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OLG Frankfurt zu der Frage der Haftung des Gutachters für Baugrund- und -substanzuntersuchung

OLG Frankfurt zu der Frage der Haftung des Gutachters für Baugrund- und -substanzuntersuchung

vorgestellt von Thomas Ax

Dem Käufer ist im Umfang des Gutachtens der Zustand etwaiger Altlasten, Grundwasserverunreinigungen, schädlicher Bodenverunreinigungen und dergleichen (…) bekannt. In Anbetracht der vorstehend getroffenen Regelung des Altlastenrisikos werden etwaige Ausgleichsansprüche des Käufers gegen den Verkäufer (…) ausgeschlossen, ausgenommen Vorsatz oder Arglist des Verkäufers…“. Vorsatz oder Arglist des Verkäufers hat die Klägerin nicht dargetan. Der geltend gemachte Anspruch ist darüber hinaus verjährt.
OLG Frankfurt, Urteil vom 28.02.2020 – 24 U 36/19

Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Begutachtung.
Die Klägerin kaufte ein Grundstück von einem Herrn A mit Vertrag vom 27.03.2007 und 29.09.2008. Sie plante eine Umwandlung der dort ehemals betriebenen Fabrik in Wohnungen. Der Verkäufer sollte ursprünglich Altlastenfreiheit durch Gutachten der Beklagten nachweisen und nach der ursprünglichen Kaufvertragsversion dafür haften, bzw. eventuelle Altlasten beseitigen. Geschlossen wurde der Kaufvertrag dann jedoch mit der Maßgabe, daß Herr A weder für Altlasten haften solle, noch zu deren Beseitigung verpflichtet war. Im Gegenzug wurde der ursprünglich angedachte Kaufpreis von 565.000.- € auf 160.000.- € reduziert. Die Beklagte hatte 2 Angebote zur Begutachtung erstellt und zwar für Baugrunduntersuchung und Bausubstanzuntersuchung. Während das Gutachten über die Bausubstanz erstellt wurde, liegt ein solches über den Baugrund bis heute nicht vor. Die Beklagte hatte die Begutachtung vom 20.07.2007 wie folgt beschrieben:
„Die Untersuchung der Bausubstanz hat orientierenden Charakter und zielt auf die Ermittlung von eventuell vorhandenen erheblichen finanziellen Risiken als Grundlage für den Kauf/Verkauf.“. Die Beklagte führte in ihrem Anschreiben zum Bausubstanzgutachten aus: „Die Ergebnisse/Erkenntnisse aus den Bodenuntersuchungen sind jedoch bereits in der Kostenschätzung berücksichtigt.“.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der hierzu angestellten Überlegungen wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Die Klägerin verweist auf den Kostenansatz über 56.000.- € für Baugrundaltlasten in dem Bausubstanzgutachten vom 20.07.2007, dem der von ihr veranlasste Bericht vom 14.10.2009 über eine Bodenuntersuchung gegenüberstehe. Eine Abnahme der Beklagtenleistung sei nicht erfolgt, vielmehr handele es sich um einen noch nicht fertiggestellten Auftrag gemäß email des Herrn A vom 29.08.2007 und weiteren Aufforderungen an die Beklagte, die Begutachtung fertigzustellen. Zu der geplanten Umnutzung des Betriebsgeländes gehöre auch eine Bodensanierung. Entsprechend sei die Untersuchung auf Schadstoffe für den Erwerb des Geländes und dessen anschließende Sanierung bauwerksbezogen mit der Folge einer 5-jährigen Verjährung. Die Beklagte habe jedoch trotz Mahnung die Erstellung des Bodengutachtens hinausgezögert. Im Abschluss des Kaufvertrages liege keine Billigung der Leistungen der Beklagten und auch keine Teilabnahme durch Weiterleitung des Gutachtens an Herrn C. Die Klägerin sei in den Vertrag mit Herrn A eingetreten und habe in diesem Sinne die Begutachtung fortgeführt. Sie habe jedoch darauf vertrauen dürfen, daß die Angaben der Beklagten zu Kosten hinsichtlich des Bodens auf einer gründlichen Begutachtung beruhten. Das Landgericht hätte den Zeugen A vernehmen müssen. Bestritten werde, daß A den Auftrag auf Grundlage der AGB der Beklagten erteilt habe.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter und beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung gemäß den Klageanträgen erster Instanz zu verurteilen, wegen deren Wortlaut auf den erstinstanzlichen Tatbestand verwiesen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 Die Beklagte meint, Ziel des Gutachtens sei gewesen, den Verkaufswert zu ermitteln, nicht jedoch Grundlage unbekannter Planungen zu werden. Derart sei es feststellender und nicht projektierender Art, da die Wirtschaftlichkeit einer Umnutzung nicht Untersuchungsthema gewesen sei. Damit handele es sich nicht um Leistungen an einem Gebäude mit der Folge einer zweijährigen Verjährung. Durch die Weiterleitung des Gutachtens im Sinne einer Freigabe sei dieses abgenommen worden, wie auch die Leistung einer Schlusszahlung ohne Mängelrüge erweise. Mit der Beendigung des Gutachtervertrages mit A Ende 2008 sei ein neues Vertragsverhältnis mit der Klägerin Anfang 2009 mit der Folge einer durchgreifenden Verjährungseinrede zustande gekommen. Selbst wenn man jedoch von einem noch nicht abgeschlossenen Gutachtenvertrag mit der Beklagten ausgehe, habe ein Vertrauenstatbestand der Klägerin nicht entstehen können. Die Beklagte habe schließlich die Kostenschätzung mangels Bezahlung seitens A nicht fertiggestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens erster und zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die Berufung ist zulässig: Die landgerichtliche Entscheidung ist dem Klägervertreter gemäß Empfangsbekenntnis vom 16.01.2019 zugestellt worden. Der Berufungseinlegung vom 15.02.2019 folgte die Berufungsbegründung vom 15.04.2019 innerhalb der um einen Monat verlängerten Berufungsbegründungsfrist.
Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Auf die zutreffenden Überlegungen in den Gründen der landgerichtlichen Entscheidung wird Bezug genommen. Das Berufungsgericht macht sich diese zu eigen.
Zentrales Thema in den Kaufvertragsverhandlungen waren die auf dem Grundstück befindlichen Altlasten. Diese drängten sich nicht nur ohnehin auf, nachdem sich auf dem Gelände über viele Jahre eine Fabrik befunden hatte und zwar zu einer Zeit, als die Umweltschutzanforderungen einen wesentlich geringeren Stellenwert besaßen, als in der heutigen Zeit. Die Klägerin hatte deshalb von vorneherein allen Anlass zu prüfen, welches Ausmaß eventuelle Verunreinigungen hatten. Nach dem zugrundeliegenden Vertrag gemäß Nachtrag 7 oblag die Haftung für Altlasten allein der Klägerin selbst und zwar in vollem Umfange. Daß dem Verkäufer etwaige Altlasten bekannt gewesen wären, steht nicht in Rede und wäre im Verhältnis zur Beklagten auch ohne Belang.
Darüber hinaus sind die Altlasten Gegenstand von Untersuchungen gewesen in deren Folge der Kaufpreis um 70 % reduziert wurde. Dabei war der Klägerin bewusst, daß das beauftragte und in Aussicht gestellte Bodengutachten nicht vorlag. Das heißt, die Klägerin hatte eine für ihre Kaufentscheidung wesentliche Information nicht, als sie sich gleichwohl zum Erwerb entschloss. Daß die Beklagte dabei zur Fertigstellung ermahnt wurde, zeigt allenfalls die Bedeutung des ausstehenden Bodengutachtens, ändert aber nichts an der Tatsache, daß dieses nicht vorlag und bis heute nicht vorliegt. Eine Haftung der Beklagten resultiert daraus allenfalls im Rahmen gutachterlicher Vertragserfüllungspflichten, nicht jedoch im Hinblick auf die gleichwohl getroffene Kaufentscheidung der Klägerin.
Die Beklagte hat selbst am 31.08.2007 erklärt: „Der Bericht für die Bodenuntersuchungen wird von uns noch geschuldet. Die Erstellung einer Leistungsbeschreibung und eines Leistungsverzeichnisses für die Schadstoff- oder Bodensanierung sind Planungsleistungen und nicht Gegenstand des beauftragten Angebotes. Auf Ihren Wunsch sind wir gern bereit, Ihnen diese Leistungen anzubieten. Eine Kostenermittlung könnte dann aufgrund des Leistungsverzeichnisses vorgenommen werden.“. Daraus erhellt, daß die Kosten der Bodensanierung noch gar nicht ermittelt waren, bevor sich die Klägerin entschlösse, gleichwohl den fraglichen Kaufvertrag abzuschließen.
Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der vorliegenden Kostenschätzung, die unter dem Stichwort „Verunreinigter Boden (Auffüllung)“ lediglich Entsorgungskosten für den verunreinigten Boden aufführt, nicht jedoch die Kosten einer Auffüllung oder Sanierung. Die Kostenschätzung ist schließlich vor dem Hintergrund des seitens der Beklagten geschuldeten Auftragsumfanges zu sehen: Dieser wird von der Klägerin nicht beschrieben, sondern auf den vorgelegten Bericht der Beklagten zu einer „Standortbegutachtung hinsichtlich baustoff- und nutzungsbedingter Schadstoffe“ verwiesen. Diese beschreibt den Auftrag soweit hier relevant dahingehend, „im Vorfeld der Veräußerung (…) das Gelände hinsichtlich Bodenkontaminationen zu untersuchen.“.
Welchen Umfang diese Untersuchungen haben sollten, bleibt damit ebenso unklar, wie die Frage, ob die von der Klägerin in Bezug genommene Kostenschätzung überhaupt abschließend war. Zweifel daran ergeben sich bereits aus der Kostenschätzung selbst, wenn es in den dortigen Anmerkungen heißt: „… die Massen sind daher überschlägig ermittelt“ und: „Die Flurstücke … und … wurden zunächst zurückgestellt“. Bezüglich der Tankstelle soll nach der Kostenschätzung ein „Aushub/Entsorgung wegen Geruch“ nicht unbedingt erforderlich sein (?), weshalb die dazu genannten Kosten in der Gesamtsumme nicht berücksichtigt wurden. Wenn die Klägerin bei dieser Sachlage zur Begründung ihrer Rechtsauffassung auf die E-Mail der Beklagten vom 20.07.2007 Bezug nimmt, nach der die Ergebnisse/Erkenntnisse aus den Bodenuntersuchungen bei der Kostenschätzung Berücksichtigung gefunden haben, verhilft das dem klägerischen Anliegen nicht zum Erfolg. Denn es bleibt offen, welchen Umfang der Untersuchungsauftrag hatte, welchen Umfang die angestellten Untersuchungen hatten und vor allem, ob die Untersuchungen und Ergebnisse wirklich abschließend oder aber lediglich vorläufig oder grob orientierend waren im Sinne eines dahingehend erteilten Auftrages. Auf die sich bereits aus der Kostenschätzung selbst ergebenden offensichtlichen Zweifel wurde hingewiesen. Auch diese haben den Auftraggeber und die Klägerin nicht zu Nachfragen veranlasst. Vielmehr wurde das offensichtlich unklare, zweifelhafte und unvollständige Begutachtungsergebnis hingenommen.
Wenn die Klägerin indes durch die Inanspruchnahme der Fa. X an die Fertigstellung des Begutachtungsauftrages der Fa. Y im Jahre 2000 anknüpfen will, gesteht sie damit zu, daß diese Begutachtung noch nicht abgeschlossen war und sie weiteren Klärungsbedarf sah. Sie erklärt dazu selbst, daß die Leistungen der Beklagten noch nicht einmal „weder von der Klägerin, noch von Verkäufer Herrn A oder der Fa. Y GmbH abgenommen“ worden sind. Also stand eine Entgegennahme der Leistungen der Beklagten als vertragsgemäße Erfüllung des erteilten Untersuchungsauftrages noch aus.
Die Klägerin verneint damit selbst einen Vertrauenstatbestand im Sinne einer tragenden Entscheidungsgrundlage für ihren Grundstückserwerb.
Sie setzt sich damit weiterhin in Widerspruch zu ihrer Argumentation, mit der Einbeziehung der im Ergebnis mit 56.000.- € bezifferten Bodensanierungskosten habe ihr eine – allerdings fehlerhafte – Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestanden. Denn mit dieser Argumentation hätte es ja der Vorlage des detaillierten Gutachtens deshalb gar nicht mehr bedurft, weil die entscheidende Kostenschätzung im Sinne des Gutachtenergebnisses und der Entscheidungsgrundlage für die Kaufentscheidung der Klägerin bereits vorgelegen hatte.
In der Tat war die Begutachtung seitens der Beklagten (mit Ausnahme des offensichtlich nicht vorliegenden Berichts zu den Bodenuntersuchungen, dessen Fehlen von der Klägerin hingenommen wurde) jedoch abgeschlossen und hat die Klägerin die Beklagte erst im Wege der hiesigen Forderungen in Anspruch genommen, nachdem sie zwei Jahre nach dem Kaufvertragsabschluß vom 29.09.2008 eine erneute Bodenbegutachtung in Auftrag gegeben hatte. Darin liegt ein Verstoß der Klägerin gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, musste sich ihr doch angesichts der oben angesprochenen Punkte aufdrängen, daß die Frage der Altlastenkontamination noch nicht sicher und abschließend geklärt war.
Dies gilt zusätzlich vor dem Hintergrund, daß Auftraggeber der Beklagten nicht die Klägerin war, sondern die Verkäuferseite, deren Interesse an umfassender Aufklärung der Altlasten im Zweifel geringer war, als das der Klägerin als Käuferin.
Entsprechend findet sich im letztendlich geschlossenen Kaufvertrag die Passage: „… der Inhalt des Gutachtens ist dem Käufer bekannt. Dem Käufer ist daher im Umfang des Gutachtens der Zustand etwaiger Altlasten, Grundwasserverunreinigungen, schädlicher Bodenverunreinigungen und dergleichen (…) bekannt. In Anbetracht der vorstehend getroffenen Regelung des Altlastenrisikos werden etwaige Ausgleichsansprüche des Käufers gegen den Verkäufer (…) ausgeschlossen, ausgenommen Vorsatz oder Arglist des Verkäufers…“. Vorsatz oder Arglist des Verkäufers hat die Klägerin nicht dargetan.
Der geltend gemachte Anspruch ist darüber hinaus verjährt. Denn die seitens der Beklagten geschuldete Begutachtung hatte keinen Bezug zu einem konkret zu errichtenden Bauwerk i.S.d. § 634 a Abs. 1 Ziffer 2 BGB. Nur nach dieser Vorschrift gilt eine 5-jährige Verjährungsfrist für Planungsleistungen im Hinblick auf ein Bauwerk. Gegenstand des Gutachtenauftrages war jedoch nicht eine projektierende Planung im Hinblick auf die seitens der Klägerin angedachte Nutzungsänderung einer Umwandlung in Wohneinheiten. Gegenstand des Gutachtenauftrages war vielmehr eine feststellende Bestandsaufnahme im Sinne einer Zustandsbeschreibung des Grundstücks, bestehend aus Grund und aufstehender Altbebauung. Denn die Klägerin (und der Verkäufer) wollten eine Entscheidungsgrundlage für den anstehenden Grundstückserwerb und die diesbezügliche Preisfindung des Grundstückskaufvertrags, womit der Gutachtenauftrag der Beklagten erschöpft war. Derart hatte die Beklagte mit der seitens der Klägerin für einen auf den Erwerb folgenden Zeitraum angedachten Wohnüberbauung im Hinblick auf die hier streitgegenständliche Bodenbegutachtung nichts zu tun. Entsprechend heißt es im Kaufvertrag: „Eine bestimmte Beschaffenheit ist nicht vereinbart, eine bestimmte Verwendung des Kaufgegenstandes wird nicht vorausgesetzt.“.
Bei dieser Sachlage war es in erster Linie Aufgabe der Klägerin eine Beschaffenheit des Kaufgegenstandes für ihre Zwecke zu prüfen und ggfs. vor abschließender Prüfung von einem Erwerb Abstand zu nehmen.
Einer Einvernahme des Zeugen A bedurfte es nach dem oben Gesagten nicht. Seine Benennung für die Behauptung der Klägerin, von der Beklagten sei zugesagt worden, „dass bei der Sanierung im Wesentlichen nur die von der Beklagten in der Kostenschätzung angegebenen Kosten anfallen werden“, ist als verspätet (§531 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO) nicht zu berücksichtigen, abgesehen davon, daß die Formulierung „im Wesentlichen“ zu unklar und unbestimmt ist.
Nach alledem war der Berufung der Erfolg zu versagen.
Nebenentscheidungen: §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

