Ax Tiefbaurecht

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-tiefbaurecht.de

LG KA: Ablehnungsersuchen kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden

LG KA: Ablehnungsersuchen kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden

vorgestellt von Thomas Ax

Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters vermögen nur objektive Gründe zu rechtfertigen, welche vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber (BGH, NJW 2011, 1358 Rn. 13; stRspr). Ein Ablehnungsersuchen kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden (BGH, NJW-RR 2012, 61; OLG Karlsruhe, BeckRS 2014, 00314). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (OLG Karlsruhe, BeckRS 2009, 9285; Musielak/Voit/Heinrich, 19. Aufl. 2022, ZPO § 42 Rn. 11; BeckOK ZPO/Vossler, 46. Ed. 1.9.2022, ZPO § 42 Rn. 17; je m.w.N.).- –

Gründe in der Person eines anderen als der Partei lassen die Unvoreingenommenheit eines Richters dann zweifelhaft erscheinen, wenn Anlass zu der Besorgnis besteht, dass sich das Verhältnis zu dem Dritten auf die Einstellung des Richters zu einem Prozessbeteiligten oder zum Gegenstand des Verfahrens auswirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 15.03.2011 – II ZR 237/09, juris Rn. 2; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.09.2022 – 2 W 47/22 –, Rn. 13, juris).- –

LG KA, Beschluss vom 28.7.23, 6 O 45/21

Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung ist zügig und zur Mängelbeseitigung zu verwenden

Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung ist zügig und zur Mängelbeseitigung zu verwenden

von Thomas Ax

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Auftraggeber eines Bauvertrags vom Auftragnehmer Vorschuss für die zur Beseitigung von Mängeln erforderlichen Aufwendungen verlangen (BGH, Urteil vom 2. März 1967 – VII ZR 215/64, BGHZ 47, 272, 273). Der Anspruch bestand bereits vor seiner gesetzlichen Kodifizierung durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (§ 637 Abs. 3 BGB). Er wurde von der Rechtsprechung aus dem Kostenerstattungsanspruch gemäß § 633 Abs. 3 BGB, § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B, aus Billigkeitsgründen nach § 242 BGB und auch in Anlehnung an § 669 BGB entwickelt. Es wäre unbillig, wenn der Auftraggeber sich nach Erschöpfung der für das Bauwerk vorgesehenen Gelder zusätzliche Mittel für Aufwendungen beschaffen müsste, die im Ergebnis der Auftragnehmer zu tragen hat (BGH, Urteil vom 13. Juli 1970 – VII ZR 176/68, BGHZ 54, 244, 247; Urteil vom 5. Mai 1977 – VII ZR 36/76, BGHZ 68, 372, 378; Urteil vom 14. April 1983 – VII ZR 258/82, BauR 1983, 365). Der Auftraggeber erhält durch die Vorschusszahlung die Möglichkeit, die Mängelbeseitigung ohne eigene Mittel zu betreiben.

Der Besteller hat Anspruch auf Ersatz aller Aufwendungen, die nach Maßgabe des vertraglich geschuldeten Werkerfolgs zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Werks erforderlich sind. Maßstab für die Erforderlichkeit der Aufwendungen sind diejenigen Maßnahmen, die ein wirtschaftlich denkender Bauherr, aufgrund sachkundiger Beratung oder Feststellung, ergreifen würde. Zur konkreten Kostenbestimmung kommen, neben einer Bewertung durch Sachverständige, auch die durch ein Alternativ-Unternehmen, etwa auf Grund eines Kostenvoranschlags, kalkulierten Aufwendungen in Betracht. Schließlich kann auch eine sorgfältige Schätzung erfolgen, um die Kosten der Mängelbeseitigung zu bestimmen.

Außerdem kann auf den Wortlaut des § 635 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden. Nach dieser nicht abschließenden Auflistung hat der Unternehmer die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. 

Auch diese Auflistung ist allerdings nicht abschließend. Vielmehr sind alle Aufwendungen hinzuzurechnen, die zur nachhaltigen Mängelbeseitigung notwendig sind. Erstattungsfähig können deshalb auch Sachverständigen-, Planungs- und Regiekosten sein. Umstritten ist, ob Kosten für die Hotelunterbringung während der Mangelbeseitigung zu den Mangelbeseitigungskosten gehören oder ob diese – wie z.B. auch ein evtl. verbleibender merkantiler Minderwert – zu den sogenannten Mangelfolgeschäden gehören und separat zu beanspruchen sind.Der Vorschuss ist zweckgebunden und muss für die Mängelbeseitigung verwendet werden. Geschieht dies innerhalb angemessener Frist nicht, entsteht ein vertraglicher Rückerstattungsanspruch (aus dem Werkvertrag selbst als aus sich aus Treu und Glauben ergebende Nebenpflicht, § 242 BGB). Es handelt sich also nicht um einen Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB). Der Anspruch entsteht, wenn der Besteller den Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen, was der Unternehmer darlegen und beweisen muss. Für ihn kann aber eine widerlegbare Vermutung streiten, wenn eine angemessene Frist für die Beseitigung der Mängel abgelaufen ist und der Auftraggeber binnen dieser Frist noch keine Maßnahmen zur Mängelbeseitigung ergriffen hat. Dann wird der Rückzahlungsanspruch fällig.

Der Auftraggeber muss seine Aufwendungen für die Mängelbeseitigung nachweisen, über den erhaltenen Kostenvorschuss Abrechnung erteilen und den für die Mängelbeseitigung nicht in Anspruch genommenen Betrag zurückerstatten (BGH, Urteil vom 7. Juli 1988 – VII ZR 320/87, BGHZ 105, 103, 106). Es entsteht also ein Rückforderungsanspruch des Auftragnehmers in Höhe des nicht zweckentsprechend verbrauchten Vorschusses. Dieser Anspruch ist kein Bereicherungsanspruch, sondern ein ebenfalls aus Treu und Glauben entwickelter Anspruch aus dem Vertragsverhältnis (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1985 – VII ZR 266/84, BGHZ 94, 330, 334; Mantscheff, BauR 1985, 389, 395; Kniffka, ibr-online-Kommentar, Stand 26. Mai 2009, § 637 Rdn. 84; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., Rdn. 1605; Achilles-Baumgärtel, Der Anspruch auf Kostenvorschuss im Gewährleistungsrecht, S. 99 f. m.w.N. auch zur Gegenmeinung).

Unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf Rückforderung des Vorschusses entsteht, hat der Bundesgerichtshof noch nicht abschließend geklärt. Diese Voraussetzungen werden in der Literatur unterschiedlich formuliert (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam/Mansfeld, VOB, 11. Aufl., B § 13 Rdn. 137; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., Rdn. 1607; Ingenstau/Korbion-Wirth, VOB-Kommentar, 16. Aufl., B § 13 Nr. 5 Rdn. 205; Kapellmann/Messerschmidt-Weyer, VOB Teile A und B, 2. Aufl., B § 13 Rdn. 276; Donner in Franke/ Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB, 3. Aufl., B § 13 Rdn. 178). Unklar scheint insbesondere zu sein, inwieweit eine Rückforderung begründet ist, wenn der Auftraggeber den Vorschuss ganz oder teilweise nicht binnen angemessener Frist zur Mängelbeseitigung verwendet hat.

Maßgeblich für das Entstehen des Rückforderungsanspruchs ist der Wegfall des mit der Vorschusszahlung verbundenen Zweckes. Der Vorschuss wird dem Auftraggeber zweckgebunden zur Verfügung gestellt, damit dieser die Mängelbeseitigung vornimmt. Steht fest, dass die Mängelbeseitigung nicht mehr durchgeführt wird, so entfällt die Grundlage dafür, dass der Auftraggeber die ihm zur Mängelbeseitigung zur Verfügung gestellten Mittel behält. Der Rückforderungsanspruch wird zu diesem Zeitpunkt fällig. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Auftraggeber seinen Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 1984 – VII ZR 167/83, BauR 1984, 406, 408 = ZfBR 1984, 185). Dass der Auftraggeber den Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen, muss der Auftragnehmer darlegen und beweisen. Für ihn kann eine widerlegbare Vermutung streiten, wenn die angemessene Frist für die Beseitigung der Mängel abgelaufen ist und der Auftraggeber binnen dieser Frist noch keine Maßnahmen zur Mängelbeseitigung ergriffen hat (Kniffka, ibr-online Kommentar, Stand 26. Mai 2009, § 637 Rdn. 87; Kohler in Beck’scher VOB-Komm., 2. Aufl., B § 13 Nr. 5 Rdn. 167).

Eine Rückzahlungspflicht entfällt allerdings, wenn der Auftraggeber mit seinem Schadensersatzanspruch wegen der Mängel aufrechnet (BGH, Urteil vom 7. Juli 1988 – VII ZR 320/87, BGHZ 105, 103, 106). Auch kann der Schadensersatzanspruch, wenn auch seine sonstigen Voraussetzungen gegeben sind, mit der Rechenschaft über die Verwendung des Vorschusses in der Weise verknüpft werden, dass der Besteller die Höhe der notwendigen Nachbesserungskosten dartut, ohne nachweisen zu müssen, ob, wie und in welchem Umfang die Mängel tatsächlich beseitigt worden sind (BGH, Urteil vom 24. November 1988 – VII ZR 112/88, BauR 1989, 201, 202).

Hat der Auftraggeber die Mängelbeseitigung durchgeführt, so muss er den Vorschuss abrechnen. Ergibt die Abrechnung einen Überschuss für den Auftraggeber, ist dieser an den Auftragnehmer zu zahlen (BGH, Urteil vom 20. Mai 1985 – VII ZR 266/84, BGHZ 94, 330, 334; Urteil vom 7. Juli 1988 – VII ZR 320/87, BGHZ 105, 103, 106). Der Rückforderungsanspruch wird jedenfalls mit Vorlage der Abrechnung fällig. Er wird aber auch ohne Vorlage einer Abrechnung fällig, wenn diese dem Auftraggeber möglich und zumutbar ist. Ist das ausnahmsweise nicht der Fall, kann eine Rückforderung noch nicht verlangt werden (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1990 – VII ZR 150/89, BGHZ 110, 205, 209 zu dem Fall, dass der Hauptunternehmer noch Vorschuss vom Nachunternehmer verlangen kann, weil der Besteller den an ihn gezahlten Vorschuss noch nicht abgerechnet hat).

Ein Rückforderungsanspruch entsteht auch dann, wenn der Auftraggeber die Mängelbeseitigung nicht binnen angemessener Frist durchgeführt hat (Messerschmidt/Voit-Moufang, Privates Baurecht, § 637, Rdn. 40; Kniffka/ Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 6. Teil Rdn. 114; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., Rdn. 1607; Ingenstau/Korbion-Wirth, VOB-Kommen-tar, 16. Aufl., B § 13 Nr. 5 Rdn. 205; Mantscheff, BauR 1985, 389, 396; Koeble, Festschrift für Jagenburg, S. 371, 373). Denn die Zweckbindung erschöpft sich nicht allein darin, dass der Auftraggeber Mittel zur Mängelbeseitigung erhält. Er kann mit der Mängelbeseitigung nicht beliebig lange warten oder diese unangemessen verzögern. Vielmehr hat er diese Mittel im Interesse des Auftragnehmers an einer endgültigen Abrechung in angemessener Frist zu verwenden. Ist die Mängelbeseitigung binnen der angemessenen Frist nicht durchgeführt, ist der Zweck des Vorschusses in ähnlicher Weise verfehlt wie in dem Fall, dass die Mängelbeseitigung überhaupt nicht mehr stattfindet. Es ist auch dann grundsätzlich gerechtfertigt, den Rückforderungsanspruch entstehen zu lassen.

Welche Frist für die Mängelbeseitigung angemessen ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln, die für diese maßgeblich sind (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 5. April 1984 – VII ZR 167/83, BauR 1984, 406, 408). Eine Anknüpfung an starre Fristen, wie sie teilweise in der Literatur genannt werden (Ingenstau/Korbion-Wirth, VOB-Kommentar, 16. Aufl., B § 13 Nr. 5 Rdn. 205; Vygen/Joussen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 4. Aufl, Teil 7 Rdn. 1386), verbietet sich von vornherein.

