. bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 17.03.2022 (dort Seite 3) gestützt. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass die Flure nach den Arbeiten des Schreiners nachgearbeitet werden sollten, aber dann eine Umstellung auf Tapete erfolgte, so dass es nicht zu einer Ausführung der ursprünglich vorgesehenen Arbeiten der Klägerin kam. Soweit die Klägerin in ihrer Gegenerklärung meint, dass sich aus der Aussage des Zeugen H. ergebe, dass die Klägerin durchaus dort Arbeiten ausgeführt habe, verfängt dies nicht. Der Äußerung des Zeugen: “Es war so, dass es zunächst auch Ausführungen der Klägerin in den Fluren gab, jedoch waren diese nicht in der Form erfolgt, dass eine Abnahme hätte erfolgen können, daher wurde dann auf die Tapete umgestellt.” ist klar zu entnehmen, dass die durch die Klägerin zunächst in den Fluren ausgeführten Arbeiten nicht abnahmefähig waren. Gleiches gilt für die weitere Äußerung des Zeugen zu dieser Thematik auf Seite 7 unten, Seite 8 oben des Protokolls. Aus den Angaben des Zeugen H. ergibt sich in der Gesamtschau gerade nicht, dass die Klägerin an den Fluren Arbeiten, die über die Beseitigung eigener Mängel hinausgingen, durchgeführt hätte. Hinzu kommt, dass jeglicher substantiierter Sachvortrag der Klägerin dazu fehlt, welche gegenüber dem ursprünglichen Auftrag zusätzlichen Leistungen sie trotz Umstellung des Bauherrn auf Tapete in den Fluren überhaupt noch durchgeführt hat.

Entgegen der in der Gegenerklärung vertretenen Auffassung der Klägerin ergibt sich ein Vergütungsanspruch der Klägerin für die Überarbeitung der Flure auch nicht aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B. Die Vorschrift regelt einen Vergütungsanspruch für Leistungen, die der Auftragnehmer ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Auftrag ausführt, die jedoch nachträglich vom Auftraggeber anerkannt werden. Die Vorschrift ist, auch unter Zugrundelegung des eigenen Sachvortrags der Klägerin, wonach ihr für diese Arbeiten ein zusätzlicher Auftrag erteilt worden sei, nicht einschlägig. Im Übrigen hat die Klägerin, wie oben dargelegt, auch die Ausführung der von ihr abgerechneten Arbeiten weder dargelegt noch nachgewiesen.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO 47, 48 GKG bestimmt.