OLG Hamm zu der Frage der Vergütung für die Fortsetzung von Arbeiten mit größerem Bohrgerät und der Einbetonierung einer Spundwand, falls der Bodenaufbau von einem Gutachten abweicht

OLG Hamm zu der Frage der Vergütung für die Fortsetzung von Arbeiten mit größerem Bohrgerät und der Einbetonierung einer Spundwand, falls der Bodenaufbau von einem Gutachten abweicht

vorgestellt von Thomas Ax

Als Rechtsgrundlage der Mehrvergütungsforderung für die Spundwandarbeiten kommt allein die von den Parteien nach Auftreten der Erschwernisse vereinbarte Kostenregelung hinsichtlich des Mehraufwands in Betracht. Danach sollte die Klägerin dann eine über den Pauschalpreis hinausgehende Mehrvergütung für die Spundwandarbeiten verlangen können, wenn der Bodenaufbau anders sei als im Bodengutachten der H GmbH beschrieben. Damit war zugleich klargestellt, dass es für den Mehrvergütungsanspruch der Klägerin – zumindest dem Grunde nach – nicht auf die Voraussetzungen der §§ 2 Nr. 5 bis 7 VOB/B und nicht auf die Abweichung der Arbeitsbedingungen von der Leistungsbeschreibung im Leistungsverzeichnis ankommen sollte. Maßgeblich für die Verteilung des Kostenrisikos sollte allein die Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit der in den Gutachten der Streithelferin zu 1) beschriebenen Bodenverhältnisse sein. Mit dieser Regelung haben die Parteien zum einen dem Umstand Rechnung getragen, dass nach dem Vertrag die Beklagte das sog. Baugrundrisiko tragen sollte und zum anderen berücksichtigt, dass es der Klägerin als Unternehmerin oblag, die bauseitigen Vorgaben für ihre Leistung auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen. Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis der Abweichung der Bodenverhältnisse von den Baugrundbeschreibungen in den Gutachten der Streithelferin zu 1) nicht erbracht. Dies war nach den getroffenen Vereinbarungen Voraussetzung für den geltend gemachten Mehrvergütungsanspruch.
OLG Hamm, Urteil vom 01.06.2007 – 12 U 9/06

Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung einer Mehrvergütung für Spundwandarbeiten bei der Errichtung eines Lebensmittelmarkts in S, S1, im Jahr 2002.
Mit Generalunternehmervertrag vom 05.09.2002 vereinbarten die Parteien die schlüsselfertige Erstellung des X-Marktes zu einem Pauschalpreis von 2,169 Mio €. Nach dem vertragsgegenständlichen Leistungsverzeichnis sollte auf der nördlichen Grundstücksseite als Absicherung zum Nachbargrundstück eine Spundwand eingepresst werden. Zur Ermittlung der Bodenverhältnisse hatte die Beklagte vor Auftragsvergabe zwei Bodengutachten der Streithelferin zu 1) vom 10.04.2001 und 17.05.2002 eingeholt, welche die Parteien in den Generalunternehmervertrag einbezogen.
Nach Beginn der Vorarbeiten stellte die Klägerin, die die Spundungsarbeiten durch eine Subunternehmerin ausführen ließ, fest, dass die im Abstand von 70 cm ausgebrachten Bohrungen mit einem Durchmesser von 300 mm nicht ausreichten, um die Spundwand einzupressen. Die Parteien stritten darum, ob die technischen Schwierigkeiten auf den Einsatz ungeeigneter Geräte oder darauf zurückzuführen waren, dass die Bodenverhältnisse anders waren als in den Vertragsgrundlagen beschrieben.
In einer Besprechung vor Ort am 16.09.2002 kamen die Parteien überein, die Arbeiten mit größerem Bohrgerät fortzusetzen und die Spundwand anschließend einzubetonieren. Die Kosten sollten von der Beklagten getragen werden, falls der Bodenaufbau von dem Gutachten der Streithelferin zu 1) vom 17.05.2002 abweiche, andernfalls sollte die Klägerin den Mehraufwand tragen. Zur Überprüfung der Bodengutachten sollte ein Sachverständiger hinzugezogen werden. Auf die Aktennotiz des Streithelfers zu 2) wird verwiesen (Anlage K 6).
Die Klägerin holte ein Gutachten des für das Erdbaulaboratorium F tätigen Prof. Dr.-Ing. T vom 26.05.2004 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die tatsächlichen Bodenverhältnisse erheblich von den Feststellungen in den Baugrundgutachten der Streithelferin zu 1) abwichen.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung ihrer unter dem 24.03.2003 mit 244.417,93 € berechneten Mehrkosten der Spundwandarbeiten und die Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von 12.186,18 € nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 244.417,93 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2005 zu zahlen; im Übrigen – hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der Gutachterkosten sowie der Zinsmehrforderung – hat es die Klage abgewiesen worden.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung rügt es als verfahrensfehlerhaft, dass das Landgericht ihr Bestreiten der Unrichtigkeit der Gutachten der Streithelferin zu 1) als unsubstanziiert zurückgewiesen hat. Der erst im Verhandlungstermin erteilte gerichtliche Hinweis hätte präziser gefasst und ihr hätte Gelegenheit zu schriftsätzlicher Stellungnahme eingeräumt werden müssen.
Sie konkretisiert dementsprechend ihre sachlichen Einwände: Der von der Klägerin beauftragte Gutachter habe im Ergebnis die von der Streithelferin zu 1) festgestellte Bodenbeschaffenheit, die Abfolge von kalkhaltigen Sand-Schluff-Ton-Gemengen und harten Gesteinsbänken, bestätigt. Soweit der Privatsachverständige der Klägerin Prof. Dr.-Ing. T die Gesteinsbänke in die Bodenklassen 6 und 7 einordne, sei das unrichtig, weil dabei die starke Zerblockung des Felses unberücksichtigt bleibe. Im Übrigen habe auch die Streithelferin zu 1) darauf hingewiesen, dass abschnittsweise Material der Bodenklasse 7 anzutreffen sei.
Die Beklagte und ihre Streithelfer beantragen,
das Urteil des Landgerichts Bochum vom 29.11.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat form- und fristgerecht Anschlussberufung eingelegt, mit der sie sinngemäß beantragt, Zinsen bereits seit dem 27.04.2003 zuzusprechen.
Die Beklagte und ihre Streithelfer beantragen,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Den mit der Anschlussberufung verfolgten Zinsanspruch begründet die Klägerin damit, dass sich die Beklagte aufgrund der Rechnung vom 24.03.2003 unter Zugrundelegung einer 3tägigen Postlaufzeit ab dem 27.04.2003 in Verzug befinde.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. Q sowie mündliche Anhörung des Sachverständigen im Senatstermin am 09.05.2007. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 31.01.2007 sowie den Berichterstattervermerk vom 09.05.2007 Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg; die Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet.
1.
Die Klägerin kann von der Beklagten nicht Zahlung von 244.417,93 € verlangen. Sie hat die Unrichtigkeit der Gutachten der Streithelferin zu 1) nicht bewiesen. Eine weitere Beweisaufnahme war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht erforderlich.
a) Als Rechtsgrundlage der Mehrvergütungsforderung für die Spundwandarbeiten kommt allein die von den Parteien nach Auftreten der Erschwernisse vereinbarte Kostenregelung hinsichtlich des Mehraufwands in Betracht. Entgegen der Darstellung im landgerichtlichen Urteil kam diese Vereinbarung nicht erst am 25.02.2003, sondern am 16.09.2002 zustande. Das ergibt sich aus der Aktennotiz des Streithelfers zu 2) vom 17.09.2002, die die Vereinbarung der Parteien – unstreitig inhaltlich korrekt – wiedergibt. Danach sollte die Klägerin dann eine über den Pauschalpreis hinausgehende Mehrvergütung für die Spundwandarbeiten verlangen können, wenn der Bodenaufbau anders sei als im Bodengutachten der H GmbH beschrieben. Damit war zugleich klargestellt, dass es für den Mehrvergütungsanspruch der Klägerin – zumindest dem Grunde nach – nicht auf die Voraussetzungen der §§ 2 Nr. 5 bis 7 VOB/B und nicht auf die Abweichung der Arbeitsbedingungen von der Leistungsbeschreibung im Leistungsverzeichnis ankommen sollte. Maßgeblich für die Verteilung des Kostenrisikos sollte allein die Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit der in den Gutachten der Streithelferin zu 1) beschriebenen Bodenverhältnisse sein. Mit dieser Regelung haben die Parteien zum einen dem Umstand Rechnung getragen, dass nach dem Vertrag die Beklagte das sog. Baugrundrisiko tragen sollte und zum anderen berücksichtigt, dass es der Klägerin als Unternehmerin oblag, die bauseitigen Vorgaben für ihre Leistung auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen.
b) Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis der Abweichung der Bodenverhältnisse von den Baugrundbeschreibungen in den Gutachten der Streithelferin zu 1) nicht erbracht. Dies war nach den getroffenen Vereinbarungen Voraussetzung für den geltend gemachten Mehrvergütungsanspruch.
aa) Die Unrichtigkeit steht nicht bereits aufgrund der Feststellungen des Prof. Dr.-Ing. T in dem Gutachten vom 26.05.2004 bindend fest.
Bei diesem Gutachten handelt es sich nicht um ein für beide Parteien verbindliches Schiedsgutachten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beauftragung des Prof. Dr.-Ing. T bzw. des Erdbaulaboratiums F durch die Klägerin den von den Parteien für die Einholung eines Gutachtens vereinbarten Rahmenbedingungen, wie sie im Schreiben vom 25.02.2003 festgehalten sind, entsprach. Es lässt sich nicht feststellen, dass nach der getroffenen Absprache das gemeinsam zu beauftragende Gutachten in dem Sinne verbindlich sein sollte, dass andere Beweismöglichkeiten ausgeschlossen sein sollten. Das lässt sich weder dem Schreiben des für die Beklagte tätigen Architekten Y vom 11.02.2003 noch dem Antwortschreiben der Klägerin vom 25.02.2003 entnehmen. Auf die Schiedsgutachtenklausel in § 6 Ziff. 9 des Generalunternehmervertrags nehmen weder die Absprache vom 16.09.2002 noch die im Februar 2003 gewechselten Schreiben Bezug.
bb) Die individuelle Vereinbarung des Vorgehens zur Klärung der Streitfrage um die Bodenverhältnisse bedeutete zugleich – was zwischen den Parteien auch nicht im Streit ist -, dass die vorgenannte Schiedsgutachtenklausel insoweit keine Anwendung finden sollte.
cc) Die Klägerin ist beweispflichtig, weil die Beklagte die – unter Verweis auf das Privatgutachten des Prof. Dr.-Ing. T substanziiert – behauptete Unrichtigkeit der Bodengutachten der Streithelferin zu 1) in erheblicher Weise bestritten hat. Die Beklagte hat in der Berufung konkrete Einwände gegen die Ausführungen des Prof. Dr.-Ing. T gemacht. Dieses Verteidigungsvorbringen ist nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dass die Beklagte sich erst in der Berufung inhaltlich mit dem vorgelegten Privatgutachten auseinandergesetzt hat, beruhte auf einem Verfahrensmangel im ersten Rechtszug. Der vom Landgericht im Verhandlungstermin am 29.11.2005 erteilte Hinweis auf die Notwendigkeit substanziierten Bestreitens des Gegenvorbringens entsprach nicht den Anforderungen des § 139 ZPO und dem Gebot fairen Verfahrens. Nachdem die Beklagte bereits in ihrer Klageerwiderung vom 26.09.2005 ihren Rechtsstandpunkt, das Gutachten des Prof. Dr.-Ing. T sei unbeachtlich, dargelegt hatte, hätte das Landgericht rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin auf seine rechtlichen Bedenken hinweisen müssen. Der knappe und wenig präzise Hinweis im Termin barg außerdem ersichtlich die Gefahr, in seiner Bedeutung und Tragweite verkannt worden zu sein, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hierauf keine prozessualen Maßnahmen ergriff, insbesondere keinen Antrag auf Schriftsatznachlass nach § 139 Abs. 5 ZPO stellte. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung – und aus dem Gebot fairen Verfahrens – wäre das Landgericht gehalten gewesen, den Hinweis zu präzisieren und ggfls. einen Antrag nach § 139 Abs. 5 ZPO anzuregen. Bei verfahrensfehlerfreiem Vorgehen wäre zu erwarten gewesen, dass die Beklagte schon in erster Instanz ihre sachlichen Einwände gegen das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten erhoben hätte.
