Ax Tiefbaurecht

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Anforderungen an die Pflicht des Tiefbauunternehmers, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen

Anforderungen an die Pflicht des Tiefbauunternehmers, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen

von Thomas Ax

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt hohe Anforderungen an die Pflicht des Tiefbauunternehmers, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen. Danach hat sich der Tiefbauunternehmer Gewissheit über die Verlegung von Versorgungsleitungen im Boden zu verschaffen, weil öffentliche Verkehrsflächen regelmäßig auch dazu genutzt werden, im öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag dienende Leitungen dort zu verlegen. Da durch eine Beschädigung von Strom-, Gas-, Wasser- oder Telefonleitungen unverhältnismäßig große Gefahren drohen, ist mit „äußerster Vorsicht“ vorzugehen, insbesondere beim Einsatz von Baggern und anderem schweren Arbeitsgerät. So muss sich der betreffende Tiefbauunternehmer dort, wo entsprechend zuverlässige Unterlagen vorhanden sind, über den Verlauf von Versorgungsleitungen erkundigen; im Rahmen der allgemeinen technischen Erfahrung hat er sich die Kenntnisse zu verschaffen, welche die sichere Bewältigung der auszuführenden Arbeiten voraussetzt. Eine Erkundigung bei den kommunalen Bauämtern genügt nicht, vielmehr besteht im Allgemeinen eine Erkundigungspflicht gegenüber den zuständigen Versorgungsunternehmen. Wenn das nicht weiterhilft, hat der Tiefbauunternehmer sich die erforderliche Gewissheit durch andere geeignete Maßnahmen zu verschaffen, etwa durch Probebohrungen oder Ausschachtungen von Hand (BGH, Urt. v. 20.12.2005, Az: VI ZR 33/05, BauR 2006, 829; Urt. v. 21.11.1995, Az: VI ZR 21/95, Fundstelle juris; Urt. v. 09.08.1985, Az: VI ZR 118/84, Fundstelle juris; Urt. v. 09.11.1982, Az: VI ZR 129/81, VersR 1983, 152; Urt. v. 20.04.1971, Az: VI ZR 232/69, NJW 1971, 1313; für viele Oberlandesgerichte OLG Köln, Urt. v. 07.05.2014, Az: 16 U 135/13, Fundstelle juris; Staudinger/Haferkorn, BGB, Stand 2009, unter bb) zu Tiefbauarbeiten E 253 ff).

OLG München zu der Frage, dass das Verlassen der Baustelle allein (noch) keine endgültige Erfüllungsverweigerung ist

OLG München zu der Frage, dass das Verlassen der Baustelle allein (noch) keine endgültige Erfüllungsverweigerung ist

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ein Anspruch des Auftraggebers auf Ersatz von Fertigstellungsmehrkosten wegen Mängeln der Leistung vor der Abnahme setzt im VOB/B-Vertrag voraus, dass er dem Auftragnehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt und die Kündigung angedroht hat und nach fruchtlosem Ablauf der Frist der Vertrag gekündigt wurde.
2. Einer Fristsetzung mit Kündigungsandrohung bedarf es nicht, wenn der Auftragnehmer die Erfüllung des Vertrags ernsthaft und endgültig verweigert.
3. Das Verlassen der Baustelle allein ist (noch) keine endgültige Erfüllungsverweigerung. Das Kooperationsgebot erfordert, dass sich der Auftraggeber mit dem Auftragnehmer wegen ausstehender Restleistungen in Verbindung setzt, statt die Arbeiten ohne Rücksprache zu halten selbst fertigzustellen.
OLG München, Urteil vom 26.07.2022 – 9 U 7532/21 Bau
vorhergehend:
LG München I, 30.09.2021 – 8 O 20798/15
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 16.08.2023 – VII ZR 160/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Bezahlung restlichen Werklohns für Kabeltiefbauarbeiten einschließlich dem zugehörigen Projektmanagement aus zwei Bauvorhaben “Glasfasererschließung H……” und “S………….” aus insgesamt 6 Einzelrechnungen in Anspruch. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 30.09.2021, Az.: 8 O 20798/15, Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage – nach Zeugenbeweis nur hinsichtlich 3 Rechnungen (Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4) stattgegeben, im Übrigen die Forderungen zurückgewiesen. Bei den Rechnungen Nr. 3 und Nr. 5 fehle es an der Abnahme bzw. einem Vortrag dazu, der Anspruch aus Rechnung Nr. 6 sei verjährt. Eine Aufrechnung der Beklagten mit Ersatzvornahmekosten wies das Landgericht zurück, da keine Aufforderung zur Nachbesserung unter Fristsetzung erfolgt sei. Auch weitere Gegenansprüche der Beklagten (Mietzins für die Anmietung von Baustellengeräten; Erstattung verauslagter Kosten wegen der Beschädigung fremder Kabelanlagen) wies das Landgericht ebenfalls zurück.

Gegen dieses dem Klägervertreter nach eigener Auskunft (Bl. 369 d.A.) am 30.09.2021 zugestellte Endurteil legte derselbe mit Schriftsatz vom 29.10.2021, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 01.11.2021 (Bl. 368 d.A.), fristgerecht Berufung ein (Bl. 362/364 d.A.), die er jedoch nicht fristgerecht begründete. Hierauf wurde der Kläger mit Verfügung des Vorsitzenden des 9. Senats vom 19.01.2022 (Bl. 395 d.A.) aufmerksam gemacht. Ein Schriftsatz des Klägers vom 16.12.2021 ist bei Gericht nicht eingegangen. Daraufhin erklärte der Klägervertreter im Rahmen seiner zur Berufung der Beklagten fristgerecht eingegangenen Berufungserwiderung vom 17.01.2022 (Bl. 388/394 d.A.), dass “der Schriftsatz vom 29.11.2021 [gemeint war der 29.10.2021] als Anschlussberufung weiterverfolgt wird“. Eine Begründung der Anschlussberufung erfolgte jedoch weder in der Berufungserwiderung noch in einem sonstigen Schriftsatz. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.06.2022 regte der Einzelrichter die Rücknahme der Anschlussberufung an, da diese offenkundig unzulässig ist, vgl. §§ 524 Abs. 3, 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 und 4 ZPO. Mit Schriftsatz vom 05.07.2022 nahm der Klägervertreter die Anschlussberufung des Klägers zurück.

Auch der Beklagtenvertreter legte gegen das ihm am 05.10.2021 zugestellte Endurteil fristgerecht mit Schriftsatz vom 22.10.2021, eingegangen beim Oberlandesgericht am gleichen Tag (Bl. 360/361 d.A.), Berufung ein, die er mit Schriftsatz vom 23.12.2021, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 28.12.2021 (Bl. 373/385 d.A.), begründete.

Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte die vollständige Klageabweisung. Sie rügt, dass hinsichtlich der vereinbarten Sicherheitseinbehalte keine Verzugszinsen hätten zugesprochen werden dürfen und dass die Aufrechnungslage und das Zurückbehaltungsrecht wegen der eigenen Restfertigstellungskosten im Hinblick auf das Bauvorhaben S…….. und die insoweit zugesprochene Vergütung von 48.061,90 Euro (Rechnung Nr. 4) nicht berücksichtigt worden sei. Außerdem sei der angebotene Zeuge ….. [damalige technische Leiter der Beklagten, Bl. 217 d.A.] nicht gehört worden. Der Kläger habe die Baustelle verlassen, sämtliche Mitarbeiter abgezogen, seine Arbeiten nicht fortgesetzt und letztlich die Kommunikation komplett eingestellt. Der Kläger habe keinerlei Interesse gezeigt, die ihm obliegende Fertigstellung mittels Einbau einer Asphalttragschicht zu bewirken. Als Fertigstellungstermin sei der 30.08.2014 vereinbart worden. Hierbei handle es sich um einen Fixtermin. Die fehlende Vereinbarung einer Vertragsstrafe bei Nichteinhaltung der Frist sei kein gegen die Annahme eines Fixtermins sprechendes Indiz. Eine Fristsetzung sei nicht erforderlich gewesen, da der Kläger die Leistungserfüllung endgültig verweigert habe und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gerechtfertigt sei. Die Beklagte könne die Fertigstellungskosten in Höhe von 39.776,18 Euro als Schaden gegen den Werklohnanspruch des Klägers gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. § 286 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BGB in Verrechnung bringen. Der Zeuge ……. habe bestätigt, dass die Baustelle verlassen war und dass man mit den Fertigstellungsarbeiten so lange gewartet habe, wie man das vertreten konnte, nämlich 2-3 Wochen. Unerheblich sei der vom Landgericht hervorgehobene Aspekt, ob mit dem Kläger über die nicht fertiggestellten Arbeiten gesprochen worden sei. Dies sei nicht möglich gewesen, da der Kläger nicht mehr erreichbar war bzw. nicht reagierte. Zudem macht die Beklagte unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG München, Az. 9 U 6562/20, in welcher von einer 10-jährigen Verjährungsfrist als Höchstfrist ausgegangen wurde, ein Zurückbehaltungsrecht wegen der möglichen In-Haftungsnahme nach § 14 AEntG durch die S…….. in Höhe von mindestens 35.000,00 Euro geltend. Der Kläger tritt dem allem entgegen und verteidigt das Ersturteil. Seinen Pflichten zur Anmeldung gegenüber der S…… sei er nachgekommen.


Die Beklagte beantragt daher zuletzt (Bl. 373 d.A.),

das Urteil des Landgerichts München I vom 30.09.2021, Az: 8 O 20798/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.


Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung der Klägerin (Bl. 388 d.A.) und verteidigt im Übrigen das Ersturteil.


Im Übrigen wird auf die Hinweise des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2022 (Protokoll S. 2, Bl. 403 d.A.) sowie die gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.


II.

A.

Anschlussberufung des Klägers:

Über die Anschlussberufung des Klägers war infolge Rücknahme nicht mehr zu entscheiden. Die Anschlussberufung des Klägers wäre andernfalls mangels Begründung gemäß §§ 524 Abs. 3, 520 Abs. 3 ZPO als unzulässig zu verwerfen gewesen.

B.

Berufung der Beklagten:

Die Berufung der Beklagten ist nur zu einem geringen Teil bei den Nebenentscheidungen (Verzugszinsen bei den beiden Sicherheitseinbehalten in Rechnung 1 und 2 erfolgreich. Ansonsten sind Rechtsfehler des Ersturteils nicht erkennbar. Der Senat folgt im Übrigen inhaltlich dem ausführlich und zutreffend begründeten Ersturteil des Landgerichts. Die Berufungsbegründung der Beklagten vermag das Ersturteil im Übrigen nicht zu erschüttern.

1. Verzugszinsen hinsichtlich der Sicherheitseinbehalte: Die Sicherheitseinbehalte stehen den Vergütungsansprüchen des Klägers nicht mehr entgegen, da die vertraglich vereinbarte Gewährleistung von 5 Jahren 1 Monat gemäß 7.2. WV (Anlagen K 1 und B 8) jedenfalls zwischenzeitlich abgelaufen ist. Richtig ist aber der Einwand der Beklagten, dass wegen des vereinbarten 5 %-igen Sicherheitseinbehalts bei den Rechnungen Nr. 1 und Nr. 2 Verzugszinsen erst nach Ablauf der Gewährleistungsfristen anfallen können. Dies wurde im Tenor korrigiert. Erfolgversprechende weitere Einwände gegen die Rechnungen Nr. 1 und Nr. 2 bestehen nicht.

2. Gegenansprüche wegen der Restfertigstellung bei Rechnung Nr. 4:

a) Bei der mit Anlage K 4 geltend gemachten Rechnung Nr. 4 nahm das Erstgericht zutreffend ein Abrechnungsverhältnis an. Mit dem Schreiben vom 16.04.2015 (Anlage B 1) und der Klageerwiderung vom 27.01.2016 hat die Beklagte Sekundäransprüche geltend gemacht und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie an der Erfüllung des Vertrags kein Interesse mehr hat.

b) Gegenansprüche wegen der Nichtfertigstellung der Asphalttrageschicht Hauptstreitpunkt der Parteien kommen nicht in Betracht. Ansprüche der Beklagten aus § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. §§ 4 Abs. 7, 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, § 286 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BGB, bzw. §§ 634 Nr. 2, 637, 280, 281 BGB bestehen nicht.

aa) Die Positionen der Parteien zu den Ursachen, weshalb die Klägerin die von ihr geschuldete Leistung “Einbau einer Asphalttragschicht” nicht mehr erbracht hat, gehen konträr auseinander, ohne dass die Beklagte durch die durchgeführte Beweisaufnahme ihre Sicht der Dinge hätte belegen können. So behauptet der Kläger, dass er die Böden für die Asphaltverlegung fertig vorbereitet habe und dann auf die Entscheidung der Beklagten gewartet habe, ab wann mit der Asphaltverlegung begonnen werden sollte (Bl. 27/28; 65 d.A.). Anfragen des Klägers, wann er weiter seine Dienste erbringen könne, seien seitens der Beklagten schlicht ignoriert worden (Bl. 390 d.A.). Die Fortsetzung der Arbeiten seien dem Kläger unmöglich gemacht worden. Die hierzu von der Klagepartei angebotenen Zeugen wurden erstinstanzlich zwar nicht vernommen. Es konnte aber durch die durchgeführte Beweisaufnahme die durchaus plausible Version der Klagepartei nicht widerlegt werden.

bb) Demgegenüber behauptet die Beklagte, der Kläger habe die Werkleistungen grundlos eingestellt, die Baustelle verlassen und sei nicht mehr erreichbar gewesen bzw. habe nicht mehr reagiert (Berufungsbegründung S. 5/7).

cc) Durch die Einvernahme des von der Beklagten angebotenen Zeugen ……., der damals der Bauleiter vor Ort war, konnte lediglich belegt werden, dass die Baustelle verlassen war, aber nicht, dass die Klagepartei im Hinblick auf die Erfüllung ihrer ausstehenden Arbeiten angesprochen bzw. dazu angehalten wurde. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts hierzu (LG UA. S. 11) ist nicht zu beanstanden. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.

dd) Auch im Hinblick auf eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung der Klagepartei ist die Beklagte beweisfällig geblieben. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger sei nicht mehr erreichbar gewesen, ist dies schon nicht glaubhaft, nachdem die Klagepartei eine E-Mail der Beklagten vom 21.08.2014 (Anlage K 22) vorgelegt hat (Bl. 125 d.A.), aus der sich ergibt, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres erreichbar war, weil er zu diesem Zeitpunkt eine Auftragsofferte der Beklagten für das Bauvorhaben F……. erhalten hat. Es erschließt sich daher schon nicht, weshalb die Beklagte in keiner Weise versucht hat, mit dem Kläger in Kontakt zu treten und diesen zur Erbringung seiner Restleistung (Einbau der Asphalttragschicht) anzuhalten, sondern stattdessen 2-3 Wochen zugewartet hat und dann ohne Rücksprache mit dem Kläger die fehlenden Arbeiten selbst fertiggestellt hat. Schon das Kooperationsgebot hätte erfordert, sich mit dem Kläger wegen der ausstehenden Restleistung in Verbindung zu setzen, anstatt ohne Rücksprache mit diesem die Arbeiten selbst fertigzustellen. Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass sie überhaupt versucht hat, mit dem Kläger Kontakt aufzunehmen bzw. dass diese Bemühungen vergeblich waren.

ee) In rechtlicher Hinsicht ist der Ausgangspunkt des Erstgerichts völlig zutreffend, dass ohne Nachfristsetzung, die nicht nachgewiesen ist, Ersatzvornahmekosten nicht verlangt werden können, einerlei auf welche Anspruchsgrundlage diese gestützt werden (§§ 634 Nr. 2, 637; 280, 281, 286 BGB, § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. §§ 4 Abs. 7, 8 Abs. 3 VOB/B).

ff) Eine entsprechende Frist zur Nachbesserung konnte nicht nachgewiesen werden und war entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht entbehrlich. Eine Beweiserhebung zu den hierfür von der Beklagten aufgewandten Ersatzvornahmekosten in Höhe von 39.776,18 Euro durch Sachverständigenbeweis, obwohl von der Einzelrichterin im Hinweisbeschluss vom 16.07.2020, S. 2 (Bl. 253 d.A.) angedacht, unterblieb daher zu Recht. In der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2021 (Bl. 267 d.A.) hat die Erstrichterin darauf hingewiesen, dass es eine offene Frage sei, ob es einer Nachfristsetzung bedurfte oder nicht und ein Sachverständigengutachten nur zu erholen wäre, wenn es einer Fristsetzung durch die Beklagte nicht bedurft hätte. Mit Hinweisbeschluss vom 11.02.2021, S. 4 (Bl. 272 d.A.) hat die Einzelrichterin dann darauf hingewiesen, dass sie nicht von einem relativen Fixgeschäft ausgeht und hat diese Rechtsauffassung dann auch in ihrem Urteil zugrunde gelegt. Die Ausführungen erscheinen überzeugend und werden durch die Ausführung in der Berufungsbegründung nicht erschüttert. Die bloße Vereinbarung eines Fertigstellungstermins genügt für die Annahme eines relativen Fixgeschäftes nicht. Auch aus den Besonderheiten des öffentlichen Straßenbaus und den dabei erforderlichen zeitlich befristeten Straßensperrungen er-gibt sich nichts anderes.

gg) Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass die Parteien vertraglich die Geltung der VOB/B in der aktuellen Fassung, wie sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Gültigkeit haben, vereinbart haben (vgl. Anlage B 8). Daraus ergibt sich, dass Ersatzvornahme-Kostenansprüche der Beklagten an §§ 4 Abs. 7, 8 Abs. 3 VOB/B zu messen sind, d.h. es müsste also auch vor der Ersatzvornahme die (Teil-)Kündigung ausgesprochen und noch dazu davor angedroht gewesen sein, was jedoch nicht erfolgt ist.

hh) Zutreffend hat bereits das Erstgericht darauf hingewiesen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag (Anlage B 8) in Ziffer 7.5 eine Spezialregelung vorsieht, wenn “aus wichtigen betrieblichen Gründen ein Mangel, den der AN zu vertreten hat, nach Rücksprache mit dem AN in kürzester Frist beseitigt werden [muss]“. Auch hier hat der Auftraggeber nach dem vorgesehenen Regime Rücksprache mit dem Auftragnehmer zu halten und sich mit ihm ins Benehmen zu setzen, bevor er sein eigenes Instandhaltunspersonal oder Drittfirmen einsetzen darf. Auch dies ist nicht geschehen.

ii) Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen scheidet eine Aufrechnung bzw. Verrechnung der Werklohnforderung für die Rechnung Nr. 4 mit Ersatzvornahmekosten der Beklagten schon deshalb aus, weil die Klagepartei diese Arbeiten gegenüber der Beklagten nicht abgerechnet hat. Die rechnerische Richtigkeit der Werklohnforderung in Höhe von 48.061,90 Euro ist zwischen den Parteien im Übrigen unstreitig bzw. wurde von der Beklagten anerkannt. Bei den geltend gemachten Ersatzvornahmekosten handelt es sich rechtlich um Sowieso-Kosten, die für die Beklagte immer angefallen wären, auch wenn der Kläger diese Leistungen erbracht und abgerechnet hätte. Allenfalls vorstellbar wären daher sog. Restfertigstellungsmehrkosten. Diese macht die Beklagte aber nicht geltend, sondern glaubt zum vollem Ersatz der gesamten Fertigstellungskosten berechtigt zu sein (Berechnung im Schriftsatz vom 06.12.2016, S. 2, Bl. 58 d.A.), ohne mit einer nachvollziehbaren Berechnung die bloßen Mehrkosten auszuweisen.

c) Den Zeugen Dipl. Ing. ……., angeboten mit Schriftsatz vom 23.04.2020, S. 2, Bl. 247 d.A., hat das Erstgericht zu Recht nicht gehört, da er ohnehin nur für die unstreitige Tatsache, dass die Arbeiten vom Kläger nicht fertiggestellt wurden und keine Behinderungsoder Bedenkenanzeige vorlag, angeboten wurde und damit lediglich eine Untätigkeit des Klägers unter Beweis gestellt werden sollte, die ohnehin unstreitig ist, aber nicht, dass der angebotene Zeuge versucht hätte, mit dem Kläger Kontakt aufzunehmen und ihn zur Erfüllung seiner vertraglichen Leistungspflicht anzuhalten.

3. Zurückbehaltungsrecht wegen § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz: Ein Zurückbehaltungsrecht wegen § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz besteht schon laut Vertrag nicht mehr, da ein Einbehalt längstens 5 Jahre nach § 10.4 der Bauverträge vom 10.01.2014 bzw. 25.06.2014 (Anlagen K 1 und B 8) möglich ist.

a) Richtig ist zunächst, dass der Kläger anders als beim Bauvorhaben “H……” beim Bauvorhaben “S……” die Namen der eingesetzten Mitarbeiter oder für ihn angeblich freiberuflich tätigen Arbeiter der S….. nicht mitgeteilt hat und daher grundsätzlich eine Inhaftungnahme der Beklagten für ausstehende Zahlungen auf Mindestlohn und Urlaubsgeld wie bei einer Bürgenhaftung nach § 14 AEntG bis zur Verjährung derartiger Ansprüche in Betracht kommt. Soweit das Erstgericht von einer dreijährigen Verjährungsfrist ausging, ist allerdings zu bemerken, dass die dreijährige Verjährungsfrist erst ab Kenntniserlangung von der Beschäftigung zu laufen beginnt. Bislang hat die S…. nur Kenntnis von der Existenz des Bauvorhabens, aber nicht von den konkret vor Ort eingesetzten Mitarbeitern des Klägers, weshalb grundsätzlich die zehnjährige Verjährungsfrist des § 199 BGB mit Abschluss der Baustelle gilt, die an sich noch nicht abgelaufen ist.

b) In seinem Urteil vom 21.09.2021, Az.: 9 U 6562/20 Bau, ist der auch hier entscheidende 9. Senat des OLG München von diesen Grundsätzen und insbesondere gemäß § 199 BGB von einer 10-jährigen Verjährungsfrist eines Haftungsanspruchs nach § 14 AEntG ausgegangen, hat jedoch im Ergebnis den Fall anders beurteilt, da er lediglich vom Nichtablauf der 10-jährigen Verjährungsfrist ausgegangen ist, solange die S…… keine Kenntnis von den auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmern hat.

c) Dabei wurde aber offenbar die Bedeutung und Tragweite der vertraglichen Regelung in § 10.4 des Vertrages vom 25.06.2014 (Anlage B 8) verkannt, die eine Sonderregelung der Parteien hinsichtlich der Nichtvorlage der Enthaftungsbescheinigung zur Regelung der Auftraggeberhaftung im Sinne des § 14 AEntG enthält und lediglich einen 5 %-igen Einbehalt von der Gesamtauftragssumme für einen Zeitraum von längstens 5 Jahre bzw. ein außerordentliches Kündigungsrecht vorsieht. Dies schließt nach Auffassung des Senats die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts wegen einer Inhaftungnahme wegen § 14 AEntG über einen Zeitraum von 5 Jahren hinaus aus, der bei einer Beauftragung im Jahr 2014 längst abgelaufen ist, da es sich um eine vorrangige vertragliche Regelung handelt, die das Recht auf einen etwaigen 5 %-igen Einbehalt nach 5 Jahren entfallen lässt. Da es sich bei den vertraglichen Regelungen um von der Beklagten gestellte “Allgemeine Geschäftsbedingungen” handelt, welche auch schon dem vom Senat am 21.09.2021 entschiedenen Fall, Az.: 9 U 6562/20 Bau, zugrunde lagen, ist § 305c Abs. 2 BGB zu berücksichtigen, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen. Hier kann die Klausel bei laiengünstiger Auslegung nur so verstanden werden, dass sich die Beklagte damit verpflichten wollte, den Sicherheitseinbehalt nach einem Zeitraum von 5 Jahren freizugeben und wegen der möglichen Inhaftungnahme nach § 14 AEntG kein Zurückbehaltungsrecht mehr ausüben zu wollen. Es sollte gerade nicht die Möglichkeit bestehen, noch über einen Zeitraum von insgesamt 10 Jahren also bis zur Verjährungshöchsfrist ein sich aus § 14 AEntG ergebendes Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen, weil die sich aus der Nichtvorlage der Enthaftungsbescheinigung ergebenden Rechtsfolgen abschließend in § 10.4 geregelt wurden. Die Regelung in § 10.4 bewirkt daher nach einem Ablauf von 5 Jahren nach Abschluss der Baustelle eine Aufhebung der Undurchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs nach §§ 320 oder 273 BGB. Im Falle einer Inanspruchnahme der Beklagten nach mehr als 5 Jahren gemäß § 14 AEntG, steht die Beklagte auch nicht schutzlos. Der so in Anspruch genommene Auftraggeber kann den Auftragnehmer in Regress nehmen, und zwar über die Rückgriffsansprüche des Bürgen oder wegen Verletzung der bauvertraglichen Nebenpflichten aus § 14 AEntG, bei denen es sich um selbständige Nebenpflichten handelt (vgl. Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 4. Auflage 2022, Rn. 76 f.).


III.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Auch in der Berufungsinstanz ergibt sich dieselbe Quote wie in der ersten Instanz, da in der Hauptsache weder die Berufung der Beklagten noch die Anschlussberufung des Klägers erfolgreich waren. Die Beklagte hat nur in einem geringen Umfang wegen der Nebenkosten (Zinsen) obsiegt. Mit seiner Anschlussberufung verfolgte der Beklagte die Bezahlung zweier Rechnungen (Nr. 3 und Nr. 5) weiter (19.400,00 Euro und 8.000,00 Euro nebst Zinsen), worüber infolge der Rücknahme der Anschlussberufung nicht mehr zu entscheiden war.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet in § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung in Übereinstimmung mit der höchstund obergerichtlichen Rechtsprechung.

Verkündet am 26.07.2022

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Oberlandesgericht Hamm, 24 U 48/20, zu der Frage, dass ein Architekt auch ohne ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet sein kann, die Notwendigkeit der Kampfmittelüberprüfung zu berücksichtigen

Oberlandesgericht Hamm, 24 U 48/20, zu der Frage, dass ein Architekt auch ohne ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet sein kann, die Notwendigkeit der Kampfmittelüberprüfung zu berücksichtigen

1. Nach § 308 Abs. 1 ZPO besteht eine Antragsbindung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Das Gericht darf nicht mehr (kein „plus“) zusprechen als beantragt und nichts anderes (kein „aliud“) als begehrt. Ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO kann durch nachträgliche Genehmigung geheilt werden; beantragt der Kläger, dem mehr zugesprochen wurde, als er im 1. Rechtszug beantragt hatte, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, kann hierin eine prozessual zulässige Genehmigung liegen, da im Sichzueigenmachen der gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßenden Entscheidung eine Anschlussberufung verbunden mit einer – noch in der Berufungsinstanz möglichen – Klageerweiterung zu sehen sein könnte.

2. Ein Architekt kann auch ohne ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet sein, die Notwendigkeit der Kampfmittelüberprüfung zu berücksichtigen.

G r ü n d e :

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatz infolge einer vor Ausführung eines Bauvorhabens unterlassenen Kampfmittelüberprüfung.

Die Klägerin beabsichtigte, auf dem mit notariellem Kaufvertrag vom 28.06.1980 von ihr erworbenen Grundstück an der A-Straße in B den Neubau einer Studentenwohnanlage zu realisieren. In dem am 29.11.1974 in Kraft getretenen und für diesen Bereich geltenden Bebauungsplan (Anlage B3, Bl. 72 d.A.) findet sich keine Kennzeichnung hinsichtlich etwaiger Kampfmittelverdachtspunkte.

Die Klägerin beauftragte die Beklagte – damals noch als C GmbH firmierend – auf Grundlage des Architektenvertrages vom 6./09.09.2010 (Anlage K1, Bl. 7-21 d.A.) mit der Erbringung von Architektenleistungen für das Bauvorhaben Studierendenwohnanlage der A-Straße in B (im Folgenden: das Bauvorhaben, Bl. 5 d.A.).

Der Architektenvertrag (Anlage K1, Bl. 7-21 d.A.) lautet auszugsweise wie folgt:

§ 4 Leistungen des AN

4.1 Der AN ist verpflichtet, für das in § 1 dieses Vertrages genannte Bauvor

haben sämtliche beauftragte Leistungen und die darin enthaltenen und dafür erforderliche Leistungs- bzw. Arbeitsschritte zu erbringen. Er hat dabei alle Pflichten zu erfüllen, die sich aus den beauftragten Leistungsinhalt und -umfang, den vereinbarten Vertragszielen und den Bestandteilen dieses Vertrages ergeben und die für die Herbeiführung der geschuldeten Teilerfolge und des geschuldeten (Gesamt-)Werkerfolges erforderlich sind. Hierbei hat der AN insbesondere die in den Leistungsbeschreibungen (Anlagen 1a bis 1b) genannten Leistungen mangelfrei und vollständig zu erbringen, die als wesentliche Arbeitsschritte selbständigen Teilerfolge des Gesamtwerkerfolgs sind.

4.3 Der AG überträgt dem AN mit Vertragsschluss zunächst als Beauftragungsstufe 1 die Leistungen der Leistungsphasen 1 und 2 (Grundlagenermittlung und Vorplanung).

Die Beauftragung der weiteren Leistungen der Leistungsphasen 3 (Entwurfsplanung) in einer 2. Beauftragungsstufe sowie 4 (Genehmigungsplanung) und 5 (Ausführungsplanung) in einer 3. Beauftragungsstufe sind dem Grunde nach vorgesehen, soweit der AN die Einhaltung der Vertragsziele nach § 3 nachweislich einhalten kann und das Studentenwerk die Refinanzierungszusagen der Fördermittelgeber hierfür jeweils erhält. Sollte der AN die Vertragsziele, insbesondere die gemäß § 3.2 nach Beauftragungsstufe 1 und 2 nicht einhalten, ist der AG berechtigt, vom AN eine Überarbeitung zu verlangen oder diese und die Planungsleistungen der weiteren Leistungsphasen einem anderen Anbieter zu übertragen. Auch besteht kein Anspruch auf Beauftragung der Leistungsphasen 3-5 wenn der AG die Weiterverfolgung des Bauvorhaben[s] aus anderem wichtigem Grunde aufgibt

In der Beauftragung der weiteren Beauftragung 4 (Leistungsphasen 6 und 7 (Vorbereitung der Vergabe und Mitwirkung bei der Vergabe), sowie 5 (Leistungsphase 8 / Objektüberwachung) und 6 (Leistungsphase 9 / Objektbetreuung und Dokumentation) oder einzelner Leistungen oder Teilleistungen ist der AG generell frei. Ein Anspruch des AN auf Beauftragung weiterer, über die ersten 3 Beauftragungsstufen hinausgehende Stufen oder Leistungsphasen oder (Teil-)Leistungen besteht generell nicht. Die Beauftragung dieser weiteren Leistungsphasen an den AN ist aber seitens des AG grundsätzlich beabsichtigt, soweit sich die Wirtschaftlichkeit der Umsetzung der Gesamt- oder einzelner Teilmaßnahmen darstellen lässt. Maßgeblich ist hierbei die Einschätzung des AG.                            …

Weitere Beauftragungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit einer schriftlichen Mitteilung durch den AG. Der AN verpflichtet sich die weiteren übertragenen Leistungen zu dem gemäß § 9 vereinbarten Honorar [zu] erbringen, sofern sie ihm spätestens 6 Monate nach der Fertigstellung und Freigabe der letztbeauftragten Stufe durch den AG beauftragt werden. Dies gilt auch dann, wenn der AG dem AN nur einzelne Leistungen oder Teilleistungen auf den der Beauftragung vorbehaltenen Leistungsphasen übertragen sollte.

4.5 Die Leistungsphasen beinhalten folgende Leistungsinhalte, die durch die in den Leistungsbeschreibungen (Anlagen 1a bis 1b) genannten Leistungen konkretisiert werden und die als jeweils geschuldeten Teilerfolge vereinbart werden:

(1) Grundlagenermittlung

Ermitteln der Voraussetzungen und Klären aller planerischen, organisatorischen und sonstigen relevanten Rahmenbedingungen für die Lösung der Planungs- und Bauaufgabe.

(2) Vorplanung

Erarbeiten eines Planungskonzeptes in seinen wesentlichen Teilen und Kostenschätzung nach DIN 276, Fassung Dezember 2008, sowie Zusammenfassung der Vorplanungsergebnisse.

§ 5 Pflichten des AN

5.1 Der AN verpflichtet sich, die Interessen des AG wahrzunehmen und seine Leistung vorrangig nach dem vom AG vorgegebenen Anforderungen an die Planung und an die Ausführung unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und den Grundsätzen der Funktionalität und der Wirtschaftlichkeit – auch hinsichtlich der Unterhaltungs- und Betriebskosten in der Nutzungsphase – zu erbringen.

Der AN hat dabei den AG umfassend bauliche und gestalterisch zu beraten und unter Berücksichtigung der Vertragsziele sinnvolle Alternativvorschläge zu unterbreiten.

5.2 Der AN ist verpflichtet, den AG über alle bei der Durchführung seiner Aufgaben wesentlichen Angelegenheiten Umstände unverzüglich schriftlich zu unterrichten.

Auf eventuelle Bedenken hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit der Planungswünsche und der Erfüllung der Planungsvorgaben des AG hat der AN frühzeitig hinzuweisen und Gegenvorschläge zu unterbreiten. Der AN hat sich rechtzeitig zu vergewissern, ob seiner Planung öffentlich-rechtliche Hindernisse und Bedenken entgegenstehen und diese dem AG unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

5.4 Der AN hat den AG über die Notwendigkeit der Einschaltung von Fachingenieuren und Sonderfachleuten (z.B. Baugrund, Statik, Brandschutz, Haustechnik, Bauphysik, vgl. auch Ziff. 7.3 des Vertrages) so rechtzeitig zu beraten und zu informieren, dass die Sonderfachleute ohne Planungsverzögerungen beauftragt werden können. Der AN hat die Leistungen der Sonderfachleute zeitlich zu koordinieren, zu steuern, mit seinen Leistungen abzustimmen und auf Plausibilität und Konformität zu seinen Leistungen zu prüfen. Forderungen und Bedingungen der Fachplaner hat der AN bei seinen Leistungen zu berücksichtigen und in seine Planung einzuarbeiten und dort übersichtlich zu integrieren. Hat der AN Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Leistungen, hat er den AG darauf schriftlich hinzuweisen und einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten.

Der AN hat seine Leistungen vor der Integration der Planungsbeiträge der Fachingenieure und Sonderfachleute…mit den jeweils fachlich Beteiligten abzustimmen und bei Übergabe der genehmigungsfähigen Entwurfslösung und der jeweils ausführungsreifen Planungslösung mit dem AG abzustimmen und zu erörtern.

7.3 Die weiteren erforderlichen Fachingenieuren Sonderfachleute:

Baugrundgutachten

hat der AG noch nicht beauftragt, beabsichtigt dies aber nach Vertragsschluß mit dem AN vorzubereiten. Der Architekt (AN) erhält diesbezüglich ein Vorschlagsrecht für mögliche Wettbewerbsteilnehmer.“

Am 03.09.2010 beauftragte die Klägerin die Beklagte mit den Leistungsphasen 1 und 2; am 14.10.2011 mit den Leistungsphasen 3 und 4, am 30.03.2012 mit den Leistungsphasen 5-7 und am 31.08.2012 mit den Leistungsphasen 8 und 9.

Die Klägerin holte die gutachterliche Stellungnahme Nr. 1 des Erdbaulabors D vom 03.03.2011 (Anlage B2, Bl. 46-71 d.A.; im Folgenden: Baugrundgutachten) ein.

Die Beklagte stellte den Bauantrag am 09.10.2011, der beim Bauordnungsamt am 28.10.2011 einging. Die Baugenehmigung (Anlage BLD 2, Bl. 93-98 d.A. = Anlage BLD 3, Bl. 171-176 d.A.) wurde am 19.09.2012 erteilt. Die Beklagte stellte hinsichtlich der Bestandsbauten den Abbruchantrag am 08.05.2012, der am 10.06.2012 genehmigt wurde. Das sich ursprünglich auf dem Grundstück bereits befindliche Haus mit Kellergeschoss sollte seitens der Klägerin zur Vorbereitung des Bauvorhabens abgerissen und eine glatte, plane Fläche hergestellt werden. Der Abriss gehörte nicht zum Leistungsumfang der Beklagten; inwieweit die Beklagte Leistungen im Zusammenhang mit dem Abbruch erbrachte, steht zwischen den Parteien im Streit.