Der Auftraggeber muss die Mängelbeseitigung ohne schuldhaftes Zögern in Angriff nehmen und durchführen. Es kann aber nicht allein darauf abgestellt werden, in welcher Zeit ein Bauunternehmer üblicherweise die Mängel beseitigt hätte. Vielmehr ist auch auf die persönlichen Verhältnisse des Auftraggebers abzustellen, dem die Mängelbeseitigungsmaßnahmen durch den Auftragnehmer dadurch aufgedrängt werden, dass dieser die Mängelbeseitigung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist vorgenommen oder sie sogar endgültig verweigert hat. Insoweit müssen insbesondere auch die Schwierigkeiten berücksichtigt werden, die sich für den Auftraggeber ergeben, weil er in der Beseitigung von Baumängeln unerfahren ist und hierfür fachkundige Beratung benötigt. Mit Rücksicht darauf, dass der Auftragnehmer durch seine Vertragswidrigkeit die Ursache dafür gesetzt hat, dass der Auftraggeber die Mängelbeseitigung nunmehr selbst organisieren muss, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Zweifel gehen insoweit zu Lasten des Auftragnehmers, der den Ablauf einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung unter Berücksichtigung einer sekundären Darlegungslast des Auftraggebers zu seinen persönlichen Umständen darzulegen und zu beweisen hat.

Ein Rückforderungsanspruch kann nach den vorstehenden Erwägungen auch entstehen, wenn der Auftraggeber nach Ablauf der angemessenen Frist zwar mit der Mängelbeseitigung begonnen, diese jedoch nicht zum Abschluss gebracht hat. In diesen Fällen ist zu berücksichtigen, dass der Auftragnehmer nach Treu und Glauben gehindert sein kann, sein Recht durchzusetzen. Der Auftraggeber kann solche Einwände gegen die Durchsetzung des Rückforderungsanspruchs nach Ablauf einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung geltend machen, die sich aus den Besonderheiten des Vorschusses und seiner Zweckbindung herleiten und aus denen sich ein unabweisbares Interesse daran ergibt, den Vorschuss trotz Ablauf der für die Mängelbeseitigung angemessenen Frist nicht zurückzahlen zu müssen. Diese Einwände muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen. Allein der Umstand, dass ein gewisser Betrag der Mängelbeseitigungskosten verbraucht ist, ist allerdings kein Grund, den Rückforderungsanspruch in Höhe des nicht verbrauchten Teils zu versagen. Dem Auftragnehmer ist es grundsätzlich nicht zuzumuten, nach Ablauf der angemessenen Frist für die Mängelbeseitigung die Ungewissheit hinzunehmen, ob und wie die Mängelbeseitigung fortgesetzt wird. Der Auftraggeber ist dadurch nicht rechtlos gestellt. Er kann nach erfolgter Mängelbeseitigung seinen Kostenerstattungsanspruch geltend machen oder auch mit einem Schadensersatzanspruch aufrechnen, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen. Ein von der Revision für den Fall angenommenes Leistungsverweigerungs-recht, dass der Auftraggeber die Arbeiten zu Ende führen will, besteht hingegen nicht.

Dagegen ist der Vorschuss nicht zurückzuzahlen, soweit er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zweckentsprechend verbraucht worden ist. Denn der Auftragnehmer hat kein schützenswertes Interesse daran, dasjenige ausgezahlt zu bekommen, was er dem Auftraggeber als Kostenerstattung ohnehin schuldet. Würde er den Rückforderungsanspruch durchsetzen wollen, würde er gegen den allgemein anerkannten Grundsatz verstoßen, dass sich derjenige treuwidrig verhält, der einen Leistungsanspruch durchsetzt, obwohl er verpflichtet ist, das Erlangte sofort wieder herauszugeben: dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est (BGH, Urteil vom 21. Mai 1953 – IV ZR 192/52, BGHZ 10, 69, 75; Urteil vom 21. Dezember 1989 – X ZR 30/89, BGHZ 100, 30, 33; vgl. Weyer, BauR 2009, 28, 30, 31).

Ähnlich liegt der Fall, dass der Auftraggeber zwar die Kosten noch nicht hatte, diese ihm jedoch deshalb entstehen werden, weil er bereits Unternehmer mit der Mängelbeseitigung beauftragt hat. Auch in diesem Fall verstieße der Auftragnehmer, der trotz Zahlung des Vorschusses grundsätzlich zur Mängelbeseitigung verpflichtet bleibt, gegen Treu und Glauben, wenn er dem Auftraggeber diejenigen Mittel entziehen würde, die dieser für die Bezahlung der bereits beauftragten Unternehmer benötigt. Es sind auch andere Fälle denkbar, die einen Rückforderungsanspruch ausschließen, wie z.B. der Fall, dass zwar Drittunternehmer noch nicht beauftragt sind, deren Beauftragung aber nach der Überzeugung des Gerichts unmittelbar bevorsteht, etwa weil wichtige Gewerke betroffen sind, die ohne Zweifel sofort zu erledigen sind.

Dass der Auftraggeber die Mängelbeseitigung insgesamt verzögert hat, fällt nicht entscheidend ins Gewicht, wenn feststeht, dass weitere Kosten alsbald entstehen. Dem Umstand, dass durch die Verzögerung eine Verteuerung der Mängelbeseitigung eintreten kann, wird dadurch Rechnung getragen, dass der Auftraggeber nur die für die Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten in Ansatz bringen kann und Verteuerungen durch vermeidbare Verzögerungen nicht erforderlich in diesem Sinne sind (vgl. OLG Frankfurt, BauR 1983, 156, 161).