dd) Die in der Berufungsinstanz durchgeführte Beweisaufnahme hat die behauptete Unrichtigkeit der Bodengutachten der Streithelferin zu 1) nicht bestätigt.
(1) Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Q an. Dieser hat die beiden Gutachten der Streithelferin zu 1) hinsichtlich des darin beschriebenen Bodenaufbaus umfassend überprüft und ausgewertet. Er hat seine Feststellungen auf seine allgemeinen geologischen Kenntnisse der Gegend und Erfahrungen gestützt und die Ergebnisse der von der H GmbH und dem Erdbaulaboratorium F ausgebrachten Bodenuntersuchungen ausgewertet. Dass der Sachverständige – im Einverständnis mit den Parteien – keine eigenen Untersuchungen des Baugrundes vorgenommen hat, begründet keine Zweifel daran, dass er die den Feststellungen zugrunde liegenden Tatsachen vollständig und richtig ermittelt hat. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Dokumentationen der Ergebnisse der Rammsondierungen und Rammkernsondierungen der Streithelferin zu 1) und des Erdbaulaboratoriums F Fehler aufweisen. Das war zwischen den Parteien nie im Streit, und auch der Sachverständige hat aufgrund seiner eigenen Erfahrungen keinen Hinweis auf einen Fehler gefunden, der Veranlassung für weitere Bodenaufschlüsse gegeben hätte.
(2) Der Sachverständige hat festgestellt, dass die Gutachten der Streithelferin zu 1) die Bodenverhältnisse am Ort des Bauvorhabens in den wesentlichen Merkmalen korrekt darstellen; Defizite bei den der Gutachtenerstellung zugrunde liegenden örtlichen Bodenuntersuchungen sowie einzelne Ungenauigkeiten in der Bodenbeschreibung sind nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen als unerheblich anzusehen.
(3) Bei der Überprüfung und Würdigung der Bodengutachten kommt es, was der Sachverständige berücksichtigt hat, entscheidend darauf an, dass sie der Klägerin als bodentechnische Grundlage für die Lösung der ihr übertragenen Bauaufgabe dienen sollten. Entscheidend ist, ob die Klägerin anhand der in den Gutachten der Streithelferin zu 1) enthaltenen Ergebnisse der Bodenuntersuchungen (Rammsondierungen) sowie der textlichen Bodenbeschreibungen hätte erkennen können und müssen, dass die später durchgeführten aufwändigen Spundungsarbeiten erforderlich sein würden.
Das war nach den Feststellungen des Dipl.-Ing. Q der Fall. Der Sachverständige hat bestätigt, dass an der Örtlichkeit die von der H GmbH beschriebenen Schichten aus Lockergestein (Mergel) und Festgestein (Mergelstein) in Wechsellagerung vorhanden sind. Auch die Einordnung in die Bodenklassen 4 bis 7 ist richtig. Dass der Sachverständige – anders als die Streithelferin zu 1) – die Mergelschichten nicht allein der Bodenklasse 4, sondern den Klassen 4 bis 5 (evtl. auch 6) und die Mergelsteinschichten statt den Klassen 5 bis 7 den Klassen 6 bis 7 zuordnen würde, führt nicht zur Unrichtigkeit der von der Streithelferin zu 1) beschriebenen Bodenverhältnisse. Der Sachverständige hat – überzeugend und für den Senat plausibel – ausgeführt, dass die Einordnung der Mergelschichten in Klasse 4 oder 5 für die hier anstehende Frage der Press- oder Rammbarkeit des Bodens nicht entscheidend ist. Soweit es um die festeren Gesteinsschichten geht, ist festzuhalten, dass die Streithelferin zu 1) in ihrem Gutachten vom 10.04.2001 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass durchgehende Gesteinsschichten der Klassen 6 und 7 auftreten können. Des weiteren hat der Sachverständige seine Einschätzung damit untermauert, dass es für ein Fachunternehmen wie die Klägerin nicht allein auf die angegebenen Bodenklassen ankommt, sondern auch auf die Ergebnisse der schweren Rammsondierungen. Die teilweise hohen Schlagzahlen sowie die Tatsache, dass einige Sondierungen wegen zu hoher Eindringwiderstände abgebrochen werden mussten, gaben deutliche Hinweise auf die Festigkeit des anzutreffenden Bodens.
(4) Das Gutachten der Streithelferin zu 1) vom 17.05.2002 enthält auch keine falschen Angaben über die Mächtigkeit der anzutreffenden Kalksandsteinbänke, die als wenige Dezimeter starke Gesteinsbänke beschrieben werden. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, entsprach diese Feststellung nicht nur den Ergebnissen der von der Streithelferin zu 1) ausgebrachten Sondierungen, sondern auch den späteren Bodenuntersuchungen des Prof. Dr.-Ing. T, der auf Gesteinsbänke von 0,1 bis 0,4 m Stärke getroffen ist. Soweit der Privatgutachter der Klägerin davon ausgeht, dass in tieferen Schichten nur noch Felsgestein anzutreffen ist, hat der Sachverständige dem mit nachvollziehbarer Begründung widersprochen. Diese Annahme sei weder aufgrund der ausgebrachten Bodenuntersuchungen noch aufgrund der allgemeinen geologischen Kenntnisse über den Boden in dem S Bereich gerechtfertigt. Im Übrigen musste die Klägerin wegen der oben bereits dargestellten Verläufe der schweren Rammsondierungen damit rechnen, dass in tieferen Schichten mit Fels zu rechnen war.
(5) Die von der Streithelferin zu 1) in dem Gutachten vom 10.04.2001 aufgeführten Bodenkennwerte betreffend die Kohäsion und die Steifemoduli des Mergels hält der Sachverständige zwar für etwas zu gering; das habe aber nicht zu einem unerwarteten Erschwernis für die Spundungsarbeiten der Klägerin führen können. Vielmehr hätte die Klägerin unter Zugrundelegung der niedrig angesetzten Bodenkennwerte mit größeren Schwierigkeiten bei der vertikalen Ausrichtung des Bohrgeräts und mit Bohrkopfverklebungen rechnen müssen. Für die Ramm- und Pressbarkeit des Bodens sind diese Werte indessen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen von untergeordneter Bedeutung. Außerdem ändern auch die nach den Erfahrungen des Sachverständigen anzusetzenden Steifewerte von 10 bis 25 MN/m² nichts daran, dass es sich bei dem Mergel um problemlos zu bearbeitendes Lockergestein handelt.
(6) Die Bodengutachten der Streithelferin zu 1) sind auch nicht deshalb als unrichtig zu qualifizieren, weil die vorangegangenen Bodenuntersuchungen nicht den Vorgaben der DIN 4020 entsprachen. Danach hätten vor Erstellung des ersten Gutachtens direkte Bodenaufschlüsse unmittelbar im Bereich der später einzubringenden Spundwand ausgebracht werden müssen. Dass sich die Streithelferin zu 1) stattdessen mit der Auswertung räumlich entfernter Kernbohrungen und indirekter Aufschlüsse durch Rammsondierungen begnügt hat, ist im Ergebnis unschädlich. Hätte die Streithelferin zu 1) diese weiteren Bodenuntersuchungen angestellt, wäre sie nicht zu anderen Erkenntnissen gelangt. Wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, stimmt die Bodenbeschreibung der H GmbH mit seinen eigenen geologischen Erfahrungen und Kenntnissen überein und wird von den Ergebnissen der später vom Erdbaulaboratorium F durchgeführten direkten Bodenaufschlüsse bestätigt.
(7) Soweit in dem Gutachten der Streithelferin zu 1) vom 17.05.2002 von dem Erfordernis zusätzlicher Auflockerungsbohrungen gesprochen wird, hält der Sachverständige dies für eine missverständliche Formulierung. Ein Fachunternehmen hätte unter Berücksichtigung der beschriebenen Bodenbeschaffenheit erkennen können und müssen, dass eine reine Auflockerung nicht ausreichte, um die Spundwand einzubringen, sondern dass Bohrungen mit anschließendem Bodenersatz erforderlich sein würden.
Ob dem zu folgen ist, kann letztlich dahinstehen. Nach der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 kam es entscheidend auf die Richtigkeit der von der Streithelferin zu 1) beschriebenen Bodenverhältnisse an. Der Hinweis, es würden “voraussichtlich je Spundbohle 3 m – 5 m Auflockerungsbohrungen erforderlich werden”, ging über die Baugrundbeschreibung hinaus und betraf bereits die – der Klägerin obliegende – Würdigung, welche Baumaßnahmen sich als nötig erweisen würden.
(8) Der Senat folgt dem Sachverständigen letztlich auch in seiner zusammenfassenden Feststellung, dass ein Fachunternehmen wie die Klägerin aufgrund des von der Streithelferin zu 1) hinreichend präzise und im wesentlichen zutreffend beschriebenen Bodenaufbaus die schwierigen Bedingungen für die Spundung und den daraus resultierenden aufwändigen Leistungsumfang hätte erkennen können und müssen.
Einer Ergänzung des Bodengutachtens oder der Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für Spezialtiefbau, wie sie die Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 16.05.2007 beantragt hat, bedarf es nicht. Der Sachverständige Dipl.-Ing. Q hat die streitige Beweisfrage umfassend beantwortet. An seiner fachlichen Kompetenz hat der Senat keinen Zweifel. Dem steht nicht entgegen, dass der Sachverständige als Geologe die Frage zu beantworten hatte, wie ein Bauunternehmer die Bodengutachten zu verstehen hatte. Da Bodengutachten in aller Regel zur Vorbereitung eines Bauvorhabens eingeholt werden, ist bei der Würdigung durch einen Sachverständigen üblicherweise nicht allein die fachgeologische Einschätzung, sondern auch das bei einem Bauunternehmer bzw. Bauherren zu erwartende Verständnis zu berücksichtigen. Der Sachverständige Q war hierzu aufgrund seiner Erfahrungen und Kenntnisse uneingeschränkt in der Lage, wovon sich der Senat, der als Spezialsenat für Baurechtsstreitigkeiten ebenfalls über einschlägige Erfahrungen verfügt, in der mündlichen Verhandlung überzeugt hat.
2. Die mit der Anschlussberufung verfolgte Zinsmehrforderung ist – mangels Hauptforderung der Klägerin – unbegründet.