Die Parteien schlossen am 13./21.05.2014 eine Ergänzungsvereinbarung zum Architektenvertrag.

Der Neubau wurde bis Mai 2014 errichtet.

Die Klägerin erhielt in der Folgezeit ein Schreiben der Feuerwehr der Streithelferin vom 12.12.2017 (Anlage K2, Bl. 22-23 d.A.), in welchem ausgeführt wurde, dass die Klägerin es versäumt habe, bei der Planung der Baumaßnahmen einen Antrag auf Luftbildauswertung zu stellen und anlässlich einer anderen Baumaßnahme – der Herstellung einer Busspur – nach der Stellungnahme des Kampfmittelbeseitigungsdienstes der Bezirksregierung Arnsberg vom 10.11.2017 sich Hinweise auf eine Kriegsbeeinflussung und ein spezifischer Hinweis auf eine Bombenblindgänger-Einschlagstelle gemäß dem beigefügten Lageplan ergeben hätten. Mit Schreiben vom 15.03.2018 (Anlage K3, Bl. 24-25 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte zur Äußerung und Mitwirkung an der angekündigten Maßnahme mit dem Hinweis auf, dass nach Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg grundsätzlich keine telefonischen Auskünfte zu Kampfmittelverdachtspunkten erteilt würden. Die Beklagte antwortete mit E-Mail, dass sie im Rahmen ihrer Planungsarbeiten bei dem Bauordnungsamt telefonisch die Auskunft erhalten habe, es handele sich bei dem Grundstück nicht um eine Verdachtsfläche.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte wäre nach § 4 und § 5 des Architektenvertrages und nach dem Nachtrag vom 13./21.05.2014 verpflichtet gewesen, einen Antrag auf Luftbildauswertung zu stellen, um mögliche Verdachtspunkte auf dem Grundstück zu ermitteln. Planung und Baugrunduntersuchung stellten eine Pflicht des Architekten dar, die sich aus verschiedenen Vorschriften ergebe. Zwar liege das Baugrundgutachten vor; die Beklagte könne sich jedoch nicht auf dessen Inhalt berufen, da sie selbst – wie der E-Mail-Verkehr (Anlage K5, Bl. 104-109 d.A.) und die Rechnungsprüfung vom 13.03.2015 (Anlage K7, Bl. 113-120 d.A.) belege – mehrfach Nachträge damit begründet habe, dass das Gutachten nicht ausreichend gewesen sei. Insofern verhalte sich die Beklagte widersprüchlich, wenn sie einerseits zur Begründung höherer Ansprüche auf unklare Bodenverhältnisse abstelle, andererseits aber geltend mache, der Boden sei gründlichst und hinlänglich untersucht worden, worauf sie habe vertrauen dürfen. Überdies habe sie, die Klägerin, zu keinem Zeitpunkt eine Kampfmittelsondierung durchführen müssen, da eine solche bei dem bloßen Abbruch des Gebäudes nicht erforderlich sei, was sich auch aus den Richtlinien für die Zusammenarbeit zwischen Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst (Anlage B1, Bl. 42-45, 103 d.A.) ergebe. Das von der Beklagten behauptete Telefonat habe nicht stattgefunden. Die Zeugin E sei gar nicht die zuständige Sachbearbeiterin. Telefonische Auskünfte dürften zu solchen Fragen ohnehin nicht erteilt werden. Außerdem sei kein Aktenvermerk gefertigt worden. Wäre sie, die Klägerin, ordnungsgemäß durch die Beklagte auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Klärung der Kampfmittelfreiheit hingewiesen worden, hätte sie nach dem Grundsatz des beratungskonformen Verhaltens die Kampfmittelüberprüfung durchgeführt.

Die Kosten eines Kampfmittelfundes würden zum großen Teil ihr, der Klägerin, zur Last gelegt. Ihr stehe daher ein Anspruch auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten zu. Ihr Feststellungsinteresse ergebe sich bereits aus der drohenden Verjährung. Der Schaden sei nicht bezifferbar, da die entsprechenden Prüfungen liefen und ein Kampfmittelfund derzeit nicht ausgeschlossen werden könne.

Die Streithelferin hat gemeint, dass zwar grundsätzlich die Kampfmittelüberprüfung Aufgabe des Bauherrn sei; bediene sich dieser aber eines Architekten, der mit sämtlichen Planungsleistungen beauftragt sei, hafte der Architekt für die Mehrkosten die dadurch entstünden, dass eine Kampfmittelsondierung (zunächst) nicht veranlasst worden sei. Dies räume auch die Beklagte ein, weil sie behaupte, dass ihr Projektleiter, der Zeuge G, sich mit der zuständigen Baubehörde im Hinblick auf einen möglichen Kampfmittelverdacht in Verbindung gesetzt habe, da dieser anderenfalls keine Veranlassung gehabt hätte, dies zu tun. Das von der Beklagtenseite behauptete Telefongespräch habe jedoch nicht stattgefunden. Die Zeugin E hätte auch gar nicht beurteilen können, ob für das fragliche Grundstück ein Kampfmittelverdacht bestehe, weil diese Aufgabe in den Zuständigkeitsbereich der Feuerwehr falle. Ungeachtet dessen sei der Inhalt dieses behaupteten Telefonats nicht hinreichend substantiiert dargetan. Eine solche Frage könne überdies nicht so einfach am Telefon beantwortet werden. Der zuständige Ansprechpartner sei auch nicht die Zeugin E, die im Bauordnungsamt tätig sei, sondern die städtische Feuerwehr gewesen, wie die Beklagte aus dem der Baugenehmigung beigefügten Merkblatt (Anlage E1, Bl. 138-139 d.A.) habe entnehmen können. Diesen Hinweis habe die Beklagte als Sachwalter des Bauherrn nicht beachtet. Ungeachtet dessen handele es sich überdies um Standardwissen eines Architekten und angesichts der Lage – die Entfernung zur Altstadt betrage nur 4 km – sei ohne weiteres mit entsprechenden Blindgängern in dem streitgegenständlichen Bereich zu rechnen gewesen. Richtiger Ansprechpartner sei demgemäß die Feuerwehr gewesen, mit der sich die Beklagte auch nach eigenem Vortrag nicht in Verbindung gesetzt habe. Hätte sich die Beklagte mit ihr, der Streithelferin, in Verbindung gesetzt, hätte sie die Bezirksregierung Arnsberg kontaktiert, welche wiederum mitgeteilt hätte, dass ein Blindgängerverdacht bestehe. Soweit der Bebauungsplan betroffen sei, sei im Zeitpunkt des Erlasses eine Kennzeichnung von Verdachtsflächen noch nicht erforderlich gewesen, da eine solche Verpflichtung als „Soll-Vorschrift“ erst zum 01.07.1987 eingeführt worden sei. Im Jahre 2010 habe es ebenfalls noch keine Erkenntnisse zu etwaigen Blindgängern gegeben, obgleich sie, die Streithelferin, vor dem Hintergrund einer Entscheidung des OVG NRW in alle Bebauungspläne zur Rechtssicherheit den Hinweis darauf aufgenommen habe, dass die der Planung zu Grunde liegenden Vorschriften eingesehen werden könnten, was sich auch aus dem verwaltungsinternen Schreiben (Anlage G2, Bl. 150 d.A.) ersehen lasse. Soweit die Beklagte sich auf das Baugrundgutachten berufe, sei beachtlich, dass hiermit nicht der Zweck verfolgt worden sei, das Baugrundstück auf Kampfmittelfreiheit zu untersuchen. Inzwischen sei zwar die Busspur, die Anlass für den Hinweis der Bezirksregierung Arnsberg gewesen sei, ausgeführt worden; mit der Herstellung der Busspur sei aber keine energetische Einwirkung aufgetreten, so dass diese Maßnahme habe durchgeführt werden können. Indes sei der Gefahrenpunkt noch nicht beseitigt und es könne theoretisch jederzeit zu einer Detonation kommen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeglichen Schaden zu ersetzen, der aus der unterlassenen Kampfmittelsondierung bezüglich der Studierendenwohnanlage A-Straße erwächst.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass der Klägerin keine Ansprüche zustünden. Soweit die Klägerin mit ihrem Feststellungsantrag auf die unterlassene Kampfmittelsondierung abstelle, habe schon keine vertragliche Pflicht zur Kampfmittelsondierung bestanden.

Die Baugenehmigung vom 19.09.2012 (Anlage BLD 2, Bl. 93-98 d.A.) sei – unstreitig – ohne Auflagen und Bedingungen hinsichtlich einer notwendigen Kampfmittelsondierung erteilt worden und bestätige damit die Kampfmittelfreiheit, da ansonsten mittels Nebenbestimmung angeordnet worden wäre, dass mit dem Beginn der Bauarbeiten erst begonnen werden dürfen, wenn hiergegen seitens der für die Räumung von Kampfmitteln zuständigen Stellen keine Einwände erhoben würden. Überdies fänden sich im Bebauungsplan der Streithelferin keine Hinweise auf etwaige Kampfmittel; derartige Hinweise seien jedoch nach § 9 Abs. 5 BauGB verpflichtend, so dass mithin feststehe, dass keine Erkenntnisse über das Vorhandensein von Kampfmitteln im fraglichen Bereich vorgelegen hätten. Dementsprechend habe sie, die Beklagte, davon ausgehen können, dass eine Kampfmittelüberprüfung bei der Erstellung und Aktualisierung des Bebauungsplanes erfolgt sei, zumal sie sich auf die fernmündlich erteilte Auskunft der Bauaufsichtsbehörde habe verlassen dürfen.

Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin hinsichtlich der Einschaltung von Sonderfachleuten nach § 5 Abs. 4 des Architektenvertrages aufzuklären; Behörden seien nicht als Sonderfachleute anzusehen und bei Sonderfachleuten handele es sich um Fachleute bezüglich Fachplanungen oder Baugrundgutachten und Ähnliches, wie sich unter anderem aus § 7 Abs. 3 des Architektenvertrages ergebe. Soweit solche Sonderfachleute betroffen seien, habe sie ein Baugrundgutachten – unstreitig – eingeholt. Im Rahmen der Begutachtung seien – unstreitig – unter anderem 30 Rammkernsondierungsbohrungen auf der kompletten Fläche durchgeführt worden; deswegen habe sie auch ein berechtigtes Vertrauen auf die Kampfmittelfreiheit bilden können. Sofern die Ergänzungsvereinbarung zum Architektenvertrag betroffen sei, habe dem der erhebliche Mehraufwand im Leistungsbereich der Freianlagen zugrunde gelegen; mit unklaren Bodenverhältnissen habe dies nichts zu tun gehabt.

Auf dem kompletten Baugelände seien im Rahmen des Abbruchs umfangreiche Erd- und Kanalbauarbeiten durchgeführt, das Grundstück in einer Tiefe von 1 m bearbeitet, der Boden ausgetauscht und der neu eingebaute Boden mit schwerem Gerät auf die erforderliche Tragfähigkeit verdichtet worden. Auch seien Kanäle um jeden der 4 Blöcke mit einer Tiefe von ca. 1,3 m erstellt, verfüllt und verdichtet worden. Bei diesen umfangreichen Arbeiten habe es jedoch keinerlei Anzeichen von Kampfmitteln gegeben.

Zudem sei beachtlich, dass sich die Methodik und Genauigkeit entsprechender Untersuchungen in den letzten Jahren geändert habe und zur Zeit der Planung keine Kampfmittelverdachtsfläche vorgelegen habe und damit eine andere Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt nur daraus resultieren könne, dass sich die Untersuchungsmöglichkeiten verbessert hätten. Entsprechende Erkenntnisse oder Hinweise auf eine Kriegsbeeinflussung aus dem 2. Weltkrieg hätten im Zeitpunkt der Planung ohnehin nicht vorgelegen. Beachtlich sei auch, dass die Erschließungsstraßen in der Nachkriegszeit erstellt worden seien und bei der Planung und Errichtung dieser Straßen eine Kampfmittelüberprüfung hätte erfolgen müssen, so dass sie darauf habe vertrauen dürfen, dass eine weitere Kampfmittelüberprüfung nicht erfolgen müsse. Das Bauvorhaben habe sich überdies am südlichen Ende des F-Sees und damit fernab vom Zentrum der Stadt B befunden und die größten Zerstörungen hätten die B Altstadt betroffen.

Eine Verpflichtung zu weitergehenden Erkundigungen ergebe sich nicht aus dem Architektenvertrag, da die Durchführung der Kampfmittelerkundung nicht erforderlich gewesen sei und es sogar ihren Pflichten nach § 5 des Architektenvertrages widersprochen hätte, wenn sie kostenauslösende, aber überflüssige Maßnahmen beauftragt hätte.

Das der Baugenehmigung anliegende Merkblatt sei ihr, der Beklagten, nicht zugeleitet worden; die Baugenehmigung sei von der Baugenehmigungsbehörde direkt an die Klägerin geschickt worden und sie, die Beklagte, habe lediglich von der Klägerin eine Kopie der Baugenehmigung erhalten, der das Informationsblatt nicht beigelegen habe.

Überdies habe sie – überobligatorisch – durch den Zeugen G, ihrem Projektleiter, bei der zuständigen Bauordnungsbehörde an einen datumsmäßig nicht exakt erinnerlichen Telefonat im Herbst 2012 mit der zuständigen Sachbearbeiterin des Bauordnungsamtes der Streithelferin, der Zeugen E, die auch in der Baugenehmigung (Anlage BLD 3, Bl. 171-176 d.A.) als zuständige Sachbearbeiterin genannt werde und die die Baugenehmigung bearbeitet und bis zur Fertigstellung begleitet habe, telefoniert. Dem Zeugen G sei mitgeteilt worden, dass es sich nicht um eine Verdachtsfläche handele und ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass sich aus den Luftbildern die Vermutung des Einschlags eines Blindgängers ergeben könne. Es habe keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die telefonisch erteilte Auskunft unrichtig gewesen sei. Ob daher die Bezirksregierung Arnsberg keine telefonischen Auskünfte erteile, sei insofern unbeachtlich. Denn Ansprechpartner für einen Bauherrn sei nicht die Bezirksregierung Arnsberg, sondern die Bauaufsichtsbehörde, was sich zweifelsfrei aus der Richtlinie für die Zusammenarbeit zwischen Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigung vom 08.05.2006 (Anlage B1, Bl. 42-45 d.A.; im Folgenden: Richtlinie) ergebe. Denn den örtlichen Ordnungsbehörden sei in der Regel bekannt, wo Kriegshandlungen stattgefunden hätten und eine Kampfmittelbelastung existiere, so dass sie, die Beklagte, die erteilte Auskunft nicht habe hinterfragen müssen. Zu einer Nachfrage bei der Feuerwehr sei sie, die Beklagte, nicht verpflichtet gewesen, da auch die Feuerwehr als Sonderordnungsbehörde eine Behörde der Streithelferin sei. Insofern sei es auch nicht Aufgabe des Bauherrn bzw. des Architekten, die Zuständigkeiten innerhalb der Behörde in Frage zu stellen. Es sei mithin Aufgabe der Streithelferin gewesen, mit Eingang des Antrags auf Erteilung der Baugenehmigung mit den zuständigen Stellen die Frage der Kampfmittelfreiheit abzustimmen. Auch wenn richtig sei, dass der Bauherr bzw. Architekt nicht ohne Klärung der Fragen zu Kampfmitteln los bauen dürfe, habe sie auf die ihr erteilte Auskunft vertrauen dürfen. Aber selbst, wenn sie sich bei der Feuerwehr erkundigt hätte, wäre ihr auch dort mitgeteilt worden, dass keine Kampfmittelverdachtsflächen vorlägen.

Eine Bombenblindgänger-Verdachtsüberprüfung sei überdies nicht erforderlich und nicht beabsichtigt. Aber selbst, wenn dies erforderlich und beabsichtigt sei, sei es rechtlich und tatsächlich nicht möglich, die Klägerin mit derartigen Kosten zu belassen, da die Kosten der Kampfmittelbeseitigung zulasten der öffentlichen Hand gingen, was sich auch aus der Auskunft der Bezirksregierung Düsseldorf auf deren Homepage vom 02.11.2017 (Anlage BLD1, Bl. 91-92 d.A.) ersehen lasse. Die mit der Kampfmittelerkundung einhergehenden Kosten seien solche, die der Klägerin ohnehin entstanden wären, da gerade keine Mehrkosten deswegen anfielen, weil das Grundstück teilweise überbaut sei und davon auszugehen sei, dass die Verdachtsflächen auch kostengünstig ohne Rückbaumaßnahmen überprüfbar seien. Ungeachtet dessen hätte die Klägerin bereits beim Abriss entsprechende Kosten tragen müssen.

Aber selbst eine entsprechende Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach unterstellt, sei der Klägerin ein derart überwiegendes Mitverschulden anzulasten, dass ein Anspruch nicht bestünde, da die Klägerin bereits bei Beantragung der Abrissgenehmigung eine Kampfmittelanfrage hätte stellen und im Rahmen der eigenständig durchgeführten vorherigen Abbrucharbeiten selbst eine Kampfmittelsondierung hätte durchführen lassen müssen. Dies sei ein weiterer Gesichtspunkt, aufgrund dessen sie, die Beklagte, davon habe ausgehen dürfen, dass der Boden kampfmittelfrei sei.

Überdies bestehe kein Feststellungsinteresse.

Das Landgericht hat nach Einholung einer amtlichen Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg, Kampfmittelbeseitigungsdienst, vom 21.11.2019 (Bl. 163-164 d.A.) zur Frage, ob auch im Jahr 2012 bereits ein Blindgängerverdacht festgestellt worden wäre, der Klage vollumfänglich mit der Maßgabe stattgegeben, dass sich die Feststellung nicht auf die unterlassene Kampfmittelsondierung, sondern auf die unterlassene Kampfmittelüberprüfung beziehe. Der Antrag sei zunächst dahingehend auszulegen gewesen, dass es nicht um die unterlassene Kampfmittelsondierung, sondern um eine unterlassene Kampfmittelüberprüfung gehe. Das Feststellungsinteresse ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der drohenden Verjährung und der Sachverhalt sei noch nicht abgeschlossen, weil der Gefahrenpunkt weiterhin bestehe und selbst bei Abschluss der durchgeführten Bauarbeiten an der Bushaltestelle die Klägerin als Grundstückseigentümer weitere Maßnahmen zur Sondierung ergreifen müssen.

Die Beklagte habe eine ihr obliegende Pflicht aus dem Architektenvertrag schuldhaft verletzt, da sie keine ausreichende Überprüfung auf möglicherweise vorhandene Kampfmittel vorgenommen habe. Sie sei zu einer derartigen Überprüfung verpflichtet gewesen. Zwar treffe grundsätzlich eine solche Pflicht den Eigentümer bzw. Bauherren als Zustandsstörer gemäß § 18 Abs. 1 OBG NRW. Indes habe die Klägerin diese Pflicht auf die Beklagte als beauftragte Architektin übertragen und die Beklagte habe in § 4 Nr. 1 und 5 des Architektenvertrages diese Verpflichtung ausdrücklich übernommen. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nicht nachgekommen, auch wenn unterstellt werde, dass sie den streitigen Anruf bei der Bauordnungsbehörde der Streithelferin getätigt habe. Denn zuständig für die Kampfmittelbeseitigung seien die örtlichen Ordnungsbehörden; diese würden durch die Kampfmittelbeseitigungsdienste bei den Bezirksregierungen Arnsberg und Düsseldorf unterstützt. Ansprechpartner für den Bauherren bleibe die örtliche Ordnungsbehörde, mithin nach § 3 OBG NRW die kreisfreien Städte, also die Streithelferin. Diese habe jedoch überzeugend dargetan, dass bei ihr die Feuerwehr als Sonderordnungsbehörde für den Bereich der Kampfmittelbeseitigung zuständig sei. Die Feuerwehr sei von der Beklagten unstreitig nicht kontaktiert worden. Bei der Bauordnungsbehörde und der Feuerwehr handele es sich um zwei unterschiedliche Sonderordnungsbehörden. In der Richtlinie für die Zusammenarbeit zwischen Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst (Anlage B1, Bl. 42-45 d.A.) werde lediglich das Innenverhältnis zwischen den Behörden untereinander geregelt, so dass die Richtlinie keinerlei Außenwirkung entfalte. Die Richtlinie bestimme damit auch nicht, dass die Bauaufsichtsbehörden zuständig zur Erteilung von Auskünften gegenüber den Bauherren seien. Gleiches gelte sinngemäß für das der Baugenehmigung beigefügte Merkblatt „Wichtige Informationen zu ihrem Bauvorhaben“; daraus gehe eindeutig hervor, dass der Bauherr sich zur Gefahrenabwehr an die Feuerwehr und gerade nicht an die Bauordnungsbehörde zu wenden habe. Unerheblich sei, ob die Klägerin als Bauherrin dieses Merkblatt an die Beklagte weitergeleitet habe. Als erfahrene Architektin hätte die Beklagte sich nicht auf etwaig erteilte telefonische Auskünfte der Bauordnungsbehörde verlassen dürfen, sondern vielmehr wissen müssen, dass eine Anfrage bei der Bezirksregierung Arnsberg durch die zuständige Ordnungsbehörde erforderlich sei. Gerade für Großprojekte öffentlicher Auftraggeber sei es nicht ungewöhnlich, dass solche Verdachtsflächen bestünden und untersucht werden müssten. Demgemäß komme es auch nicht darauf an, ob es ein Telefonat mit dem beklagtenseits behaupteten Inhalt gegeben habe, zumal unplausibel sei, dass keine schriftlichen Vermerke hinsichtlich dieses Telefonats hätten beigebracht werden können.

Die Beklagte habe die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Auf das Fehlen von Verdachtsflächen im Bebauungsplan könne sie sich nicht berufen, da die Kennzeichnung solcher Flächen erst ab 1987 erforderlich sei; vorliegend stamme der Bebauungsplan indes aus 1974. Ungeachtet dessen handele es sich bei § 9 Abs. 5 Nr. 3 BauGB um eine Sollvorschrift, sodass keine umfassende Überprüfung aller Bebauungspläne mit der Einführung der Vorschrift habe stattfinden, sondern vielmehr gewonnene Erkenntnisse bei Änderungen der Bebauungspläne hätten berücksichtigt und kenntlich gemacht werden sollen. Dass das Grundstück sich nicht in der Nähe der Altstadt befinde, entlaste die Beklagte ebenfalls nicht, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass in diesem Bereich Blindgänger lägen. Auch der Umstand, dass man bei umfassenden Erdarbeiten nicht auf Blindgänger gestoßen sei, entlaste die Beklagte nicht, da es sich hierbei um Glück bzw. Zufall gehandelt haben könne. Soweit das Baugrundgutachten (Anlage B2, Bl. 46-71 d.A.) betroffen sei, sei beachtlich, dass hierbei der Boden geologisch untersucht werde und auch Altlasten aufgedeckt würden; hierunter fielen jedoch in der Regel keine Blindgänger, da sie nur in einem kleinen Punkt im Boden vorhanden seien, während sich Giftstoffe im ganzen Boden verteilten und durch die chemische Zusammensetzung im Boden ermittelt werden könnten. Ungeachtet dessen werde für das Baugrundgutachten nicht der gesamte Boden gescannt, sondern mithilfe von einzelnen Kernbohrungen an unterschiedlichen Punkten ein Querschnitt der einzelnen Bodenschichten ermittelt.

Die Pflichtverletzung sei auch kausal für den entstandenen Schaden, da nach der amtlichen Auskunft feststehe, dass bei Nachfragen im Jahr 2012 der Verdachtspunkt mitgeteilt worden wäre, da der Verdachtspunkt auf mehreren Luftbildern eindeutig zu erkennen sei und sich die Methodik seither nicht verändert habe.

Dass die Klägerin ohnehin die Kosten der Kampfmittelsondierung zu tragen habe, führe nicht zur Verneinung einer Schadensersatzpflicht. Die Kosten für die eigentliche Entfernung von Blindgängern würden zwar von der öffentlichen Hand übernommen; hiervon seien jedoch nicht die Kosten für vor- und nachbereitenden Maßnahmen umfasst, da diese nach dem Runderlass des Innenministeriums vom 09.11.2007 der Zustandsstörer selbst zu tragen habe. Soweit die Beklagte auf eine Auskunft der Bezirksregierung Düsseldorf (Anlage BLD, Bl. 91 d.A.) abstelle, werde darauf hingewiesen, dass Kosten für vorbereitende Maßnahmen nicht vom Land Nordrhein-Westfalen übernommen würden. Hierin würden Maßnahmen, wie das Abschieben des Bodens bis auf das Niveau von 1945, freie Zufahrtsmöglichkeit für Bagger und Baugeräte, Entfernen des Bewuchses usw. genannt.

Ein Mitverschulden sei der Klägerin nicht anzulasten. Zwar habe diese die Abbrucharbeiten eigenständig durchgeführt; aus Nr. 4 der Richtlinie ergebe sich indes, dass die Ordnungsbehörden bei Abbrucharbeiten nicht verpflichtet seien, Anträge an den Kampfmittelbeseitigungsdienst zu stellen, da bei derartigen Abbrüchen der zuvor umbaute Raum nicht ausgeweitet werde. Zwar gelte dies im Innenverhältnis zwischen einzelnen Behörden; indes könne hier für die Klägerin nicht anders gelten.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags, das Landgericht habe gegen § 308 ZPO verstoßen, weil es keinen Feststellungsanspruch hinsichtlich der unterlassenen Kampfmittelsondierung, zu deren Durchführung sie keinesfalls verpflichtet gewesen sei, getroffen habe, sondern unter Überschreitung der Grenzen zulässiger Auslegung einen Feststellungsanspruch hinsichtlich der unterlassenen Kampfmittelüberprüfung tenoriert habe, obgleich kein missverständlicher oder unklar gefasster Antrag vorgelegen habe und das Landgericht verpflichtet gewesen wäre, nach § 139 ZPO auf die Notwendigkeit einer Klarstellung hinzuweisen, zumal die Klägerin selbst nach ihrem, der Beklagten, Vorhalt ihren Antrag nicht umgestellt habe. Insofern hätte das Landgericht den unmissverständlich formulierten und keiner Auslegung zugänglichen Antrag als unbegründet abweisen müssen.

Verkannt habe das Landgericht zudem, dass die der Klägerin obliegende Pflicht, für Kampfmittelfreiheit zu sorgen, nicht auf sie, die Beklagte, übertragen worden sei. In § 4 und § 5 des Architektenvertrages finde sich hierzu nichts. Unzutreffend sei auch, dass der Architekt im Rahmen der Grundlagenermittlung und Vorplanung generell die Aufgabe habe, Bodenrisiken zu ermitteln, da dies nicht zu den Grundleistungen der Leistungsphasen 1 oder 2 gehöre; vielmehr sei die „Standortanalyse“ als „Besondere Leistung“ umschrieben, die damit explizit beauftragt werden müsse, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Auch das „Erarbeiten und Erstellen von besonderen bauordnungsrechtlichen Nachweisen“ stelle eine besondere Leistung der Leistungsphase 2 der. Die sie treffende Pflicht zur Grundlagenermittlung habe sie durch die Beauftragung und Einholung des Baugrundgutachtens erfüllt. Wie bereits erstinstanzlich ausgeführt, hätten keine objektiven Anhaltspunkte vorgelegen, die eine Pflicht zur Prüfung ausgelöst hätten. Ungeachtet dessen habe das Landgericht selbst bei Annahme einer entsprechenden Pflicht verkannt, dass sie, die Beklagte, dieser Pflicht durch die fernmündliche Nachfrage bei der Bauordnungsbehörde, der Zeugin E, nachgekommen sei, da der Zeuge G im Herbst 2012 telefonisch von der Zeugin E die Auskunft erhalten habe, dass eine Kampfmittelverdachtsfläche nicht vorliege; ihr entsprechendes Beweisangebot habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft übergangen. Das Landgericht sei offenbar in vorweggenommener Würdigung dem Einwand der Streithelferin gefolgt, dass ein solches Telefonat nicht stattgefunden habe mit dem Hinweis, dass ein Telefonvermerk nicht vorgelegt worden sei, obgleich die Annahme, dass über solche Telefonate stets ein Vermerk erstellt werde, einer tragfähigen Grundlage entbehre.

Fehlerhaft habe das Landgericht zudem angenommen, dass sie, die Beklagte, sich selbst und originär bei der Feuerwehr hätte erkundigen müssen, da die Feuerwehr als Sonderordnungsbehörde eine Behörde der Streithelferin sei und ebenso wie die Bauordnungsbehörde Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung vor Gefahren wahrnehme. Da sie, die Beklagte, sich bei der Streithelferin selbst erkundigt habe, sei eine gesonderte Nachfrage bei der Feuerwehr nicht notwendig geworden; ungeachtet dessen verkenne das Landgericht, dass ein Außenstehender den Behördenaufbau nicht kennen müsse und auf die Richtigkeit der erteilten Auskunft habe vertrauen dürfen. Die Frage der Kampfmittelfreiheit sei allein Sache der Behörde, also der Streithelferin, und der Bauherr könne darauf vertrauen, dass die Frage der Kampfmittelfreiheit seitens der Behörde geklärt worden sei, zumal diese Frage schon bei der Aufstellung des Bebauungsplans zu beachten sei. Hierbei sei auch beachtlich, dass im Bebauungsplan das Baufeld nicht als Verdachtsfläche gekennzeichnet gewesen sei. Das Landgericht verkenne auch die Bedeutung der Richtlinie; es gehe darum, dass schon aus dem Bebauungsplan folge, dass sich die Behörde auch unter Einbeziehung der Sonderordnungsbehörden um die Kampfmittelfreiheit aus Sicht des Bauherrn bzw. Architekten gekümmert habe.

In der unterlassenen Kontaktaufnahme zu Feuerwehr könne ohnehin keine Pflichtverletzung gesehen werden, da in dem nur an die Klägerin gerichteten Merkblatt, welches sie, die Beklagte gerade nicht erhalten habe, allein die Rede davon sei, dass Kontakt bei „Entfernung gegebenenfalls vorhandener Kampfmittel“ aufzunehmen sei. Eine Kontaktaufnahme erübrige sich aber, wenn schon aus dem Bebauungsplan eine Gefahrenstelle überhaupt nicht ersichtlich sei. Dies gelte hier erst recht, da die Zeugin E bestätigt habe, dass kein Verdacht auf Kampfmittel bestehe.

Aber selbst eine Pflichtverletzung unterstellt, sei von einem fehlenden Verschulden ihrerseits auszugehen, da der Bebauungsplan keine negative Aussage zu Kampfmittelfreiheit treffe, zur Stellung des Baugrundgutachtens Rammkernsondierungen auf dem Baugrundstück durchgeführt worden seien und ein Architekt davon ausgehen dürfe, dass solche Sondierungen nicht ohne Erkundigung zur Kampfmittelbeseitigung durchgeführt würden und die Klägerin selbst den Abriss übernommen und das Baufeld hergerichtet habe. Warum beim Abriss keine Sondierung durchzuführen sei, erschließe sich nicht, da auch dort gleichermaßen tief und mit höheren Erschütterungen auf den Boden eingewirkt werde.

Überdies fehle es an der Kausalität zwischen vermeintlicher Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden, da die Zeugin E die Auskunft erteilt habe, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege; diese Auskunft hätte sie, die Beklagte, auch dann erhalten, wenn sie sich an die Feuerwehr gewandt hätte. Das Landgericht habe insofern die eingeholte amtliche Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg fehlerhaft gewürdigt und unterstellt, dass bei der Bezirksregierung im Jahre 2012 eine Einstufung der Fläche als Kampfmittelverdachtsfläche vorgelegen habe, obgleich sich aus der Auskunft ergebe, dass 2012 eine solche Einstufung gar nicht vorgelegen habe.

Überdies habe das Landgericht fehlerhaft ein Mitverschulden der Klägerin verneint. Soweit noch unberücksichtigten Beweisangeboten nachzugehen sei, müsse der Senat das Verfahren an das Landgericht zurückverweisen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Münster vom 26.02.2020 (Aktenzeichen 116 O 19/19) die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Sache unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Münster vom 26.02.2020 (Aktenzeichen 116 O 19/19) an das Landgericht Münster zurück zu verweisen und

vorsorglich für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt – unter Neufassung ihres Feststellungsantrags, festzustellen dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeglichen Schaden in Form der ihr entstehenden Mehrkosten zu ersetzen, die ihr dadurch entstanden sind bzw. entstehen werden, dass die Beklagte vor Ausführung des Bauvorhabens A-Straße es versäumt hat, den Antrag auf Kampfmittelüberprüfung zu stellen bzw. darauf hinzuweisen, dass ein solcher Antrag erforderlich sein könnte – sinngemäß

              die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil; sie rügt den neuen Sachvortrag der Beklagten als verspätet und meint, dass kein Verstoß gegen § 308 ZPO vorliege, da sie ihren Feststellungsantrag in der mündlichen Verhandlung soweit konkretisiert habe, dass das Landgericht in zulässiger Weise eine Auslegung vorgenommen habe; hätte das Landgericht überdies einen Hinweis gegeben, wäre auch ein sachdienlicher Antrag gestellt worden. Ungeachtet dessen sei die fehlende Kampfmittelüberprüfung auf das Verschulden der Beklagten zurückzuführen, so dass der ursprünglich angekündigte Antrag zwar unpräzise, aber sachlich nicht falsch gewesen wäre.

Bereits bei Einreichung des Bauantrages, welcher vor dem Abbruchantrag gestellt worden sei, hätte die Kampfmittelüberprüfung seitens der Beklagten beantragt werden müssen. Nach dem Architektenvertrag seien alle Leistungsphasen geschuldet gewesen. Die Beklagte habe sie, die Klägerin, nicht über die Problematik aufgeklärt; wäre eine entsprechende Aufklärung erfolgt, hätte sie, die Klägerin, – was sich auch aus der tatsächlichen Vermutung beratungskonformen Handelns ergebe – entsprechend gehandelt.

Eine telefonische Auskunft dahingehend, dass es sich bei dem Grundstück nicht um eine Kampfmittelverdachtsfläche handele, habe die Streithelferin der Beklagten nicht erteilt, zumal hierüber ein Vermerk gefertigt worden wäre. Die Zeugin E sei zudem unzuständig zur Erteilung einer Auskunft gewesen sei. Eine Nachfrage bei der zuständigen Feuerwehr sei nicht erfolgt; dass es sich um eine Verdachtsfläche gehandelt habe, sei als allgemeinkundig anzunehmen, da das Grundstück in der Einflugschneise der Bomber im Zweiten Weltkrieg gelegen habe und B im Zweiten Weltkrieg zu über 90 % zerstört worden sei, so dass ausnahmslos bei jedem neuen Bau die Möglichkeit von Blindgängern zu hinterfragen gewesen sei. Überdies habe sich am Anfang des F-Sees in der Nähe zum Bauprojekt ein bekanntes Gauhaus befunden, das sogar erklärtes Ziel der Alliierten gewesen sei.

Die Pflichtverletzung der Beklagten in Form der fehlenden Aufklärung und Antragstellung sei kausal geworden für die fehlende Kampfmittelüberprüfung. Inzwischen liege die Kalkulation der Gesamtkosten (Anlage K8, Bl. 451 d.A.) hinsichtlich der Nachholung der fehlenden Kampfmittelüberprüfung durch Abbruch des Gebäudeteils vor.

Die Streithelferin meint, dass die behauptete Nachfrage bei der Zeugin E unbeachtlich sei, da diese beim Bauordnungsamt, nicht aber bei der für Auskünfte zur Kampfmittelfreiheit und Kampfmittelverdachtsfällen zuständigen Feuerwehr beschäftigt sei. Ungeachtet dessen habe die Zeugin E eine solche Auskunft auch nicht erteilt.

Der Senat hat die Parteivertreter der Klägerin und den Parteivertreter der Beklagten persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin E und des Zeugen G in der mündlichen Verhandlung am 18.05.2021. Wegen des Ergebnisses der persönlichen Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls vom 18.05.2021 und den die wesentlichen Ergebnisse der persönlichen Anhörungen und der Zeugenvernehmungen zusammenfassenden Vermerk des Berichterstatters vom 18.05.2021 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet und führt allein zur klarstellenden Neufassung des Tenors.

1.