BGH zur Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind

BGH zur Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind

vorgestellt von Thomas Ax

Für die Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an. Welche Leistungen durch die Leistungsbeschreibung erfasst sind, ist durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung der Parteien zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB. Dabei sind das gesamte Vertragswerk und dessen Begleitumstände zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 – VII ZR 194/06 Rn. 32, BGHZ 176, 23; Urteil vom 27. Juli 2006 – VII ZR 202/04 Rn. 24, BGHZ 168, 368; jeweils m.w.N.). Dazu gehören auch im Rahmen einer Ausschreibung vorgelegte Planungen (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 – VII ZR 194/06 Rn. 32, BGHZ 176, 23; Urteil vom 26. Juli 2007 – VII ZR 42/05 Rn. 26, BGHZ 173, 314).

BGH, Beschluss vom 29.03.2023 – VII ZR 59/20

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Zahlung restlichen Werklohns.

Die Beklagte zu 1 ist eine aus den Beklagten zu 2 und 3 bestehende Dach-ARGE, welche von der Streithelferin der Beklagten zu 1 mit Bauarbeiten am Tunnel L.  beauftragt wurde. Mit Vertrag vom 28. September 2009 beauftragte die Beklagte zu 1 die Klägerin, aufgeteilt auf drei Baulose, unter anderem mit Straßenarbeiten im Tunnel, an der Oberfläche und mit den Baumaßnahmen zur Durchführung der vorläufigen Verkehrsführung. Die VOB/B (2006) wurde in den Vertrag einbezogen.

Die Beklagte zu 1 nahm die in der Zeit vom 10. August 2009 bis 30. Juni 2015 erbrachten Leistungen der Klägerin ab. Die Klägerin erstellte sodann, gegliedert nach den Baulosen, drei Schlussrechnungen, wobei sie in erheblichem Umfang Vergütungsansprüche für Nachträge geltend machte. Nachdem die Beklagte zu 1 aufgrund ihrer Schlussrechnungsprüfung Kürzungen vornahm, kam es zu Verhandlungen zwischen den Parteien, die indes zu keiner Einigung führten. Die Beklagte zu 1 bezahlte die Schlussrechnungsforderung nur in der von ihr als berechtigt angesehenen Höhe an die Klägerin. Diese hat daraufhin die Beklagten auf Zahlung restlichen Werklohns in Höhe von 2.568.793,59 € gerichtlich in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage als unschlüssig abgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten Berufung hat die Klägerin – gestützt auf neue Schlussrechnungen – noch einen Betrag von 2.418.874,25 € verlangt. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie ihr Klagebegehren im Umfang von 2.145.665,36 € nebst Zinsen und Nebenforderungen weiterverfolgt.

II.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat im tenorierten Umfang Erfolg und führt insoweit gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Nachtragspositionen 41.44, 42.44 und 43.44 (1.355.273,92 €) ausgeführt:

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Mehrvergütung gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B. Die Notwendigkeit von Umlegungen der provisorischen Verkehrsführung sei unstreitig Vertragsbestandteil. Die Klägerin mache geltend, sie habe mit einer geringeren Anzahl von Umlegungen kalkulieren dürfen als tatsächlich erforderlich geworden sei. Es lasse sich aber keine Veränderung der Leistung im Vergleich zum Vertragssoll feststellen.

Eine Anzahl von möglichen Umlegungen sei im Vertrag nicht genannt. Vielmehr enthalte der Vertrag in den “Vorbemerkungen Allgemeine Bedingungen” auf Seite D9/10 zur Verkehrsführung folgende Regelung:

“Erschwernisse:

Die aus Erschwernissen resultierenden Kosten (Erschwerniskosten) werden für den gesamten Umfang der Bauarbeiten nicht gesondert vergütet. Sie sind bei denjenigen Positionen einzurechnen, bei denen sie anfallen.

Erschwernisse können entstehen: […]

i) durch die abschnittsweise Ausführung des Bauwerks…”

Weiter heiße es auf S. 15 der “Allgemeinen Vorbemerkungen zu den Straßenbauarbeiten” unter Ziffer 3.6 wie folgt:

“Provisorische Verkehrsführung

Die provisorische Verkehrsführung wird in 5 Hauptphasen und in mehreren örtlich begrenzten Zwischenphasen unterteilt. Die Nummerierung der Hauptphasen erfolgt in Schritten 100, 200, 300, 400 und 500, die der Zwischenphasen in den Schritten 110, 120…. 210, 220… 310,320 … 410 usw. Die Hauptverkehrsphasen stellen dabei das Grundgerüst der prov. Verkehrsführung dar. Zusätzlich wird es eine Reihe von Zwischenphasen geben, um z.B. in Kreuzungsbereichen, bei Spartenquerungen, etc. alle erforderlichen Baufelder zu erreichen. Die Zwischenverkehrsphasen werden außerdem benötigt, um Verbindungen zwischen zeitlich unterschiedlichen Hauptverkehrsphasen herzustellen (siehe Rahmenterminplan). Der Umfang der Zwischenverkehrsphasen ist in der Regel örtlich begrenzt. Bei der Kalkulation der prov. Fahr- und Gehbahnen ist daher davon auszugehen, dass neben großen Fahrbahnabschnitten auch eine Vielzahl von kleinen Asphaltflächen herzustellen ist…”.

Diesen Regelungen lasse sich nicht entnehmen, dass tatsächlich eine zahlenmäßig begrenzte Anzahl von Umlegungen vorab ersichtlich gewesen sei.

Dies gelte auch unter Heranziehung der außerhalb des Vertragstextes liegenden zusätzlichen Umstände, wie etwa dem Phasenübersichtsplan. Aus den als Anlagen K 14, 36 und 50 vorgelegten Darstellungen werde nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin von einer verbindlichen oder annäherungsweisen Anzahl der erforderlichen Umlegungen habe ausgehen können, wohingegen in Ziffer 3.6 des Vertrags von einer “Vielzahl von kleinen Asphaltflächen” die Rede sei. Die Klägerin erläutere nicht, wie sie zu der von ihr genannten Anzahl von Umlegungen, die sie im Übrigen auch nicht durchgehend einheitlich angegeben habe, komme. Sei die Anzahl der Umlegungen nicht belastbar erkennbar, aber für die Kalkulation des Angebots erforderlich gewesen, habe sie nicht eine Anzahl “ins Blaue hinein” kalkulieren dürfen.