BGH zur Haftung für beauftragte Tiefbauunternehmen

BGH zur Haftung für beauftragte Tiefbauunternehmen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 13.04.2023 (Az. III ZR 215/21-) entschieden, dass ein öffentlicher Aufgabenträger nicht automatisch Amtshaftungsansprüchen (§ 839 BGB, Art. 34 GG) ausgesetzt ist, wenn ein privates Bauunternehmen eingeschaltet wird und dieses Schäden bei einem Dritten verursacht.

In dem konkreten Fall ging es darum, dass im Zuge von Straßenbauarbeiten der öffentlichen Hand neue Fahrzeugrückhaltesysteme (Schutzplanken) durch ein privates Unternehmen montiert wurden. Dabei wurden Rammarbeiten durchgeführt, die zu einer Beschädigung eines Stromkabels führten, so dass ein Asphaltmischwerk nicht mehr produzieren konnte. Dieses begehrte sodann Schadensersatz.

Der BGH nimmt in dem entschiedenen Fall den Rechtsstandpunkt ein, dass das private Bauunternehmen hier allein verantwortlich ist, den entstandenen Schaden zu ersetzen. Ansprüche aus Amtshaftung gegen die öffentliche Hand kämen deshalb nicht in Betracht, weil das beauftragte Unternehmen nicht in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes tätig geworden sei, weil der hoheitliche Charakter der ausgeführten Arbeiten nicht im Vordergrund gestanden habe und das beauftragte Unternehmen über einen relevanten eigenen Ausführungsspielraum verfügt habe.
Ein Amtshaftungsanspruch gegen die öffentliche Hand setze grundsätzlich voraus, dass im Rahmen einer öffentlichen bzw. hoheitlichen Aufgabe ein „Beamter im nicht statusrechtlichen Sinn“ tätig geworden ist.

Insoweit führt der BGH aus, dass im konkreten Einzelfall stets ein „bewegliches Beurteilungsraster“ zugrunde gelegt werden müsse. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund trete – was vor allem in der hoheitlichen Eingriffsverwaltung der Fall sei – und je enger die Bindung zwischen der übertragenden Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe sei und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des privaten Unternehmens sei, desto näher liege es, das eingeschaltete Privatunternehmen als „Beamten im haftungsrechtlichen Sinne“ der Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) anzusehen.

Auf der Grundlage dieses vorstehenden „beweglichen Beurteilungsrasters“ verneinte der BGH dennoch eine Haftung des zuständigen Straßenbaulastträgers im entschiedenen Fall, weil das beauftragte Privatunternehmen bei der Montierung der Schutzplanken keine Arbeiten verrichtet habe, die einen unmittelbaren Bezug zu einer hoheitlichen Aufgabenerfüllung aufgewiesen habe. Im Bereich der Daseinsvorsorge kommt eine Haftung des Staates – so der BGH – insbesondere dann in Betracht, wenn die übertragende Aufgabe einen engen Bezug zur Eingriffsverwaltung aufweist wie z. B. die Aufstellung eines Verkehrszeichens, wodurch eine Verkehrsregelung unmittelbar umgesetzt wird. Dieses sei bei Schmutzplanken, die (nur) der passiven Verkehrssicherheit und nicht der Verkehrslenkung dienen, nicht der Fall.

Deshalb hafte das Tiefbauunternehmen hier allein aus § 823 BGB. Tiefbauunternehmer hätten bei Bauarbeiten an öffentlichen Straßen mit dem Vorhandensein unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu rechnen. Deshalb müssten sie äußerte Vorsicht walten lassen und sich der unverhältnismäßig großen Gefahren bewusst sein, die durch eine Beschädigung von Strom-, Gas-, Wasser- oder Telefonleitungen hervorgerufen werden können.
Für die wirksame Übertragung von Verkehrssicherungspflichten, insbesondere solche im Bereich des besonders gefahrträchtigen Tiefbaus, gelten – so der BGH – strenge Anforderungen. Soweit solche Pflichten innerhalb eines Unternehmens auf einen Bauleiter oder auf einen anderen (Sub-)unternehmer übertragen würden, bedürfe es klarer, unmissverständliche Anweisungen darüber, wann und in welcher Weise eine zuverlässige Kenntnis von der Lage und dem Verlauf der Versorgungsleitung bestehen müsse. Auch bei einer zulässigen Übertragung (Delegation) verbleiben – so der BGH – bei dem ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen eigene Ausfall-, Kontroll- und Überwachungspflichten, deren Umfang und Ausmaß sich nach dem Umstand des Einzelfalles richten würden. Insoweit hätte die Beschädigung des Stromkabels vermieden werden können, wenn das schädigende Tiefbauunternehmen sich rechtzeitig vergewissert hätte, dass die erstellte Planskizze auf einer sicheren (tragfähigen) und richtigen Information beruht.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend darauf hin:

Insbesondere im Bereich der hoheitlichen Eingriffsverwaltung, wozu insbesondere die Aufgabenbereiche mit Anschluss- und Benutzungszwang an öffentliche (kommunalen) Ver- und Entsorgungseinrichtungen gehören (z. B. Wasserversorgung, Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung) sind die Stadt bzw. Gemeinde als hoheitlicher Aufgabenträger auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Schadensersatzansprüchen aus Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) ausgesetzt. Dieses gilt auch dann, wenn private Unternehmen als Erfüllungsgehilfen bei der Aufgabenerfüllung eingeschaltet werden und dadurch Dritte geschädigt werden. Entscheidend ist hierbei, dass diese Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge (Grundversorgung) der so genannten Eingriffsverwaltung zuzurechnen sind und deshalb der hoheitliche Charakter der ausgeführten Arbeiten durch ein privates Unternehmen im Vordergrund steht. Dieses folgt bereits daraus, dass in den Bereichen der Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung öffentliche Entsorgungseinrichtungen betrieben werden, für deren Benutzung in der Abwasserbeseitigungssatzung oder der Abfallentsorgungssatzung detaillierte Vorgaben gemacht werden.

Auf der Grundlage des vom BGH angenommenen „beweglichen Beurteilungsrasters“ ist in diesen Bereichen eine erhebliche Einflussnahme der öffentlichen Hand als Aufgabenträger, etwa durch bindende Vorgaben, Weisungen oder detaillierte Planungen gegeben, so dass der eingeschaltete private Unternehmer regelmäßig als Verwaltungshelfer der öffentlichen Hand anzusehen ist, mit der Folge, dass auch eine Haftung der öffentlichen Hand aus Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) grundsätzlich in Betracht kommt. Die Annahme, dass ein privater Unternehmer als „Werkzeug“ oder „verlängerter Arm“ der Behörde handelt, liegt grundsätzlich auch dann näher, wenn die öffentliche Hand als Auftraggeber regelmäßig ein Fachunternehmen gerade wegen dessen besonderer Fachkunde heranzieht. Letzteres ist auch für die Bereiche der Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung anzunehmen, damit die Benutzungsvorgaben in den entsprechenden Benutzungssatzungen für die öffentlichen Abwasser- und Abfallentsorgungseinrichtungen eingehalten werden.
Darüber hinaus ist es sinnvoll, dass Städte und Gemeinden, welche Planunterlagen zur Lage von Ver- und Entsorgungsleitungen an private Unternehmen herausgeben, auf den Planunterlagen deutlich sichtbar vermerken, dass zusätzlich eine grundlegende Rücksprache mit der Stadt bzw. Gemeinde im Einzelfall zu erfolgen hat, damit die Planunterlagen zutreffend und richtig verstanden werden.

Der Bauherr ist doch kein Versuchskaninchen und muss bei der Mängelbeseitigung nicht einfach alles über sich ergehen lassen!

Der Bauherr ist doch kein Versuchskaninchen und muss bei der Mängelbeseitigung nicht einfach alles über sich ergehen lassen!

von Thomas Ax

Dem Werkunternehmer ist es zwar regelmäßig überlassen, in welchem Umfang und auf welche Weise er einen Baumangel beseitigen will. Er trägt das Risiko seiner Arbeit und er muss daher grundsätzlich auch allein entscheiden können, auf welche Weise er die Mängel dauerhaft beseitigen will (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2003, VII ZR 93/01, NZBau 2004, 153; zur Beweislast des Auftraggebers vgl. BGH, Urteil vom 05.05.1969, VII ZR 26/69, ZfBR 2001, 110 (Ls.) bzw. juris; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.08.2012, I-23 U 143/11, BauR 2013, 107; OLG Celle, Urteil vom 17.03.2011, 6 U 125/10, IBR 2012, 21; OLG Celle, Urteil vom 02.06.2010, 14 U 205/03, BauR 2010, 1613; Bold, NJW 2007, 2960/2963 – Schallschutz).

Ein Unternehmer muss sich daher nur ausnahmsweise, insbesondere wenn Treu und Glauben dies erfordern, Weisungen von Seiten des Auftraggebers unterwerfen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 06.08.2004, 8 U 19/04, IBR 2005, 368, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 12.05.2005, VII ZR 216/04).