Ob das Landgericht den erstinstanzlich gestellten Feststellungsantrag abweichend vom Wortlaut in der vorgenommenen Weise auslegen durfte, kann letztlich dahinstehen, da ein – unterstellter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO – dadurch geheilt worden ist, dass die Klägerin mit ihrem zweitinstanzlichen Prozessverhalten deutlich gemacht hat, dass sie den Antrag jedenfalls nunmehr mit dem vom Landgericht tenorierten Inhalt stellen will.

a)

Nach § 308 Abs. 1 ZPO besteht eine Antragsbindung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Das Gericht darf nicht mehr (kein „plus“) zusprechen als beantragt und nichts anderes (kein „aliud“) als begehrt (vgl. BGH, Urteil vom 07. Dezember 1988 – IVb ZR 23/88 – FamRZ 1989, 483; BGH, Urteil vom 16-11-1989 – I ZR 15/88 – NJW-RR 1990, 997; OLG München, Urteil vom 08. Juni 2004 – 13 U 5690/03 – zitiert nach juris; Elzer, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.12.2020, § 308 ZPO Rn. 14; Feskorn, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 308 ZPO Rn. 2).

Zutreffend verweist die Beklagte zwar darauf, dass dann, wenn ein Klageantrag hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist, dieser im Regelfall keiner Auslegung zugänglich ist. Indes ist bereits zweifehlhaft, ob eine derartige Bestimmtheit vorliegt. Zwar ist der Antrag seinem Wortlaut nach auf das Unterlassen der „Kampfmittelsondierung“ gerichtet. Indes werden Inhalt und Reichweite des Klagebegehrens nicht allein durch den Wortlaut des Antrags bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 08. März 2019 – V ZR 330/17 – NJW-RR 2019, 519). Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er aus der Klagebegründung, den sonstigen Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgeht (vgl. BGH, Urteil vom 08. März 2019 – V ZR 330/17 – NJW-RR 2019, 519; Elzer, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.03.2021, § 308 ZPO Rn. 5a). Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 08. März 2019 – V ZR 330/17 – NJW-RR 2019, 519; BGH, Versäumnisurteil vom 13. Mai 2016 – V ZR 152/15 – NJW-RR 2016, 1107).

Ob zwischen der beantragten Kampfmittelsondierung und der tenorierten Kampfmittelüberprüfung überhaupt ein wesentlicher Unterschied besteht, ist bereits zweifelhaft. Bei einer Kampfmittelbeseitigung handelt es sich um die Beseitigung von Kampfmitteln, also nach § 1 Abs. 2 der Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel (Kampfmittelverordnung) vom 12.11.2003, gewahrsamslos gewordener Gegenstände militärischer Herkunft und Teile solcher Gegenstände, die Explosivstoffe enthalten oder aus Explosivstoffen bestehen oder Kampfstoffe enthalten. Nach Ziffer 2.2.3 Satz 5 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen und Ziffer 1 Abs. 2 Satz 2 Anlage 1 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen überprüft der Kampfmittelbeseitigungsdienst den hinreichenden Indikator der Kampfmittelbelastung durch Erkundung, Detektion und feststellenden Bodeneingriff vor Ort (vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 59. Update Januar 2021, 4. Geeignetheit von Baugrundstücken, § 16 Rn. 44). Die Kampfmitteluntersuchung erfolgt mittels Magnetometern (vgl. Ziffer 5 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen) durch Oberflächendetektion (vgl. Ziffer 2.2.6 Satz 6; 6.2.4 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen), Bohrlochdetektion (Ziffer 6.2.7 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen) oder Tiefensondierung über Geomagnetik, Elektromagnetik, Georadar oder Bodenradar, oder aus einer Kombination der vorgenannten Maßnahmen. Insofern mag ein inhaltlicher Unterschied zwischen den Begriffen der Kampfmittelsondierung einerseits und der Kampfmittelüberprüfung andererseits in der Form anzunehmen sein, dass die Kampfmittelsondierung der engere Begriff ist, weil diese durch die oben beschriebenen Detektionsmaßnahmen erfolgt, während die Kampfmittelüberprüfung als Oberbegriff neben der Kampfmitteldetektion nach Ziffer 2.2.3 Satz 5 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen und Ziffer 1 Abs. 2 Satz 2 Anlage 1 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen auch die Erkundung und den feststellenden Bodeneingriff vor Ort erfasst. Ob damit das Landgericht mehr tenoriert hat als beantragt, kann aber letztlich dahinstehen.

b)

Ist nämlich anzunehmen, dass das Landgericht mehr tenoriert hat als beantragt, ist der Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO durch nachträgliche Genehmigung geheilt worden.

Beantragt der Kläger, dem mehr zugesprochen wurde, als er im 1. Rechtszug beantragt hatte, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, so wird durch die darin liegende Genehmigung der Mangel geheilt, denn im Sichzueigenmachen der gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßenden Entscheidung liegt eine – noch in der Berufungsinstanz mögliche – Klageerweiterung (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004 – VII ZR 174/03 – MDR 2005, 645; Feskorn, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 308 ZPO Rn. 7). Die Klageerweiterung ist nach § 533 ZPO zulässig. Die Voraussetzungen des § 533 Nr. 1, 2. Alt. ZPO liegen vor. Maßgeblich ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei nicht die beschleunigte Entscheidung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend ist (vgl. Wulf, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.12.2020, § 533 ZPO Rn. 11). Auch die weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit von im Berufungsrechtszug erstmalig geltend gemachten Ansprüchen gemäß § 533 Nr. 2 ZPO liegt vor, denn diese können hier auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat ohnehin nach § 529 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung zu Grunde zu legen hat (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22. Februar 2019 – 4 U 8/17 – zitiert nach juris).

2.

Für den Senat bestand aber Anlass, nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Stellung eines sachdienlichen Feststellungsantrag anzuregen.

a)

Unstreitig schuldete die Beklagte persönlich weder einer Kampfmittelsondierung noch eine Kampfmittelüberprüfung. Denn hierzu ist ausschließlich der Kampfmittelbeseitigungsdienst der Bezirksregierung Arnsberg zuständig. Die Beklagte ist hierzu weder vertraglich verpflichtet noch in der Lage, da die Durchführung von jeglichen Erkundungsarbeiten nach Kampfmitteln nur speziell geschulten und zugelassenen Fachunternehmen nach §§ 7, 20 SprengG gestattet ist und § 3 der Kampfmittelverordnung das Suchen von Kampfmitteln sowie deren Besitz nur den Stellen gestattet, die durch die Bezirksregierung mit der Beseitigung der Kampfmittel beauftragt sind, hier also nach § 1 Abs. 2 der Kampfmittelverordnung dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst bei den Bezirksregierungen Arnsberg und Düsseldorf. Auch die Klägerin stellt nicht darauf ab, dass die Beklagte die Kampfmittelüberprüfung selbst vorzunehmen hätte, sondern meint, dass die Beklagte den Antrag auf Kampfmittelüberprüfung hätte stellen bzw. sie jedenfalls über die Notwendigkeit eines derartigen Antrages hätte aufklären müssen.

b)

Diesem Anliegen der Klägerin entspricht die vom Landgericht vorgenommene Auslegung nicht, so dass der Senat auf die Stellung eines sachdienlichen Antrages, der diesem Anliegen der Klägerin entspricht, hinzuwirken hatte. Da hiermit kein Hinweis auf neue, im Vortrag der Parteien noch nicht andeutungsweise enthaltene Klagegründe verbunden war (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – I ZR 17/01 – NJW-RR 2004, 495; BGH, Urteil vom 27. September 2006 – VIII ZR 19/04 – NJW 2007, 2414 Rn. 22), hat die Klägerin in zulässiger Weise auf Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihren Feststellungsantrag klarstellend formuliert und klargestellt, dass sie eine Feststellung allein hinsichtlich der Mehrkosten begehrt, die nun auf sie zukommen, weil die Kampfmittelüberprüfung nicht schon vor Erstellung des Neubaus im Jahre 2012 veranlasst worden ist.

3.

Der Feststellungsantrag ist zulässig.

a)

Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist zu bejahen, da damit eine mögliche Verjährung verhindert werden soll (vgl. OLG München, Urteil vom 06. Dezember 2016 – 28 U 2388/16 Bau – BauR 2017, 1041). Es kommt in Betracht, dass auf die Klägerin als Zustandsstörerin Kosten im Zusammenhang mit der nachträglichen Kampfmittelüberprüfung zukommen werden, da nach Fußnote 1 des Runderlasses des Innenministeriums – 75-54.01- vom 9.11.2007 (Kampfmittelbeseitigung Erstattung der anfallenden Kosten) bei Vorliegen hinreichend konkreter Anhaltspunkte, dass sich auf einem Grundstück bislang verborgen gebliebene Kampfmittel befinden und von dem Grundstück selbst eine Gefahr ausgeht, der Eigentümer des Grundstücks als Zustandsstörer iSd §§ 14, 18 OBG NRW verantwortlich ist (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03. Juni 1997 – 5 A 4/96 – zitiert nach juris). Die Klägerin ist als Grundstückseigentümerin Störerin und damit gem. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Übernahme der entstehenden Kosten verpflichtet, wobei nach Fußnote 1 des Runderlasses des Innenministeriums – 75-54.01- vom 9.11.2007 die Ordnungsbehörde im Ermessenswege darüber entscheidet, wie der Verpflichtung nachzukommen ist.

Beachtlich ist zwar, dass die Kosten der Kampfmittelbeseitigung als solche von der öffentlichen Hand – der örtlichen Ordnungsbehörde (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2015 – 6 K 7535/13 – zitiert nach juris) – getragen werden. Nach Ziffer 2 des Runderlasses des Innenministeriums – 75-54.01- vom 09.11.2007 (Kampfmittelbeseitigung, Erstattung der anfallenden Kosten) in Verbindung mit §§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AKG, 1004 BGB tragen der Bund und die Länder als staatliche Stellen aber nur die Kosten für die eigentliche Kampfmittelbeseitigung, d. h. nur die Kosten, die zur Beseitigung einer „unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben” erforderlich sind. Die Gefahrenerforschung wird von den zuständigen Stellen (Land, Kommunen) grundsätzlich kostenfrei wahrgenommen. Die aus der Kampfmittelbeseitigung entstehenden Kosten trägt das Land NRW.

Aber alle die Kampfmittelbeseitigung vorbereitenden oder sonst begleitenden Maßnahmen werden von § 19 Abs. 2 Ziff. 1 AKG nicht erfasst, sondern sind nach den Vorschriften des Ordnungsbehördengesetzes NRW in Verbindung mit § 1004 BGB von der örtlichen Ordnungsbehörde bzw. vom Grundstückeigentümer auf dessen Kosten zu erledigen. Hier kommen insbesondere die Kosten für den Abbruch bereits erstellter Gebäudeteile und deren Wiederherstellung oder Bohrungen durch die Bodenplatte eines Gebäudes in Betracht.

b)

Dass die Klägerin – gestützt auf ihre eigene Berechnung (Anlage K8, Bl. 451 d.A.) – nunmehr eine Leistungsklage erheben könnte, steht der Zulässigkeit des Feststellungantrags nicht entgegen.

Befindet sich ein anspruchsbegründender Sachverhalt im Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Entwicklung, so steht der Umstand, dass im Zeitpunkt der Klageerhebung eine teilweise Bezifferung möglich ist, der Bejahung des Feststellungsinteresses jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Anspruch seiner Natur nach sinnvollerweise erst nach Abschluss seiner Entwicklung beziffert werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2016 – VI ZR 506/14 – zitiert nach juris); der Geschädigte kann zwar hinsichtlich des bereits bezifferbaren Teils des Schadens Leistungsklage und im Übrigen Feststellungsklage erheben (vgl. Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 256 ZPO Rn. 7a). Er muss dies aber nicht.

Ist – wie hier – die Feststellungsklage nach diesen Grundsätzen zulässig erhoben worden, braucht der Kläger auch dann nicht zur Leistungsklage überzugehen, wenn im Laufe des Rechtsstreits der gesamte Schaden bezifferbar wird (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2011 − VIII ZR 212/08 – NJW 2011, 3361; BGH, Urteil vom 4. 11. 1998 – VIII ZR 248/97 – NJW 1999, 639; Bacher, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.03.2021, § 256 ZPO Rn. 27).

4.

Der Feststellungsantrag ist auch begründet.

Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz der der Klägerin entstehenden Mehrkosten, die ihr dadurch entstanden sind bzw. entstehen werden, dass die Beklagte vor Ausführung des Bauvorhabens A-Straße es versäumt hat, den Antrag auf Kampfmittelüberprüfung zu stellen bzw. darauf hinzuweisen, dass ein solcher Antrag erforderlich sein könnte, zu.

a)

Die Planungsleistung der Beklagten ist bereits deswegen mangelhaft, weil ein Kampfmittelverdacht hinsichtlich der mit den Neubauten überbauten Grundstücksflächen besteht.

aa)

Die Beklagte war auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im Hinblick auf die Kampfmittelfreiheit verpflichtet, das Problem der Kampfmittelüberprüfung zu berücksichtigen. Insofern kann dahinstehen, ob die Beklagte letztlich für die Leistungsphase 1, in deren Umfang sie unter anderem den Baugrund abzuklären hatte (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 03. März 2010 – 2 U 68/07 – zitiert nach juris), ein Honorar berechnet oder insofern diese Leistungsphase in ihrer Schlussrechnung „auf Null“ gesetzt hat. Denn spätestens mit der Baugenehmigungsantragstellung – Leistungsphase 4 – hätte die Beklagte die Klägerin auf die Nachweispflicht des § 16 BauO NRW a.F. bzw. auf die Notwendigkeit zur Feststellung der Kampfmittelfreiheit durch die zuständige Stelle gemäß den dargestellten gesetzlichen Vorgaben hinweisen müssen.

Denn die Berücksichtigung der Kampfmittelproblematik durch die Beklagte war erforderlich, da dies aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen zur sachgerechten Umsetzung des Bauvorhabens aus dem Pflichtenkreis der Klägerin als Bauherrin erforderlich erschienen ist und die Beklagte nicht davon ausgehen konnte, dass die Kampfmittelprüfung bereits stattgefunden hatte. Dies gilt insbesondere deswegen, weil es sich um ein Großprojekt mit zahlreichen Wohnungen handelt und eine große Personenzahl gefährdet sein kann.

(1)

Der Einwand der Beklagten, dass es sich um eine mangels gesonderter Vereinbarung nicht geschuldete „Besondere Leistung“ der Standortanalyse gehandelt habe, verfängt nicht.

Besondere Leistungen sind solche, die erforderlich sind, um besonderen Anforderungen des Auftrags gerecht zu werden, für deren Erfüllung der Katalog der Leistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags im Allgemeinen erforderlich sind, nicht ausreicht (vgl. Wirth, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, 8. Auflage 2013, § 3 HOAI Rn. 46). Zutreffend verweist die Beklagte zwar darauf, dass die Standortanalyse (Ziffer 2.6.1 der Anlage 2 § 3 Abs. 3 in der hier vom 18.08.2009 bis 16.07.2013 geltenden und damit maßgeblichen HOAI 2009, so auch Ziffer 10. 1 LPH 1 Grundlagenermittlung der Anlage 10 zu §§ 34 Abs. 4, 35 Abs. 7 HOAI 2013) eine „Besondere Leistung“ ist. Eine „Standortanalyse“ stellt indes eine betriebswirtschaftliche Aufgabe dar; sie steht im Zusammenhang mit der Standortplanung und Standortsuche (vgl. Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, HOAI, 1. Auflage 2016, § 34 HOAI Rn. 48; Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2. Auflage 2020, § 34 HOAI Rn. 48). Zum einen können darunter immobilienwirtschaftliche Untersuchungen zur Frage der Vermarktungsmöglichkeiten durch Verkauf, Vermietung oder Verpachtung an einem angedachten oder noch zu findenden Standort zu verstehen sein; es kann aber auch darum gehen, den idealen Standort für ein Unternehmen herauszufinden (vgl. Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, HOAI, 1. Auflage 2016, § 34 HOAI Rn. 48; Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2. Auflage 2020, § 34 HOAI Rn. 48). Dafür müssen zunächst Kriterien für Standortfaktoren gebildet und ein Anforderungsprofil definiert werden (vgl. Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, HOAI, 1. Auflage 2016, § 34 HOAI Rn. 48; Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2. Auflage 2020, § 34 HOAI Rn. 48). Ist – wie hier – ein Grundstück bereits gefunden, kann analysiert werden, ob dieses den gestellten Anforderungen genügt (vgl. Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, HOAI, 1. Auflage 2016, § 34 HOAI Rn. 48; Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2. Auflage 2020, § 34 HOAI Rn. 48).

Hieraus aber folgt, dass es sich bei der Frage der Kampfmittelfreiheit gerade nicht um eine „Standortanalyse“, sondern um die Beurteilung der Frage handelt, ob das bereits ausgewählte Grundstück erst nach Abklärung der Kampfmittelbelastung bebaubar ist; damit aber handelt es sich jedenfalls um eine Grundleistung der Leistungsphase 2. Nach § 5.2 Satz 3 des Architektenvertrages war die Beklagte zudem ausdrücklich verpflichtet, auf Bedenken gegen die Umsetzbarkeit der Planung hinzuweisen.

(2)

Nach den konkreten Umständen bestand die Pflicht des Bauherren und damit der Beklagten, eine Kampfmittelbelastung abklären zu lassen.

Nach § 16 Abs. 1 BauO NRW in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung (im Folgenden a.F., entspricht § 13 Abs. 1 BauO NRW n.F.) muss der Bauherr vor Beginn eines Bauvorhabens die Kampfmittelfreiheit nachweisen. § 16 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW a.F. fordert, dass Baugrundstücke für die jeweiligen baulichen Anlagen entsprechend geeignet sein müssen. Das betrifft neben der Beschaffenheit des Grund und Bodens (vor allem Ungeeignetheit wegen Altlasten, Lage im Überschwemmungsgebiet oder Strahlenbelastung) auch die vorgesehene Nutzung (vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 59. Update Januar 2021, 4. Geeignetheit von Baugrundstücken, § 16 Rn. 44). Auch nach Ziffer 2 Satz 1 der Richtlinie müssen Baugrundstücke im Hinblick auf ihre Kampfmittelfreiheit für bauliche Anlagen geeignet sein.

Die Klägerin hat zweitinstanzlich – unwidersprochen – vorgetragen, dass das Grundstück in der Einflugschneise der Bomber im Zweiten Weltkrieg lag, B im Zweiten Weltkrieg zu über 90 % zerstört wurde und sich überdies am Anfang des F-Sees in der Nähe zum Bauprojekt ein bekanntes Gauhaus befand, dass sogar erklärtes Ziel der Alliierten war. Soweit die Beklagte vorträgt, dass sich das Bauvorhaben am südlichen Ende des F-Sees und damit fernab vom Zentrum der Stadt B befinde und die größten Zerstörungen die B Altstadt betroffen hätten, ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin davon auszugehen, dass wegen der erheblichen Mengen an abgeworfenen Bomben im gesamten Stadtgebiet mit Blindgängern zu rechnen ist. Dass nach Kriegsende eine Erschließung durch zwei Straßen erfolgte, führt ebenfalls nicht zur zwingenden Annahme, dass anlässlich der Planung und Errichtung dieser Straße eine Kampfmittelüberprüfung erfolgt war, zumal die festgestellte Bombenblindgängereinschlagsstelle VP #### sich auf dem Gelände, nicht aber auf den Erschließungsstraßen befindet.

(3)

Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, dass die Kampfmittelfreiheit bereits geklärt war.

(a)

Aus der Baugenehmigung (Anlage BLD 2, Bl. 93-98 d.A. = Anlage BLD 3, Bl. 171-176 d.A.) konnte die Beklagte nicht entnehmen, dass die Kampfmittelfreiheit im Genehmigungsverfahren geprüft worden war. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beklagte das der Baugenehmigung anliegende Merkblatt (Anlage E1, Bl. 148 f. d.A.) erhalten hat. Die Baugenehmigung wurde nämlich nach § 63 BauO NRW a.F.  (entspricht § 60 BauO NRW n.F.) erteilt. Nach Ziffer 3 Abs. 2 der Richtlinie wird die Gemeinde gemäß Nr. 16.22 Verwaltungsvorschrift zur Landesbauordnung (VV BauO NRW) vom 12. Oktober 2000 (SMBl. NRW. 23210) im Baugenehmigungsverfahren von der Bauaufsichtsbehörde beteiligt. Nach Nr. 16.22 Abs. 2 VV BauO NRW sind allein Baugenehmigungen für Sonderbauten nach § 68 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW, die Bauvorhaben mit nicht unerheblichen Erdeingriffen in Kampfmittelverdachtsflächen betreffen, eine Nebenbestimmung anzufügen, wonach mit dem Beginn der Bauarbeiten erst begonnen werden darf, wenn hiergegen seitens der für die Räumung von Kampfmitteln zuständigen Stellen keine Einwände erhoben werden. Der feststellende Teil der Baugenehmigung, der die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem geltenden Recht bestätigt, bleibt unangetastet, der verfügende Teil, der die sogenannte „Baufreigabe” beinhaltet, wird damit aufschiebend bedingt. Nur bei Sonderbauten erhält der Bauherr damit einen ausdrücklichen Hinweis, da dort die Kampfmittelüberprüfung Teil des Baugenehmigungsverfahrens ist. Vorliegend ist indes kein Sonderbau betroffen, da in der Baugenehmigung auf die Regelung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 68 Abs. 2 BauO NRW abgestellt wird, so dass ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß § 68 BauO NRW durchgeführt worden ist. Nach Nr. 16.22 Abs. 3 VV BauO NRW wird aber im vereinfachten Genehmigungsverfahren § 16 BauO NRW a.F. von der Bauaufsichtsbehörde nicht geprüft.

(b)

Auch die Tatsache, dass im Bebauungsplan keine Hinweise auf eine mögliche Kampfmittelbelastung genannt waren, war nicht aussagekräftig, weil der Bebauungsplan aus dem Jahre 1974 stammte.

Nach Ziffer 3.1 Abs. 3 der Richtlinie ist zwar bei der Aufstellung von Bebauungsplänen der Kampfmittelbeseitigungsdienst im Rahmen der Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zu beteiligen; er wertet die Kampfmittelbelastung für die gesamte Fläche aus und teilt das Auswertungsergebnis und das staatliche Handlungserfordernis der Gemeinde mit. Die betroffenen Flächen sollen nach § 9 Abs. 5 BauGB im Bebauungsplan gekennzeichnet werden.

Allerdings stammen die vorgenannten Normen erst auf der Zeit nach Erlass des Bebauungsplans; § 9 Abs. 5 BauGB wurde mit Gesetz vom 08.12.1986 (BGBl. I S. 2191) zum 01.07.1987 neu gefasst und die Richtlinie datiert vom 08.05.2006. Die textlichen Ergänzungen zum Bebauungsplan vom 08.11.2010 (Anlage E2, Bl. 150 d.A.) bezogen sich auf einen gänzlich anderen Punkt, nämlich die Einsichtnahmemöglichkeit in DIN-Vorschriften.

(c)

Auch aus dem Inhalt des Baugrundgutachtens konnte die Beklagte nicht darauf schließen, dass die Frage der Kampfmittelbelastung geklärt war.

Unstreitig hat die Klägerin zwar das Baugrundgutachten vom 03.03.2011 (Anlage B2, Bl. 46-71 d.A.) eingeholt. Indes hat das Landgericht zutreffend darauf verwiesen, dass hiermit Baugrunduntersuchungen durchgeführt und ein Vorbericht zum geotechnischen Gutachten ausgearbeitet werden sollte. Die Zielrichtung des Gutachtens war daher Auskunft über den Aufbau des Baugrunds und dessen bodenmechanische Eigenheiten wie z. B. seine Tragfähigkeit oder sein Setzungsverhalten zu geben und Erkenntnisse zum Grundwasservorkommen sowie der ggf. benötigten Bodenverbesserung zu liefern. Auch die Beklagte hat durch ihren Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, dass es nicht Auftrag des Geologen ist, die Kampfmittelfreiheit zu untersuchen.

Soweit zur Erstellung des Baugrundgutachtens 30 Rammkernsondierungsbohrungen auf der kompletten Fläche durchgeführt worden sind, konnte die Beklagte aber weder annehmen, dass vor den Rammkernsondierungsbohrungen eine Kampfmittelüberprüfung stattgefunden hatte, noch dass bei den Rammkernsondierungsbohrungen Blindgänger aufgefallen wären, da Kampfmittel –weil sie in der Regel ferromagnetisch sind – mittels Magnetometern (vgl. Ziffer 5 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen) durch Oberflächen- oder Bohrlochdetektion oder Tiefensondierung, nicht aber durch Rammkernsondierungsbohrungen ermittelt werden. Dass anlässlich der Rammkernsondierungsbohrungen keine Detonation ausgelöst worden ist, bietet keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass deswegen von einer Kampfmittelfreiheit auszugehen ist, da es ebenso denkbar ist, dass zwar Kampfmittel vorhanden sind, aber aufgrund eines glücklichen Zufalls die durch die Rammkernsondierungsbohrungen bewirkten Erschütterungen nicht zur Detonation geführt haben.

(d)

Dass die Klägerin das Altgebäude samt Keller hatte abreißen lassen, war für die Beklagte ebenfalls nicht hinreichend aussagekräftig dafür, dass zuvor eine Kampfmittelüberprüfung stattgefunden haben könnte.

Hierbei kann dahinstehen, ob für den Abbruch nach Ziffer 4 der Richtlinie kein Nachweis erforderlich war. § 16 Abs. 1 BauO NRW a.F. verlangt, dass Grundstücke für bauliche Anlagen geeignet sein müssen. Da es gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW a.F. für die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung, und den Abbruch baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW a.F. der Baugenehmigung bedarf, kommt es allein darauf an, ob mit dem Abbruch ein Erd- oder Bodeneingriff, also eine Maßnahme, bei der in den Boden eingegriffen werden soll, vorliegt. Die Beklagte hat unwidersprochen behauptet, auf dem kompletten Baugelände seien umfangreiche Erd- und Kanalbauarbeiten durchgeführt, das Grundstück in einer Tiefe von 1 m bearbeitet, der Boden ausgetauscht und der neu eingebaute Boden mit schwerem Gerät auf die erforderliche Tragfähigkeit verdichtet worden. Auch seien Kanäle um jeden der 4 Blöcke mit einer Tiefe von ca. 1,3 m erstellt, verfüllt und verdichtet worden.

Ist zu Gunsten der Beklagten davon auszugehen, dass vor der Ausführung der Abbrucharbeiten der Nachweis der Kampfmittelfreiheit hätte geführt werden müssen, war für die Beklagte jedenfalls unklar, ob eine Überprüfung tatsächlich stattgefunden hat, was erst recht gilt, wenn sie nach eigenem Vortrag die Abbrucharbeiten weder planerisch noch bauüberwachend begleitet hat. Dass bei den vorangehenden Abbrucharbeiten nichts passiert ist, schließt eine Kampfmittelbelastung nicht aus, sondern kann allein einer glücklichen Fügung geschuldet sein.

Gleiches gilt sinngemäß für die in der Vergangenheit nach 1945 und insbesondere im Jahre 1972 ausgeführten Baumaßnahmen auf dem Grundstück, da die hierbei bewirkten Erschütterungen auch aufgrund eines glücklichen Zufalls nicht zur Detonation im Erdboden verbliebener, aber unentdeckt gebliebener Kampfmittel geführt haben könnten.

(e)

Überdies ist die Beklagte auch nach eigenem Vortrag nicht davon ausgegangen, dass die Frage der Kampfmittelfreiheit geklärt war.

Denn ihr Projektleiter, der Zeuge G, soll nach bestrittenem Vortrag der Beklagten bei der zuständigen Sachbearbeiterin der Streithelferin, der Zeugin E, telefonisch nachgefragt haben. Eine solche Nachfrage wäre indes entbehrlich gewesen, wenn aus Sicht der Beklagten die Frage der Kampfmittelfreiheit hinreichend geklärt gewesen wäre.

Der Zeuge G hat zudem im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung bekundet, dass sie, die Beklagte, seinerzeit vom Rohbauunternehmen H die Nachfrage erhalten habe, ob Kampfmittelfreiheit bestehe. Die Beklagte habe der Anfrage des Rohbauunternehmen sicherheitshalber nachgehen wollen, so dass er deswegen fernmündlich nachgefragt habe. Damit aber war auch aus Sicht des Zeugen G die Frage der Kampfmittelfreiheit nicht hinreichend sicher geklärt, anderenfalls es keinen Anlass für diese fernmündliche Nachfrage gegeben haben könnte.

bb)

Die Klägerin war hinsichtlich der Notwendigkeit einer Kampfmittelüberprüfung aufklärungsbedürftig.

Ein Hinweis könnte zwar entbehrlich gewesen sein, wenn die Klägerin Kenntnis von der Kampfmittelfreiheitnachweispflicht gehabt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – VII ZR 8/10 – NJW 2011, 1442; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – I-21 U 62/14 – zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Februar 2011 – I-23 U 218/09 – zitiert nach juris, jeweils zur Bedenkenhinweispflicht).

Eine solche Kenntnis ist indes weder dargetan, noch anderweit erkennbar. Der Parteivertreter der Klägerin, Herr I, hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat unwidersprochen vorgetragen, dass der Klägerin bei dem streitgegenständlichen Objekt das Kampfmittelproblem nicht bekannt gewesen sei. Erst in den Jahren hiernach sei die Klägerin anlässlich anderer Bauvorhaben von den jeweils damit betrauten Planungsbüros „vehement“ auf die Erforderlichkeit der Stellung eines Antrags zur Kampfmittelfreiheitsüberprüfung hingewiesen worden.

Zwar hat die Klägerin das Merkblatt (Anlage E1, Bl. 148-149 d.A.) erhalten. Die hierin enthaltenen Angaben waren zu den Voraussetzungen einer Kampfmittelüberprüfung aber derart wenig aussagekräftig, dass die Klägerin keine gesicherte Kenntnis von der Erforderlichkeit der Kampmittelüberprüfung haben konnte. Im Merkblatt ist lediglich die Rede von „ggf. vorhandener Kampfmittel“, deretwegen „vor Beginn der Ausschachtungsarbeiten Verbindung mit der städtischen Feuerwehr – Abteilung Vorbeugender Brandschutz…aufzunehmen“ sei. Da aber das Merkblatt keine Aussage dazu enthält, ob im Vorfeld eine Abstimmung oder gar der Nachweis der Kampfmittelfreiheit erforderlich ist, vermag der Zugang bei der Klägerin keine Kenntnis von der Kampfmittelnachweispflicht zu begründen. Ungeachtet dessen konnte die Klägerin davon ausgehen, dass sich die Beklagte um die Kampfmittelproblematik kümmern oder ihr zumindest einen Hinweis auf das Erfordernis der Kampfmittelüberprüfung erteilen würde.

cc)

Die Beklagte hat die Klägerin weder über die Relevanz der Kampfmittelüberprüfung beraten noch anderweit das Problem der Kampfmittelfreiheit hinreichend abgeklärt.

(1)

Unstreitig hat die Beklagte die Klägerin nicht auf die Erforderlichkeit der Stellung eines Antrags auf Kampfmittelüberprüfung hingewiesen.

(2)

Auch hat die Beklagte das Problem der Kampfmittelfreiheit vor Ausführung der Neubauarbeiten nicht hinreichend geklärt. Die Beklagte hat zwar behauptet, der Zeuge G habe bei der Zeugin E zu einem nicht mehr erinnerlichen Zeitpunkt angerufen und die Zeugin E habe ihm erklärt, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege. Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme steht aber fest, dass es ein derartiges Telefonat nicht gegeben hat und damit die Beklagte die Frage der Kampfmittelfreiheit nicht anderweit hinreichend geklärt hat.

Zwar hat der Zeuge G bekundet, dass es im Rahmen der Abwicklung des Bauvorhabens zwischen ihm und der Zeugin E mehrere Telefonate informeller Art zur Abklärung anstehender Fragen gegeben habe. Nachdem nach Hinweis des Rohbauunternehmens die Frage nach der Kampfmittelfreiheit „aufgepoppt“ sei, habe er bei der Bauaufsicht angerufen und dort von der Zeugin E die Erklärung erhalten, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege.

Demgegenüber hat die Zeugin E jedoch bekundet, dass sie sich zwar an ein derartiges Gespräch nicht erinnern und es sein könne, dass es ein Telefonat gegeben habe, in dem die Frage hinsichtlich Kampfmittel aufgeworfen worden sei. Aber sie könne hierzu in einem Telefonat gar keine Aussage machen, so dass sie diesbezüglich keine Auskünfte erteile. Sie verfahre in dieser Weise in den letzten 30 Jahren, in denen sie bei der Streithelferin beschäftigt sei. Wenn sie also jemand anrufe, dann verweise sie den Anrufer an die Feuerwehr. Mehr könne sie hierzu nicht sagen, weil ihr kein Verzeichnis oder Ähnliches vorliege, anhand derer sie eine Kampfmittelbelastung bewerten könne. Hätte es also eine Nachfrage der Beklagten gegeben, hätte sie die Beklagte an die intern zuständige Feuerwehr verwiesen.

Der Senat folgt der glaubhaften Bekundung der Zeugin E. Sie hat zunächst einen nachvollziehbaren und damit plausiblen Grund dafür genannt, weswegen sie grundsätzlich keine entsprechenden Auskünfte am Telefon erteile. Nicht nur sei nach ihrer Aussage die Feuerwehr für die Beantwortung derartiger Fragen zuständig. Vielmehr könne sie auch gar keine verlässliche Auskunft erteilen, weil ihr überhaupt keine entsprechenden aussagekräftigen Unterlagen vorlägen. Auch vor dem Hintergrund einer engen Abstimmung zwischen den Mitarbeitern der Beklagten und ihr hätte sie eine derartige Auskunft weder erteilt noch erteilen können. Für die Richtigkeit ihrer Bekundung streitet auch, dass sie entsprechende Unsicherheiten offen zugegeben und nicht etwa in Abrede gestellt hat, dass es ein derartiges Telefonat gegeben haben kann, in dem die Beklagte die Frage der Kampfmittelbelastung gestellt hat.

Der Umstand, dass der Zeuge G bekundet hat, die Zeugin E habe ihm erklärt, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege, streitet nicht gegen die inhaltliche Richtigkeit ihrer Aussage. Denn die Aussage des Zeugen G weist Plausibilitätsdefizite auf. Nach der Bekundung des Zeugen G sei die Frage der Kampfmittelfreiheit erst aufgrund der Nachfrage des Rohbauunternehmens „aufgepoppt“, weswegen sich die Beklagte veranlasst gesehen habe „sicherheitshalber“ bei der Bauaufsicht nachzufragen. Ist die Beklagte jedoch bis zur Nachfrage des Rohbauunternehmen nach eigenem Vortrag davon ausgegangen, dass entweder keine Kampfmittelproblematik vorliegt oder aber die Frage der Kampfmittelfreiheit bereits geklärt war, ist unplausibel, weswegen sie dann dem Rohbauunternehmen nicht ihre entsprechende Erkenntnis mitgeteilt, sondern – aus ihrer Sicht in unnötiger Weise – weitere Ermittlungen angestellt haben will. Insofern hätte es nahegelegen, dass die Beklagte dem Rohbauunternehmen mitgeteilt hätte, dass die Frage der Kampfmittelfreiheit geklärt war bzw. keine Kampfmittelproblematik vorlag. Denn der Zeuge G hat ausgesagt, dass für ihn die Frage der Kampfmittelfreiheit „eh klar“ gewesen sei. Warum trotz dieser bestehenden Klarheit, dass keine Kampfmittelproblematik gegeben war, gleichwohl weiterer Handlungsbedarf bei der Beklagten gesehen worden ist, erschließt sich mithin nicht. Überdies erscheint wenig nachvollziehbar, dass die Beantwortung der Anfrage des Rohbauunternehmen – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es weitere Anfragen hinsichtlich anderer Umstände gegeben hatte – nicht dokumentiert worden ist. Ein Vermerk hinsichtlich des Telefonats ist nach Bekundung des Zeugen G nicht gefertigt worden. Unterlagen, aus denen sich die Beantwortung der Frage nach der Kampfmittelfreiheit ergeben konnte, soll es nach Aussage des Zeugen G nicht geben. Dass also das Rohbauunternehmen gerade vor dem Hintergrund des Umfangs des Bauvorhabens auf eine schriftliche Beantwortung der gestellten Frage nach der Kampfmittelfreiheit verzichtet haben könnte, erscheint kaum lebensnah.