Die vertraglichen Regelungen seien wirksam. Sie stellten keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen dar und seien als unmittelbare Regelungen des Leistungsinhalts der Inhaltskontrolle entzogen. Überdies hielten die Regelungen auch einer Inhaltskontrolle stand, da eine Abweichung von gesetzlichen Regelungen nicht ersichtlich sei. Der Vertrag sehe zudem in Ziffer 2.4 Abs. 8 der Allgemeinen Vorbemerkungen zu den Straßenbauarbeiten vor, dass die Klägerin sich hinsichtlich der Art der Verkehrsführung einbringen und so Einfluss auf die Kosten nehmen könne.

Der Anspruch bestehe schließlich auch deshalb nicht, weil die Klägerin keine Gegenüberstellung der Mehrkosten zu den kalkulierten Kosten vornehme. Die Bezugnahme auf Anlagen sei nicht ausreichend. Das Nachtragsangebot enthalte entgegen der Berufungsbegründung keinen textlichen Beschrieb. Trotz Hinweises des Landgerichts würden die Mehrkosten auch in der Berufung nicht erläutert. Eines erneuten Hinweises habe es nicht bedurft.

2. Mit dieser Begründung verletzt das Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

a) Art. 103 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 10. August 2022 – VII ZR 243/19 Rn. 18, BauR 2022, 1812 = NZBau 2023, 17; Beschluss vom 4. November 2020 – VII ZR 261/18 Rn. 13, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 14. Dezember 2017 – VII ZR 217/15 Rn. 9, BauR 2018, 669; jeweils m.w.N.). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt dann vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2022 – VII ZR 243/19 Rn. 18, BauR 2022, 1812 = NZBau 2023, 17; Beschluss vom 4. November 2020 – VII ZR 261/18 Rn. 13, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 26. Februar 2020 – VII ZR 166/19 Rn. 14, BauR 2020, 1035 = NZBau 2020, 293; Beschluss vom 14. Dezember 2017 – VII ZR 217/15 Rn. 9, BauR 2018, 669; jeweils m.w.N.). Geht es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage, darf das Gericht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn es entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2018 – VII ZR 299/14 Rn. 15, BauR 2018, 1317; Beschluss vom 13. Januar 2015 – VI ZR 204/14 Rn. 5, NJW 2015, 1311).

b) Nach diesen Maßstäben beanstandet die Beschwerde zu Recht einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 1 GG.

Das Berufungsgericht hat eine von der im Vertrag der Parteien vorgesehenen Art der Ausführung abweichende Leistung aufgrund der Vielzahl von notwendig gewordenen Umlegungen der Verkehrsführung und damit einen Mehrvergütungsanspruch der Klägerin gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B verneint. Es hat seine Auffassung, es liege insoweit keine Leistungsänderung im Sinne des § 2 Nr. 5 VOB/B vor, weil sich aus dem Vertrag der Parteien nicht ableiten lasse, dass nur eine bestimmte oder zumindest annäherungsweise bestimmbare Anzahl von Umlegungen der Verkehrsführung vorgesehen gewesen sei, auf eine Auslegung der Regelungen in den “Vorbemerkungen Allgemeine Bedingungen” und in den “Allgemeinen Vorbemerkungen zu den Straßenbauarbeiten” gestützt. Den Vortrag der Klägerin und den von ihr angebotenen Sachverständigenbeweis zu der Frage, ob sich aus den sonstigen Ausschreibungsunterlagen, namentlich aus der Phasenübersichtstabelle und den näher bezeichneten bauzeichnerischen Darstellungen, eine bestimmte oder annäherungsweise bestimmbare Anzahl von Umlegungen der Verkehrsführung ergebe, hat es gehörswidrig übergangen.

Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung im Einzelnen dargelegt, warum sie davon ausgegangen sei, dass sich aus der im Rahmen der Ausschreibung vorgelegten Phasenübersichtstabelle eine Anzahl von 10 Umlegungen der Verkehrsführung ergäben. Mit diesen Ausführungen befasst sich das Berufungsgericht nicht, sondern führt lediglich aus, die Klägerin habe nicht erläutert, wie sie zu der von ihr genannten Anzahl von Umlegungen gekommen sei. Ob es die Ausführungen der Klägerin möglicherweise für unzutreffend oder für unerheblich hält und gegebenenfalls aus welchen Gründen, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Vielmehr geht das Gericht auf diese – zum Kernvorbringen der Klägerin gehörenden – Ausführungen überhaupt nicht ein. Es ist daher davon auszugehen, dass es den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder insoweit offenkundig überspannte Substantiierungsanforderungen gestellt hat.

Ergänzend hat sich die Klägerin darauf gestützt, dass sich aus im Rahmen der Ausschreibung vorgelegten bauzeichnerischen Darstellungen ebenfalls eine bestimmte oder zumindest annäherungsweise bestimmbare Anzahl von Umlegungen der Verkehrsführung ergebe. Soweit das Berufungsgericht meint, aus der Phasenübersichtstabelle und den betreffenden bauzeichnerischen Darstellungen könne ein derartiger Schluss nicht gezogen werden, erläutert es wiederum nicht, warum es zu diesem Ergebnis kommt, und woher es die Sachkunde nimmt, diese Frage ohne sachverständige Beratung zu beantworten.

Der Vortrag der Klägerin nebst Beweisangebot ist auch nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil die Klägerin in einem außergerichtlichen Anwaltsschreiben vom 5. Februar 2014 behauptet hat, den bauzeichnerischen Darstellungen seien 31 Verkehrsphasen zu entnehmen. Das Kernvorbringen der Klägerin, dass sich aus den von ihr bezeichneten Ausschreibungsunterlagen eine bestimmte oder zumindest annäherungsweise bestimmbare Anzahl von Umlegungen der Verkehrsführung ersehen ließen, wird hiervon nicht berührt. Im Übrigen ist eine Partei nicht daran gehindert, ihr Vorbringen im Laufe eines Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Eine etwaige Widersprüchlichkeit des Parteivortrags kann regelmäßig nur im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2018 – VI ZR 599/16 Rn. 12, MDR 2018, 1395; Beschluss vom 16. November 2016 – VII ZR 314/13 Rn. 22, BauR 2017, 306; jeweils m.w.N.).

c) Das angefochtene Urteil beruht auf diesen Gehörsverstößen.

aa) Für die Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an. Welche Leistungen durch die Leistungsbeschreibung erfasst sind, ist durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung der Parteien zu ermitteln, §§ 133, 157 Dabei sind das gesamte Vertragswerk und dessen Begleitumstände zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 – VII ZR 194/06 Rn. 32, BGHZ 176, 23; Urteil vom 27. Juli 2006 – VII ZR 202/04 Rn. 24, BGHZ 168, 368; jeweils m.w.N.). Dazu gehören auch im Rahmen einer Ausschreibung vorgelegte Planungen (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 – VII ZR 194/06 Rn. 32, BGHZ 176, 23; Urteil vom 26. Juli 2007 – VII ZR 42/05 Rn. 26, BGHZ 173, 314).

Die Feststellungen des Berufungsgerichts, aus dem Vertrag der Parteien ergebe sich nicht, dass nur eine bestimmte oder zumindest annäherungsweise bestimmbare Anzahl von Umlegungen der Verkehrsführung vorgesehen gewesen sei, entbehren danach einer tragfähigen Grundlage. Das Berufungsgericht hätte vielmehr auch die im Rahmen der Ausschreibung vorgelegten Unterlagen bei der Auslegung des Vertrags berücksichtigen müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es – wie erforderlich – ihren Vortrag zu diesen Unterlagen, namentlich zu der Phasenübersichtstabelle und den bauzeichnerischen Darstellungen, berücksichtigt und den angebotenen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben hätte.

bb) Die Erwägungen des Berufungsgerichts, die Höhe des Anspruchs sei nicht substantiiert dargelegt, weil es an einer Gegenüberstellung der Mehrkosten zu den kalkulierten Kosten fehle, vermögen das Berufungsurteil nicht selbständig zu tragen. Denn sie beruhen ihrerseits, was die Beschwerde ebenfalls zu Recht rügt, auf einem Gehörsverstoß.

Die Instanzgerichte haben – was von den Parteien im Beschwerdeverfahren unbeanstandet geblieben ist – zugrunde gelegt, dass im Streitfall ein etwaiger Mehrvergütungsanspruch aus der Urkalkulation herzuleiten ist. Die Klägerin hat sowohl ihre Urkalkulation als auch ihre Nachtragskalkulation vorgelegt. Darüber hinaus hat sie in der Berufungsbegründung erläutert, inwieweit Preisansätze unverändert geblieben und inwieweit Änderungen eingetreten seien. Die Klägerin hat hierzu unter anderem dargelegt, dass aufgrund der vermehrten Umlegungen der Verkehrsführung die zu bearbeitenden Flächen kleiner geworden seien, weshalb bestimmte Leistungsansätze aus der Urkalkulation hätten angepasst werden müssen. Insoweit hat sie die betroffenen Leistungspositionen mit Zuschlägen versehen. Zudem befasst sich die Berufungsbegründung mit der Herleitung der geänderten Ansätze.

Das Berufungsgericht hat hierzu lediglich ausgeführt, eine Bezugnahme auf Anlagen sei nicht ausreichend, die Nachtragskalkulation sei nicht aus sich heraus verständlich und es fehle ein textlicher Beschrieb. Es ist jedoch nicht auf den entsprechenden Vortrag in der Berufungsbegründung eingegangen und es erschließt sich auch nicht, welche weiteren Erläuterungen der Mehrkosten das Berufungsgericht für erforderlich hält. Es hat damit die Substantiierungsanforderungen an den Vortrag der Klägerin offenkundig überspannt. Ferner legt das Berufungsgericht auch in diesem Zusammenhang nicht dar, woher es die Sachkunde nimmt, die anhand der vorgelegten Kalkulationen erfolgte Preisberechnung der Klägerin ohne sachverständige Beratung als unsubstantiiert anzusehen.

III.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist im Übrigen unbegründet. Sie zeigt insoweit nicht auf, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

VergMan ® Bau Nachgefragt bei … zur Angebotsstrategie (2)

VergMan ® Bau - Nachgefragt bei … zur Angebotsstrategie (2)

FRAGE:

Kommt ein Ausschluss in Betracht, wenn die Auftragsbekanntmachung das vom Auftraggeber geltend gemachte Eignungskriterium einer bereits mindestens dreijährigen Geschäftstätigkeit der Bieter auf dem von der Ausschreibung betroffenen Gebiet nicht enthält?

ANTWORT:

NEIN. Enthält die Auftragsbekanntmachung das vom Auftraggeber geltend gemachte Eignungskriterium einer bereits mindestens dreijährigen Geschäftstätigkeit der Bieter auf dem von der Ausschreibung betroffenen Gebiet nicht, kann auf das Fehlen einer durch ein solches Kriterium begründeten Eignung auf Seiten des Bieters ein Ausschluss aus dem Vergabeverfahren nicht gestützt werden.

OLG Dresden, Beschluss vom 05.02.2021 – Verg 4/20

VergMan ® Bau Nachgefragt bei … zur Angebotsstrategie (1)

VergMan ® Bau - Nachgefragt bei … zur Angebotsstrategie (1)

FRAGE:

Wie ist die bloße Abfrage des Umsatzes in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren im Formblatt 124 (in Verbindung mit dem Verzicht auf die Angabe eines Mindestumsatzes zu verstehen?

ANTWORT:

Die bloße Abfrage des Umsatzes in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren im Formblatt 124 (in Verbindung mit dem Verzicht auf die Angabe eines Mindestumsatzes) erlaubt den Bietern die Eintragung der Zahl “0”, so dass mit ihr keine die Festlegung einer Mindestanforderung für die Geschäftstätigkeit verbunden ist.