Allein der Umstand, dass es sich bei der Zeugin E um eine Mitarbeiterin der Streithelferin handelt, streitet nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin E.

Da mithin aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme feststeht, dass die Beklagte gerade nicht bei der Zeugin E und damit dem Bauordnungsamt hinsichtlich der Kampfmittelproblematik nachgefragt hat, steht ebenfalls fest, dass die Beklagte die Kampfmittelfreiheit nicht hinreichend abgeklärt hat. Insofern kann auch dahinstehen, ob der von der Beklagten behauptete Anruf überhaupt ausreichend gewesen wäre, um anzunehmen, dass die Beklagte nicht pflichtwidrig oder jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt haben könnte. Da feststeht, dass sich die Beklagte gerade nicht bei der Zeugen E nach der Kampfmittelfreiheit erkundigt hat, bleibt es bei der Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens und dabei, dass sie den ihr nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden Beweis (vgl. Lorenz, in: BeckOK BGB, Hau/Poseck, Stand: 01.02.2021, § 280 BGB Rn. 78) des Nichtvertretenmüssens nicht erbracht hat.

b)

Das Unterlassen der Antragstellung bzw. des an die Klägerin zu erteilenden Hinweises auf die Kampfproblematik ist auch schadensursächlich geworden.

aa)

Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin, wenn sie ordnungsgemäß von der Beklagten auf die Pflicht nach § 16 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW zum Nachweis der Kampfmittelfreiheit hingewiesen worden wäre, einen Antrag auf Kampfmittelüberprüfung vor Beginn der eigentlichen Arbeiten zur Errichtung des Neubaus gestellt hätte. Da die Beklagte eine Hinweispflicht verletzt hat, muss sie darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung dem Rat nicht gefolgt wäre, sie also keinen Antrag auf Kampfmittelüberprüfung gestellt hätte, so dass es ebenfalls zu dem Schaden gekommen wäre. An einer solchen Darlegung fehlt es. Zudem streitet eine Vermutung beratungsgerechten Verhaltens für die Klägerin (vgl. Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 280 Rn. 149), so dass davon auszugehen ist, dass die Klägerin einen entsprechenden Antrag auf Überprüfung gestellt hätte, zumal angesichts des erheblichen Umfangs der Neubaumaßnahmen nicht ernsthaft angenommen werden kann, dass die Klägerin das Risiko eingegangen wäre, ohne Abklärung der Kampfmittelproblematik die Gebäude zu errichten und damit die – sich letztlich tatsächlich realisierte – Gefahr in Kauf zu nehmen, im Nachhinein Gebäude teilweise abreißen oder jedenfalls nur mit erheblichem zusätzlichen Aufwand die Kampfmittelüberprüfung durchführen lassen zu können.

Hätte die Beklagte alternativ statt des gebotenen Hinweises selbst den Antrag gestellt, so wäre eine Kampfmittelüberprüfung vor Beginn der Neubauarbeiten erfolgt. Vor diesem Hintergrund kann der Senat es dahinstehen lassen, ob die unterlassene Antragstellung durch die Beklagte oder die unterlassene Hinweiserteilung sich schadensursächlich ausgewirkt hat, weil in beiden Fällen der Schaden adäquat kausal verursacht worden wäre.

Wäre entweder aufgrund des gebotenen Hinweises der Beklagten ein Antrag durch die Klägerin auf Kampfmittelüberprüfung bei der zuständigen Ordnungsbehörde gestellt worden oder aber ein Antrag durch die Beklagte selbst eingereicht worden, hätte die bei der Streithelferin zuständige Abteilung die Angelegenheit an die Bezirksregierung Arnsberg weitergeleitet. Der Einwand der Beklagten, dass im Falle der Stellung eines Antrags auf Kampfmittelüberprüfung gerade keine Weiterleitung an die Bezirksregierung Arnsberg erfolgt wäre, verfängt angesichts der feststehenden Umstände nicht. Im Falle einer Antragstellung wäre zunächst die Feuerwehr der Streithelferin mit der Angelegenheit befasst worden. Beachtlich ist hierbei, dass die Feuerwehr, die die Streithelferin gemäß §§ 1 Abs. 1, 10 Abs. 1 Satz 2 Feuerschutzhilfeleistungsgesetz (FSHG) in der vom 21.02.2004 bis 31.12.2015 geltenden Fassung zu unterhalten hatte, zwar auch Aufgaben der Gefahrenabwehr erfüllte, in Nordrhein-Westfalen indes keine (Sonder-)Ordnungsbehörde (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28.05.2010 – 11 U 304/09 – BeckRS 2010, 16648; OLG Hamm, Urteil vom 15.06.1988 – 11 U 295/87 – BeckRS 2015, 19436), sondern lediglich eine Untergliederung der Ordnungsbehörde, also der Streithelferin, ist. Insofern wäre ein entsprechender Antrag intern an die Feuerwehr weitergeleitet worden, die dann die Bezirksregierung Arnsberg eingeschaltet hätte. Anhaltspunkte dafür, dass die Streithelferin es gleichwohl unterlassen hätte, auf einen entsprechend gestellten Antrag hin die Bezirksregierung Arnsberg einzuschalten, sind weder erkennbar noch dargetan. Insbesondere hat die Zeugin E bekundet, dass der intern zuständigen Feuerwehr zwar auch Luftbildaufnahmen vorlägen; indes liege der Feuerwehr nur ein Teil der Luftbildaufnahmen vor, so dass die Feuerwehr gerade wegen des Umstandes, dass ihr nicht sämtliche Luftbildaufnahmen vorliegen, ohne Einschaltung der Bezirksregierung Arnsberg überhaupt nicht verlässlich beurteilen konnte, ob sich ein Blindgängerverdachtspunkt ergeben könnte.

bb)

Soweit die Beklagte behauptet, dass selbst dann, wenn sie sich direkt an die Feuerwehr gewandt hätte, ihr die Feuerwehr die Auskunft erteilt hätte, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege, unterstellt die Beklagte, dass die Feuerwehr ihr eine falsche Auskunft gegeben hätte. Hierfür sind indes keinerlei Umstände erkennbar oder dargetan, zumal aufgrund bestehenden Gesetzesbindung der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3 GG, gerade nicht ohne weiteres angenommen werden kann, dass die Feuerwehr entgegen ihrer Pflicht zur Erteilung einer richtigen Auskunft eine falsche Auskunft erteilt hätte. Denn wie bereits ausgeführt, lag der Feuerwehr nur ein Teil der Luftbildaufnahmen vor, so dass die Annahme, die Feuerwehr hätte gleichwohl auf einer erkannt unsicheren Auswertungsgrundlage eine verbindliche, aber im Ergebnis unzutreffende Auskunft erteilt, einer tragfähigen Grundlage entbehrt.

cc)

Nach der eingeholten amtlichen Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg (Bl. 163-164 d.A.) steht fest, dass bei einer entsprechenden Antragstellung auf Kampfmittelüberprüfung eine Luftbildauswertung vorgenommen worden und auch im Jahre 2012 ein entsprechender Blindgängerverdachtspunkt aufgefallen und das Grundstück deshalb als Verdachtsfläche eingestuft worden wäre. Soweit die Beklagte einwendet, dass auch bei einem rechtzeitigen Hinweis und Stellung eines Antrags auf Kampfmittelüberprüfung angesichts des seinerzeitigen Standes der Technik entsprechende Erkenntnisse oder Hinweise auf eine Kriegsbeeinflussung aus dem 2. Weltkrieg im Zeitpunkt der Planung ohnehin nicht vorgelegen hätten, ist dies durch den Inhalt der amtlichen Auskunft vom 21.11.2019 (Bl. 163-164 d.A.) widerlegt, da sich hiernach die Auswertemethodik und die Qualität der Bilder seit 2012 nicht verändert hätten. Dann aber wären bei entsprechender Antragstellung vor dem Baubeginn entsprechende Sondierungsmaßnahmen veranlasst worden.

c)

Zutreffend hat das Landgericht auch einen Schaden bejaht. Wie bereits ausgeführt, tragen der Bund und die Länder nach Ziffer 2 des Runderlasses des Innenministeriums – 75-54.01- vom 09.11.2007 (Kampfmittelbeseitigung, Erstattung der anfallenden Kosten) in Verbindung mit §§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AKG, 1004 BGB nur die Kosten für die eigentliche Kampfmittelbeseitigung. Alle die Kampfmittelbeseitigung vorbereitenden oder sonst begleitenden Maßnahmen werden von § 19 Abs. 2 Ziff. 1 AKG nicht erfasst, sondern sind nach den Vorschriften des Ordnungsbehördengesetzes NRW in Verbindung mit § 1004 BGB vom Grundstückeigentümer auf dessen Kosten zu erledigen. Bezugsebene für die Bewertung der Kampfmittelbelastung nach Ziffer 2 Satz 10 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen ist die Geländeoberkante zum 08.05.1945, woraus folgt, dass zwar diejenigen Kosten, die dadurch entstanden sind oder entstehen, dass nach den Abbrucharbeiten das Gelände über der Bezugsebene entsprechend verfüllt oder verdichtet worden ist, nicht von der Beklagten zu tragen sind. Ersatzfähig sind indes diejenigen Mehrkosten, die gerade dadurch entstanden sind oder entstehen, dass vor dem Beginn der eigentlichen Bauarbeiten kein Antrag auf Kampfmittelüberprüfung gestellt worden ist und deswegen Gebäude entweder teilweise rückgebaut werden müssen oder aber aufgrund der nunmehr bestehenden Bebauung nur mit erheblichem zusätzlichem Aufwand Kampfmittelüberprüfungsarbeiten möglich sind.

d)

Ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin im Sinne des § 254 BGB ist nicht gegeben.

aa)

Soweit die Beklagte meint, ein Mitverschulden der Klägerin sei deswegen anzunehmen, weil sie vor Vornahme der Abbrucharbeiten verpflichtet gewesen sei, einen entsprechenden Antrag auf Kampfmittelüberprüfung zu stellen, ist beachtlich, dass die Klägerin mit ihren Abbrucharbeiten einen Zustand geschaffen hat, bei dem der Kampfmittelbeseitigungsdienst sogar in deutlich leichterer Weise die Bodensondierung hätte durchführen können. Denn durch den Abriss der vorhandenen Bebauung ist der Zugang zur maßgeblichen Bezugsebene für die Bewertung der Kampfmittelbelastung deutlich erleichtert worden. Erst infolge der Neubebauung ohne vorherige Abklärung der Kampfmittelbelastung ist der Zugang zur Bezugsebene durch die Bebauung erheblich erschwert worden und kann nur noch durch aufwändige Maßnahmen wieder gewährleistet werden, wobei dahinstehen kann, ob ein Abriss des auf dem Blindgängerverdachtspunkt aufstehenden Gebäudes oder ein großräumiger Aufbruch der Bodenplatte des Gebäudes erforderlich sein wird oder aber eine seitliche Ausschachtung neben dem Gebäude mit einer horizontalen Beprobung sich als ausreichend erweisen sollte.

bb)

Ein Mitverschulden kann auch nicht damit begründet werden, dass die Klägerin es nach bestrittenem Vortrag der Beklagten unterlassen hätte, der Beklagten das Merkblatt (Anlage E1, Bl. 148 f. d.A.) zu übermitteln. Wie bereits ausgeführt, war hierin zwar ein allgemeiner Hinweis zu Kampfmittelüberprüfung enthalten; die Angaben zur Erforderlichkeit und Voraussetzungen einer Kampfmittelüberprüfung waren indes – wie bereits gezeigt – wenig aussagekräftig und hätten die Beklagte nicht zwingend auf die Erforderlichkeit einer Kampfmittelüberprüfung hingewiesen.

5.

Der Hilfsantrag der Beklagten auf Aufhebung und Zurückverweisung ist unbegründet. Als wesentliche Verfahrensmängel im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO kommen insbesondere Verstöße gegen 286 ZPO in Betracht (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. Februar 2020 – 13 UF 127/17 – zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 09. Mai 2019 – 2 U 66/18 – zitiert nach juris). Hier ist das Vorbringen der Beklagten so zu verstehen, dass sie meint, das Landgericht habe in vorweggenommener Beweiswürdigung unter Berücksichtigung des Fehlens entsprechender Vermerke vom behaupteten Gespräch mit der Zeugin E festgestellt, dass es dieses Gespräch nicht gegeben habe. Ob bei unterstellter Richtigkeit des Vortrags der Beklagten von einem Verfahrensfehler auszugehen wäre, ist zweifelhaft, da das Landgericht gerade nicht unterstellt hat, dass es dieses Telefonat nicht gegeben habe, sondern das genaue Gegenteil. Es hat ausdrücklich ausgeführt, dass – den streitigen Anruf als erfolgt unterstellt – die Beklagte ihrer Pflicht nicht nachgekommen sei, weil sie bei der Feuerwehr hätte anrufen müssen. Indes kann dies dahinstehen, da keine aufwändige Beweisaufnahme droht, da vorliegend lediglich zwei Zeugen zu vernehmen waren.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Das Urteil hat keine über den Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Kurz beleuchtet – Außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers

Kurz beleuchtet - Außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers

Nach bislang richterrechtlich geprägten Grundsätzen, die zwischenzeitlich. Eingang in die seit dem 1. Januar 2018 geltende, hier gemäß Art. 229 § 39 EGBGB noch nicht unmittelbar anwendbare Vorschrift des § 648a BGB gefunden haben, besteht in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 314 BGB ein – eine Vergütungspflicht für nicht erbrachte Leistungen ausschließendes – außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers, wenn der Werkunternehmer Vertragspflichten derart verletzt, dass das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört oder die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (vgl. nur BGH, NJW 2016, 1945 [1949], Rdnr. 40 mit weiteren Nachweisen; beispielhaft aus dem Schrifttum Joussen/Vygen in: Ingenstau/Korbion, VOB, 21. Aufl. 2020, vor §§ 8, 9 VOB/B Rdnr. 14).

Unabhängig von § 8 Abs. 3 VOB/B ist der Auftraggeber also nur dann berechtigt, das Vertragsverhältnis außerordentlich zu kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Vertragspflichten in dem vorbezeichneten Sinn gravierend verletzt.

Ein solcher Sachverhalt kann auch gegeben sein, wenn es zu einer vom Auftragnehmer zu vertretenden ganz beträchtlichen Verzögerung des Bauvorhabens gekommen ist und es dem Auftraggeber bei der gebotenen Gesamtwürdigung nicht zugemutet werden kann, eine weitere Verzögerung durch Nachfristsetzung hinzunehmen oder eine solche von vornherein keinen Erfolg verspricht (BGH, Urteil vom 08. März 2012 –VII ZR 118/10). Eine vorherige Fristsetzung und Kündigungsandrohung ist in Fällen der schwerwiegenden Vertragsverletzung grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95). Eine fristlose Kündigung ohne Nachfristsetzung ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Auftragnehmer trotz Abmahnungen des Auftraggebers mehrfach und nachhaltig gegen eine Vertragspflicht verstößt und wenn das Verhalten des Auftragnehmers ein hinreichender Anlass für die Annahme ist, dass der Auftragnehmer sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 –VII ZR 140/95). Insbesondere ist der Auftraggeber berechtigt, einen Bauvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, wenn der Auftragnehmer die Erfüllung des Vertrags unberechtigt und endgültig verweigert und es deshalb der vertragstreuen Partei nicht zumutbar ist, das Vertragsverhältnis fortzusetzen (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 – VII ZR 393/98).

Kurz beleuchtet – Zur Prüffähigkeit der Schlussrechnung

Kurz beleuchtet - Zur Prüffähigkeit der Schlussrechnung

Prüfbar i. S. d. § 14 Nr. 1 VOB/B ist die Rechnung, wenn sie – ggf. unter Beifügung von Aufmaßen und anderen Unterlagen – nachvollziehbar angibt, welche Massen der Auftragnehmer für welche Positionen berechnet, welche Leistungen mit diesen Positionen gemeint sind und welcher Einheitspreis für sie angesetzt wird. Eine prüffähige Abrechnung setzt voraus, dass der Besteller die Berechtigung der Forderung, gemessen an den vertraglichen Vereinbarungen, überprüfen kann. Die Voraussetzungen, unter denen diese Prüfung möglich ist, hängen von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999, Az. VII ZR 399/97, NJW 1999, 1867 [1868]). In vielen Fällen sind Aufmaßzeichnungen erforderlich, um dem Auftraggeber die Feststellung zu ermöglichen, worauf sich bestimmte Aufmaßblätter bzw. Aufmaßberechnungen beziehen (vgl. KG, Urteil vom 9. Juni 2009, Az. 21 U 182/0). Die Prüffähigkeit der Schlussrechnung ist aber kein Selbstzweck, sondern richtet sich danach, in welchem Umfang der Besteller im Einzelfall des Schutzes nach § 14 Nr. 1 VOB/B bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2005, Az. X ZR 191/02, NJW-RR 2005, 1103). Außerdem ist der Teil der Forderung fällig, der prüfbar abgerechnet ist und der nach Abzug der Abschlags- und Vorauszahlungen verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003, Az. VII ZR 288/02, NJW-RR 2004, 445 [446]).

OLG Rostock, Beschluss vom 21.11.2023 17 Verg 3/23, zu der Frage, ob wenn die öffentliche Hand im Zusammenhang mit einer – per se nicht dem Vergaberecht unterliegenden – Verpachtung eines Grundstücks zugleich die Beschaffung von Leistungen beabsichtigt, das Kartellvergaberecht Anwendung finden kann

OLG Rostock, Beschluss vom 21.11.2023 17 Verg 3/23, zu der Frage, ob wenn die öffentliche Hand im Zusammenhang mit einer - per se nicht dem Vergaberecht unterliegenden - Verpachtung eines Grundstücks zugleich die Beschaffung von Leistungen beabsichtigt, das Kartellvergaberecht Anwendung finden kann

1. Beabsichtigt die öffentliche Hand im Zusammenhang mit einer – per se nicht dem Vergaberecht unterliegenden – Verpachtung eines Grundstücks zugleich die Beschaffung von Leistungen, kann das Kartellvergaberecht allenfalls dann Anwendung finden, wenn der Wert dieser Leistungen den Schwellenwert übersteigt.
2. Ist der Vergaberechtsweg nicht eröffnet, kann der Vergabesenat das Verfahren entsprechend § 17a GVG in den zuständigen Rechtsweg verweisen, wenn der Antragsteller sein Rechtschutzziel in diesem Rechtsweg weiterverfolgen will und kann (Anschluss an BGH, Beschluss vom 10.12.2019 – XIII ZB 119/19, IBRRS 2020, 0495 = VPR 2020, 73; Beschluss vom 23.01.2012 – X ZB 5/11, IBR 2012, 216 = VPRRS 2012, 0076).
3. Die Abgrenzung zwischen Verwaltungs- und Zivilrechtsweg erfolgt nach der Form des staatlichen Handelns. Grundrechtsbindungen, die die öffentliche Hand in besonderer Weise treffen, führen nicht zur Einordnung als Verwaltungsstreit (Anschluss BVerwG, Beschluss vom 02.05.2007 – 6 B 10/07 -, IBR 2007, 385 = VPRRS 2007, 0193).
4. Im Fall der Verweisung kommt eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB nicht in Betracht.
OLG Rostock, Beschluss vom 21.11.2023 – 17 Verg 3/23

Gründe

I.

In Vorbereitung auf die Verpachtung landeseigener (Flurstück 148/1) bzw. im Eigentum der Antragsgegnerin zu 2 (Flurstücke 149/2 und 151) stehender Flächen zum Betrieb eines Campingplatzes am Nordstrand von … mit einer Laufzeit vom 01.01.2024 bis zum 31.12.2048 veröffentlichte das Nationalparkamt Vorpommern auf seiner Homepage in Abstimmung mit der Antragsgegnerin am 01.02.2023 eine Bekanntmachung. Darin umriss es das Vorhaben, gab Gelegenheit zur Bewerbung und wies auf die im weiteren Verfahren erforderliche Vorlage eines Entwicklungskonzepts und die Nichtgeltung von Vergaberecht hin. Gegenstand der Bekanntmachung waren u.a. ein Rückbauplan, eine Reduzierung der Pachtfläche, die erforderliche Einzäunung, ein Stellplatzplan einschließlich Vorgaben zur Verkehrslenkung und zu Umweltauflagen sowie Vorgaben zur Unterhaltung und Instandsetzung der baulichen Anlagen. Dass und mit welchen Einschränkungen der Betrieb eines Campingplatzes auf den im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft liegenden Flächen überhaupt zulässig ist, ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V.

Die Antragstellerin – die den Campingplatz derzeit und bereits seit Jahrzehnten betreibt – reichte eine Bewerbung ein. Nach einem ersten Gespräch wurde sie wie auch andere Bewerber zu einem weiteren Gespräch eingeladen. Vorab erhielt sie eine Aufstellung des Auswahlgremiums (überschrieben mit: “Auswahlgremium für die Bewertung der Interessenbekundungen zur Verpachtung der landeseigenen Campingplatzflächen in … und nachfolgender Ausschreibung und Vergabe der Pachtsache”) und folgende Auflistung der Zuschlagskriterien (Anlage ASt 9):

1. Quantitative Kriterien: 20%

Angebot Pachtpreis

2. Qualitative Kriterien: 80%

a) Vollständigkeit des Konzeptes (35%)

– Abfall, Wasser, Energie

– Arbeitskräfte (z.B. Dauer der Beschäftigung, Art der Entlohnung, Inklusion)

– wirtschaftliche Stabilität

– Regionalität (z.B. Verwendung oder Angebote regionaler Produkte)

– ECO-Camping; mind. 10 Verbesserungen im Zeitraum von 3 Jahren; Zeitplan der Umsetzung

– Verwendung nachhaltiger Materialien

b) Nationalpark und Bildung, familienfreundliche Maßnahmen (15%)

– Gästeinformationen hinsichtlich Verhalten im Nationalpark, Lebensräume

– feste Etablierung von Betreuungs- und Bildungsangeboten

– Mitwirkung im Nationalpark (z.B. Unterstützung der Nationalparkziele), Partnerprojekt, Layout beachten, Unterbringung im Freiwilligenmanagement, nationalparkfreundliche Mediengestaltung)

– Mitwirkung am Nationalpark-Info-Netzwerk

– Mitarbeiterschulungen

c) Stellplatzplan und dazugehörige Parkflächen (10%)

d) Rückbau vorhandener Gebäude (37 Gebäude im Bestand s. Rückseite; 10%)

e) Innovative Ideen (10%)

Mit E-Mail vom 18.08.2023 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, das Bewerberverfahren sei abgeschlossen und ihr Angebot sei auf dem 3. Platz.

Am 06.09.2023 stellte die Antragstellerin Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer, zunächst gerichtet nur gegen das Nationalparkamt, später erweitert auf die Antragsgegnerin zu 2. Sie hat die Auffassung vertreten, es handele sich tatsächlich um eine Dienstleistungskonzession, so dass eine EU-weite Ausschreibung habe erfolgen müssen. Es würden zahlreiche pachtuntypische Leistungen verlangt. Im Vordergrund stehe die Einräumung des Rechts zum Angebot von Campingleistungen. Die Antragsgegner würden letztlich Campingdienstleistungen gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V beschaffen.

Die Antragstellerin hat zuletzt beantragt:

1. Ein Nachprüfungsverfahren wird gemäß § 160 Abs. 1 GWB gegen eine rechtswidrige De-Facto-Vergabe von Campingbetriebsdienstleistungen und weitere Aufgaben im Gebiet der Antragsgegnerinnen eingeleitet.

2. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch das De-Facto-Vergabeverfahren “Vergabe von Campingbetriebsdienstleistungen und weitere Aufgaben im Gebiet des Antragsgegners” in ihren Rechten verletzt ist, dass geschlossene Verträge zwischen den Antragsgegnerinnen und der Beizuladenden oder eventuellen Dritten nach § 135 Abs. 1 GWB unwirksam sind.

3. Die Antragsgegnerinnen sind verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht Dienstleistungen in dem o.g. Bereich nur nach einem unionsrechts-konformen Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben.

4. Hilfsweise: Die Kammer wirkt unabhängig von den Anträgen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hin (vgl. § 168 Abs. 1 S. 2 GWB).

5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

6. Die Antragsgegnerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Antragsgegner zu 1 hat beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag auf Kosten der Antragstellerin zurückzuweisen,

2. der Antragstellerin die beantragte Akteneinsicht zu verweigern,

3. die Hinzuziehung ihrer Bevollmächtigten durch den Antragsgegner für notwendig zu erklären.

Er hat die Auffassung vertreten, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil der Pachtvertrag nicht dem Kartellvergaberecht unterfalle. Nebenpflichten seien nicht pachtuntypisch und von untergeordneter Bedeutung.

Die Beigeladene ist ebenfalls von der Unzulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens ausgegangen.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen und die Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter für notwendig erklärt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei nicht zulässig, weil der Vertrag nicht dem Kartellvergaberecht unterfalle. Es handele sich nicht um eine Dienstleistungskonzession, weil für den Pächter kein relevantes Betriebsrisiko im Sinne des § 105 Abs. 2 Satz 2 GWB bestehe. Auch fehle es an einem Beschaffungsbezug. Schwerpunktmäßig gehe es um den Betrieb eines Campingplatzes. Nach dem Gesamtgepräge der Vertragsbeziehungen stehe für die öffentliche Hand die Geldeinnahme deutlich im Vordergrund. Die Pflichten des Campingplatzbetreibers seien nicht pachtuntypisch und deshalb kein Grund für die Annahme einer Umgehung des Vergaberechts. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 24.10.2023 Bezug genommen.

Gegen den ihr am 24.10.2023 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 06.11.2022 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Nichtanwendung des Kartellvergaberechts sei eine Frage der materiellen Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags. Die Frage sei zudem zu bejahen. Zwar liege mangels Betriebsrisiko keine Dienstleistungskonzession vor, entgegen der Auffassung der Vergabekammer sei jedoch ein klarer Beschaffungsbezug für einen Dienstleistungsauftrag gegeben, weil der Pachtvertrag dem Pächter – auch unter Berücksichtigung der Verordnung über Camping- und Wochenendplätze (CWVO M-V) – zahlreiche pachtuntypische Leistungen auferlege. Dies betreffe etwa die aus dem Zweck der Erhaltung der Dauercampingplätze folgende Betriebspflicht, Rückbauverpflichtungen, Gästeinformationen hinsichtlich des Verhaltens im Nationalpark, die Etablierung von Betreuungs- und Bildungsangeboten, die Mitwirkung im Nationalpark (z.B. Unterstützung der Nationalparkziele, Partnerprojekt, Layout beachten, Unterbringung im Freiwilligenmanagement, nationalparkfreundliche Mediengestaltung), die Mitwirkung am Nationalpark-Info-Netzwerk und Mitarbeiterschulungen. Bei dem Gesamtgepräge der Vertragsbeziehungen stehe die Geldeinnahme gerade nicht deutlich im Vordergrund, sondern die naturschutzkompatible Nutzung und die Verhinderung der Schließung der Fläche, die künftige Reduzierung der Pachtfläche, den Schutz durch Zäune, einen Stellplatzplan, Verkehrslenkung, Umweltauflagen, Unterhaltung und Instandsetzung der baulichen Anlagen. Es gehe um die Einhaltung der Ziele der Nationalparkverordnung und den damit verbundenen Umweltschutz. Die Antragsgegner würden für das Land Mecklenburg-Vorpommern Campingdienstleistungen gem. § 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V beschaffen und seien im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge tätig. Das Betreiben eines Campingplatzes sei dabei auch zweifellos eine öffentliche Aufgabe, weil Campingtourismus für das Land Mecklenburg-Vorpommern eine hohe Bedeutung habe, insbesondere zur Förderung des Fremdenverkehrs. Mit den Verpflichtungen zur Verkehrslenkung, der Übertragung der Verkehrssicherungspflicht und vor allem mit der Verpflichtung zur Information über den Nationalpark übertrage das Nationalparkamt eigentlich ihm obliegende Aufgaben auf den Betreiber des Campingplatzes, da Umweltbildung nach § 2 Abs. 6 BNatSchG eine Verpflichtung der Behörden des Bundes und der Länder sei.

Hinsichtlich etwaiger Vergabefehler rügt die Antragstellerin im Wesentlichen, die Beigeladene könne die Eignungsanforderungen nicht nachgewiesen haben, es sei eine nicht bekannt gemachte Abschichtung im Teilnehmerkreis vorgenommen worden, die Antragsgegner seien von den bekannt gemachten Zuschlagskriterien abgewichen, im Auswahlverfahren hätten wesentliche Vergabeunterlagen wie eine umfassende Leistungsbeschreibung und ein Vertragsentwurf gefehlt, es seien nicht bekannt gemachte Unterkriterien angewandt worden und das gesamte Verfahren leide an zahlreichen Transparenzmängeln.

Die Antragstellerin meint, im Fall der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags müsse der Rechtsstreit gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Verwaltungsgericht Greifswald, hilfsweise an das Landgericht Stralsund verwiesen werden. Es gehe um das “Ob” des Zuganges zu einer Pachtfläche für 25 Jahre. Dieses “Ob” des Zuganges sei nach der Zwei-Stufen-Theorie dem Verwaltungsrecht unterworfen. Entscheidend sei die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag der Antragstellerin darstelle, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage berufe. Es sei auf den Charakter des Rechtsverhältnisses abzustellen, aus dem der geltend gemachte Anspruch abgeleitet werde. Insoweit stütze sie ihre Zugangsansprüche auf die Pachtfläche zentral auf öffentlich-rechtliche Vorschriften und es bestehe ein Anspruch auf Beteiligung aus der EU-Dienstleistungsrichtlinie und aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (Willkürverbot). Der hierzu durchzuführende Ausschreibungs- und Auswahlvorgang sei ein hoheitlicher Vorgang, der öffentlich-rechtlichen Normen der Nationalparkverordnung unterliege. Der streitgegenständliche – öffentlich-rechtliche – Vertrag würde Rechte der Antragstellerin verletzten und wegen ihres grundrechtlichen Teilhabeanspruchs gemäß § 58 Abs. 1 VwVfG zur Wirksamkeit ihrer schriftlichen Zustimmung als betroffene Dritte bedürfen. Im Fall der Verweisung würde sie im entsprechenden Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht ausführen, dass sie weiter Rechtsschutz im streitgegenständlichen De-Facto-Verfahren begehre und ihre Anträge an die Systematik der VwGO anzupassen seien. Ihr Rechtsschutzbegehren bliebe inhaltlich jedoch das Gleiche: Die Antragsgegner sollten dazu verpflichtet werden, ein ordentliches (Verwaltungs-) Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Beteiligungsrechte der Antragstellerin durchzuführen.

Hinsichtlich des Verlängerungsantrags nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB führt die Antragstellerin aus, selbst wenn der Senat den Nachprüfungsantrag als unzulässig ansehe, sei die aufschiebende Wirkung zu verlängern, um den Erfolg im dann vor dem Verwaltungsgericht zu führenden Verfahren nicht von vornherein zu vereiteln.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift und den Schriftsatz vom 13.11.2023 verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

1. Der Beschluss der 3. Vergabekammer bei dem Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Oktober 2023 – 3 VK 5/23 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch das De-Facto-Vergabeverfahren “Vergabe von Campingbetriebsdienstleistungen und weitere Aufgaben im Gebiet des Antragsgegners zu 1 und der Antragsgegnerin zu 2 in ihren Rechten verletzt ist.

3. Den Antragsgegnerinnen wird untersagt, das Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen.

4. Der Senat verlängert gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer und damit das Zuschlagsverbot bis zur Entscheidung über die Beschwerde.

5. Hilfsweise für den Fall, dass der Senat über den vorstehenden Verlängerungsantrag nicht bis zum Ablauf der Frist des § 173 Abs. 1 Satz 2 GWB zu entscheiden vermag:

Der Senat verlängert die aufschiebende Wirkung zunächst vorläufig bis zur Entscheidung über den Antrag nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB.

6. Hilfsweise: es wird festgestellt, dass geschlossene Verträge zwischen den Antragsgegnerinnen und der Beigeladenen nach § 135 Abs. 1 GWB unwirksam sind.

7. Den Antragsgegnerinnen werden bei Fortbestehen der Vergabeabsicht aufgegeben, ein unionsrechtskonformes Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats durchzuführen.

8. Hilfsweise: Der Senat wirkt unabhängig auf die Rechtmäßigkeit hin (vgl. § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB).

9. Die Antragsgegnerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

10. Die Antragsgegnerinnen haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.

11. Hilfsweise und vorsorglich für den Fall, dass der Senat der Auffassung der Vergabekammer über die Unzulässigkeit folgen sollte:

Der Senat verweist den Rechtsstreit unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Verwaltungsgericht Greifswald, hilfsweise an das Landgericht Stralsund.

Der Antragsgegner zu 1 beantragt,

die sofortige Beschwerde auf Kosten der Antragstellerin sowie den auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Es fehle an einer Beschaffung. Das Betreiben eines Campingplatzes sei keine öffentliche Aufgabe und die Antragsgegner würden sich auch keinen Dienstleister beschaffen, der an ihrer Stelle den Campingplatz betreibe. Vielmehr gebe die Nationalparkverordnung nur den rechtlichen Rahmen für den Pachtvertrag vor. Die angeführten Nebenpflichten seien teilweise bereits nicht pachtuntypisch, im Übrigen insgesamt unbedeutend und nicht prägend im Sinn des § 111 Abs. 4 Nr. 1 GWB. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeerwiderung verwiesen.

Die Beigeladene hält die Beschwerde ebenfalls für unbegründet. Hauptgegenstand des Vertrags sei die Pacht. Eine Beschaffung liege nicht vor. Hilfsweise fehle es an der Antragsbefugnis und einer rechtzeitigen Rüge. Die Rechte der Antragstellerin beeinträchtigende Vergaberechtsverstöße lägen ohnehin nicht vor. Die hilfsweise beantragte Verweisung komme ebenfalls nicht in Betracht, weil die Antragstellerin ihr Rechtschutzziel außerhalb des Vergabenachprüfungsverfahrens gar nicht erreichen könne. Neues Vorbringen gebiete die allein unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie in Betracht kommende Verweisung nicht. Den vermeintlichen Ansprüchen aus öffentlichrechtlichen Erwägungen fehle zudem die erforderliche Anknüpfung zum Vergaberecht. Jedenfalls sei aber eine Eilentscheidung des Vergabesenats im Fall der Verweisung nicht möglich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme verwiesen.

II.

1. Der Senat hat zunächst das Passivrubrum berichtigt. An dem Verfahren vor dem Vergabesenat wie auch vor der Vergabekammer ist nach den §§ 162, 174 GWB der Auftraggeber beteiligt. Auftraggeber kann nach §§ 98, 99 GWB – bei Konzessionen in Verbindung mit § 101 Abs. 1 Nr. 1 GWB – nur ein Rechtsträger sein, nicht aber eine Behörde. Insoweit kann sich das Verfahren nur gegen das Land als Gebietskörperschaft im Sinn des § 99 Nr. 1 GWB richten, nicht aber gegen das Nationalparkamt.

Der so bezeichnete Antragsgegner zu 1 wird nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsvorschrift des Ministerpräsidenten vom 17. Dezember 2012 – StK 140 – 109.1 – (VV Meckl.-Vorp. Gl. Nr. 100 – 19) im gerichtlichen Verfahren und damit auch vor dem Vergabesenat durch den zuständigen Fachminister vertreten. Eine Weiterübertragung auf nachgeordnete Behörden ist in allgemeiner Form nicht erfolgt, eine Übertragung im Einzelfall ist nicht aufgezeigt.

2. Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig (§§ 171, 172 GWB), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Denn der Nachprüfungsantrag ist – wie von der Vergabekammer zutreffend ausgeführt – bereits unzulässig.

a) Nach § 155 GWB ist der Vergaberechtsweg nur eröffnet, wenn es um die Erteilung eines öffentlichen Auftrags oder einer Konzession im Sinn der §§ 97 ff. GWB geht. Als Konzsession sieht die Antragstellerin das angestrebte Vertragsverhältnis mit Blick auf das fehlende Betriebsrisiko zu Recht selbst nicht mehr an. Aber auch ein öffentlicher Auftrag über die Beschaffung von Leistungen im Sinn des § 103 Abs. 1, Abs. 4 GWB liegt nicht vor.

aa) Der Pachtvertrag als solcher ist kein öffentlicher Auftrag. Während in Fällen der Nachfrage durch die öffentliche Hand die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB greift, fehlt es bei einem Auftreten als Anbieter eigener Leistungen – hier als Verpächter – bereits an einer Beschaffung. Dies wird von der Antragstellerin auch nicht in Zweifel gezogen.

bb) Auch die in Aussicht genommenen zusätzlichen Verpflichtungen des Pächters rechtfertigen eine Einordnung des Vertragsverhältnisses als öffentlicher Auftrag nicht.