Vertragsmanagement VertragsMan ® Bauleistungen: Kurz belichtet (1)

Vertragsmanagement VertragsMan ® Bauleistungen: Kurz belichtet (1)

OLG Hamburg zur Frage, ob ein „voraussichtlicher“ Baubeginn ein verbindlicher Baubeginn ist

Vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Ausführung der Leistung ist nach den verbindlichen Fristen (Vertragsfristen) zu beginnen, angemessen zu fördern und zu vollenden. Soll der Auftragnehmer „voraussichtlich“ an einem bestimmten Termin mit der Ausführung beginnen, fehlt es an der für die Annahme einer verbindlichen Vertragsfrist erforderlichen Eindeutigkeit.

2. Haben die Parteien eines VOB/B-Vertrags keinen verbindlichen Beginntermin vereinbart, hat der Auftragnehmer innerhalb von 12 Werktagen nach Aufforderung durch den Auftraggeber mit der Ausführung zu beginnen.

3. Muss der Auftragnehmer ausschließlich Bauleistungen erbringen, kommt es für den Beginn der Ausführung grundsätzlich auf die tatsächliche Arbeitsaufnahme auf der Baustelle an.

4. Verzögert der Auftragnehmer den Beginn der Ausführung, kann ihm der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Aufnahme der Leistung setzen und die Kündigung androhen. Die Frist kann sehr knapp bemessen sein. Für ihre Bemessung ist nicht die gesamte übliche Zeit für die Arbeitsvorbereitung in Ansatz zu bringen.

5. Der Auftragnehmer muss erst mit der Ausführung beginnen, wenn sämtliche Voraussetzungen für die von ihm zu erbringende Leistung vorliegen, insbesondere erforderliche Vorleistungen vorliegen. Liegt eine Behinderung des Ausführungsbeginns i.S.v. § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B vor, gerät der Auftraggeber nicht mit dem Beginn der Ausführung in Verzug.

OLG Hamburg, Urteil vom 23.02.2023 – 4 U 54/22

Schwerpunktthema Baugrundrisiko, Baugrundgutachten – TiefbauRecht Heft 6 mit interessanten Beiträgen

Schwerpunktthema Baugrundrisiko, Baugrundgutachten - TiefbauRecht Heft 6 mit interessanten Beiträgen

„Bodengutachten“ ist eine unsaubere Bezeichnung für ein Baugrundgutachten bzw. einen geotechnischen Bericht.

In einem solchen Gutachten werden die Erdschichtung und weiteren Eigenschaften des Bodens (Bodenklassen bzw. nach neuer DIN-Norm Homogenbereiche) dargestellt, sowie insbesondere auch die Grundwasserverhältnisse (Grundwasserstand).

Nach einer weit verbreiteten Auffassung trägt der Bauherr – wenn es insoweit keine abweichende vertragliche Regelung gibt – das Baugrundrisiko, da der Boden als „vom Besteller gelieferter Stoff“ im Sinne des § 645 BGB gilt. Für ein von der Baugenehmigungsbehörde angefordertes Baugrundgutachten trägt demzufolge der Unternehmer in diesen Fällen auch nicht das Kostenrisiko. Den Bauunternehmer trifft insoweit keine allgemeine Prüfungspflicht, wenn kein Anlass zu Zweifeln an den Angaben des Auftraggebers besteht.

Das Baugrundrisiko kann durch Vereinbarung einem Auftragnehmer übertragen werden. Ändern sich die geotechnischen Verhältnisse gegenüber der Baubeschreibung und einem dieser etwa beigefügten Bodengutachten, so können Mehrvergütungsansprüche (des Bauunternehmers) entstehen. Den Auftragnehmer trifft für die Änderung und die Erforderlichkeit der Mehrleistungen die Darlegungs- und Beweislast.

Die Prüfung des Baugrunds gehört zu den wesentlichen Hauptleistungspflichten eines Architekten im Rahmen der Grundlagenermittlung/Vorplanung, sodass er dem Bauherrn rechtzeitig die Einholung eines Bodengutachtens empfehlen muss, wenn ihm die Bodenverhältnisse nicht bekannt sind.

Viele Fragen sind obergerichtlich entschieden, einige höchstrichterlich geklärt, vieles ist unklar und offen.

Unser Heft 6 befasst sich deshalb mit dem Thema Schwerpunktthema Baugrundrisiko, Baugrundgutachten.

TiefbauRecht 6/2023 – Von der Redaktion

TiefbauRecht 6/2023 - Von der Redaktion

Unter dem Oberbegriff Baurecht versteht man alle Rechtsbereiche, die die Errichtung, Änderung und Beseitigung von Gebäuden betreffen. Hierbei stehen Werklohn- und Architektenhonorarstreitigkeiten im Vordergrund. Im Baurecht wird zwischen dem privaten Baurecht und dem öffentlichen Baurecht unterschieden. 

Das öffentliche Baurecht bestimmt die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Interesse der Nachbarn und der Allgemeinheit – das private Baurecht reguliert die Rechtsbeziehungen der am Bau beteiligten Personen. Im Architektenrecht sind die Rechte und Pflichten des Architekten für seine Auftragstätigkeit geregelt und in unterschiedlichen Rechtsgrundlagen verankert.

Bauherren, Bauunternehmer, Handwerker und Architekten sind unter anderem in folgenden Bereichen mit dem privaten Baurecht befasst:

– Gestaltung und Prüfung von Bauverträgen nach BGB und VOB/B, sowie Architektenverträgen

– gerichtliche und außergerichtliche Vertretung bei Baumängeln und Gewährleistungsproblemen sowie Werklohn- oder Architektenhonorarstreitigkeiten

– Vertretung im Rahmen von Ansprüchen aus Baubehinderungen, Bauablaufstörungen und Vertragsstrafen

– Durchführung von selbständigen Beweisverfahren und Hilfe bei der Beweissicherung

Das private Baurecht mit seinen unzähligen Problemgestaltungen hat sich jenseits des übrigen Werkvertragrechts zu einer Spezialmaterie entwickelt, die für die Beteiligten ein nahezu unüberschaubares Konfliktpotential bietet. Daher ist im Rahmen von Baustreitigkeiten fundierte Rechtskenntnis erforderlich.