Dabei kann ein öffentlicher Auftrag im Zusammenhang mit der Überlassung eines Grundstücks durch einen öffentlichen Auftraggeber ausnahmsweise dann anzunehmen sein, wenn der Vertragspartner zugleich Bau- oder andere Verpflichtungen übernehmen soll, an denen die öffentliche Hand ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse hat. Allerdings liegt auch dann der Beschaffungsvorgang nicht in dem grundstücksbezogenen Geschäft, sondern in dem Auftrag und den mit ihm verfolgten Zielen, deren Verwirklichung die Überlassung des Grundstücks dient. Auch die Verknüpfung der beiden Vorgänge ändert zunächst nichts daran, dass die Verpachtung selbst keine Beschaffung ist (Radu in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 107 GWB (Stand: 15.09.2022), Rn. 16). Die Behandlung des Gesamtauftrags bestimmt sich in diesen Fällen nach § 111 GWB.

Der Senat vermag der Bekanntmachung und dem weiteren Akteninhalt zunächst keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, die Antragsgegner würden den Betrieb des Campingplatzes als eigene Aufgabe im eigenen Interesse ansehen und unter ihrer Aufsicht einem Dienstleister übertragen, also entsprechende Dienstleistungen des Vertragspartners beschaffen wollen. Zwar besteht ein sogar verfassungsrechtlich verbürgtes öffentliches Interesse an Umwelt- und Naturschutz (Art. 20a GG). Auch mag das Land den Tourismus fördern. Dieser allgemeine Befund macht aber den Betrieb gerade dieses Campingplatzes ebensowenig zu einer öffentlichen Aufgabe wie die §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V und die Auflagen, bei dem Betrieb auch über die gesetzlichen Regelungen hinaus naturschutzrechtliche Belange zu wahren und bestehende Dauercampingplätze teilweise zu erhalten. Erst recht ist der Betrieb des Campingplatzes keine Aufgabe der Daseinsvorsorge.

Die Verringerung der Pacht- und Stellflächen während des laufenden Vertrags ist schon begrifflich keine Leistung des Pächters, sondern eine schlichte Begrenzung des Pachtvertrags.

Den in den Unterlagen zum Ausdruck kommenden Pflichten des Pächters fehlt weitgehend bereits der Beschaffungscharakter. Dies betrifft neben den allgemein formulierten Anforderungen an die wirtschaftliche Stabilität und die eingesetzten Arbeitskräfte insbesondere naturschutzrechtliche Vorgaben. Mit diesen beschaffen die Antragsgegner keine Dienstleistungen eines Auftragnehmers, sondern setzen – soweit sie nicht ohnehin bereits kraft Gesetzes gelten und dem Vertrag nur deklaratorische Bedeutung zukäme – nur die Rahmenbedingungen, unter denen aus ihrer Sicht ein zulässiger Betrieb des Campingplatzes im Naturschutzgebiet gewährleistet ist. Dies betrifft etwa die Gästeinformationen zum Verhalten und zu Lebensräumen im Nationalpark und Mitarbeiterschulungen, aber auch die Planung von Stellplätzen und Parkflächen.

Eine Beschaffung von Bau- und Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Pachtvertrag kann allenfalls hinsichtlich der Mitwirkung im Nationalpark, fester Bildungsangebote, der Unterbringung im Freiwilligenmanagement, der Einzäunung und des Rückbaus vorhandener Baulichkeiten anzunehmen sein. Konkrete Vorgaben lassen sich der Bekanntmachung und dem weiteren Akteninhalt insoweit indes nicht entnehmen und für die Umweltbildungsangebote hat der Antragsgegner zu 1 in der mündlichen Verhandlung klargestellt, diese würden von Rangern des Nationalparks übernommen. Auf dieser Grundlage kommt diesen Leistungen hinsichtlich des Gesamtvertrags kein prägender Charakter zu und ist nicht ansatzweise ersichtlich, sie könnten ihrerseits im Sinn des § 111 Abs. 3 GWB die Schwellenwerte überschreiten und dem Vergaberecht unterliegen. Dies betrifft insbesondere die mögliche Unterbringung von Freiwilligen etwa im Zusammenhang mit dem Bundesfreiwilligendienst, aber auch den Rückbau von Baulichkeiten, der sich offenbar insbesondere auf drei Kleinstgebäude, Wege und Leitungen bezieht. Dass die vorgelegten Konzepte darüber hinausgehende, den Schwellenwert überschreitende Leistungen enthalten und die Antragsgegner diese beauftragen möchten, macht auch die Antragstellerin nicht geltend.

b) Zwar macht die Antragstellerin zutreffend geltend, das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags sei nicht nur für die Eröffnung des Vergaberechtswegs, sondern auch für die Anwendung materiellen Vergaberechts und damit die Begründetheit relevant. Wie bei anderen doppelrelevanten Tatsachen genügt deshalb für die Zulässigkeit, dass ein Sachverhalt vorgetragen wird, der im Fall seiner Richtigkeit die Zulässigkeit begründete. Ob die vorgetragenen Umstände zutreffen, bleibt dann der Prüfung im Rahmen der Begründetheit vorbehalten. Der Senat hätte dann die sofortige Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet ist. Eine Verweisung käme nicht in Betracht.

Hier fehlt es aber bereits an einem solchen Sachverhalt. Dem Vorbringen der Antragstellerin lässt sich – wie oben ausgeführt – gerade kein öffentlicher Auftrag entnehmen. Dann aber ist bereits die Zulässigkeit zu verneinen.

3. Angesichts der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags hat der Senat über den hilfsweise gestellten Verweisungsantrag zu entscheiden und das Verfahren entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Landgericht in Stralsund zu verweisen.

a) Eine Verweisung des nicht statthaften Nachprüfungsantrags durch einen Vergabesenat an das Gericht eines anderen Rechtswegs kommt in entsprechender Anwendung des § 17a GVG grundsätzlich in Betracht (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 – XIII ZB 119/19 -, Rn. 11; Beschluss vom 23. Januar 2012 – X ZB 5/11 -). Gründe der Verfahrensökonomie und des effektiven Rechtsschutzes erfordern aber nur dann eine Verweisung, wenn der Rechtsuchende sein Rechtsschutzziel im anderen Rechtsweg weiterverfolgen will und weiterverfolgen kann. Nur in diesen Fällen hat der Vergabesenat bei Zweifeln über den zulässigen Rechtsweg durch eine bindende Verweisung des Verfahrens entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG zu verhindern, dass eine Rechtsschutzlücke entsteht (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 – XIII ZB 119/19 -, Rn. 18).

Hier hat die Antragstellerin ausdrücklich erklärt, ihr Rechtschutzbegehren hilfsweise im Verwaltungs-, höchst hilfsweise im Zivilrechtsweg weiterverfolgen und ggf. die Anträge entsprechend anpassen zu wollen. Ihr geht es darum, dass ein Vertragsschluss zwischen den Antragsgegnern und der Beigeladenen unterbleibt und die Antragsgegner zur Durchführung eines (Verwaltungs-) Vergabeverfahrens verpflichtet werden beziehungsweise die Verpflichtung festgestellt wird. Dies ist grundsätzlich auch im Verwaltungs- oder Zivilprozess möglich. Soweit mit dem Antrag zu 6 hilfsweise die Feststellung der Unwirksamkeit des Zuschlags begehrt wird, stellt dies zwar eine Besonderheit des GWB-Vergaberechts dar und kann in dieser Form in einem anderen Rechtsweg nicht erreicht werden. Weil aber die Bedingung noch nicht eingetreten ist, wird auch dieser Hilfsantrag von der Verweisung umfasst, lediglich von der Bindungswirkung ist er ausgenommen (BGH, Urteil vom 12. März 2020 – I ZR 126/18 -, BGHZ 225, 59-90, Rn. 23; Lückemann in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 17a GVG, Rn. 13a). Schließlich ergibt sich ein Ausschluss der Verweisung auch nicht daraus, dass die Antragstellerin zu den öffentlichrechtlichen Grundlagen ihres vermeintlichen Anspruchs erst mit der Beschwerde vorgetragen hat, weil die Vergabekammer eine Verweisung ohnehin nicht hätte aussprechen können und deshalb kein Anlass zu einem entsprechenden Vorbringen bestand und insoweit die Beschwerde auf neuen Vortrag gestützt werden kann.

b) Eröffnet ist der Zivilrechtsweg (§ 13 GVG), zuständig ist das Landgericht Stralsund (§§ 23, 71 GVG, 29 ZPO).

Die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs hängt davon ab, ob das streitige Rechtsverhältnis dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Für diese Zuordnung ist nicht das Ziel, sondern die Rechtsform staatlichen Handelns maßgeblich. Handelt der Staat privatrechtlich und wird der Vertrag in den Formen des Privatrechts vergeben, so ist grundsätzlich auch die betreffende Streitigkeit privatrechtlicher Natur. Umgekehrt ist prinzipiell der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn sich das staatliche Handeln in den Bahnen des öffentlichen Rechts vollzieht, der Vertrag also in den Formen des öffentlichen Rechts vergeben wird (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 – X ZB 5/11 -). Die Rechtsnatur des Vertrages bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 – GmS-OGB 1/85 -, BGHZ 97, 312-317, BVerwGE 74, 368-373, Rn. 10 – 11). Nicht entscheidend ist dabei der Umstand, ob die öffentliche Hand im Vergabeverfahren öffentlich-rechtlichen Bindungen – etwa aus Art. 3 GG – unterliegt, die für Privatpersonen nicht in entsprechender Weise gelten. Ob und in welchem Umfang bei der Auswahl eines Vertragspartners durch die öffentliche Hand eine derartige Bindung besteht, ist keine Frage des Rechtswegs, sondern der zu treffenden Sachentscheidung. Das Zivilrecht wird insoweit als “Basisrecht” von den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bindungen überlagert, über die die ordentlichen Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit mit zu entscheiden haben (BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2007 – 6 B 10/07 -, BVerwGE 129, 9-20, Rn. 9).

Auf dieser Grundlage ergibt sich die Eröffnung des Zivilrechtswegs nicht bereits aus einer Selbstbindung des Auftraggebers durch freiwillige Unterwerfung unter vergaberechtliche Grundsätze (dazu Bock in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 40 VgV (Stand: 30.10.2023), Rn. 39 mwNachw.). Eine solche Selbstbindung ist in der Bekanntmachung durch Verweis auf die Nichtgeltung von Vergaberecht ausgeschlossen. Die Einordnung als bürgerlich-rechtliche Streitigkeit ergibt sich aber nach Maßgabe der dargestellten Grundsätze daraus, dass das angestrebte Vertragsverhältnis dem Privatrecht zuzuordnen ist. Für die Regelung in einem öffentlichrechtlichen Vertrag ist nach den obigen Ausführungen kein Raum. Ob sich also aus der EU-Dienstleistungsrichtlinie und aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (Willkürverbot) ein Anspruch der Antragstellerin auf weitergehende und förmliche Beteiligung an der Verteilung des Pachtlands im Naturschutzgebiet ableiten lässt, ist von den Zivilgerichten zu klären. Die sogenannte Zweistufentheorie führt hier zu keiner anderen Beurteilung. Sie besagt nur, dass der Zugang zu einer öffentlichen Leistung wie Subventionen öffentlichrechtlich ausgestaltet sein kann, auch wenn die anschließende Umsetzung privatrechtlich erfolgt. Anders als bei Subventionen geht es hier aber nicht um Leistungen im öffentlichen Interesse (siehe oben) und gibt es keine Anspruchsgrundlage im öffentlichen Recht, die den Zugang regelt und den Streit darüber öffentlichrechtlich erscheinen lässt.

c) Der Senat entscheidet über die Verweisung ohne mündliche Verhandlung (§ 17a Abs. 4 Satz 1 GVG analog). Soweit im Zivilprozess bei Aufhebung des Prozessurteils und gleichzeitiger Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit durch das Berufungsgericht eine mündliche Verhandlung für erforderlich gehalten wird (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 281 ZPO, Rn. 9, 11, 12), gilt das hier nicht, weil die Vergabekammer eine Verweisung gar nicht hätte aussprechen können und zudem – anders als im Zivilprozess – im Fall der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags eine mündliche Verhandlung nicht zwingend ist (§ 166 Abs. 1 Satz 3 GWB). Zur Frage der Verweisung hat der Senat mit der Eingangsverfügung ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).

4. Die Verlängerung der kraft Gesetzes bis zum 21.11.2023 laufenden aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde und damit des Zuschlagsverbots nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB kommt nicht in Betracht.

a) Über den Antrag hat der Senat jedenfalls deshalb zu entscheiden, weil er ausdrücklich auch für den Fall der Verweisung gestellt ist (weitergehend wohl OLG Naumburg, Beschluss vom 30. März 2022 – 7 Verg 2/22 -).

b) Im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Interessen nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB hat der Senat in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zu berücksichtigen. Bei offenem Verfahrensausgang ist darüber hinaus das Beschleunigungsgebot und insbesondere zu beachten, ob gewichtige Belange der Allgemeinheit einen raschen Abschluss des Vergabeverfahrens erfordern (Senat, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 17 Verg 8/18 -; Beschluss vom 3. Februar 2021 – 17 Verg 6/20 -).

Hier fehlt es – wie oben ausgeführt – bereits an der Erfolgsaussicht. Raum, die aufschiebende Wirkung unabhängig davon zu verlängern, besteht nicht. § 173 GWB betrifft nur das während des laufenden Beschwerdeverfahrens und bis zur Entscheidung des Vergabesenats geltende Zuschlagsverbot. Eine solche Endentscheidung hat der Senat aber nicht mehr zu treffen. Für den eröffneten Zivilprozess greift die Regelung nicht. Ein Antragsteller trägt insoweit das Risiko der Wahl des zutreffenden Rechtswegs. Eine Rechtschutzlücke entsteht nicht, weil auch das zivilgerichtliche Verfahren Möglichkeiten des Eilrechtschutzes bietet.

5. a) Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des unselbstständigen Eilverfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB (dazu Ulbrich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 173 Rn. 74; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 175 GWB (Stand: 21.09.2023), Rn. 91) hat der Senat nicht zu entscheiden, da sie als Teil der Kosten zu behandeln sind, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde (§ 17b Abs. 2 Satz 1 GVG analog). Lediglich die Notwendigkeit der Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter des Antragsgegners zu 1 ist für den Fall auszusprechen, dass durch das Zivilgericht die Erstattung seiner Aufwendungen ausgesprochen wird. Für die Antragstellerin und die Beigeladene ergibt sich die Notwendigkeit – sollte es hierauf nach der Kostenentscheidung ankommen – bereits unmittelbar aus § 175 Abs. 1 Satz 1 GWB.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren und das Eilverfahren (dazu Ulbrich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 173 Rn. 74) ist auf fünf Prozent der Bruttoauftragssumme festzusetzen (§ 50 Abs. 2 GKG). Dabei orientiert sich der Senat an der Laufzeit des angestrebten Vertrags, der jeweiligen Größe der Pachtflächen während dieser Zeit und dem von der Antragstellerin vorgeschlagenen Quadratmeterpreis.

b) Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sind demgegenüber nicht der Endentscheidung vorbehalten, weil es sich insoweit nicht um Kosten aus einem gerichtlichen Verfahren handelt. Die Antragstellerin hat diese Kosten nach dem Rechtsgedanken des § 17b Abs. 2 Satz 2 GVG zu tragen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 – X ZB 5/11 -), worüber bereits jetzt durch den Senat entschieden werden kann. Die Hinzuziehung anwaltlicher Vertreter durch den Antragsgegner zu 1 und die Beigeladene war notwendig.

OLG Düsseldorf zu der Frage der Geltung des Grundsatzes der Berücksichtigung eines Mitverschuldens auch im Fall einer unterlassenen Bedenkenanmeldung

OLG Düsseldorf zu der Frage der Geltung des Grundsatzes der Berücksichtigung eines Mitverschuldens auch im Fall einer unterlassenen Bedenkenanmeldung

vorgestellt von Thomas Ax

1. Der Auftragnehmer haftet für Mängel der Leistung gemäß § 13 Nr. 3 VOB/B auch dann, wenn der Mangel auf die Leistungsbeschreibung/Planung des Auftraggebers zurückzuführen ist. Von seiner Haftung kann er sich befreien, wenn er die ihm nach § 4 Nr. 3 VOB/B obliegende Mitteilung gemacht hat. Die fehlende Bedenkenanmeldung führt allerdings nicht zu einer alleinigen Haftung des Auftragnehmers, vielmehr gilt der Grundsatz der Berücksichtigung eines Mitverschuldens auch im Fall einer unterlassenen Bedenkenanmeldung. Insoweit hat auch beim Nacherfüllungsanspruch eine Abwägung zwischen der Fehlplanung des Auftraggebers und dem unterlassenen Bedenkenhinweis zu erfolgen ( § 254 BGB analog).

2. Für die Frage, welche Maßnahmen der Besteller zur Mängelbeseitigung für erforderlich halten durfte, kommt es auf eine verständige Würdigung eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Bauherrn im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung aufgrund sachkundiger Beratung oder Feststellung an, wobei es sich insgesamt um vertretbare Maßnahmen der Schadens- oder Mängelbeseitigung handeln muss. Der Auftragnehmer trägt das Risiko, dass im Rahmen der durch den Auftraggeber veranlassten Mängelbeseitigung auch Maßnahmen getroffen werden, die sich in nachträglicher Bewertung als nicht erforderlich erweisen. Gedanklich ist strikt zu trennen zwischen den hier in Rede stehenden Mängelbeseitigungsarbeiten und dem weiteren Streit über den Erfolg der Mangelbeseitigung.

3. Der Auftragnehmer wird von seiner Einstandspflicht für eine fehlerhafte Ausführung einer Schottertragschicht, die zu Setzungen geführt hat, nicht deshalb befreit, weil eine (den Beteiligten nicht bekannte) weitere Ursache im tieferen Untergrund die aufgetretenen Setzungserscheinungen begünstigt haben kann. Eine solche weitere Ursache führt jedenfalls hier auch nicht deshalb zu einer Mithaftung des Auftraggebers, weil es sich bei einem nicht erkennbaren Baugrundrisiko um seinen Risikobereich und damit seine Verantwortung handeln könnte.

VOB/B § 13 Nr. 3, § 4 Nr. 3; § 254 BGB

OLG Düsseldorf, 21. Zivilsenat, Urteil vom 19.03.2019, I-21 U 118/16

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 06.09.2016 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.757,45 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, 28.166,90 € als Mietausfallschaden “P. K.” an die H. K.. GmbH & Co. KG, O…straße , .. K.., – IBAN: … zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 42 % und die Beklagte zu 58 %.

Die Kosten des Streithelfers zu 1) trägt die Klägerin zu 42 %. Die Kosten der Streithelfer zu 2) bis 7) trägt die Beklagte jeweils zu 58 %. Im Übrigen tragen die Streithelfer ihre Kosten jeweils selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der vollstreckende Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorfnach Lage der Akten am 26.02.2019durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht S-L, die Richterin am Oberlandesgericht M-E und die Richterin am Landgericht P..

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 06.09.2016 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.757,45 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, 28.166,90 € als Mietausfallschaden “P. K.” an die H. K.. GmbH & Co. KG, O…straße , .. K.., – IBAN: … zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 42 % und die Beklagte zu 58 %.

Die Kosten des Streithelfers zu 1) trägt die Klägerin zu 42 %. Die Kosten der Streithelfer zu 2) bis 7) trägt die Beklagte jeweils zu 58 %. Im Übrigen tragen die Streithelfer ihre Kosten jeweils selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der vollstreckende Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Mangelbeseitigungskosten und Schadensersatz aus einem im Frühjahr 2008 (21.04./08.05.2008) geschlossenen Vertrag.

Die Klägerin war im Jahre 2008 von der Streithelferin zu 7) beauftragt worden, im Containerterminal des K… Hafens ein neues Krangleis mit Unterbau und Pflasterung der angrenzenden Flächen herzustellen. Dieser Auftrag betraf nur den sogenannten Bauabschnitt I, eine 30 Meter lange Strecke, auf der der Kran zunächst nur aufgestellt wurde. Im Bauabschnitt II, der an beide Seiten des Bauabschnitts I anschloss, wurde die Kranbahn dann verlängert. Mit diesen Arbeiten war die Klägerin aber nicht von der Streithelferin zu 7) beauftragt.

Die Klägerin beauftragte ihrerseits die Beklagte am 08.05.2008 auf der Grundlage deren Angebots vom 17.04.2008 sowie des Verhandlungsprotokolls vom 21.04.2008 mit in diesem Zuge u.a. erforderlichen Betonschneide-, Erd- und Abbrucharbeiten. In dem von der Klägerin erstellten und dem vorgenannten Angebot zugrundeliegenden Leistungsverzeichnis heißt es unter anderem in Z. 1.3.30. wie folgt:

Schottertragschicht 0/45 mm liefern und in den vorgenannten Graben einbauen und verdichten, Einbaustärke 70 cm, Einbaubreite 130 cm, EVN mindestens 120 MN/qm“.

In Z. 1.3.40. heißt es ferner:

              „Feinplanum Gründungsebene, Ev2= 45-60 MN/qm“.

Unter Z. 1.6  des Verhandlungsprotokolls vom 21.04.2008 wurde die Geltung der VOB Teil B und C in neuester Fassung vereinbart. Wegen der weiteren Einzelheiten und des genauen Inhalts des Leistungsverzeichnisses sowie des Verhandlungsprotokolls wird auf die als Anlage K  2 zur Akte gereichten Unterlagen Bezug genommen (Bl. 20ff.).

Die Beklagte stellte sodann die Schottertragschicht und das Schotterfeinplanum her. Die Arbeiten der Beklagten wurden von der Klägerin abgenommen und bezahlt. Nach Durchführung der vorgenannten Arbeiten durch die Beklagte wurden auf die Schottertragschicht und das Schotterfeinplanum anschließend Betonfertigelemente zur Aufnahme der Gleise der Kranbahn verlegt und die angrenzenden Flächen gepflastert. Diese Arbeiten erfolgten nicht durch die Beklagte.

Nach Inbetriebnahme der Kranbahn zeigten sich Schäden an den Betonschwellen. Überprüfungen ergaben, dass der Untergrund in Teilbereichen bis zu 4 cm abgesackt war. Die Klägerin zeigte der Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 23.07.2009 (Anlage K 3, Bl. 34) Mängel an unter Hinweis darauf, dass diese auf einen nicht ordnungsgemäß verdichteten Untergrund zurückzuführen seien. Zugleich forderte sie die Beklagte zur Beseitigung der Mängel bis zum 31.07.2009 auf und wies darauf hin, dass sie anderenfalls die Mängel auf Kosten der Beklagten beseitigen lasse.

Nachdem die Beklagte die Mängelrüge zurückgewiesen hatte, beauftragte die Klägerin den Streithelfer zu 2) (Geotechnisches Büro N.. M…)  mit der Überprüfung und der Gutachtenerstellung. Der Streithelfer zu 2) erstellte zwei Gutachten vom 19.11.2009 und 27.01.2010 (Anlagen K 4 und 5), in welchen er zu den festgestellten Mängeln, Mangelursachen und Folgeschäden sowie den erforderlichen Sanierungsarbeiten Ausführungen machte. Auf Grundlage dieser Feststellungen wurde im Folgenden die Sanierung ausgeführt. Dabei führte die Beklagte die zu ihrem damaligen Gewerk gehörenden Arbeiten selbst aus. Die Klägerin nahm weitere Vor- und Nacharbeiten entweder selbst vor oder ließ sie durch Drittfirmen ausführen. Die Sanierungsarbeiten dauerten vom 18.09. bis zum 22.10.2009.

Der Erfolg der Sanierung und die Frage, ob nach der Sanierung Mängel vorliegen und welche Ursachen diese haben, ist streitig und Gegenstand des zwischen der  Streithelferin zu 7) und der hiesigen Klägerin bei dem Landgericht Krefeld geführten Parallelverfahrens 5 O 482/13.

Mit Schreiben vom 29.01.2010 (Anlage K 8, Bl. 69) forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von 47.474,21 € binnen 20 Werktagen auf und setzte unter dem 26.02.2010 eine Nachfrist von zehn Tagen. Grundlage der Schadensberechnung war die als Anlage K 6 (Bl. 65) zur Akte gereichte Kostenaufstellung der Klägerin. Die Streithelferin zu 7) nahm die Klägerin mit Schreiben vom 11.03.2010 (Anlage K 10, Bl. 72f.) auf Zahlung eines Mietausfalls in Höhe von 37.555,86 € in Anspruch. Dieses Schreiben leitete die Klägerin am 18.03.2010 (Anlage K 11, Bl. 74) an die Beklagte weiter und forderte die Zahlung der Gesamtforderung bis zum 01.04.2010.

Die Klägerin hat behauptet, dass die Arbeiten der Beklagten mangelhaft seien. Die Schottertragschicht habe nicht der geforderten Stärke von 0,67 m entsprochen. So habe die Schotterschicht meist nur eine Dicke zwischen 0,3 m und 0,33 m gehabt. An der Übergangsstelle von Bauabschnitt 1 zu Bauabschnitt 2 habe diese sogar null aufgewiesen. Ferner habe die Beklagte minderwertiges und ungeeignetes Material eingebaut, das andere Materialeigenschaften, eine unzureichende Gleichmäßigkeit und eine unzureichende Bruchfestigkeit besessen habe. Zudem habe die Beklagte die vorzunehmenden Verdichtungskontrollen nicht ausreichend durchgeführt. Dies sei ursächlich für die aufgetretenen Setzungen sowie für die an den Betonschwellen entstandenen Schäden gewesen. Ferner sei es hierdurch auch zu einer zusätzlichen Setzung der Kranbahnschwellen gekommen. Die von der Beklagten behaupteten Planungsfehler habe es ebenso wenig gegeben wie eine Bedenkenanzeige der Beklagten. Etwaige weitere Ursachen für die Setzungen seien für ihren Zahlungsanspruch unerheblich, da sie lediglich den Nacherfüllungsaufwand geltend mache. Dieser bestehe unabhängig von weiteren denkbaren Ursachen.

Für die Sanierung seien ihr Kosten von insgesamt 47.447,21 € netto entstanden, diese Kosten beträfen ausschließlich die Mängelbeseitigung. Ferner sei der Streithelferin zu 7) ein Mietausfallschaden in Höhe von 37.555,86 € während der Mängelbeseitigungsarbeiten entstanden. Der Kran habe an 34 Kalendertagen nicht genutzt werden können, weshalb der Streithelferin zu 7) insofern Mieteinnahmen in dieser Höhe entgangen seien.

Ursache für die streitgegenständlichen Setzungen seien ausschließlich die Ausführungsfehler der Beklagten, dagegen nicht eine etwaige ungenügende bauvorbereitende Baugrunduntersuchung, mangelhafte Planung oder Missachtung einer angeblichen Bedenkenanmeldung durch sie. Hätte die Beklagte entsprechend der Vorgaben des Zeugen M… die Verdichtungskontrollen durchgeführt, hätte sie Veranlassung gehabt, eine Bodenprüfung durchzuführen und einen Bodenaustausch vorzunehmen.

Die Streithelfer zu 2) – 6) haben sich ebenfalls im Wesentlichen darauf berufen, dass es nicht nur bei der Erstausführung der Beklagten zu erheblichen Ausführungsfehlern gekommen sei, sondern auch die Leistungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Sanierung mangelhaft gewesen seien. Der Ausführungsmangel sei zumindest mitursächlich für die Setzungen gewesen. Die Streithelferin zu 7) hat geltend gemacht, die Beklagte habe mangelhaftes Material verbaut; der von den Streithelfern zu 2) – 6) vorgegebene Bodenaustausch sei unzureichend gewesen; diese hätte eine Prüf- und Hinweispflicht getroffen, die bei Annahme ungeprüfter Werte verletzt sei; jedenfalls hätten sowohl die Klägerin als auch die Streithelfer zu 2) – 6) die präzisen Werte für die Radlasten spätestens im September 2008 gekannt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. ihr 47.447,21 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen,

2. weitere 37.555,86 € als Mietausfallschaden „P..-K…“ an die H… K… GmbH & Co.KG, O…straße , ..K…., Konto-Nr. …..zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen.

Die Streithelfer zu 2) bis 7) haben sich diesen Anträgen angeschlossen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Streithelfer zu 1) hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte hat behauptet, dass sie für etwaige Mängel oder Schäden nicht verantwortlich sei. Ursache der Setzungen seien die ungenügende bauvorbereitende Baugrunduntersuchung, die entsprechend mangelhafte Planung sowie die Missachtung ihrer schriftlichen Bedenkenanmeldung gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B betreffend die Drainage gewesen. Mangels frühzeitiger Baugrunduntersuchung durch die Klägerin sei nicht erkennbar gewesen, dass sich unterhalb des Grundplanumniveaus eine Lehmlinse im Boden befunden habe. Dies habe auch während der Bauausführung nicht festgestellt werden können. Sie habe ohne Kenntnis dieses Umstandes die Arbeiten begonnen. Die auftragsgemäß geforderten Werte für die Verdichtung seien deutlich überschritten worden. Auch sei der eingebrachte Baustoff vertragsgerecht und geeignet gewesen, insbesondere habe das angelieferte und verbaute Material den vertraglichen Vorgaben und den erforderlichen bauphysikalischen Eigenschaften entsprochen. Schadensursächlich sei im Übrigen ein anderer Umstand gewesen, nämlich dass die Klägerin angeordnet habe, dass Drainagerohre seitlich der Krangleisschwellen in einem Abstand von jeweils 3 Meter eingebaut werden sollten, die als Entwässerung dienen sollten. Dies habe sie für bedenklich gehalten und deswegen entsprechend Meldung gemacht. Auch sei als Mitursache zu berücksichtigen, dass die Betonschwellen im ersten Bauabschnitt versetzt angeordnet worden seien, im zweiten Bauabschnitt mittig. Jedenfalls wäre der Schaden nicht entstanden, wenn die Klägerin ihre Bedenken nicht ignoriert hätte.

Soweit es die geltend gemachten Kosten anbelange, handele es sich zu einem erheblichen Teil um Sowiesokosten, die bei frühzeitiger Bodenuntersuchung und korrekter Planung der Klägerin ohnehin entstanden wären. Die geltend gemachte Kranmiete sei weder üblich noch angemessen. Ihr selbst seien im Rahmen der von ihr ausgeführten Sanierungsarbeiten Kosten in Höhe von 17.300,20 € entstanden.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung zweier schriftlicher Sachverständigengutachten sowie einer ergänzenden mündlichen Anhörung des Sachverständigen gemäß Beweisbeschlüssen vom 30.08.2011, 18.03.2013, 30.08.2013 sowie 18.02.2016, wegen deren konkreten Inhalts auf Bl. 214 ff., Bl. 734 ff., Bl. 873 und Bl. 1443 ff. verwiesen wird. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F… vom 29.09.2012 (Bl. 407 ff.), das Sitzungsprotokoll vom 14.05.2013 (Bl. 773 ff.), das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. Fe… vom 10.07.2015 (Bl. 1092 ff.) und das Sitzungsprotokoll vom 14.04.2016 (Bl. 1495 ff.) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 06.09.2016 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Klägerin habe bereits dem Grunde nach keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz von Sanierungskosten in Höhe von 47.447,21 €, und zwar weder als Schadensersatz aus § 13 Abs. 7 Nr. 1 VOB/B noch als Aufwendungsersatz aus § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nämlich nicht fest, dass die Arbeiten der Beklagten mangelhaft gewesen seien. Die beweisbelastete Klägerin habe nicht bewiesen, dass die von der Beklagten nachverdichtete Baugrundsohle nicht die geforderte Tragfähigkeit aufgewiesen habe. Der Sachverständige Dr. F…. habe hierzu keine Aussage mehr treffen können, weil eine später festgestellte unzureichende Tragfähigkeit keinen Rückschluss auf die ursprüngliche Situation zulasse; durch Wassereinwirkung könne sich dieser Zustand verändert haben.

Ferner sei nicht bewiesen, dass das von der Beklagten eingebaute RC-Material mangelhaft und ungeeignet gewesen sei. Vielmehr habe der Sachverständige Dr. F…. angeführt, dass das Material für die Verwendung geeignet gewesen sei; eine  geringfügige Überschreitung des zulässigen Feinkornanteils falle nicht ins Gewicht; im Übrigen habe die Materialzusammensetzung allenfalls untergeordnete Bedeutung; dass ein anderes Material als ausgeschrieben verwandt worden sei, sei insoweit ohne Einfluss. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lasse sich auch nicht feststellen, dass die Schottertragschicht nicht ausreichend verdichtet gewesen sei. Dies habe der Sachverständige Dr. F…. nicht sicher feststellen können, weil die Tragschicht durch den nachträglichen Einbau der Drainage vermutlich wieder aufgelockert worden sei.

Zwar ergebe sich nach den Ausführungen des Sachverständigen, dass die eingebrachte Schotterschicht nicht stark genug gewesen sei, was einen wesentlichen Mangel begründen würde. Allerdings sehe das Gericht den Beweis dennoch als nicht geführt an, weil die Feststellungen des Sachverständigen sich auf einen Zeitpunkt nach der Sanierung bezogen hätten. Eine weitere Aufklärung sei nicht erforderlich. Der Mangel müsse nämlich auch zu einem Schaden an der baulichen Anlage geführt haben. Es fehle insoweit an der Ursächlichkeit der zu geringen Schotterschicht für den eingetretenen Schaden. Die Beweisaufnahme habe diese Kausalität nicht mit der erforderlichen Sicherheit ergeben. Zwar habe der Sachverständige Dr. F…. angegeben, dass eine Ursache für die eingetretenen Verschiebungen in der ungleichen Ausführung der Tragschicht liege. Wegen der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fe…. lasse sich diese Kausalität aber nicht mit der entsprechenden Sicherheit feststellen. Der Sachverständige Dr. Fe…. habe nämlich angeführt, dass die in Auftrag gegebenen und ausgeschriebenen Leistungen nicht geeignet gewesen seien, eine Vertikalverschiebung zuverlässig zu verhindern. Der Sachverständige Dr. Fe…. habe in diesem Zusammenhang überzeugend ausgeführt, dass der ursprünglich entsprechend dem Auftrag vom 08.05.2008 vorgesehene Bodenaustausch, der Unterbau und die Krangleiskonstruktion die Setzungen nicht verhindert hätten. Durch die von der Klägerin am 08.05.2008 in Auftrag gegebenen und zuvor ausgeschriebenen Leistungen seien bereits kein ausreichend tiefer Bodenaustausch oder andere baugrundstabilisierende Maßnahmen beauftragt worden. Aus diesem Grunde hätten auch bei vertragsgerechter Ausführung der beauftragten Leistungen durch die Beklagte die Setzungen, die insbesondere auf den tiefen Baugrund zurückzuführen seien, nicht verhindert werden können. Insofern stehe fest, dass es auch dann, wenn die Beklagte die Schottertragschicht vertragsgemäß entsprechend den Vorgaben des von der Klägerin erstellten Leistungsverzeichnisses erbracht hätte, zu Verformungen und Setzungen gekommen wäre. Insofern sei es auch ohne Belang, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fe…. nicht auszuschließen sei, dass das verwandte Material nicht der Ausschreibung entsprochen habe.

Eine Haftung der Beklagten sei selbst dann ausgeschlossen, wenn man dennoch eine Mitursächlichkeit der unzureichenden Schottertragschicht annehme und ein Verschulden der Beklagten bejahe. Jedenfalls sei eine Haftung der Beklagten wegen eines überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin ausgeschlossen, da diese als das Leistungsverzeichnis erstellendes Fachunternehmen für den nicht ausreichend tiefen Bauaushub und die fehlenden ausreichenden bodenstabilisierenden Maßnahmen verantwortlich sei. Eine Haftung der Beklagten für den Mietausfallschaden bestehe ebenfalls nicht. Dabei könne dahinstehen, ob die Klägerin zur Geltendmachung des Anspruches der Streithelferin zu 7) berechtigt sei. Denn auch dieser Anspruch scheitere daran, dass kein Mangel nachgewiesen sei, jedenfalls dessen Kausalität nicht festgestellt werden könne und letztlich ein haftungsausschließendes Mitverschulden der Klägerin vorliege.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter.

Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe die Feststellungen des Sachverständigen Dr. F…. falsch gewertet. Dieser habe ausgeführt, dass eine unzureichende Tragfähigkeit vorliege, diese aber von drainagebedingten Wasseransammlungen unterhalb der Anschlusssohle negativ beeinträchtigt sein könne. Dies könne die Beklagte nicht entlasten, da diese Drainage Teil ihrer Leistungen gewesen sei. Das Schreiben der Beklagten vom 30.04.2008 (Bl. 124) habe sie nicht erhalten. Ferner habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die von der Beklagten eingebauten Materialien ein unterschiedliches Korngerüst aufgewiesen hätten und schon deshalb mangelhaft gewesen seien, weil sie nicht der vertraglichen Vereinbarung entsprochen hätten. Soweit das Landgericht angenommen habe, die unzureichende Schottertragschicht sei erst nach Durchführung der Sanierungsarbeiten vorgefunden worden, sei dies nicht richtig. Der Sachverständige habe bei seinen Ausführungen auf die Dokumentation der Streithelferin zu 2) vom 19.11.2009 und die dort enthaltenen Fotos Bezug genommen. Diese Fotos stammten aber nicht vom 19.11.2009, was in der Tat nach den Sanierungsarbeiten gewesen wäre, sondern bereits vom 24.09.2009, als Schürfe zur Entnahme von Probenmaterial erstellt worden seien. Die Beweisaufnahme habe entsprechend ergeben, dass die Beklagte eine zu geringe Schottertragschicht hergestellt habe. Ferner stimme es nicht, dass es Voraussetzung für ihren Anspruch sei, dass ein schuldhaft verursachter Schaden an der baulichen Anlage eingetreten sei. Voraussetzung sei allein ein Mangel, für den ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik ausreichend sei. Hier bestehe ein Mangel schon darin, dass die Tragschicht zu dünn und nicht durchgängig aus dem vorgegebenen Schotter errichtet worden sei. Ob dieser Mangel für die Setzungen (allein) ursächlich gewesen sei, sei hingegen unerheblich. Da der Anspruch verschuldensunabhängig sei, komme auch ein überwiegendes Mitverschulden ihrerseits nicht in Betracht. Das Landgericht hätte weiter zur Höhe Beweis erheben müssen, wobei die Voraussetzungen des §§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorlägen. Zur Beseitigung der Schäden seien 47.447,21 € erforderlich gewesen. Hierdurch seien die festgestellten Schäden beseitigt worden.

Auch den Mietausfallschaden habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft nicht zuerkannt. Die unzureichende Dicke der Schottertragschicht sei jedenfalls für das Absacken der Kranschienen mitursächlich und schuldhaft von der Beklagten verursacht worden. Zum zu ersetzenden Schaden zähle auch der Mietausfall. Wegen des Ausfalls des Krans (34 Kalendertage) seien der Streithelferin zu 7) Mietausfälle in Höhe von 37.555,86 € entstanden.

Die Klägerin beantragt,

              das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 06.09.2016, Az. 12 U 33/10,

              aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

  1. ihr 47.447,21 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem

              Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen,

  1. weitere 37.555,86 € als Mietausfallschaden „P… K…“ an die H… K… GmbH & Co. KG, O…straße , .. Krefeld, – IBAN….– zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen.

Die Streithelfer zu 2) bis 7) schließen sich dem Antrag der Klägerin an.

Die Beklagte beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe zutreffend die Haftung dem Grunde nach verneint. Der Sachverständige Dr. F…. habe eine unzureichende Tragfähigkeit der von ihr eingebrachten Schottertragschicht nicht bejaht, sondern mitgeteilt, dass diese durch drainagebedingte Wasseransammlungen negativ beeinträchtigt worden sei. Hierfür sei sie nicht verantwortlich. Sie habe zudem Bedenken angemeldet. Sie habe kein mangelhaftes Material verwandt. Eine eventuell geringfügige Überschreitung des zulässigen Feinkornanteils sei nicht relevant. Das Abflachen der Schottertragschicht zum Bauabschnitt 2 hin habe der Sachverständige nicht auf die Ursprungsleistung der Beklagten zurückführen können. Der Sachverständige habe wegen der erfolgten Sanierung die Verhältnisse nicht mehr selbst feststellen können. Außerdem habe der Sachverständige in seiner Anhörung klargestellt, dass die Fotos sich auf den Zustand nach der Sanierung bezogen hätten. Dass die Fotos den Zustand vor der Sanierung zeigten, werde bestritten. Zudem müsse der Sachverständige seine Feststellungen selbst vor Ort treffen und nicht anhand irgendwelcher Fotos. Unzureichende Tragfähigkeitskontrollen könnten ihr nicht vorgeworfen werden. Sie habe bereits erstinstanzlich umfassend zu den vom Streithelfer zu 1) durchgeführten Untersuchungen vorgetragen gehabt. Im Übrigen sei ein eventueller Mangel nicht kausal für den geltend gemachten Schaden. Vielmehr seien die von der Klägerin in Auftrag gegebenen und ausgeschriebenen Leistungen von Anfang an nicht geeignet gewesen, die eingetretenen Setzungen und Vertikalverschiebungen zu verhindern. Die Ursache für die ersten Setzungen sowie die nach der im Jahr 2009 erfolgten Sanierung eingetretenen neuen Setzungen liege in den tieferen Bodenschichten unterhalb des Aushubbereichs. So befänden sich im Lasteneintragungsbereich der Kranbahn Zwischenlagen und Linsen, deren Setzungspotential nur bei einem mehrere Meter tiefen Bodenaushub hätte beseitigt werden können. Insgesamt seien bei der Planung die Horizontallasten nicht ausreichend berücksichtigt worden. Nur so sei zu erklären, dass nach der Sanierung der gleiche Verformungsvorgang zu beobachten gewesen sei.

Hinsichtlich der ihr selbst im Rahmen der Sanierung entstandenen Kosten in Höhe von 17.300,20 € (Aufstellung Bl. 2047i) erkläre sie in Höhe des der Klägerin anzulastenden Mitverschuldensanteils die Aufrechnung.

Der Senat hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung vom 13.06.2017, das Gutachten des Sachverständigen Dr. Fe…. vom 06.06.2018 und seine Anhörung am 11.12.2018.

In dem auf den 26.02.2019 bestimmten Verhandlungstermin ist die Beklagte säumig geblieben. Der Klägervertreter hat beantragt, nach Lage der Akten zu entscheiden.

II.

Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Zahlungsansprüche in Höhe von 20.757,45 € (Antrag zu 1) sowie weiterer 28.166,90 € (Antrag zu 2).

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 20.757,45 € aus § 13 Nr. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VOB/B (wegen des Vertragsschlusses der Parteien im Jahr 2008 in der in diesem Jahr geltenden Fassung, die auch im Folgenden jeweils gemeint ist).

Die Parteien haben einen Werkvertrag geschlossen, wonach die Beklagte für die Klägerin im Bauabschnitt I Erd-, Betonschneide- und Abbrucharbeiten ausführen und nachträglich eine Drainage einbringen sollte. Die Geltung der VOB/B wurde vereinbart.

1.1

Das Werk der Beklagten war mangelhaft. Ein Werk ist gemäß § 13 Nr. 1 VOB/B mangelfrei, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit aufweist und den anerkannten Regeln der Technik entspricht bzw., wenn keine Beschaffenheit vereinbart ist, die nach dem Vertrag vorausgesetzte Beschaffenheit aufweist, sonst sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach Art des Werkes verlangen kann. Vorliegend ergeben sich die Mängel der Leistung der Beklagten aus der fehlerhaften Drainage, einer unzureichenden Tragfähigkeitsuntersuchung sowie einer zu geringen Schottertragschicht. Im Einzelnen:

1.1.1

Die Mangelhaftigkeit der Drainage folgt aus ihrer Ausführung als Querdrainage. Aufgrund dieser Querdrainage wurde Wasser in den zur Erzielung der notwendigen Tragfähigkeit verdichteten Untergrund geleitet mit der Folge, dass die Stabilität des Bodens geschwächt wurde. Hierdurch eignete sich das Werk der Beklagten nicht für die vorausgesetzte und übliche Verwendung, nämlich dazu, das Wasser sicher abzuleiten. Zusätzlich führte dies auch dazu, dass die von der Beklagten ausgeführten Erdarbeiten nicht die erforderliche dauerhafte Stabilität und Tragfähigkeit aufweisen konnten. Dies haben beide Sachverständige in ihren Gutachten bestätigt (Dr. F….: Bl. 440; Dr. Fe….: Bl. 1111).

Die Beklagte kann sich diesem Mangel gegenüber auch nicht darauf berufen, dass ihr die Ausführung der Drainage als Querdrainage von der Klägerin vorgegeben wurde. Gemäß § 13 Nr. 3 VOB/B setzt eine Haftung des Auftragnehmers voraus, dass das Werk des Unternehmers mangelhaft ist. Der Unternehmer haftet, dem Grundsatz der verschuldensunabhängigen Mängelhaftung folgend, auch dann, wenn der Mangel auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers zurückzuführen ist. Sodann wird als Ausnahme von diesem Grundsatz der Befreiungstatbestand formuliert (BGH, Urteil vom 14. März 1996 – VII ZR 34/95, BGHZ 132, 189, 192; BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 – VII ZR 45/04, BauR 2005, 1314, 1316 = NZBau 2005, 456 = ZfBR 2005, 667; Kapellmann/Messerschmidt-Weyer, VOB, § 13 Rdn. 59). Der Auftragnehmer haftet nicht, wenn er die ihm nach § 4 Nr. 3 VOB/B obliegende Mitteilung gemacht hat. Der Auftragnehmer haftet demnach trotz eines Mangels seiner Leistung nicht, wenn er Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer unverzüglich – möglichst schon vor Beginn der Arbeiten – schriftlich mitgeteilt hat. Diese Regelungen in § 13 Nr. 3 und § 4 Nr. 3 VOB/B sind eine Konkretisierung von Treu und Glauben, die über den Anwendungsbereich der VOB/B hinaus im Grundsatz auch für den Bauvertrag gelten (vergleiche: Urteil des Senats vom 24. März 2015 – I-21 U 62/14 –, BGH, Urteil vom 08.11-2007 – VII ZR 183/05 –, BGHZ 174, 110-126; BGH, Urteil vom 29.9.2011 – VII ZR 87/11, alle zitiert nach juris).

Die Beklagte hat nicht beweisen können, dass sie ihrer Pflicht aus § 13 Nr. 3 VOB/B zur Prüfung und Bedenkenanmeldung nachgekommen ist. Da der Beklagten bereits nach ihrem eigenen Vortrag (berechtigte) Bedenken gegen die Art der Ausführung gekommen sind, war sie verpflichtet, diese bei der Klägerin anzumelden. Soweit die Beklagte behauptet, dass sie der Klägerin die schriftliche Bedenkenanzeige wie Blatt 124 der Akte übergeben habe, hat sie den Zugang dieses Schriftstücks nicht beweisen können (zur Beweislast vgl. BGH, Urteil vom 04.06.1973 VII ZR 112/71, BGH, Urteil vom 29.11.1973 VII ZR 179 / 71, Ingenstau/Korbion-Oppler, VOB, 20. Auflage, Teil B § 4 Abs. 3, Rn. 20).

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Klägerin eine schriftliche Bedenkenanzeige zugegangen ist. Bereits der Geschäftsführer der Beklagten hat in seiner Anhörung nicht bestätigen können, dass eine schriftliche Bedenkenanzeige unmittelbar übergeben wurde. Er hat vielmehr ausgeführt, dass es zunächst zu einem Gespräche zwischen ihm und der Zeugin S… als Bauleiterin der Klägerin gekommen sei. Er habe der Zeugin S… gegenüber erklärt, dass er die vorgegebene Verlegung der Drainagerohre für fachlich nicht in Ordnung halte. Er habe sie darauf hingewiesen, dass durch die nachträgliche Verlegung der Rohre der Untergrund wieder aufgelockert werde und auch das Ableiten des Wassers in dieser Form fehlerhaft sei. Frau S… habe dennoch an der vorgegebenen Ausführungsart festgehalten. Am gleichen Abend habe er die vorgelegte schriftliche Bedenkenmitteilung verfasst und per Post abgeschickt. Er habe diese nicht persönlich abgegeben. Der Zeuge D… hat in seiner Aussage ein derartiges Gespräch auf der Baustelle bestätigt, zur Versendung der schriftlichen Bedenkenanzeige konnte er aus eigener Wahrnehmung aber keine Angaben machen. Die Zeugin S… hatte keine sicheren Erinnerungen an den Vorgang und konnte weder bestätigen noch ausschließen, dass es eine Bedenkenmitteilung gegeben hat. Der Zeuge L… gab an, dass ihm als Polier der Klägerin nichts von einer solchen Bedenkenmitteilung bekannt geworden sei. Der Zeuge S…. konnte zur Frage der Bedenkenanmeldung keine Angaben machen. Insgesamt waren die Aussagen der Zeugen daher zu der maßgeblichen Frage, ob der Klägerin eine schriftliche Bedenkenanzeige zugegangen ist, unergiebig. Die Beklagte ist insoweit beweisfällig geblieben.

Der Zugang einer solchen schriftlichen Bedenkenanzeige war vorliegend aber erforderlich, da ausweislich der Darlegungen des Geschäftsführers der Beklagten und des Zeugen D… die Bauleiterin der Klägerin trotz mündlichen Hinweises auf die Bedenken auf der Ausführung der Drainage bestanden haben soll, ohne hierfür eine Erklärung zu geben. In diesem Fall muss der Unternehmer noch einmal eindrücklich auf bestehende Gefahren und die Folgen der Nichtbeachtung der Bedenken hinweisen, insbesondere auch durch eine schriftliche Anzeige, damit dem Bauherrn diese Gefahren konkret vor Augen geführt werden.

Die fehlende Bedenkenanmeldung führt bezüglich dieser Mangelursache (fehlerhafte Drainage) allerdings nicht zu einer alleinigen Haftung der Beklagten. Der Grundsatz der Berücksichtigung eines Mitverschuldens gilt auch im Fall einer unterlassenen Bedenkenanmeldung (BGH, Urteil vom 18.12.1980 – VII ZR 43/80 –, zitiert nach juris). Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1.4.1 verwiesen.

1.1.2

Die Leistung der Beklagten ist weiter wegen der unzureichenden Tragfähigkeit der Ausschachtungssohle als mangelhaft anzusehen.

Nach den Feststellungen der Sachverständigen ist davon auszugehen, dass der Untergrund für das zu erstellende Gewerk nicht hinreichend tragfähig war. So hat der Sachverständige Dr. F…. ausgeführt, dass eine Ursache für die Setzungen Probleme im Untergrund gewesen seien. Das vom Sachverständigenbüro M… erstellte Baugrundgutachten sei zunächst in Ordnung gewesen, da es den gültigen Standards entsprochen habe. Die Ausführungsplanung habe sich daher hieran ausrichten dürfen. Die mangelnde Tragfähigkeit des Unterbodens bei Antreffen von Kies / Sand könne optisch nicht immer erkannt werden und letztlich nur durch auf der Grabensohle ausgeführte Plattendruckversuche festgestellt werden. Verdichtungskontrollen auf der Schottertragschicht seien nicht geeignet, belastbare Erkenntnisse über die Tragfähigkeit des Untergrunds zu liefern.

Die Beklagte hat diese von ihr geschuldeten Untersuchungen nicht ausreichend durchgeführt. Ausweislich der Stellungnahme des Büros M… vom 28.04.2008 (Bl. 400) können nur zwei von der Beklagten ausgeführte Tragfähigkeitsuntersuchungen auf der Grabensohle nachvollzogen werden, welche beide im Anfangsbereich der Grube durchgeführt wurden. In dem von den Senkungen besonders betroffenen Bereich haben danach keinerlei Untersuchungen stattgefunden. Weitere Versuche wurden von der Beklagten zwar pauschal behauptet, aber auch auf den ausdrücklichen Hinweis des Senats nicht substantiiert dargelegt. Die Beklagte ist damit ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.

Der Senat ist davon überzeugt, dass bei einer solchen Untersuchung jedenfalls die unmittelbar an die Sohle angrenzende Lehmlinse, welche im Rahmen der ersten Sanierung bearbeitet wurde, hätte entdeckt werden können.

Ein Mitverschuldensanteil der Klägerin ist hinsichtlich dieses Mangels nicht ersichtlich.

1.1.3

Bezüglich der Dicke der Schottertragschicht ist der Senat davon überzeugt, dass die Beklagte im östlichen Bereich im Übergang zum 2. Bauabschnitt zu wenig Schotter eingebracht hatte.

Nach den vertraglichen Vereinbarungen schuldete die Beklagte den Einbau einer 0,70 m starken Schotterschicht. Tatsächlich kamen in vielen Bereichen nur bis zu ca. 0,40 m zur Ausführung, im östlichen Übergangsbereich zum zweiten Bauabschnitt lief die Schotterschicht auf einer Länge von 1,5 bis 2 m auf 0 m aus.

Der Senat stützt seine Feststellungen auf die Aussagen der sachverständigen Zeugen M… und Plate sowie das Gutachten des Sachverständigen Dr. F….. Die Zeugen M… und Plate haben die von ihnen anlässlich der Sanierung durchgeführten Untersuchungen in den als Anlage K 4 (Bl. 35ff.) bzw. St 2 (Bl. 542ff.) vorgelegten Privatgutachten festgehalten. Auf diese Untersuchungen hat der Zeuge M… in seiner Vernehmung vom13.06.2017 (Bl. 1910ff.) Bezug genommen und ausgeführt, dass anlässlich der Sanierung Untersuchungen des alten Untergrunds durchgeführt worden seien. Bei diesen Untersuchungen hätten er und sein Mitarbeiter bei zwei unterschiedlichen Schürfen im mittleren Bereich des Bauabschnitts Mächtigkeiten des RC Materials von 38-41 cm bzw. von 35 cm festgestellt. Im Rahmen der Ausschachtungsarbeiten sei dann im Übergang zum 2. Bauabschnitt auf einer Seite festgestellt worden, dass dort keine Schotterschicht vorhanden gewesen sei. Der Zeuge Plate hat diese Angaben in seiner Aussage bestätigt. Er habe die Werte der ersten zwei Schürfe nicht selbst ermittelt, diese aber so mitgeteilt bekommen. Das Auslaufen der Schotterschicht an der östlichen Seite könne er selbst bestätigen. Am westlichen Ende habe die Schotterschicht demgegenüber ca. 0,7 m betragen. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen glaubhaften Angaben der Zeugen zu zweifeln. Diese haben ihre Angaben unter Bezugnahme auf die im Rahmen der Sanierung gefertigten Lichtbilder überzeugend erläutert. Der Sachverständige Dr. F…. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 29.09.2012 (Bl. 407ff.) die vorherigen schriftlichen Ausführungen der Zeugen als überzeugend und anhand der Dokumentation für nachvollziehbar erklärt. Es kann daher festgestellt werden, dass die Beklagte in erheblichen Teilen des Bauabschnitts eine zu dünne Schotterschicht eingebaut hatte.

Auch hinsichtlich dieses Mangels ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein Mitverschulden der Klägerin.

1.2

Eine Frist zur Mangelbeseitigung (§ 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B) wurde mit Schreiben vom 23.07.2009 (Anlage K 3) gesetzt. Nach Fristablauf sind Mangelbeseitigungsarbeiten durchgeführt worden, wobei die Beklagte die in ihren Bereich fallenden Arbeiten selbst ausgeführt hat. Damit hat sie deutlich gemacht, dass sie nicht willens und in der Lage war, die weiteren durchgeführten Arbeiten selbst zu übernehmen.

1.3

Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten sind in Höhe von 35.413,75 € als erforderlich anzusehen.

Die Mangelbeseitigung erforderte vorliegend den kompletten Rück- und Neubau des Krangleises inklusive Drainage. Die Klägerin hat die ihr hierfür entstanden Eigen- und Fremdkosten in der als Anlage K 6 (Bl. 1849 f.) vorgelegten Aufstellung beziffert. Gegen die Ersatzfähigkeit der geltend gemachten Kosten kann nicht eingewandt werden, dass die aufgewandten Kosten nicht zur nachhaltigen Mangelbeseitigung geeignet waren, da diese bei weiteren Schäden im tieferen Untergrund letztlich noch einmal aufgewandt werden müssten. Erforderlich sind die Maßnahmen und die hieraus resultierenden Kosten, die der Besteller bei verständiger Würdigung im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr aufgrund sachkundiger Beratung oder Feststellung für erforderlich halten durfte, wobei es sich insgesamt um vertretbare Maßnahmen der Schadens- oder Mängelbeseitigung handeln muss. Der Auftragnehmer trägt das Risiko, dass im Rahmen der durch den Auftraggeber veranlassten Mängelbeseitigung auch Maßnahmen getroffen werden, die sich in nachträglicher Bewertung als nicht erforderlich erweisen. Erstattungsfähig sind hiernach auch die diejenigen Kosten, die für eine erfolglose oder sich später als unverhältnismäßig teuer herausstellende Mängelbeseitigung aufgewendet wurden (vergleiche Urteil des Senats vom 07. Juni 2011 – I-21 U 100/10 –, zitiert nach juris; Ingenstau/Korbion-Wirth, VOB, 20. Auflage, Teil B, § 13 Abs. 5 Rn. 239). Für die Bewertung ist von der Sicht ex ante ausgehen. Vorliegend hat die Klägerin ein Sachverständigengutachten zur Frage der Ursache der Setzungen eingeholt. Da sie sich nach diesem gerichtet hat, durfte sie die entsprechenden Aufwendungen auch für erforderlich halten, zumal die Beklagte selbst an den Arbeiten ebenfalls beteiligt war.

Gedanklich ist daher strikt zu trennen zwischen den hier in Rede stehenden Arbeiten und dem weiteren Streit über den Erfolg der Mangelbeseitigung. Hier stehen zunächst nur die Mängel des Ausgangswerkes in Rede sowie die Kosten, die zu deren Beseitigung erforderlich waren bzw. von der Klägerin für erforderlich gehalten werden durften. Die Klägerin kann daher diejenigen Kosten ersetzt verlangen, die für die Mangelbeseitigung an der Drainage und der Schotterschicht sowie zur Herstellung eines tragfähigen Untergrundes erforderlich waren.

Zur Höhe der erforderlichen Kosten im Einzelnen:

1.3.1

Die unter Ziffer 1.1 der Anlage K 6 abgerechneten Kosten in Höhe von insgesamt 431,72 € (385,70 € (Bl. 1852) + 46,02 € (Bl. 1853f.)) für die allgemeine Baustelleneinrichtung werden in voller Höhe berücksichtigt. Der Senat verkennt dabei nicht, dass aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fe…. eine Vielzahl von Kürzungen an den insgesamt geltend gemachten Kosten vorzunehmen sind und der Sachverständige deshalb eine anteilige Kürzung auch der für die Baustelleneinrichtung angesetzten Kosten vornehmen will. Aus der Art der vorgenommenen Kürzungen kann vorliegend aber nicht gefolgert werden, dass die Klägerin gravierende zusätzliche Arbeiten im Verhältnis zur Mangelbeseitigung hat ausführen lassen. Vielmehr beruhen die Kürzungen im Wesentlichen auf überhöhten Massen oder zu hohen Einheitspreisen. Die Baustelleneinrichtung selbst war für die Mangelbeseitigung mithin erforderlich.

1.3.2

Von den unter Ziffer 1.2 der Anlage K 6 (Demontage Gleisschwellen / Schienen) abgerechneten Positionen ist ein Gesamtbetrag in Höhe von 6.941,76 € als erforderlich anzusehen.

Dieser Betrag errechnet sich aus den Kosten für einen Hydraulikkran in Höhe von 756,- € netto (Rechnung Bl. 1864), den Kosten für eine Vibrationsplatte in Höhe von 45,15 € (Rechnung Bl. 1866) sowie anteiligen Kosten in Höhe von 6.140,61 € aus der Rechnung der Firma G… (Bl. 1855). Die Beklagte hat die Kosten für Kran und Vibrationsplatte bereits nicht substantiiert bestritten. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die mit Rechnung der Firma G… abgerechneten Kosten in Höhe von 6.140,61 € erforderlich und angemessen sind. Der Senat legt entsprechend der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fe…. folgende Rechnungspositionen zu Grunde:

Ziffer

Änderung gegenüber der Rechnung

Betrag

1.01

 

1.582,35 €

1.02

 

78,33 €

1.03

Nicht erforderliche Leistung

1.04

39,4 m zu 15,94 €/m

628,04 €

1.05

 

765,16 €

1.06

 

765,16 €

1.07

8 Schwellen zu 76,- €

608,00 €

1.08

39,4 m zu 32,71 €/m

1.288,77 €

1.09

Einheitspreis 141,60 €

424,80 €

   

6.140,61 €


Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 06.06.2018 sowie seiner mündlichen Anhörung im Termin vom 11.12.2018 (Bl. 2197) überzeugend ausgeführt, dass die Arbeiten in diesem Umfang zur Mangelbeseitigung erforderlich waren. Zu den Ziffern 1.01 und 1.02 der Rechnung hat er die Leistungen der Baustelleneinrichtung sowie der Herstellung von Trennschnitten als erforderlich angesehen und die Preise für angemessen erachtet. Einwendungen wurden von den Parteien hierzu nicht erhoben. Zur Ziffer 1.03 hat der Sachverständige ausgeführt, dass ein Schälen von Schienenstößen nur dann als erforderlich anzusehen wäre, wenn die unter Ziffer 1.02 abgerechneten Trennschnitte tatsächlich am Schienenstoß ausgeführt worden seien. Dies sei weder erkennbar noch plausibel. Dem ist die Klägerin nicht entgegen getreten, die Position war daher zu kürzen. Hinsichtlich der Position 1.04 hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass für den Ausbau der alten Schienen nur eine Länge von 39,4 m statt der abgerechneten 48,7 m erforderlich gewesen sei. Für die Sanierung des ursprünglich 30 m langen Bauabschnitts sei der Ausbau von insgesamt 8 Schwellen mit einer Länge von je 4,8 Metern (insgesamt 38,4 m) erforderlich gewesen. Dies ergebe sich daraus, dass in dem Bauabschnitt selbst 6 Schwellen mit einer Länge von 28,8 Metern (6 * 4,8 m) gelegen hätten. Für einen ordnungsgemäßen Anschluss an die angrenzenden Abschnitte sei der Ausbau jeweils einer weiteren Schwelle in den Anschlussbereichen erforderlich. Daher ergebe sich die Gesamtmenge von 8 Schwellen und damit eine Länge von 38,4 Metern. Darüber hinaus sei in beiden Übergangsbereichen ein Aufschlag von je 0,5 Metern gerechtfertigt, da die Schiene jeweils einige Dezimeter auf der liegen bleibenden Schwelle zu trennen gewesen sei. Insgesamt ergebe sich daher der von ihm angesetzte Wert von 39,4 Metern. Weitergehende Aufschläge seien nicht gerechtfertigt, der abgerechnete Preis von 15,94 €/m sei angemessen. Die Klägerin ist diesen Ausführungen des Sachverständigen nicht entgegen getreten. Die unter den Ziffern 1.05 und 1.06 abgerechneten Leistungen hat der Sachverständige unter der Prämisse als erforderlich angesehen, dass der Kranbetrieb fortgeführt worden sei. Hierfür habe er auf den Fotos Anhaltspunkte gesehen und die Kosten dementsprechend berücksichtigt. Dem ist die Beklagte nicht entgegen getreten. Hinsichtlich der Ziffern 1.07 und 1.08 ist der Senat aus den Gründen wie zur Ziffer 1.04 den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fe…. gefolgt und hat eine Anzahl von 8 Schwellen bzw. eine Länge von nur 39,4 Metern angesetzt. Zum Preis der unter Ziffer 1.07 abgerechneten Leistung hat der Sachverständige nachvollziehbar erläutert, dass der abgerechnete Preis von 208,49 € pro Stück für das Aufnehmen und Verlegen der vorhandenen Schienen in keinem Verhältnis zu dem bei der Herstellung des Bauabschnitts von der Klägerin angebotenen Preis von 225,99 € pro Stück für Lieferung und Einbau neuer Schienen stehe. In seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige von diesem früheren Preis der Klägerin (225,99 €) Materialkosten (150,- €) in Abzug gebracht und dadurch einen Preis von 76,- € pro Stück für das Verlegen der alten Schienen ermittelt. Für die Ziffer 1.09 hat der Sachverständige den Einheitspreis nur bis zu einem Betrag von 141,60 € als noch angemessen angesehen. Einwendungen wurden hierzu nicht erhoben.

1.3.3

Für die unter Ziffer 2.1 der Anlage K 6 abgerechneten Eigenleistungen setzt der Senat einen Betrag in Höhe von 252,64 € an.

Die Klägerin hat nicht beweisen können, dass die von ihr geltend gemachten Arbeiten zur Herstellung der Sauberkeitsschicht die von ihr angesetzten Kosten in Höhe von 604,32 € (322,88 € + 281,44 €) verursacht haben. Der Sachverständige Dr. Fe…. hat hierzu ausgeführt, dass die Herstellung der Sauberkeitsschicht zwar erforderlich gewesen sei, dafür aber ein Zeitaufwand von 4 Stunden beim Einsatz von zwei Mitarbeitern ausgereicht hätte. Die Stundensätze seien mit nur 35,56 € und 27,60 € anzusetzen, da die Stundensätze der Klägerin überhöht seien. Es sei darüber hinaus nicht erforderlich gewesen, neben einem Werkspolier einen Spezialbaufacharbeiter für diese Arbeiten abzustellen. Ausreichend sei der Einsatz eines Fachwerkers gewesen. Insgesamt ergebe sich daher für diese Arbeiten eine berechtigte Forderung in Höhe von 252,64 € (142,24 € + 110,40 €). Die Klägerin hat gegen diese Ausführungen keine Einwendungen erhoben. Der Senat schließt sich daher diesen überzeugenden Ausführungen an.

Die Klägerin hat weiter nicht beweisen können, dass die mit einem Betrag in Höhe von 944,25 € (504,50 € + 439,75 €) abgerechneten Betonsanierungsarbeiten erforderlich gewesen sind. Der Sachverständige Dr. Fe…. hat hierzu ausgeführt, dass er den Umfang etwaiger Sanierungsarbeiten anhand der Aktenlage nicht beurteilen könne. Es sei zwar grundsätzlich vorstellbar, dass durch Demontage und Wiedereinbau Schäden an den Schwellen auftreten könnten. Dies sei aber nicht abstrakt zu beurteilen. Daher könne die Position nicht als erforderlich angesehen werden. Die Klägerin hat hierzu keine weitere Stellungnahme abgegeben; der Senat konnte diese Position daher nicht berücksichtigen.

1.3.4

Für die unter Ziffer 2.2 der Anlage K 6 abgerechneten Fremdleistungen setzt der Senat einen Betrag in Höhe von insgesamt 7.175,17 € an. Dieser Betrag setzt sich aus den folgenden Einzelpositionen zusammen:

 

Betrag

Beleg

Stahlbetonplatte, HSB Bau

2.421,32 €

Bl. 1870

Beton Sauberkeitsschicht

316,25 €

Bl. 1872

Beton Bodenplatte

2.691,00 €

Bl. 1873

Entwässerungssiebe

101,92 €

Bl. 1879

Drainagewinkel

58,64 €

Bl. 1880

Baustahlmatten

1.473,72 €

Bl. 1881ff.

4 Baustahlmatten

112,32 €

Bl. 1884

 

7.175,17 €

 


Der Sachverständige hat die abgerechneten Leistungen sämtlich als erforderlich angesehen und die Kosten als angemessen erachtet. Substantiierte Einwendungen wurden von den Parteien hierzu nicht erhoben. Soweit der Sachverständige die Rechnung der J… K… KG vom 23.10.2009 (Bl. 1873) mit einem Betrag von 2.591,00 € angesetzt hat, beruht dies ersichtlich auf der schlecht lesbaren Kopie. Von der Klägerin vorgetragen ist ein Betrag von 2.691,00 €, welcher sich auch als Summe der Einzelpositionen ergibt.

1.3.5

Die unter Ziffer 2.3 der Anlage K 6 abgerechneten Kosten in Höhe von 508,76 € (Bl. 1885) für die Verlegung eines Fundamenterders wurden von der Beklagten nicht substantiiert bestritten und sind als erforderliche Mängelbeseitigungskosten zu berücksichtigen.

1.3.6

Die unter Ziffer 2.4 der Anlage K 6 abgerechneten Kosten in Höhe von 320,45 € (Bl. 1889) für die Herstellung von Sollrissfugen hat der Sachverständige Dr. Fe…. in seinem Gutachten als erforderlich bestätigt. Einwendungen gegen diese Feststellungen des Sachverständigen hat die Beklagte nicht erhoben. Die Kosten werden daher berücksichtigt.

1.3.7

Für die unter Ziffer 2.5 der Anlage K 6 abgerechneten Pflasterarbeiten sind Kosten in Höhe von 10.196,18 € als für die Mangelbeseitigung erforderlich anzusehen.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass von den mit der Rechnung der Firma S… & V… abgerechneten Kosten in Höhe von 18.448,02 (Bl. 1891 ff.) ein Anteil von 10.196,18 € für die durchgeführte Mängelbeseitigung erforderlich war. Der Senat legt entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fe…. folgende Rechnungspositionen zu Grunde:

Ziffer

Änderung gegenüber der Rechnung

Betrag

01

Nicht erforderlich

0,- €

02

76,80 lfm zu 9,80 €/m

752,64 €

03

76,80 lfm zu 9,60 €/m

737,28 €

04

84,80 lfm zu 5,60 €/m

474,88 €

05

 

119,20 €

06

 

15,60 €

07

 

103,20 €

08

Zusätzliche Leistung

0,- €

09

76,80 lfm zu 29,- €/m

2.227,20 €

10

115,20 m² zu 13,80 €/m²

115,20 m² zu 6,90 €/m²

2.384,64 €

11

Nicht erforderlich

0,- €

12

78 lfm zu 20,83 €/m

1.624,74 €

13/14

115,20 m² zu 15,25 €/m²

1.756,80 €

15

Nicht erforderlich

0,- €

16

Nicht erforderlich

0,- €

   

10.196,18 €


Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 06.06.2018 sowie seiner mündlichen Anhörung im Termin vom 11.12.2018 (Bl. 2197) überzeugend ausgeführt, dass die Arbeiten in diesem Umfang zur Mangelbeseitigung erforderlich waren.

Die unter Ziffer 01 der Rechnung S… & V…. abgerechnete Räumung der Bearbeitungsfläche kann insgesamt keine Berücksichtigung finden. Der Sachverständige Dr. Fe…. hat in seinem schriftlichen Gutachten zutreffend darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit einer solchen Räumung nicht nachvollziehbar sei. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des von der Klägerin dargelegten Bauablaufs. Danach begann die Firma S… & V…. erst nach den von der Beklagten und der Klägerin selbst ausgeführten Eigenleistungen sowie dem Einbau des Kranbahngleises. Insoweit wird Bezug genommen auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018. Aus welchem Grund zu diesem Zeitpunkt eine gesondert abzurechnende Räumung erforderlich gewesen sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Insoweit könnte es sich dann allenfalls um verbliebene Materialien der Vorarbeiten gehandelt haben, welche von den beteiligten Unternehmen hätten entfernt werden müssen.

Zu den in den Ziffern 02 bis 04 vorgenommenen Kürzungen hat der Sachverständige insbesondere im Rahmen seiner mündlichen Anhörungen seine Berechnungen nachvollziehbar erläutert. Danach genügte für die Sanierung der Drainage die Bearbeitung einer Länge von insgesamt 76,80 m für zwei Drainagerohre. Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, auf beiden Seiten sei für jedes Rohr ein zusätzlicher Übergangsbereich von 75 cm zu berücksichtigen und daher eine Mehrlänge von 3 m zu berechnen, hat der Sachverständige dies für überflüssig erachtet. Unter Bezugnahme auf die seiner Ansicht nach auszutauschenden 8 Schwellen (= 38,4 m, s.o. Ziffer 1.4.2) erläutert er, dass insoweit bereits an jedem Ende eine Schwellenlänge im Bereich des Übergangs zusätzlich berücksichtigt worden sei. Der engere Sanierungsbereich habe nur die Länge von 6 Schwellen betroffen, dies gelte auch für die Drainage. Die Erforderlichkeit der zusätzlichen Schwellen habe darauf beruht, dass bei einer Bodensanierung nicht exakt bis an eine Grenze herangearbeitet werden könne. Werde der Boden bis zum Ende einer Schwelle ausgehoben, sacke zwangsläufig die angrenzende Schwelle ab und müsse ebenfalls ausgebaut werden. Die Länge dieser zusätzlichen Schwelle genüge aber dann problemlos, um die parallel verlaufenden Drainagen ordnungsgemäß einzubauen. Ein weiterer Übergangsbereich sei nicht erforderlich, die abgerechneten 3 zusätzlichen Meter seien daher nicht zu berücksichtigen. Für die Position 04 (Rohre) seien ebenfalls nur die 3 m zu kürzen. Soweit die Position damit umfangreicher ausfalle als die Positionen 02 und 03, beruhe dies auf den Querverbindungen der Drainageleitungen zum Gleis. Der Senat schließt sich dieser umfassend erläuterten Begründung des Sachverständigen an.

Zu den Ziffern 05 bis 07 hat der Sachverständige die Leistungen als erforderlich und die Preise als üblich angesehen. Demgegenüber handle es sich bei den unter Ziffer 08 abgerechneten Kosten um eine zusätzliche und damit nicht erforderliche Leistung. Einwendungen hierzu wurden von den Parteien nicht erhoben. Die Ziffer 09 hat der Sachverständige sowohl hinsichtlich der Masse als auch hinsichtlich des Einheitspreises gekürzt. Die vorgenommene Kürzung der Masse beruht auf den gleichen Erwägungen wie zu den Ziffern 02 und 03. Als Preis hat der Sachverständige maximal 29,- € für üblich erachtet.

Für die unter Ziffer 10 der Rechnung abgerechnete Herstellung einer Tragschicht hatte der Sachverständige Dr. Fe…. in seinem schriftlichen Gutachten eine Fläche von nur 115,20 m² statt der abgerechneten 291,27 m² angesetzt. Während die Klägerin für die Berechnung von einer Länge von 39,90 m und einer Breite von 7,3 m (2 * 1,5 m Beton sowie 1,3 + 3 m Pflaster) ausging, legte der Sachverständige eine Länge von 38,40 m sowie eine Breite von nur 3 m für den gepflasterten Bereich zugrunde. Hinsichtlich der Berechnung der anzusetzenden Länge nimmt der Senat erneut Bezug auf die Ausführungen zu den Ziffern 02 und 03 dieser Rechnung. Die Frage der richtigen Breite wurde mit den Parteien ausführlich im Rahmen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen erörtert. Der Sachverständige Dr. Fe…. hat hierbei ausgeführt, dass grundsätzlich eine entsprechende Tragschicht erforderlich gewesen sei. Entgegen seinen schriftlichen Ausführungen sei eine solche Tragschicht auch im Bereich der Betonschwellen zu berücksichtigen. Diese sei aber in einer unterschiedlichen Stärke ausgeführt worden und habe nur im Bereich der Pflasterfläche eine Tiefe von 40 cm aufweisen können. Die neben dem Krangleis jeweils befindlichen Betonschwellen hätten bereits selbst eine größere Tiefe als das Pflaster gehabt, so dass in diesen Bereichen nur eine Tragschicht von 20 cm erforderlich gewesen sei. Für die Pflasterflächen sei maximal eine Breite von 3 m zu berücksichtigen. Er könne bereits im Ausgangspunkt nicht verstehen, aus welchem Grund die Klägerin auf der einen Seite 1,3 m und auf der anderen Seite 3 m berücksichtigt wissen wolle. Seiner Ansicht nach sei von der in der Mitte liegenden Schiene auszugehen. Anschließend an die jeweils 1,5 m breiten Betonschwellen sei dann noch ein Bereich von bis zu 1,5 m der Pflasterung von der Sanierung betroffen gewesen. Dies ergebe sich unter Berücksichtigung der herzustellenden Baugrube und der hierfür erforderlichen Böschung. Für die Herstellung einer Tragschicht sei daher nur eine Breite von 6 m zu berücksichtigen,  wobei im Bereich der Betonschwellen nur eine 20 cm tiefe Schicht erforderlich gewesen sei. Für die anzusetzende Vergütung ist der Senat daher von einer 3 m breiten und 38,40 m langen Fläche (115,20 m²) mit einem Einbau von 40 cm und einer entsprechend großen Fläche mit nur 20 cm ausgegangen. Dementsprechend hat der Senat für die Fläche unterhalb der Betonschwellen einen reduzierten Einheitspreis von nur 6,90 €/m² angesetzt. Insgesamt ergibt sich für diese Position ein angemessener Preis von 2.384,64 €.

Den unter Ziffer 11 abgerechneten Abtransport von 4 lfm Betonkantsteinen hat der Sachverständige als nicht erforderlich angesehen, da diese Restmengen nicht nachvollziehbar abzugrenzen seien. Die unter Ziffer 12 abgerechnete Neulieferung von entsprechenden Steinen sei erforderlich gewesen, es habe aber eine Menge von 78 lfm genügt. Zu diesen Kürzungen hat die Klägerin nicht substantiiert Stellung genommen, der Senat ist daher den Feststellungen des Sachverständigen gefolgt.

Zu den verbleibenden Positionen 13 bis 16 betreffend alte und neue Pflastersteine hat der Sachverständige ausgeführt, dass nur die Arbeiten der Positionen 13 und 14 zu berücksichtigen seien, dann aber mit der insgesamt anzusetzenden Pflasterfläche von 115,20 m². Für die Berechnung der Fläche wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Zur Begründung hat der Sachverständige ausgeführt, dass allein durch die Sanierung kein Austausch der Pflastersteine erforderlich geworden sei. Etwaige Beschädigungen der alten Steine seien durch andere Ursachen entstanden. Als für die Sanierung erforderlich könne daher nur der Wiedereinbau der alten Steine angesehen werden. Hierfür sei ein Preis von 15,25 €/m² als noch angemessen anzusehen. Insgesamt ergibt sich daher für die Positionen 13 und 14 ein Preis von 1.756,80 €. Die Positionen 15 und 16 können keine Berücksichtigung finden.

1.3.8

Als im Rahmen der Mangelbeseitigung erforderliche Kosten sind weiter die Sachverständigenkosten des Büros M… in Höhe von insgesamt 9.217,30 € zu berücksichtigen (Ziffer 3.1 der Anlage K 6).

Die mit Rechnungen vom 19.11.2009 (Bl. 1898) bzw. 27.01.2010 (Bl. 1897) abgerechneten Kosten in Höhe von 7.057,30 € bzw. 2.160,- € sind im Wesentlichen für Maßnahmen der Bodenuntersuchung, die Ermittlung der Schadensursache, die Untersuchung des ausgebauten RC-Materials, die Erstellung eines Gutachtens sowie verschiedene Überprüfungen der Tragfähigkeit im Rahmen der Sanierung angefallen. Es handelt sich daher grundsätzlich um im Rahmen der Mangelbeseitigung erforderliche und erstattungsfähige Kosten. Soweit die Beklagte gegen die konkret angefallenen Kosten einwendet, dass die Anzahl der (Last-) Plattendruckversuche überhöht und die Untersuchung des ausgebauten RC-Materials unnötig gewesen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin durfte sich insoweit auf die Vorgaben des von ihr eingeschalteten Privatsachverständigen verlassen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 03.11.2017 (Bl. 2048 ff.)

Anteilige Kürzungen an dieser Position sind nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Fe…. nicht vorzunehmen, da sie in keinem Zusammenhang mit denjenigen Arbeiten stehen, welche der Sachverständige Dr. Fe…. als nicht im Rahmen der Mangelbeseitigung erforderlich angesehen hat.

1.3.9

Die unter Ziffer 4.1 der Anlage K 6 abgerechneten Kosten der Bauoberleitung sind in Höhe von 369,77 € zu berücksichtigen. Der Senat hat insoweit die nach den obigen Ausführungen berechtigten Forderungen zu den Ziffern 1.1 bis 2.5 der Anlage K 6 (25.826,68 €) ins Verhältnis gesetzt zu den insoweit geltend gemachten Kosten (37.716,91 €). Die Kürzung der unter Ziffer 4.1 abgerechneten Kosten (540,- €) erfolgte entsprechend.

1.3.10

Insgesamt ergibt sich daher ein Betrag in Höhe von 35.413,75 € wie folgt:

Ziffer 1.1

431,72 €

Ziffer 1.2

6.941,76 €

Ziffer 2.1

252,64 €

Ziffer 2.2

7.175,17 €

Ziffer 2.3

508,76 €

Ziffer 2.4

320,45 €

Ziffer 2.5

10.196,18 €

Ziffer 3.1

9.217,30 €

Ziffer 4.1

369,77 €

 

35.413,75 €


Die Klägerin kann sich gegenüber den vorgenommenen Kürzungen nicht auf das zu ihren Gunsten bestehende Prognoserisiko berufen. Als Fachunternehmen, das die Arbeiten zunächst selbst ausgeführt hatte, kann sich die Klägerin nicht auf die fehlende Erkennbarkeit überhöhter Preise oder unnötiger Leistungen berufen. Vielmehr obliegt es dem Auftraggeber im Rahmen der Nachbesserung, die durchzuführenden Arbeiten sowie die beauftragten Unternehmen sorgfältig auszuwählen.

Hinsichtlich der von den Kürzungen betroffenen Positionen ist davon auszugehen, dass die Klägerin deren (teilweise) Unangemessenheit hätte erkennen können.

1.4

Der Anspruch der Klägerin ist um einen Mitverschuldensanteil in Höhe von 25 % zu kürzen, so dass ein Anspruch in Höhe von 26.560,31 € (75 % von 35.413,75 €) verbleibt.

1.4.1

Ein der Klägerin anzulastendes Mitverschulden ergibt sich aufgrund der fehlerhaft geplanten Drainage. Für die Haftung hinsichtlich dieses Mangels sind dabei die Fehlplanung der Klägerin und der unterlasse Bedenkenhinweis gegeneinander abzuwägen.

Hierfür ist die Regelung des § 254 BGB jedenfalls analog auch beim Nacherfüllungsanspruch zu berücksichtigen. Zwar gilt § 254 BGB unmittelbar nur für die Leistung von Schadensersatz. Als Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgedankens ist er aber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch auf die werkvertragliche Nachbesserung anzuwenden. Insoweit muss sich der Auftraggeber den Umständen nach angemessen an den Mängelbeseitigungskosten beteiligen (BGH, Urteil vom 22. März 1984 – VII ZR 50/82 –, BGHZ 90, 344-354; BGH, Urteil vom 26.02.1981, VII ZR 287/79, NJW 1981, 1448, 1449 m.w.N.). Haften mehrere Unternehmer für Mängel ihrer Gewerke, welche nur einheitlich beseitigt werden können, haften sie insoweit als Gesamtschuldner (vergleiche BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – VII ZR 126/02 –, BGHZ 155, 265-273, zitiert nach juris; Ingenstau/Korbion-Wirth, 20. Auflage, Teil B § 13 Abs. 5 Rn. 378). Dies führt letztlich dazu, dass bei einer Mitverantwortlichkeit der Klägerin für den Mangel deren Verursachungsbeitrag (wie bei einem Gesamtschuldnerausgleich) der Beklagten gutzubringen ist. Dieser Grundsatz der Berücksichtigung eines Mitverschuldens gilt auch im Fall einer unterlassenen Bedenkenanmeldung (BGH, Urteil vom 18.12.1980 – VII ZR 43/80 –, zitiert nach juris). Grundsätzlich besteht die Tendenz, den Verursachungsbeitrag einer vermeidbaren Fehlplanung des Architekten schwerwiegender zu bewerten, als den „bloß“ unterlassenen Bedenkenhinweis des Auftragnehmers. Auch hat es der Bundesgerichtshof für möglich gehalten, dass das Gewicht des Planungsfehlers im Verhältnis zum Ausführungsfehler eines Bauunternehmers derart überwiegen könne, dass der Mitverschuldensanteil des Bauunternehmers ganz zurücktrete (BGH, Urteil vom 19.12.1968, VII ZR 23 / 66). Der BGH hat jedoch wiederholt darauf hingewiesen, dass die Verletzung von Prüf- und Hinweispflicht nicht bagatellisiert werden darf, weil diese in der Regel eine gewichtige Ursache für den Schaden am Bauwerk darstellen (BGH, Urteil vom 27.11.2008, VII ZR 206 / 06, BGH, Urteil vom 24.02.2005, VII ZR 328 / 03). Andererseits kann sich der Auftragnehmer bei unterlassenem Hinweis auf das mitwirkendes Verschulden des Auftraggebers und/oder seines Erfüllungsgehilfen dann nicht berufen, wenn er den fehlerhaften Plan ausführt, obwohl er erkennt, dass der Planungsfehler mit Sicherheit zu einem Mangel des Bauwerks führen muss. Auch dies gebietet der hier in der Grundlage maßgebende Gedanke von Treu und Glauben (so BGH NJW 1973, 518, BGHZ 90,344). (vergleiche Ingenstau/Korbion-Oppler, VOB, 20. Auflage, Teil B § 4 Abs. 3, Rn. 84, 85).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sind die Verursachungsbeiträge der Parteien auf den Mangel der Drainage bezogen als gleichwertig anzusehen. Die fehlerhafte Planung der Klägerin stellt zunächst die grundlegende Ursache des Mangels dar. Die Beklagte als ausführendes Unternehmen hat aber wiederum aufgrund ihrer eigenen Fachkenntnis erkannt, dass die Art der Ausführung die gesamte Gründung in Gefahr bringen kann. Daher stellt es auch ein erhebliches Versäumnis dar, dieses nicht mitzuteilen. Hinsichtlich der weiteren von der Beklagten zu vertretenden Mängel ist ein Mitverschulden der Klägerin nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der Gewichtung der einzelnen Mängel konnten die Sachverständigen keine eindeutigen Angaben machen. So hat der Sachverständige Dr. F…. in seinem Gutachten ausgeführt, dass sämtliche Mängel die Tragfähigkeit des Untergrunds für den Kran beeinträchtigt haben. Eine genaue Abwägung der verschiedenen Verursachungsbeiträge könne er nicht vornehmen, er sehe aber das Hauptproblem in dem fehlerhaften Drainagesystem. Der Senat folgt dieser Einschätzung des Sachverständigen. Es ist insbesondere nachvollziehbar, dass die dauerhaft fehlerhafte Ableitung von Niederschlagswasser zu einer Aufweichung des Bodens und damit einer Schwächung der Tragfähigkeit führt. Unter Anwendung des § 287 ZPO werden daher die Mängel in der Form gewichtet, dass dem Drainagemangel ein Verursachungsbeitrag von 50 % und den beiden anderen Mängeln, nämlich Schottertragschicht und fehlende Tragfähigkeitsuntersuchungen, ein Verursachungsbeitrag von jeweils 25 % zugeschrieben wird. Damit hat die Klägerin aufgrund ihres hälftigen Mitverschuldens für den Drainagemangel einen Anteil von 25 % an den Gesamtkosten zu tragen.

1.4.2

Eine weitere Kürzung der Ansprüche ist nicht wegen etwaiger zusätzlicher Probleme  im tieferen Untergrund gerechtfertigt.

Der Senat verkennt nicht, dass nach Ansicht der Sachverständigen eine weitere Ursache im tieferen Untergrund die aufgetretenen Setzungserscheinungen begünstigt haben kann. Hierfür spricht, dass auch nach der erfolgten Sanierung erneut Probleme aufgetreten sind. Dieser Umstand ändert aber nichts an der grundsätzlichen Haftung der Beklagten für die zur Mangelbeseitigung erforderlichen Arbeiten bzw. die hierfür aufgewandten Kosten. Zum Zeitpunkt der durchgeführten Sanierung war den Beteiligten nicht bekannt, dass ein weiteres Problem im tieferen Untergrund bestehen könnte. Wie bereits ausgeführt, durfte sich die Klägerin daher aufgrund der von ihr veranlassten Untersuchungen darauf verlassen, dass die erkennbaren Mängel des Werks der Beklagten für die aufgetretenen Setzungen verantwortlich waren. Auch der später tätige gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. F…. hat – in Kenntnis möglicher weiterer Ursachen – als wesentliche (Mit-) Ursachen der Setzung die Art der Ausführung der Drainage und die fehlerhafte Ausführung der Schottertragschicht (Bl. 447 und 449) angesehen.

Letztlich bedarf die Frage der Kausalität der Mängel für die eingetreten Setzungen aber auch keiner abschließenden Entscheidung. Unabhängig vom Eintritt eines solchen Schadens war die Beklagte zur Beseitigung der von ihr verursachten Mängel verpflichtet. Diese Haftung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass im tieferen Baugrund ein zusätzliches und von allen Beteiligten zunächst nicht erkennbares weiteres Risiko bestand. Der Klägerin kann nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Fe…. insoweit kein Verschulden vorgeworfen werden. So hat der Sachverständige zwar ausgeführt, dass nach den inzwischen vorliegenden Erkenntnissen die Planung von Anfang an nicht geeignet gewesen sei, die Setzungen zu verhindern. Gleichzeitig haben die Sachverständigen aber festgestellt, dass das Baugrundgutachten M… aus dem Jahr 2008 ordnungsgemäß erstellt worden war und das darauf gründende Leistungsverzeichnis entsprechend nicht zu beanstanden war.

Eine Mithaftung der Klägerin ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei einem nicht erkennbaren Baugrundrisiko um ihren Risikobereich und damit ihre Verantwortung handeln könnte. Unabhängig davon, ob dies im vorliegenden Fall so zu werten wäre, waren die Probleme im tieferen Baugrund nicht ursächlich für die von der Beklagten verursachten Mängel und die zur Mangelbeseitigung durchgeführten Maßnahmen. Eine andere Bewertung könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn bereits bei der ersten Sanierung die weitergehenden Probleme bekannt und mit behoben worden wären. Dies war aber nicht der Fall, ohne dass dies der Klägerin vorgeworfen werden könnte. Ein Grund, die Klägerin in einem weitergehenden Umfang an den Kosten der ersten Sanierung zu beteiligen, liegt damit nicht vor.

1.5

Der Anspruch der Klägerin ist in Höhe von 5.802,86 € im Wege des Vorteilsausgleichs zu kürzen

1.5.1

Der Beklagten sind im Rahmen der von ihr durchgeführten Sanierungsarbeiten als erforderlich anzusehende Kosten in Höhe von 16.290,42 € entstanden.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass von den mit der Anlage BB 4 (Bl. 2047i) abgerechneten Kosten in Höhe von 17.300,20 € ein Anteil von 16.290,42 € für die durchgeführte Mängelbeseitigung erforderlich war. Der Sachverständige Dr. Fe…. hat die von der Beklagten abgerechneten Leistungen überwiegend für erforderlich erachtet und die Preise nicht beanstandet. Der Senat geht daher insoweit nur auf die problematischen Punkte ein.

Der Sachverständige hat die für die Planumsverdichtung anzusetzende Fläche mit überzeugender Begründung auf 105 m² reduziert. Die Beklagte hat ihre diesbezüglichen Einwendungen im Rahmen der mündlichen Anhörung fallen lassen. Für diese Position wurde daher nur ein Betrag von 220,50 € (statt 242,76 €, Differenz: 22,26 €) angesetzt. Soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten die Kosten um 300,- € für den An- und Abtransport des Minibaggers gekürzt hat, folgt der Senat dieser Begründung nicht. Der Geschäftsführer der Beklagten hat im Rahmen der mündlichen Sachverständigenanhörung überzeugend geschildert, dass die zuletzt senkrecht ausgeführte Tieferschachtung nur durch einen in die Baugrube hineinfahrenden Minibagger hätte ausgeführt werden können. Der Sachverständige Dr. Fe…. hat hierzu zwar nachvollziehbar ausgeführt, dass diese Art der senkrechten Ausschachtung im konkreten Fall nicht fachgerecht gewesen sei und vielmehr mit dem vorhandenen Bagger eine von der Seite ausgeführte Ausschachtung mit Böschung richtig gewesen wäre. Gleichzeitig hat der Sachverständige aber die Behauptung der Beklagten bestätigt, dass bei diesem Vorgehen die Baugrube zusätzlich hätte vergrößert werden müssen, mithin erhebliche Zusatzkosten entstanden wären. Vor diesem Hintergrund ist eine Kürzung der für den Einsatz des Minibaggers angefallenen Kosten nicht gerechtfertigt. Auch hinsichtlich der im schriftlichen Gutachten wegen der unklaren Kubatur als fraglich bezeichneten Positionen für die Tieferschachtung besteht nach der Anhörung kein Anlass für eine Kürzung. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Ergänzungsfrage die der angesetzten Kubatur zugrundeliegenden Maße dargelegt. Diesen ist die Klägerin nicht entgegen getreten. Der Sachverständige wiederum hat die Angaben für plausibel erachtet, auch wenn er deren Richtigkeit nicht mehr überprüfen konnte. Vor diesem Hintergrund hätte es der Klägerin oblegen, die von der Beklagten behaupteten Maße substantiiert zu bestreiten. Die Positionen Nachverdichtung des Kiesplanums (180,- €), Baggerstillstand (290,- €), Anlieferung Split (184,32 €) sowie Anlieferung Beton fein (333,20 €) hat der Sachverständige mit überzeugenden Begründungen als nicht erforderlich angesehen. Die Nachverdichtung des Kiesplanums sei nicht erforderlich, da in der vorherigen Position bereits das Verdichten des einzubauenden Kieses enthalten sei. Der Anlass für den Baggerstillstand sei nicht hinreichend nachzuvollziehen und daher nicht zu berücksichtigen. Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Anlieferung von Split bzw. Beton könne er anhand der Abrechnung nicht zuordnen, wo diese Mengen eingebaut worden seien sollen. Zu einem denkbaren Einbau unterhalb der Kranbahnschwellen würden die abgerechneten Mengen nicht passen. Daher könnten diese Positionen keiner konkreten Mangelbeseitigungsmaßnahme zugeordnet werden. Gegen diese Feststellungen des Sachverständigen hat die Beklagte keine Einwendungen erhoben, insbesondere keine weitergehenden Erläuterungen zu den Positionen abgegeben.

Unter Berücksichtigung der dargestellten Kürzungen des Sachverständigen in Höhe von 1.009,78 € (22,26 € + 180,- € + 290,- € + 184,32 € + 333,20 €) ergeben sich daher zu berücksichtigende Kosten der Beklagten in Höhe von 16.290,42 €.

1.5.2

In Höhe von 2.307,- € handelt es sich um von der Klägerin zu 100 % zu tragende Sowieso-Kosten. Hierbei handelt es sich um diejenigen Kosten, welche für die im Verhältnis zur ursprünglichen Sohle erfolgte Tieferschachtung angefallen sind. In diesem Zusammenhang sind Kosten in Höhe von 300,- € für den An- und Abtransport des Minibaggers, 177,- € bzw. 486,- € für die aufgenommenen 30m³ Lehmboden sowie 1.344,- € für den eingebauten Schotter angefallen, insgesamt 2.307,- €. Weitere Sowieso-Kosten sind weder ersichtlich noch von der Beklagten substantiiert dargelegt.

Hinsichtlich der restlichen Sanierungskosten in Höhe von 13.983,42 € haftet die Klägerin mit dem ihr anzulastenden Anteil von 25 %. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Dies entspricht einem Betrag von 3.495,86 €.

Insgesamt ergibt sich daher der vorzunehmender Vorteilsausgleich in Höhe von 5.802,86 €.

1.6

Es verbleibt daher ein berechtigter Anspruch der Klägerin in Höhe von 20.757,45 € (26.560,31 € – 5.802,86 €).

2.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte weiter ein Anspruch auf Zahlung von 28.166,90 € als Schadensersatz an die Streithelferin zu 7) aus § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B zu.

2.1

Die Klage ist auch insoweit zulässig. Insbesondere ist die Klägerin zur Geltendmachung des Mietausfallschadens der Streithelferin zu 7) im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft berechtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine gewillkürte Prozessstandschaft eine wirksame Ermächtigung des Prozessstandschafters zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des Rechtsinhabers sowie ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an dieser Rechtsverfolgung voraus. Ein solches ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage hat, und kann auch wirtschaftlicher Natur sein (BGH, Urteil vom 23. September 1992 – I ZR 251/90; BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 – VII ZR 34/93; BGH, Urteil vom 10. November 1999 – VIII ZR 78/98; BGH, Urteil vom 13. November 2001 – X ZR 134/00; BGH, Urteil vom 13. Februar 2008 – VIII ZR 105/07; BGH, Urteil vom 27. November 2014 – I ZR 124/11; BGH, Urteil vom 11. Mai 2016 – XII ZR 147/14). Vorliegend ist die Streithelferin zu 7) dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Außerdem hat sie sich dem Antrag gerichtet auf Zahlung an sie angeschlossen und die Klägerin jedenfalls damit zur Geltendmachung ermächtigt. Ein Interesse der Klägerin ist ebenfalls gegeben, da sie sich einem entsprechenden Anspruch der Streithelferin zu 7) ausgesetzt sieht.

2.2

Hinsichtlich des Vorliegens von Mängeln der Werkleistung wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1 Bezug genommen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen waren die Mängel mitursächlich für die Setzung des Gleises. Unabhängig davon handelt es sich bei dem geltend gemachten Mietausfall um denjenigen Zeitraum, welchen die Mangelbeseitigung in Anspruch genommen hat. Die Mangelbeseitigung wäre vorliegend – wie ausgeführt – aber auch unabhängig vom Eintritt des tatsächlichen Schadens erforderlich gewesen. Der Beklagten ist jedenfalls fahrlässiges Verhalten hinsichtlich der festgestellten Mängel vorzuwerfen. Im Wege der Drittschadensliquidation kann die Klägerin daher den Mietausfall der Streithelferin zu 7) geltend machen. Die Klägerin hat hierzu schlüssig dargelegt, dass der auf dem fraglichen Gleis eingesetzte Peiner-Kran sowie die zugehörige Fläche im Zeitraum der Sanierungsarbeiten tatsächlich vermietet gewesen seien und die Nutzung des Krans für den Zeitraum vom 18.09.2009 bis zum 22.10.2009 (35 Kalendertage) nicht möglich gewesen sei. Den errechneten Mietausfall in Höhe von 37.555,86 € hat die Klägerin anhand der mit der Mieterin vereinbarten Jahresmieten nachvollziehbar errechnet (vgl. Bl. 1960) und die entsprechende Erstattung durch Vorlage von Gutschriften (Bl. 1970 ff.) belegt. Der Anspruch der Klägerin ist um den Anteil ihres Mitverschuldens (25 %) zu kürzen, so dass sich ein berechtigter Anspruch in Höhe von 28.166,90 € ergibt.

Auf eine Haftungsbegrenzung wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 2 VOB/B kann sich die Beklagte nicht berufen. Diese hat durch den Einbau der zu dünnen Schottertragschicht jedenfalls gegen die vertraglichen Regelungen verstoßen (§ 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 2 b VOB/B). Die zu dünne Schottertragschicht, der Einbau der Drainage und die fehlenden Lastdruckversuche stellen zudem Verstöße gegen die anerkannten Regeln der Technik dar (§ 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 2 a VOB/B).

3.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 1 und 2, 288 Abs. 2 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, ist nicht ersichtlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert wird auf 84.603,07 EUR festgesetzt.

OLG München – Az.: 28 U 732/11 Bau – Urteil vom 10.12.2013 zu der Auffassung, der Baugrund sei vom Auftraggeber gestellter Baustoff, für dessen Beschaffenheit stets der Auftraggeber einzustehen habe

OLG München – Az.: 28 U 732/11 Bau – Urteil vom 10.12.2013 zu der Auffassung, der Baugrund sei vom Auftraggeber gestellter Baustoff, für dessen Beschaffenheit stets der Auftraggeber einzustehen habe

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Auffassung, der Baugrund sei vom Auftraggeber gestellter Baustoff, für dessen Beschaffenheit stets der Auftraggeber einzustehen habe, ist unzutreffend.

2. Auch wenn es um Bauverträge geht, deren Durchführung und Erfüllung von möglicherweise ungeklärten Bodenverhältnissen abhängen, sind die Hauptpflichten aus dem geschlossenen Werkvertrag entscheidend und somit vorrangig zu bestimmen.

3. Ein spezifisches Baugrundrisiko, das bedeuten würde, dass der Auftraggeber für dessen wie auch immer geartete Verwirklichung stets einzustehen hätte, gibt es nicht.

4. Auch öffentliche Auftraggeber können Verträge abschließen, die die Überbürdung eines sog. Bodenrisikos beinhalten.

OLG München – Az.: 28 U 732/11 Bau – Urteil vom 10.12.2013

Gründe

A

Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin wegen eines von der Beklagten nach Nichtziehbarkeit von Bohrrohren nicht fertiggestellten Trinkwasserbrunnens, wegen eines bei der Bohrung verursachten Ölschadens, sowie wegen der Rückzahlung von Werklohn.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts München II vom 26.01.2011 wird Bezug genommen.

Ergänzend ist auf den Vortrag der Beklagten in erster Instanz zu verweisen, in dem sie der Ansicht ist, dass eine freie Kündigung durch die Klägerin gegeben sei und diese daher keinen Schadensersatzanspruch habe. Die Nichtherbeiführung des Erfolges habe im Verantwortungsbereich der Klägerin gelegen, weil der Baugrund nicht erkennbare Anomalien aufgewiesen habe. Im Schiedsgutachten liege keine Schuldzuweisung an die Beklagte im Sinne von § 276 BGB vor. Für den Baugrund trage allein die Klägerin die Verantwortung gem. § 13 Nr. 3 VOB/B. Den Nachweis für das Vertretenmüssen habe zudem die Klägerin zu führen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 64.121,46 € zuzüglich Zinsen verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, welcher der Klägerin durch Sanierung und Fertigstellung des Brunnens am … in …, auch im Falle einer Neubohrung, entsteht.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Das Urteil des Landgerichts sei fehlerhaft. Es handle sich um ein Überraschungsurteil, welches keinerlei Berechnung enthalte. Ein Vertretenmüssen bzw. Verschulden der Beklagten liege nicht vor. Das Landgericht habe die Beweislast verkannt und es gebe keinen bindenden Schiedsgutachterausspruch. Daher sei eine Beweisaufnahme geboten. Die Feststellungen des Sachverständigen seien auch anders zu verstehen, als vom Landgericht angenommen. Eine Neubegutachtung sei zwingend erforderlich.

Ein öffentlicher Auftraggeber dürfe das Baugrundrisiko auch nicht abwälzen. Begrifflich sei bei der Verwirklichung des Baugrundrisikos jegliches Verschulden ausgeschlossen. Die vertraglichen Regelungen, insbesondere die Einbeziehung der VOB/C und damit der ATV DIN 18 301 zur Frage der Ziehbarkeit der Rohre, sei nicht berücksichtigt worden. Ein Verschulden der Beklagten sei nicht nachgewiesen, zumal beim Ziehen der Rohre nichts falsch gemacht werden könne. Das Landgericht habe § 4 Nr.7 VOB/B falsch angewendet. Die gesamte Bohrung sei erbracht worden, insbesondere auch die Maßnahmen zum Ziehen des festsitzenden Rohres. Gemäß § 645 Abs. 1 BGB bestehe ein Vergütungsanspruch und infolgedessen kein Rückzahlungsanspruch der Klägerin.

Bei der neuen Bohrung seien unnötig hohe Kosten verursacht werden, denn es hätte ohne weiteres der Brunnen in die von der Beklagten gefertigte Bohrung eingebracht werden können. Es liege insoweit auch ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor, weil allenfalls Kosten in Höhe von 50.000 € berechtigt wären.

Die Klägerin habe durch den Ausbau der Rohre auch den Beweis für die Ursache des Feststeckens vereitelt. Schließlich sei in der Kostenentscheidung die Teilerledigung nicht berücksichtigt worden.

Die Beklagte beantragt:

1.

Das Urteils des Landgerichts München II, Aktenzeichen 5 O 4065/10 Bau, vom 26.01.2011 wird aufgehoben.

2.

Die Klage wird abgewiesen und unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens der Rechtsstreit an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts. Die Beklagte habe durch ungenügendes Arbeitsmaterial und fehlerhafte Vorgehensweise die Havarie zu vertreten.

Nach Ausbau des Brunnens und Beendigung der Arbeiten durch einen anderen Unternehmer mit Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage beantragt sie nunmehr: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 190.479,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz aus 64.121,46 € vom 11.8.2010 – 10.12.2011 und aus 190.479,95 € seit dem 11.12.2011 sowie vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 5.469,24 € zu bezahlen.

Hierzu beantragt die Beklagte, Klageabweisung.

Die Klägerin macht kündigungsbedingte Mehrkosten in Höhe von 190.479,95 € geltend. In die Berechnung hat sie auch eine Rückforderung der an die Beklagte geleisteten Zahlungen in Höhe von 64.022.- € einbezogen (zur Berechnung vgl. Anlage BB 2). Die Kündigung sei berechtigt gewesen, da die Beklagte den Brunnen nicht erstellt habe. Dies habe sie auch zu vertreten.

Der Senat hat das Schiedsgutachten für ergänzungsbedürftig erachtet. Nachdem sich herausgestellt hat, dass der Schiedsgutachter verstorben war, haben die Parteien die Schiedsgutachtenvereinbarung aufgehoben.

Der Senat hat sodann Beweis erhoben durch Beauftragung des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für das Brunnenbauerhandwerk Dipl.-Ing. … . Auf dessen Gutachten vom 16.11.2012, 30.3.2013 sowie 08.09.2013 wird verwiesen.

Hierzu hat die Klägerin jeweils Stellungnahmen ihrer Bauleiters Dr. …, welcher öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Hydrogeologie, Erkundung, Beurteilung und Erschließung von Grundwasser ist, vom 22.01.2013, 19.02.2013, 14.05.2013 und 27.09.2013, vorgelegt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.10.2013 wurde der Sachverständige … angehört. Auf das Protokoll wird hinsichtlich seiner Angaben verwiesen.

Die Parteien haben zur Anhörung des Sachverständigen mit Schriftsätzen vom 21.01.2013 und 11.11.2013 Stellung genommen.

B

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung, hat in der Sache überwiegend Erfolg.

Lediglich hinsichtlich der unstreitigen Rechnung betreffend den Ölschaden/Dr. … ist die Klage begründet. Im Übrigen war das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen

I Ölschaden

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz des ihr durch den von der Beklagten verursachten Ölschaden an der Bohrstelle gem. § 4 Abs. 7 Satz 2 VOB/B.

2. Die Beklagte hat die entsprechende Rechnung in Höhe von 2.758,61 € anerkannt.

3. Der Zinsanspruch ergibt sich insoweit aus §§ 291, 288 BGB.

4. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind nicht zuzusprechen, da nicht ersichtlich ist, wann die Rechnung vom 07.10.2010 vor Klageerhebung angemahnt worden sein soll.

II Mehrkosten für die Brunnenfertigstellung

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B i.V.m. § 4 Nr. 7 VOB/B oder auf Rückzahlung des entrichteten Werklohns.

Zwar liegen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 7 Satz 2 und 3 VOB/B, nämlich Fristsetzung und Androhung der Auftragsentziehung nach fruchtlosem Fristablauf und sodann die Kündigung vor (§ 8 Nr. 3 VOB/B).

Der entstandene Schaden steht jedoch nicht adäquat kausal im Zusammenhang mit einer mangelhaften oder vertragswidrigen Leistung.

Soweit der Beklagte Pflichtverletzungen anzulasten sind, sie also vertragswidrig geleistet hat, stehen diese nicht im gebotenen Kausalzusammenhang mit dem entstandenen Schaden.

Im Übrigen hat die Beklagte den Mangel, nämlich die Nichtfertigstellung des Trinkwasserbrunnens, nicht zu vertreten.

Sie konnte insoweit das gesetzlich vermutete Verschulden nach Beweisaufnahme widerlegen.

1. Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung

a) Die Beklagte hat sich entsprechend dem Angebot (Anlage K 1) vertraglich verpflichtet, entsprechend der Leistungsbeschreibung einen Förderbrunnen zur Gewinnung von Trinkwasser mit Kurz- und Dauer-Pumpversuch für die Klägerin zu erstellen.