Unsere TiefbauRecht bringt die wichtigsten und aktuellsten Themen eines besonderen Rechtsgebiets im Rahmen des privaten Baurechts auf den Punkt:

Von der richtigen Ausschreibung über die korrekte Ausführung und Abrechnung bis hin zu Fragen von Schadensfällen und abweichenden Bodenbedingungen wird das komplette Spektrum des Tiefbaurechts betrachtet, systematisch aufgearbeitet und einschlägig erörtert. In Form von Beiträgen, Urteilsbesprechungen, Kommentierungen. Dabei liegt der Fokus zum einen auf einer griffig-praxisgerechten Herangehensweise, zum anderen auf den neuesten Entscheidungen des BGH und der Obergerichte.

Dabei bringen unsere Autoren ihre jahrelange Erfahrung aus Kautelar- und Prozesspraxis ein.

Wir wünschen gewinnbringende Lektüre.

Für Anregungen, Anmerkungen und Hinweise sind wir offen.

Ihre Redaktion

Fliesenleger muss für Staubschutz Sorge tragen

Fliesenleger muss für Staubschutz Sorge tragen

von Thomas Ax

Das Oberlandesgericht Bamberg hat die Verurteilung eines Fliesenlegers auf Schadensersatz bestätigt, der im laufenden Betrieb eines Modeladens dort Arbeiten durchführte und keinen Staubschutz aufstellte. Wegen der erheblichen Staubentwicklung, die der Fliesenleger nicht unterbunden und gegen die er keine Schutzmaßnahmen ergriffen hatte, sind sämtliche Textilien im Ladengeschäft durch Staub so verschmutzt, dass sie nicht mehr verkauft werden können. Die Ladeninhaberin macht den Warenschaden und den Schaden für ein Jahr Betriebsschließung, die zur Beweissicherung erforderlich gewesen sei, geltend. Das Oberlandesgericht weist die einen Schaden von Euro 50.000,00 übersteigende Klage zwar ab, da die Unternehmerin den Schaden nicht dargelegt und bewiesen hat. In Höhe der freiwillig bezahlten Euro 50.000,00 stellte das Oberlandesgericht aber fest, dass der Unternehmer verpflichtet ist, das Eigentum des Bestellers bei Durchführung der zur Vertragserfüllung erforderlichen Arbeiten vor vermeidbaren Schäden zu bewahren und geeignete Schutzvorkehrungen zu ergreifen. Das hat der Fliesenleger im vorliegenden Fall nicht getan, weshalb er zu Recht zu Schadensersatz verurteilt wurde. Eine von der Haftungsfrage zu unterscheidende Frage ist, ob der Fliesenleger, wenn er auf die Notwendigkeit von Staubschutzmaßnahmen hingewiesen hätte, hierfür eine zusätzliche Vergütung hätte verlangen können oder nicht. Da kommt es auf den Einzelfall an. Handwerker werden im Idealfall, wenn sie eine Ausschreibung für die Durchführung von Arbeiten im laufenden Betrieb bekommen, darauf hinweisen, sofern Schutzmaßnahmen nicht ausgeschrieben sind, dass diese notwendig sind, um die Ware zu schützen und nicht Bestandteil des Angebots sind.

OLG Bamberg, Beschluss vom 14.04.2021 – 3 U 319/20

Von der Redaktion

Von der Redaktion

Bauprojekte stellen für alle Beteiligten in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung dar: technisch, praktisch, wirtschaftlich, aber auch juristisch. Durch kompetente baubegleitende Informationsvermittlung sorgen wir dafür, dass Investoren, Architekten, Ingenieure, öffentliche Auftraggeber oder private Bauherren in allen Phasen eines Bauvorhabens den Überblick behalten.

Bereits bei der Schaffung von Baurecht stehen wir Ihnen zur Seite. Liegt der Baugrund im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans? Sind besondere Auflagen zu erfüllen, wie etwa die Einholung eines Bodengutachtens? Entspricht die Baumaßnahme den öffentlichen rechtlichen Vorschriften bzw. der Landesbauordnung? Diese und viele weitere Fragen sollten in der Vorbereitungsphase beantwortet werden.

Bereits vor Beginn eines Bauvorhabens ist die schriftliche Regelung aller wichtigen Details für die Beteiligten von herausragender Bedeutung. Doch schon die Auswahl des richtigen Vertrags stellt die Parteien vor besondere Herausforderungen, denn das Baurecht hält eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Vertragsarten bereit. Die Vermeidung möglicher Konflikte steht dabei im Vordergrund, denn ein möglichst reibungsarmer Verlauf, der wichtige Ressourcen wie Zeit, Geld und letztlich auch die Nerven schont, ist der zentrale Erfolgsfaktor für ein Bauvorhaben. In der Planungsphase folgt unter anderem die Vertragsgestaltung. Neben den klassischen Verträgen (GÜ-, GU-, EP- oder Pauschalpreisvertrag) unterstützen wir individuelle und innovative Vertragsmodelle, in denen funktionale Elemente ebenso Berücksichtigung finden können wie eine detaillierte Leistungsbeschreibung. Daneben werden auch neuere Formate wie etwa GMP- oder Cost plus Fee-Verträge in den Blick genommen. Bauunternehmen, Architekten und Ingenieure vertrauen auf unsere baubegleitende Unterstützung. Wir unterstützen bei der Vertragsgestaltung, der Bewertung von Nachtragsforderungen und der Klärung von Ansprüchen des Bauherrn bei mangelhaften Bauleistungen sowie in Fragen des eigenen Haftungsrisikos.

Mit uns kommen Sie zügig und (rechts-)sicher an Ihr Ziel.

Können sich streitende Parteien nicht außergerichtlich einigen, kommt es zur gerichtlichen Auseinandersetzung. Aufgrund der häufig sehr komplexen Sachlage ist auch im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren rund um baurechtliche Fragen das entscheidende KnowHow erforderlich.

Bleiben Sie auf dem Laufenden und abonnieren Sie jetzt unsere monatliche Zeitschrift.