In den Besonderen Vertragsbedingungen ist unter Ziffer 13 bestimmt, dass Bohrungen, die aufgrund von schwierigen Untergrundverhältnissen oder aus bohrtechnischen Gründen aufgegeben werden müssen, nicht vergütet werden.

Angaben zu den zu erwarteten Untergrundverhältnissen wurden laut Besonderer Vertragsbedingung nach bestem Wissen gemacht. Sie sollen nur der Information dienen und nicht Vertragsgrundlage sein. In der Leistungsbeschreibung ist vermerkt, dass die Angaben zu den Untergrundverhältnissen bis zur Endteufe von ca. 75 m auf einer Versuchsbohrung beruhen. Es wurde darauf hingewiesen, dass es sich um unverbindliche Schätzwerte handelt. Für die Tiefe von 73,3 m wurde dabei der Untergrund mit schluffig mit Einlagen von Sand und Nagelfluh im dm-Bereich beschrieben.

Vorgeschrieben wurde den Bietern die Art der Niederbringung des Brunnens, nämlich durch Trockenbohrung mit Hilfsverrohrung.

Im Leistungsverzeichnis ist ein Bohrdurchmesser zunächst mit mindestens 1200 mm bis ca. 52 m unter Geländeoberkante, sodann mit mindestens 900 mm bis zur Endteufe gefordert mit Hilfsverrohrung. Bei den für die Bauausführung und Abrechnung geltenden Vertragsbedingungen ist auch die DIN 18301-Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen/Bohrarbeiten genannt.

b) Die Beklagte hatte es somit übernommen, einen Trinkwasserbrunnen entsprechend der Leistungsbeschreibung und den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses bei den zu erwartenden Untergrundverhältnissen herzustellen.

Dabei war für ein Fachbauunternehmen ersichtlich, dass es sich um eine anspruchsvolle, tiefe Bohrung in schwierigen geologischen Verhältnissen handelt. Zudem musste die Beklagte mit Schichtwasserzutritt in kiesigen oder sandigen Lagen und ab der Tiefe von ca. 51 bis 52 m unter Geländeoberkante durchgehend mit Grundwasser führendem Untergrund rechnen. Auch musste sie damit rechnen, dass entsprechend der Versuchsbohrung Nagelfluh zu erwarten war.

Gleichzeitig hatte sie sich auf die geforderten Bohrlochdurchmesser einzustellen, um in der Lage zu sein, die Leistung entsprechend der Ausschreibung und damit vertragsgerecht zu erbringen.

Diesen Anforderungen entsprechend musste sie ihre Leistung kalkulieren, planen und erbringen.

Hierfür hat sie das vertragliche Risiko übernommen. Sie musste also in der Lage sein, die zu erwartenden Bodenverhältnisse zu meistern.

c) Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte darüber hinaus ein unerwartetes, also von ihr nicht beeinflussbares, Risiko übernommen hat, ergeben sich weder aus dem Vertrag noch aus den Umständen.

Von einer derartigen vertraglichen Vereinbarung kann nicht ausgegangen werden.

aa) Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 20.08.2009 (VII ZR 205/07; BauR 2009,1724 ff) der sogenannten Lehre vom (spezifischen) Baugrundrisiko eine Absage erteilt.

Die Auffassung, der Baugrund sei vom Auftraggeber gestellter Baustoff, für dessen Beschaffenheit der Auftraggeber stets einzustehen habe und woran auch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen und die funktionale Ausrichtung eines Werkvertrags nichts ändern könnten, kann nicht nur keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen, sondern ist vielmehr unzutreffend.

Auch wenn es um Bauverträge geht, deren Durchführung und Erfüllung von gegebenen, möglicherweise ungeklärten Bodenverhältnissen abhängen, sind die Hauptpflichten aus dem werkvertraglichen Verpflichtungsvertrag entscheidend und somit vorrangig zu bestimmen.

Ein spezifisches Baugrundrisiko, welches bedeuten würde, dass der Auftraggeber für dessen, wie auch immer geartete Verwirklichung stets einzustehen hätte, ist nicht existent.

Entscheidend sind vielmehr der Inhalt des vereinbarte Bausolls bzw. Bauziels und der vom Auftraggeber hierfür geschuldete Werklohn, also die getroffenen, rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen und die konkreten Umstände des Einzelfalles (BGH VII ZR 205/07 Rz 77, zit. nach juris, unter Hinweis auf Kuffer, NZ Bau 2006,1 ff.)

bb) Aus der Vertragsautonomie folgt, dass es den Vertragspartnern frei steht, jegliches Wagnis zu vereinbaren (Kuffer a.a.O., S. 6 unter Hinweis auf das sogenannte Kammerschleusenurteil, BGH NJW 1997,61).

Auch öffentliche Auftraggeber können Verträge abschließen, die die Überbürdung eines sogenannten Bodenrisikos beinhalten (so auch Althaus, Heindl, Der öffentliche Bauauftrag, Vergabe und Ausführung von Bauleistungen nach VOB Teile A, B und C, 2. Aufl., ibr-online, Stand 18.09.2013, Rz 77 ff). Zur Bestimmung dessen, was Vertragsinhalt ist und wie die Risikozuordnung zu sehen ist, sind alle Vertragsbestandteile heranzuziehen. Dazu gehören insbesondere auch die Regelungen der VOB/C, soweit diese, wie hier durch Vereinbarung mit der VOB/B, wirksam vereinbart worden sind.

Damit war die Beklagte zunächst zur Leistungserbringung wie oben unter II.2. dargestellt, verpflichtet.

d) Soweit in der Leistungsbeschreibung eine Klausel enthalten ist, wonach Bohrungen, die aufgrund von schwierigen Untergrundverhältnissen oder aus bohrtechnischen Gründen aufgegeben werden müssen, samt Material nicht vergütet werden, wird von der auch unter den Vorschriften unter Ziffer 5.1 der Leistungsbeschreibung genannten DIN 18 301 VOB/C abgewichen.

Die Klausel ist nicht schon wegen der Abweichung von der genannten Norm unwirksam, sondern deswegen, weil sie den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt.

aa. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 6 VOB/A hat der Auftraggeber in der Ausschreibung die Bodenverhältnisse so zu beschreiben, dass der Kreis der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen kann. AGB-widrig sind Klauseln in Ausschreibungs- und Vertragsbedingungen des Auftraggebers nur dann, wenn eine unangemessene Überwälzung auf den Bieter und späteren Auftragnehmer erfolgt (Kratzenberg in Ingenstau/Korbion VOB 18. Aufl.2013, zu § 7 VOB/A Rz 54 f).

bb. Versetzt die Klausel einen Bieter ohne weiteres in die Lage, die erkennbaren Risiken in seine Kalkulation einzupreisen, kann sie Bestand haben.

Hiervon ist im vorliegenden Fall hingegen nicht auszugehen. Es liegt eine unangemessene Benachteiligung vor.

Grundsätzlich liegt das Ausführungsrisiko beim Auftragnehmer. Die Beklagte soll nach der Vertragsbestimmung jedoch verschuldensunabhängig für Bohrungen, samt verlorenem Gerät, keine Vergütung erhalten, wenn diese aufgrund von schwierigen Untergrundverhältnissen oder aus bohrtechnischen Gründen aufgegeben werden müssen.

Eine solche Regelung widerspricht wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Normierung, von der abgewichen werden soll, also hier u.a. hinsichtlich der Vergütung (§ 645 BGB, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Gleichzeitig stellt die Klausel einen wesentlichen Eingriff in § 13 Abs. 3 VOB/B dar, so dass die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart ist und es zur AGB- Kontrolle kommen kann (Ganten in Beck‘scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013, § 13 Abs. 3 Rz 69).

e) Selbst wenn die Klausel Bestand haben sollte, würde sie lediglich eine Bestimmung enthalten, die es ermöglicht, der Beklagten den Werklohn und die Vergütung für ihr verlorenes Material zu versagen.

Sie würde hingegen nicht ein verschuldensunabhängiges Einstehen für die Fertigstellung oder Neubohrung des Brunnens enthalten.

f) Ersichtlich ist jedoch auch die Klägerin nicht davon ausgegangen, dass die Beklagte vertraglich die Verwirklichung von Risiken übernommen hat, die ohne Verschulden eines Vertragspartners sich unerwartet und unbeeinflussbar aus den Verhältnissen im Boden verwirklichen.

In der Schiedsgutachtervereinbarung vom 25./27.06. 2008 (Anlage K 11) haben die Parteien vereinbart, ihre unterschiedlichen Auffassungen zur Frage, ob die Nichtziehbarkeit der Rohre auf einer Schlechtleistung beruht oder durch widrige Bodenverhältnisse veranlasst ist, klären zu lassen.

Damit ist offensichtlich auch die Klägerin davon ausgegangen, dass die Beklagte nur für Umstände einzustehen hat, die sie auch zu vertreten hätte.

g) Ein Baugrundrisiko, unter dem das Wagnis zu verstehen ist, dass ohne Verschulden eines Vertragspartners die angetroffenen, geotechnischen Verhältnisse die Leistungserbringung erschweren oder verhindern, hat die Beklagte vertraglich nicht übernommen.

2. Pflichtverletzung, Kausalzusammenhang, Verschulden

Die Beklagte hat ihre Leistungen teilweise vertragswidrig erbracht und darüber hinaus mit unzureichendem Arbeitsgerät gearbeitet.

Indessen haben diese Umstände nicht kausal zur Havarie der Bohrung, der Nichtziehbarkeit der Bohrrohre, der Nichtfertigstellung des Brunnens und des daraus entstandenen Schadens geführt.

a) Der Senat stützt sich bei der Beurteilung der technischen Fragen auf die Gutachten des Sachverständigen …, der unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Schiedsbegutachtung, soweit dieses nicht mit realen Gegebenheiten in Widerspruch stand, seine Feststellungen getroffen hat.

Dabei war zu berücksichtigen, dass der Sachverständige im Gegensatz zum Schiedsgutachter auch den Wissensstand nach Ziehung der havarierten Bohrrohre (Gutachten vom 16.11.2012, S. 2-5; Begutachtung der gezogenen Rohre, Auswertungen der getätigten Arbeiten samt Arbeitsberichten des weiteren Unternehmens Abt Wasser und Umwelttechnik GmbH, Feststellungen des Tauchunternehmens, Kamerabefahrung, Gutachten vom 30.03.2013, S. 22 ff) mit einbeziehen konnte.

Bei der Beurteilung der technischen Fragen waren auch die gutachtlichen Stellungnahmen des Bauleiters der Klägerin einzubeziehen und mithilfe des gerichtlichen Sachverständigen dessen Einwände zu bewerten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung wurden sämtliche Einwände gegen die Gutachten des Sachverständigen … erörtert.

Die Stellungnahmen der Parteien zur Anhörung des Sachverständigen waren ebenfalls zu berücksichtigen.

b) Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens … ist davon auszugehen, dass der Grund für die Nichtziehbarkeit der Bohrrohre das Verkeilen der Bohrkrone mit dem anstehenden Gebirge im Bereich des Bohrrohrschuhs war und dieser Umstand nicht ursächlich von der Beklagten zu verantworten ist.

Weiterhin war nach den Feststellungen des Sachverständigen das Feststecken der Bohrrohre weder bei der Kalkulation noch bei der Durchführung der Arbeiten vorhersehbar.

aa) Der Sachverständige hat sich mit dem Schiedsgutachten in nachvollziehbarer und überzeugender Weise auseinandergesetzt und dessen wesentliche Widersprüche zu realen Gegebenheiten aufgezeigt.

Dem Senat ist es daher verwehrt, seine Entscheidung auf das Schiedsgutachten zu stützen.

(1) Der Sachverständige … teilt die Einschätzung des Schiedsgutachters nicht, der festgestellt haben will, dass das geologische Schichtenprofil der beiden Bohrungen, bis auf wenige Zentimeter deckungsgleich ist und deshalb nicht ersichtlich sei, dass die anstehenden Schichtenfolgen für das Festsitzen der Bohrrohre in Betracht kommt (Anlage K 14).

Der Sachverständige … hat darin einen Widerspruch zu den realen Gegebenheiten gesehen, weil im Bohrprofil der Brunnenbohrung zwischen 70,40 und 70,70 m die Bodenschicht Nagelfluh benannt wird, in der Versuchsbohrung die Nagelfluhschlicht jedoch zwischen 70,90 Metern und 71,0 m, sowie zwischen 71,60 und 72,0 Meter angesprochen wird.

Dieser Widerspruch ist aus der Zeichnung des Bauleiters Dr. …, beigegeben dem Schiedsgutachten (Anlage K 14, S.6), zu entnehmen.

Aus diesem Grunde könne die Nagelfluhschicht für das Festwerden der Bohrrohre tatsächlich in Betracht kommen.

(2) Der Sachverständige ist auch der Auffassung des Schiedsgutachters nicht gefolgt, wonach Beschädigungen der Verbindungsbolzen nur durch die Verrohrungsmaschine (im Folgenden: HVM) oder Lastfälle von 500 oder 720 t technisch nicht möglich seien.

Er hat festgestellt, dass dabei der tatsächlich vorliegende Lastfall für die Verbindungbolzen nicht berücksichtigt worden sei. Dem Schiedsgutachten (Anlage K 14, S. 6) ist eine Schnittdarstellung des Bauleiters Dr. … der eingebauten Bohrrohre beigegeben. Hierauf ist zu erkennen, dass mit den Bohrrohren mit 880 mm Außendurchmesser bis zur Tiefe von ca. 52 m innerhalb einer vorab eingebrachten Verrohrung mit einem Durchmesser von 1100 mm gearbeitet wurde (sogenannte teleskopierte Verrohrung). Dadurch entsteht ein freier Ringraum zwischen den 880 und den 1100 mm Rohren. Im Zuge der Bohrarbeiten wird mit der HVM von oben starker Druck bei gleichzeitiger horizontaler Drehbewegung aufgebracht. Durch die gleichzeitige, wegen des freien Ringraums mögliche Seitenbewegung, entstehen Biegedruckkräfte. Durch diesen Lastfall ist das Lösen der Schraubbolzen nur durch die HVM möglich (Gutachten vom 30.3.2013, S. 2, Gutachten vom 16.11.2012, S. 8).

(3) Der Sachverständige … hat auch folgende weitere Feststellung des Schiedsgutachters in Widerspruch zu realen Verhältnissen gesehen:

„Andererseits wird deutlich, dass von Beginn an und mit zunehmender Tiefe die technischen Schwierigkeiten beim Herstellen und Verrohren der Bohrung nicht bewältigt wurden und diese nicht ursächlich im geologischen Aufbau der Bohrung zu suchen sind,…“

Nach Auffassung des Sachverständigen steht dies in eindeutigem Widerspruch mit der ebenfalls vom Schiedsgutachter aufgeführten Darstellung, dass die Bohrung bis zur vorgesehenen Endtiefe von 75 m durchgeführt wurde (Gutachten vom 30.3.2013, S.3).

Für den Senat wiederum war diese, in sich unverständliche, nicht nachvollziehbare, vom Landgericht jedoch ungeprüft übernommene und der Entscheidung zugrunde gelegte, Aussage Anlass dafür, eine Ergänzung des Schiedsgutachtens für erforderlich zu halten.

(4) Der Sachverständige ist auch der Annahme im Schiedsgutachten entgegengetreten, dass das Festwerden der Rohre nach 2,50 m durch von in den Ringraum 800 mm / 500 mm eingebrachten Kies zuerst verdrängtes und sodann über den Rohrschuh in den Ringspalt 880 mm / 900 mm eingespültes Bohrklein, im Sinne einer Fangbirne, verursacht worden ist.

Der Sachverständige hat hierzu festgestellt, dass der eingebrachte Kies mit der Körnung 3,15 – 5,6 mm nicht in der Lage ist, Sand oder gar Kieskörner unter Wasser mit einem derart starken Auftrieb zu verdrängen, dass diese durch den Bereich des Bohrschuhs nach oben in den Ringspalt zwischen Bohrrohr und Bohrlochwand von unten nach oben eingespült oder sogar gepresst werden. Kleinere Partikel wie Schluff oder Ton seien nicht in der Lage, in derart geringer Menge eine so starke Verkeilung des Bohrschuhs zu verursachen, dass dieser nicht mehr nach unten zu drücken gewesen sein soll (Gutachten vom 30.3.2013, S.3). Zudem wurden die Bohrrohre laut Tagesbericht vom 28.1.2008 vor dem Einbau der Brunnenrohre bewegt und ausgegreifert. Ein weitergehendes Ausschlämmen von feinen Partikeln wird nach den anerkannten Regeln der Technik (DVGW Arbeitsblätter W 115 und W123) nicht gefordert (Gutachten vom 16.11.2012, S.9/10).

bb) Somit ist von den weiteren Feststellungen des Sachverständigen …, der sich in den Ergänzungsgutachten mit den Stellungnahmen des Bauleiters der Klägerin auseinandergesetzt hat, auszugehen.

(1) Unstrittig haben sich die geschraubten Bolzenverbindungen der Rohre in erkennbar schlechten Zustand befunden. Dies hat der Sachverständige beim Ortstermin festgestellt.

(2) Dennoch fehlt es an der erforderlichen Kausalität zwischen der Havarie und dem schlechten Zustand der Verbinder.

(a) Die einzelnen Bohrrohre 880 mm waren durch insgesamt zwölf Schraubbolzen miteinander verbunden. Für die Befestigung der Bolzen waren Schrauben mit unterschiedlichen Wandstärken verwendet worden. Die Passnuten und -federn waren stark ausgeschlagen. Dies erschwert den Einbau der Bohrrohre, Drehkräfte oder Zuglasten werden von ihnen aber nicht übertragen, so dass sie auch beim Ziehen nicht versagen konnten (Gutachten vom 30.3.2013, S. 9).

Die Rohrverbindungen waren, vor allem angesichts der zu erreichenden, überdurchschnittlichen Tiefe in schlechtem Zustand (Gutachten vom 16.11.2012, S. 5, Gutachten vom 30.3.2013, S. 4).

(b) Damit die Bohrkrone bei dem gegebenen Boden richtig bohren kann, ist es zwingend erforderlich, dass diese in horizontaler Richtung gedreht wird, denn dadurch fräsen die Schneidezähne den Boden ab. Bei der HVM der Beklagten besteht ein maximaler Drehwinkel von 26° bei den verwendeten Rohren mit 880 mm Außendurchmesser. Zur Übertragung der geringen waagrechten, je abwechselnd von links nach rechts oszillierenden Bewegung von maximal 200 mm Drehweg, ist es erforderlich die sehr stabilen eingesetzten doppelwandigen Bohrrohre mit Schraubbolzen zu verbinden.

(c) Die Tatsache, dass die Endtiefe erreicht wurde, beweist, dass die Rohrverbinder die Drehbewegung bis zu diesem Zeitpunkt übertragen haben mussten und somit weitestgehend intakt waren.

(d) Schließlich ergibt sich aus der Ziehbarkeit des Bohrrohrstranges auf einer Länge von ca. 2,50 Metern bis zur Verkeilung die fehlende Kausalität.

Die Zug- und Drehkraft der HVM muss längskraftschlüssig bis zur Bohrkrone übertragen worden sein, da ein Ziehen nach oben nur unter gleichzeitigem Drehen vorstellbar ist. Dies setzt voraus, dass die Bohrrohre, trotz ihres schlechten Zustandes, für die vertikale und seitliche Kraftübertragung ausreichend miteinander verbunden waren.

Weiter ergibt sich daraus, dass die Kraft der Bohranlage ausreichend bemessen war, um die Rohre aus dem höchst anzunehmenden Lastfall, nämlich dem Rückzug nach oben im Anschluss an den Filtereinbau zu bewegen und so stark zu verkeilen, dass diese nicht mehr nach unten bewegt werden konnten.

Für die Bewertung ist der Inhalt des Tagesberichts der Beklagten vom 29.1.2008, der dieses Ziehen um 2,50 m beschreibt, elementar.

Dies beweist die Funktionalität der Verbinder und der Bohranlage bis zur Havarie, auch wenn der schlechte Zustand der Bohrrohre dies nicht erwarten ließ (Gutachten vom 16.11.2012, S. 5/6, Gutachten vom 30.3.2013, S. 4) Im Augenblick des Blockierens lag ein vorangegangenes Lösen von Rohrverbindungen nicht vor (Gutachten vom 16.11.2012, S. 9).

Die Bolzenverbindungen sind im teleskopierten Bereich, hier bei 28,0 m unter GOK, gerissen. Eine anerkannte Regel der Technik, die das Verschweißen bzw. Sichern der Bolzen vorschreibt, gibt es nicht. Es ist aber unter erfahrenen Bohrleuten üblich, im teleskopierten Bereich die Bolzen zu sichern (Gutachten vom 30.3.2013, S.17). Nach der Havarie hat die Beklagte das Verschweißen vorgenommen. Eine Bergung war trotzdem nicht möglich. Infolgedessen ist auch dieser Umstand nicht kausal geworden (Protokoll vom 22.10.2013, S.5)

Ein Abriss von Bohrrohren im teleskopierten Bereich ist aufgrund von seitlichen Biegedruckspannungen auch bei gutem Zustand der Verbinder nicht auszuschließen (Gutachten vom 30. 3.2013, S. 7). Unterhalb der teleskopierten Bohrung waren nach der Kamerauntersuchung vom 1.4.2011 alle 12 Schlösser vorhanden.

Die fehlenden und lockeren Bolzenverbindungen wurden nach den fehlgeschlagenen Ziehversuchen mit Pressen festgestellt. Im Zuge dieser Ziehversuche wurden die Bolzenverbindungen deutlich über ihre zulässigen Grenzen belastet (Gutachten vom 16.11.2012, S.9).

Die Rohre wurden über Tage mit der HVM nach oben gezogen. Wären die Verbinder innerhalb der teleskopierten Verrohrung bereits beim Ziehvorgang auseinandergezogen worden, wäre eine Blockade des gesamten Rohrstrangs nicht möglich gewesen (Gutachten vom 30.3.2013, S. 8/9).

(e) Dem technischen Zustand der Rohre nach, läge die Verantwortlichkeit für die Havarie wohl unzweifelhaft bei der Beklagten.

Der Sachverständige hat aber festgestellt, dass das erfolgreiche Ziehen aus gutachterlicher Sicht nur den Schluss zulasse, dass die Funktion der Rohrverbinder bis zum Festziehen intakt war. Der Sachverständige hat das Erfüllen der Funktion bei der Bewertung der Verantwortlichkeit höher bewertet als den Zustand der mindestens 40 Jahre alten Rohre. Er hat dabei berücksichtigt, dass es keine allgemein anerkannte Regel der Technik für den Zustand oder das Höchstalter von Bolzenrohren oder deren Verbinder gibt und die Rohre trotz ihres offensichtlich schlechten Zustandes die Zugkräfte bis zum Festziehen zum Bohrschuh übertragen haben (Gutachten vom 30.3.2013, S.10/11).

Im tatsächlich festgestellten Zustand waren die Rohre daher noch geeignet, die Endtiefe zu erreichen. Die Rohre waren auch noch im elastischen Bereich belastbar, von einer Materialermüdung kann sicher nicht ausgegangen werden. Wäre der elastische Bereich überschritten worden, wäre die axiale Rohrverdrehung an den ausgebauten Rohren zu erkennen gewesen (Gutachten vom 30.3.2013 S.12).

(f) Dass ein Drehwegverlust mitursächlich geworden ist, kann nicht angenommen werden, weil bei der Bergung der Rohre nach Verschweißen und Sicherung der Verbinder von der Firma … kein Ziehversuch vor dem Abtrennen der unteren Rohrstücke durchgeführt worden ist. Hätten sich hierbei die Rohre einschließlich der Bohrkrone herausziehen lassen, wären der Dominoeffekt beim Lösen von Verschraubungen oder zu schwache Gerätschaften des Bohrunternehmers der Grund für die Havarie und damit in der Verantwortlichkeit der Beklagten gelegen.

Jedenfalls wäre ohne Drehbewegung ein Ziehen um 2,50 m keinesfalls möglich gewesen.

Die Standzeit der Rohre kann ebenfalls nicht mitursächlich für die Havarie gewesen sein, weil nach mehreren Jahren Standzeit die Bohrrohre nach Abtrennung des unteren Teils des Bohrstranges, durch die Firma … innerhalb von zwei Tagen zurückgebaut werden konnten (Gutachten vom 30.3.2013, S. 15/16). In diesem Zusammenhang hat das Sachverständige den Regiebericht der Firma … vom 18.4.2011, die Angaben der Bauleitung im Ortstermin (Gutachten vom 16.11.2012, S.5) sowie das Schreiben der Bauleitung an die Klägerin vom 23.8.2012 (Gutachten vom 30.3.2013, S. 7) bewertet.

(g) Eine erschwerte Ziehbarkeit wegen mangelnder Vertikalität des Bohrloches war nicht gegeben.

Die Vertikalitätsmessung mit der Kamera zeigt keine gravierenden Auffälligkeiten. Der Ruhewasserspiegel war bei den Kamerabefahrungen von oben gut sichtbar. Dies wäre bei einer starken Abweichung nicht der Fall gewesen. Die Firma … hat nach dem Vorfüllen mit Kies mit eigenen Bohrrohren 900 mm die Bohrung nochmals abgeteuft. Dabei ist sie exakt auf die noch im Boden verbliebenen Bohrrohre der Beklagten bei 65,50 Meter Tiefe gestoßen. Bei einer größeren Abweichung hätte die neue Bohrung seitlich an den bestehenden Rohren vorbei laufen müssen (Gutachten vom 30.3.2013, S.13, 22/23).

(h) Die Tatsache, dass die Beklagte vertragswidrig entgegen dem Leistungsverzeichnis zunächst nicht mit Bohrrohren 1200 mm, sondern mit Bohrrohren mit 1100 mm Außendurchmesser mit einem Bohrschuh 1200 mm im Bereich bis 52 m gebohrt hat, ist, wenngleich der Einsatz einer derartigen Bohrkrone unvertretbar ist (Gutachten vom 8.9.2013, S.2/3), ebenfalls nicht schadensursächlich geworden.

Ein direkter oder indirekter Zusammenhang des Einbaus der 1100 mm anstatt der 1200 mm Rohre mit dem Feststecken der Bohrrohre 800 mm ist nicht gegeben. Allerdings hätten sich hieraus extreme Komplikationen ergeben können.

Auch nur dieses Rohr kann bei dem Bedenkenschreiben des Bauleiters vom 22.11.2007 gemeint gewesen sein.

Diese Rohre haben sich aber gemäß Tagesbericht der Beklagten vom 05.02.2008 noch Drehen, Ziehen und Drücken lassen. Hieraus hat sich unterhalb von 52 m keine Gefahr des Einsandens der Bohrrohre 880 mm ergeben. Die im Bedenkenschreiben beschriebene Gefahr hat sich daher nicht realisiert (Gutachten vom 30.3.2013, S. 11, Gutachten vom 8.9.2013, S. 9).

cc) Die Einwendungen der Klägerin, vorgelegt insbesondere mit den gutachterlichen Stellungnahmen ihres Bauleiters, oben unter aa und bb berücksichtigt, greifen nicht durch.

Der Sachverständige … hat sich in den Ergänzungsgutachten und in der Anhörung überzeugend mit den Einwendungen gegen seine Gutachten auseinandergesetzt. Auf die Stellungnahmen des Bauleiters der Klägerin vom 24.1.2013, 19.2.2013, 14.5.2013, S. 22, vom 27.9.2013 ist er im Einzelnen eingegangen.

– Die Auswahl von Bohrrohren 1100 mm Außendurchmesser mit aufgeschweißten Zähnen zum Durchmesser 1200 mm bis 52 m Tiefe hat er als absolut unüblich und fehlerhaft bezeichnet, wegen des extrem großen Ringraums und der damit verbundenen Gefahr des Einsandens.

Das Rohr mit 1100 mm hat sich aber laut Tagesbericht vom 5.2.2008 noch Drehen, Ziehen und Drücken lassen. Da die Bohrrohre 880 mm ab 52 m Tiefe innerhalb der Verrohrung 1100 mm für das Abstützen der Bohrlochwand verwendet wurden, kann der Ringraum 1100 mm/1200 mm nicht mit dem Ringraum 880 mm / 900 mm derart verbunden gewesen sein, dass Bodenteile eingeschwemmt worden sind. Demzufolge bestand aus diesem Grund unterhalb von 52 m keine Gefahr des Einsandens der Bohrrohre 880 mm. Am 05.02.2008 und auch am 06.02.2008 wurden die Rohre 1100 mm bewegt, die Rohre 900 mm bewegten sich jedoch nicht mit. Dies wäre im Falle des Einsandens zwischen der Verrohrung 1100 und 880 mm nicht möglich gewesen (Gutachten vom 30.3.2013, S. 11).

– Zur Frage der Überalterung des Rohrmaterials und des Zubehörs, angesichts der hohen technischen Anforderungen und deren Kausalität für die Havarie und Nichtziehbarkeit hat sich der Sachverständige umfassend geäußert.

Demnach waren die verwendeten Materialien den Anforderungen gerade noch gewachsen. Eine Feststellung, dass die Verrohrungsmaschine zu schwach ausgelegt war, konnte nicht getroffen werden. Auch die nachfolgende Firma hat keinen Ziehversuch vor dem Abschneiden der unteren Rohre durchgeführt.

Die Tatsache, dass die Rohre zunächst etwa 2,50, also den erheblichsten Lastfall aufnehmend, gezogen werden konnten, und die daraus vom Sachverständigen gezogene Schlussfolgerung, wurde in keiner Stellungnahme des Privatsachverständigen der Klägerin technisch widerlegt.

– Zur Frage der Abweichung von der Vertikalen hat der Sachverständige … die Kamerabefahrungen begutachtet und die Tatsache berücksichtigt, dass die nachfolgende Firma direkt auf die im Boden befindlichen abgeschnittenen Rohre gestoßen ist.

– Auch die Standzeit von 14 Tagen zur Befestigung der Schlösser hat der Sachverständige gewertet.

Das Herausfallen der Schlösser ist nicht ursächlich für das Feststecken und auch nicht für die anschließende Nichtziehbarkeit.

Soweit der Bauleiter der Klägerin darauf hinweist, dass die erfolgreichen Rettungsarbeiten im Jahr 2011 gezeigt hätten, dass ein erfolgreicher Abschluss der Arbeiten möglich gewesen wäre, ist festzustellen, dass dies ohne Ziehversuch an der gesamten Rohrtour erfolgt ist und erst nach Abschneiden des unteren Rohres samt Bohrschuh geglückt ist. Hieraus können deshalb keine Rückschlüsse auf die Verantwortlichkeit der Beklagten gezogen werden.

– Entgegen den Vorhalten des Privatsachverständigen stellt der Sachverständige … auch nicht bloße Vermutungen an.

Vielmehr folgt der Senat dessen technischen Ausführungen, weil er jeweils im Einzelnen die Anknüpfungstatsachen und damit den Ausgangspunkt seiner Überlegungen darstellt, begründet und erläutert. Dies ist für das Gericht nachvollziehbar. Tatsächliche Umstände jedenfalls, wie sie z. B. auch in unstreitigen Regieberichten beschrieben werden, kann und darf das Gericht nicht unberücksichtigt lassen.

dd) Soweit die Klägerin nunmehr im Rahmen der Beweiswürdigung nach Abschluss der Anhörung vorträgt, der Sachverständige … gehe von falschen Anknüpfungstatsachen aus, ist diese Einschätzung unzutreffend.

Der Sachverständige hat lediglich darauf hingewiesen, dass die Probebohrung und die Brunnenbohrung entgegen der Auffassung des Schiedsgutachters hinsichtlich der Nagelfluhlagerung voneinander abweichen und er von einer Lagerung zwischen 70,40 und 70,70 Meter entsprechend der Zeichnung des Bauarbeiters ausgehe.

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat sich der Sachverständige auch mit dem sogenannten Dübelprinzip auseinandergesetzt. Er hat dieses als plausibel erachtet (Gutachten vom 8.9.2013, S. 4) ohne dass sich dabei an der Frage der Kausalitätseinschätzung etwas ändern würde.

Der Sachverständige … hat sich auch mit den vom Regiebericht der Firma … abweichenden Darstellungen des Bohrmeister … befasst.

Die Angaben des Bohrmeisters als wahr unterstellt, ergebe sich keine andere Bewertung, weil es sich um einen Zustand mehrerer Jahre nach der Havarie gehandelt habe. Jedenfalls trifft die Bewertung des Sachverständigen … zu, dass sich die Bohrrohre nach Abtrennen des unteren Teils der Rohre und der Bohrkrone nach über 3 Jahren Standzeit innerhalb weniger Tage haben herausziehen lassen. Dies lässt die vom Sachverständigen gezogenen Rückschlüsse auf die Mantelreibung zu.

Der Sachverständige hat sich auch mit der Frage der Verzögerung durch das Sichern der Rohrverbinder befasst und hierzu auch in der Anhörung Stellung genommen.

ee) Der Senat hat im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO keine Zweifel an der Sachkunde des als Betriebsleiter eines Brunnenbaubetriebes tätigen Sachverständigen. Seine Gutachten sind vollständig und widerspruchsfrei. In der Anhörung war der Sachverständige erkennbar in der Lage, die technischen Sachverhalte zu erläutern. Weitere Feststellungen sind aus Sicht des Senats weder möglich noch geboten.

Soweit die Klägerin die Beauftragung eines weiteren Gutachten beantragt hat, liegen die Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ZPO nicht vor.

Eine neues Gutachten wäre nur dann zu erholen, wenn das erste Gutachten mangelhaft, unvollständig, widersprüchlich und nicht überzeugend wäre, es von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausginge, der Sachverständige erkennbar oder erklärtermaßen nicht über die notwendige Sachkunde verfügte, die sogenannten Anschlusstatsachen sich durch neuen Sachvortrag geändert hätten oder ein anderer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel oder Erfahrungen verfügte. Keine der genannten Voraussetzungen liegt vor.

Vielmehr hat der Sachverständige im Gutachten den Sachverhalt wie er seitens der Parteien vorgetragen worden ist, wie er sich aus den Akten ergibt und wie er ihn beim Ortstermin festgestellt hat, auch aufgrund von Angaben der Teilnehmer bei der Ortsbesichtigung, im Einzelnen dargestellt und gewürdigt.

Der gerichtliche Sachverständige ist umfassend und überzeugend auf die Darstellungen und Auffassungen des Privatsachverständigen der Klägerin eingegangen und hat diese im Einzelnen dargestellt, gewürdigt und beantwortet.

Eine Unvollständigkeit bzw. Widersprüchlichkeit kann nicht erkannt werden. Das Gutachten geht auch nicht von falschen tatsächlichen Voraussetzungen aus.

Letztlich gibt es durch die Unzugänglichkeit des Bereichs der feststeckenden Bohrkrone auch keinerlei Möglichkeiten weiterer Erkenntnisse oder Klärung.

ff) Unabhängig von der Frage, inwieweit Pflichtverletzungen der Beklagten kausal für die Havarie geworden sind, muss im vorliegenden Fall ausgehend von der Darstellung des Sachverständigen in seiner Anhörung vor dem Senat davon ausgegangen werden, dass sich im konkreten Fall das Bodenrisiko realisiert hat, da keine andere Ursache festgestellt werden konnte und die durch die Beklagte gesetzten Umstände als Ursache nicht in Frage kamen.

Da die Beklagte, wie oben festgestellt, das Baugrundrisiko nicht, jedenfalls aber nicht wirksam, übernommen hat, kann von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten nicht ausgegangen werden.

3. Die Klägerin hat somit auch keinen Anspruch auf Rückzahlung des bereits an die Beklagte ausbezahlten und in die Mehrkostenabrechnung eingestellten Werklohns.

Dieser Werklohn ist für die erbrachten Leistungen geschuldet. Wie oben dargestellt hat die Beklagte es nicht zu vertreten, dass der Brunnen durch sie nicht hergestellt werden konnte.

Infolgedessen hat sie ein Recht aus § 645 BGB zum Behaltendürfen der erhaltenen Zahlungen.

Die Berufung der Beklagten ist somit überwiegend begründet und nur in geringem Umfang zurückzuweisen.

Die Klage der Klägerin, auch mit den nunmehr in der Berufung geltend gemachten Beträgen, ist überwiegend abzuweisen.

C

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 711 Nr. 10, 711 ZPO.

Anhaltspunkte, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, ergeben sich weder aus dem Vortrag der Parteien noch aus den Umständen.

Von der Redaktion TiefbauRecht

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