Das ist z.B. der Fall, wenn der Unternehmer eine völlig unzureichende Nacherfüllung plant, bei der von vorneherein abzusehen ist, dass sie nicht zu einer vollständigen, nachhaltigen und den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Mängelbeseitigung führen kann.
Auf solche untauglichen Nachbesserungsansinnen des Auftragnehmers, die sich als bloßer Versuch einer Nachbesserung darstellen, braucht sich der Auftraggeber einer Werkleistung regelmäßig nicht einzulassen (vgl. BGH, Urteil vom 05.05.2011, VII ZR 28/10, NJW 2011, 1872; BGH, Urteil vom 13.12.2001, VII ZR 27/00, NJW 2002, 1262; BGH, Urteil vom 24.04.1997, VII ZR 110/96, BauR 1997, 638; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.12.2009, 9 U 18/09, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 09.02.2012, VII ZR 15/10, IBR 2012, 258; Werner/Pastor, a.a.O., Rn 2091; Vygen/Joussen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 5. Auflage 2013, Rn 1337 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 07.03.2013, VII ZR 119/10, NJW 2013, 1528; BGH, Urteil vom 05.10.2005, X ZR 276/02, BauR 2006, 524; ibronline-Kommentar/Krause-Allenstein, Stand 12.03.2018, § 635, Rn 24 ff./31 mwN).

Herrscht Streit darüber, wie die Nachbesserung vertragsgerecht erfolgen muss, tragen beide Parteien ein Risiko, wenn sie darüber keine Einigung erzielen. Besteht der Unternehmer auf einer Nachbesserungsmaßnahme, die unzureichend ist, kann der Besteller diese zurückweisen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.12.2009, a.a.O.). Er gerät dann nicht in Annahmeverzug (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.2006, VII ZR 274/04, juris; BGH, Urteil vom 27.03.2003, VII ZR 443/01, juris); der Unternehmer verliert in diesem Fall sein Nacherfüllungsrecht. Für die Beurteilung, ob eine durch den Werkunternehmer angebotene Nachbesserungsmaßnahme geeignet ist oder nicht, kommt es auf objektive Maßstäbe an und nicht darauf, welche Erkenntnisse der Werkunternehmer zum Zeitpunkt der Abgabe eines Nachbesserungsangebots hatte (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.12.2009, a.a.O.; ibronline-Kommentar-Krause/Allenstein, Stand 12.03.2018, § 635, Rn 30 ff. mwN).

Nacherfüllungsmaßnahmen, die den vertraglich geschuldeten Erfolg nicht vollständig herbeiführen, muss der Bauherr grundsätzlich nicht akzeptieren und darf er zurückweisen (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.2004, VII ZR 317/02, juris; ibronline-Kommentar-Krause/Allenstein, a.a.O., § 635, Rn 25 mwN).
Diese geschuldete Abstimmung mit dem Besteller (im Sinne einer nachvollziehbaren Darstellung der angebotenen Sanierung von Deckenflächen) ist Ausfluss der vom BGH in ständiger Rechtsprechung formulierten und zunehmend erweiterten Kooperationspflichten von Bauvertragsparteien (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 10.05.2007, VII ZR 226/05, juris). Dies folgt auch daraus, dass keiner Partei mit einer Nacherfüllung gedient ist, die sich später als unzureichend erweist.

Es gibt kein Recht des Werkunternehmers bzw. Bauträgers, sich durch sukzessive Mängelbeseitigungsversuche an den von ihm vertraglichen geschuldeten “erhöhten Schallschutz” schrittweise (und für ihn kostensparend) quasi “heranzutasten”. Dies gilt erst recht im Rahmen eines schon bezogenen bzw. bewohnten Objekts, bei dem jede weitere Teil- bzw. Schlusssanierung mit erheblichen, den Bauherrn auch immateriell belastenden Einschränkungen der Bewohnbarkeit des Objekts und entsprechend hohem Aufwand bei dem notwendigen Schutz des persönlichen Inventars des Bauherrn verbunden ist.

OLG Brandenburg zu der Frage, dass die Ablehnung eines Richters grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden kann und dass eine Ausnahme von diesem Grundsatz dann geboten ist, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken

OLG Brandenburg zu der Frage, dass die Ablehnung eines Richters grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden kann und dass eine Ausnahme von diesem Grundsatz dann geboten ist, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen - insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Gründe aus. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
2. Die Ablehnung kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.
3. Der Umstand, dass ein Richter auf einen nachgelassenen Schriftsatz keine Hinweise erteilt hat, ist nicht geeignet, eine unsachgemäße Einstellung oder Vorgehensweise zu belegen.
4. Die richterliche Pflicht zum Erteilen von Hinweisen ist auf die Zeit der Vorbereitung wie auch der Durchführung der mündlichen Verhandlung begrenzt ist.
5. Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ist die Erteilung von Hinweisen erst wieder im Verkündungstermin möglich. In dessen Vorbereitung obliegt es dem Richter zu prüfen, ob das Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz eine Wiedereröffnung der mündlichen Verfahren und gegebenenfalls die Erteilung weiterer Hinweise zur Vorbereitung des Fortsetzungstermins erfordert oder aber die Verkündung eines Urteils angezeigt ist.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.10.2024 – 1 W 45/24

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von 250.000 € aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung im Zusammenhang mit einem Mietkaufvertrag in Anspruch. Die Beklagte hat Widerklage sowie eine gegen den Ehemann der Klägerin gerichtete Drittwiderklage auf Zahlung von 5.657,20 € erhoben, woraufhin die Klägerin und Widerbeklagte (im Folgenden nur Klägerin genannt) sowie der Drittwiderbeklagte beantragt haben, die Dritt-/Widerklage “im Wege einer Zwischenentscheidung” als unzulässig abzuweisen.

Nachdem die Einzelrichterin der 1. Zivilkammer in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2024 auf die Erfolglosigkeit der Klage wie auch der Dritt-/Widerklage hingewiesen, Schriftsatznachlass gewährt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 2. August 2024 bestimmt hatte, haben die Klägerin sowie der Drittwiderbeklagte mit Schriftsatz vom 13. Juli 2024 ergänzend vorgetragen. Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2024 haben sie die Einzelrichterin sodann wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Richterin habe ausweislich der in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweise den Antrag auf Zwischenentscheidung über die Dritt-/Widerklage nicht zur Kenntnis genommen und überdies auch ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 13. Juli 2024 unbeachtet gelassen, zu denen sie explizit Hinweise erbeten hätten. Sie rügten ferner einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter, da sich die Zuständigkeit der Kammer aus den online abrufbaren Geschäftsverteilungsplänen des Landgerichts nicht ableiten ließe.

Die abgelehnte Richterin hat am 26. Juli 2024 eine dienstliche Stellungnahme abgegeben, in der sie erklärt, sämtliches Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und ihre Entscheidungsfindung angesichts der noch laufenden Schriftsatzfrist auch noch nicht abgeschlossen zu haben.

Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 7. August 2024 zurückgewiesen. Soweit das Verhalten der Richterin in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2024 – namentlich das Unterbleiben von Hinweisen zur (Dritt-)Widerklage – beanstandet würde, sei das Gesuch bereits unzulässig. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet. Die fehlende Reaktion der Richterin auf den Schriftsatz vom 13. Juli 2024 gebe keinen Anlass an deren Unparteilichkeit zu zweifeln. Zum einen sei die Richterin bis zum 22. Juli 2024 im Urlaub gewesen und zum anderen sei sie nicht zur Erteilung von Hinweisen vor dem anberaumten Verkündungstermin verpflichtet.

Mit Schriftsatz vom 26. August 2024 legten die Klägerin und der Drittwiderbeklagte beim Oberlandesgericht sofortige Beschwerde gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 13. August 2024 zugestellten Beschluss ein und rügten erneut die Zuständigkeit der 1. Zivilkammer des Landgerichts.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig, nachdem sie insbesondere innerhalb der in § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmten Frist eingelegt worden ist.

Der Senat ist auch nicht deshalb an einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde gehindert, weil das Landgericht auf die beim Beschwerdegericht eingelegte Beschwerde keine Abhilfeentscheidung getroffen, sondern die Akte auf die Aktenanforderung unmittelbar vorgelegt hat. Mängel des Abhilfeverfahrens stehen der Durchführung des Beschwerdeverfahrens grundsätzlich nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 – V ZB 13/10, und Beschluss vom 15. Februar 2017 – XII ZB 462/16).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat das Ablehnungsgesuch der Klägerin und des Drittwiderbeklagten zu Recht zurückgewiesen, da die vorgebrachten Ablehnungsgründe die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterin nicht rechtfertigen.

a) Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Gründe aus. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfG Beschluss vom 16.02.1995 – 2 BVR 1852/54 -, BVerfGE 92, 138, 139).

Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein dem Rechtsmittelgericht vorbehalten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (zum Maßstab KG, Beschluss vom 02.07.2015 – 10 W 13/15 -).

b) An diesem Maßstab gemessen liegen keine objektiven Gründe vor, welche aus Sicht eines vernünftigen und besonnenen Betrachters Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin rechtfertigen.

aa) Ihr Ablehnungsgesuch können die Klägerin und der Drittwiderbeklagte dabei zunächst nicht auf den Umstand stützen, dass die Richterin in der mündlichen Verhandlung am 10. Juni 2024 keine Hinweise in Bezug auf den Antrag erteilt hat, die Dritt-/Widerklage im Wege einer Zwischenentscheidung als unzulässig abzuweisen. Ein diesbezügliches Ablehnungsrecht haben die Klägerin und der Drittwiderbeklagte – wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausführt – gemäß § 43 ZPO verloren, nachdem sie sich in Kenntnis des Sachverhalts und des damit nach ihrer Auffassung verbundenen Ablehnungsgrundes in die Verhandlung eingelassen und Anträge gestellt haben.

bb) Der Umstand, dass die abgelehnte Richterin auf den nachgelassenen Schriftsatz vom 13. Juli 2024 keine Hinweise erteilt hat, ist nicht geeignet, eine unsachgemäße Einstellung oder Vorgehensweise zu belegen. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten verkennt die Reichweite der richterlichen Hinweispflichten nach § 139 ZPO wie auch die gesetzlichen Regelungen zum Ablauf des Zivilprozesses.

Sowohl der Wortlaut des § 139 ZPO als auch dessen Stellung innerhalb der ZPO – namentlich im Titel 1 “Mündliche Verhandlung” des Abschnitts 3 im 1. Buch – und sein Sinn und Zweck machen deutlich, dass die richterliche Pflicht zum Erteilen von Hinweisen auf die Zeit der Vorbereitung wie auch der Durchführung der mündlichen Verhandlung begrenzt ist. In diesem Rahmen dient sie u.a. der Konzentration auf die wesentlichen Streitfragen und damit der Beschleunigung des Prozesses (vgl. MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, ZPO § 139 Rn. 2, beck-online).

Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ist die Erteilung von Hinweisen – wie das Landgericht zutreffend ausführt – erst wieder im Verkündungstermin möglich. In dessen Vorbereitung obliegt es der Richterin, zu prüfen, ob das Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz eine Wiedereröffnung der mündlichen Verfahren nach § 156 Abs. 1 ZPO und ggf. die Erteilung weiterer Hinweise zur Vorbereitung des Fortsetzungstermins erfordert oder aber die Verkündung eines Urteils angezeigt ist. Diese prozessrechtlichen Regelungen beanspruchen auch dann Geltung, wenn eine Partei – wie hier – um die Erteilung von Hinweisen schon vor dem Verkündungstermin bittet. Der Umstand, dass die Richterin ihre Vorgehensweise an den gesetzlichen Verfahrensregelungen ausgerichtet hat, spricht gerade für die Unparteilichkeit ihrer Verhandlungsführung und ist deshalb nicht geeignet, eine Voreingenommenheit gegenüber der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten zu belegen.

cc) Anlass an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richterin zu zweifeln, gibt auch nicht der Umstand, dass der ohne ihre Beteiligung gefasste Beschluss vom 7. August 2024 keine näheren Ausführungen zu der – seitens der Klägerin und des Drittwiderbeklagten in Abrede gestellten – Zuständigkeit der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) enthält.

3. Im Rahmen der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch hat schließlich auch der Senat keinen Anlass, über die Zuständigkeit der Zivilkammer zu befinden.

OLG Braunschweig zu der Frage, dass ein verfahrensbeendender Prozessvergleich nicht durch gerichtliche Entscheidung ergänzt werden kann

OLG Braunschweig zu der Frage, dass ein verfahrensbeendender Prozessvergleich nicht durch gerichtliche Entscheidung ergänzt werden kann

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ein verfahrensbeendender Prozessvergleich kann nicht durch gerichtliche Entscheidung ergänzt werden.
2. Ist der Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO zutreffend festgestellt, ist eine Ergänzung auch nicht im Wege der Berichtigung möglich.
3. Sind durch einen Prozessvergleich nach dessen Regelung “alle gegenseitigen Ansprüche aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit abgegolten” und hat der Kläger mit der Klage nur eigene Leistungsansprüche sowie einen Feststellunganspruch für zukünftige Ansprüche mit der üblichen Einschränkung “soweit nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden” geltend gemacht, so bedarf es in dem Vergleich ohnehin nicht noch zusätzlich einer ausdrücklichen Regelung, wonach auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte (z. B. eine private Krankenversicherung) von Gesetzes wegen übergegangene oder zukünftig übergehende Ansprüchen nicht Gegenstand des Vergleichs sind.

OLG Braunschweig, Beschluss vom 21.10.2024 – 9 U 75/23

Gründe

Die Voraussetzungen für eine Berichtigung oder Ergänzung liegen nicht vor.

Eine Berichtigung kommt lediglich bei einer fehlerhaften Niederlegung einer Entscheidung – hier des Beschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO – in Form einer Abweichung zwischen dem von dem Gericht Gewollten und dem vom Gericht Erklärten (vgl. BGH NJW 1985, 742) in Betracht; eine Ergänzung i. S. v. § 321 ZPO verlangt, dass das Gericht beim Fällen eines Urteils oder bei einer Beschlussfassung etwas übergangen hat.

An alldem fehlt es vorliegend:

Die Parteien haben den Vergleichsvorschlag des Senats (Beschluss vom 15.5.2024, S. 9 = Bl. 45 NHA) durch Schriftssätze des Klägers vom 5.6.2024 (Bl. 62 NHA) und 10.9.2024 (Bl. 6 RHA) sowie den Schriftsatz des Beklagten vom 27.9.2024 (S. 3 = Bl. 20 RHA) exakt genau so angenommen, wie er ihnen zuvor vorgeschlagen worden ist. Der Feststellungsbeschluss vom 30.9.2024 (Bl. 22 f. RHA) stimmt damit ebenfalls genau überein.

Unabhängig davon ist eine Ergänzung eines Vergleichs durch ein Gericht bereits nicht statthaft. Ein Vergleich ist ein von den Parteien vor Gericht geschlossener Vertrag (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 35. Aufl., Rn. 3ff.), den das Gericht nicht durch Beschluss ändern kann (OLG Nürnberg MDR 2003, 652).

Vorsorglich wird auf Folgendes hingewiesen:

Der nunmehr nachträglich vom Kläger zu Ziffer 4 gewünschte Zusatz ist rechtlich überflüssig. Die Zahlung zu Ziffer 1 und Abgeltungsregelung unter Ziffer 2 beziehen sich allein auf alle “gegenseitigen” Ansprüche “aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit”. Das erfasst logisch nur Ansprüche der Parteien. Den gesetzlich auf die private Krankenversicherung oder andere Dritte übergegangenen Ansprüchen fehlte es jeweils wechselseitig an der Aktivlegitimation der Parteien, um Ansprüche “der Parteien” zu sein. Solche Ansprüche konnten damit auch keine “gegenseitigen” sein, mithin auch nicht “aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit”. Das gilt auch für zukünftige Ansprüche. Denn erfasst sind von Vergleichsziffer 2 zukünftige Ansprüche auch nur “aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit”. Im vorliegenden Rechtstreit anhängig waren die etwaigen zukünftigen Ansprüche nur in Form der beantragten Feststellung, die aber bereits jeweils die gesetzlich auf Dritte, insbesondere Versicherungen oder Sozialversicherungsträger übergegangene oder übergehenden Ansprüche von vornherein ausdrücklich ausgenommen hat (“mit Ausnahme”, vgl. Klageschrift S. 2, Ziffer 3 = Bl. 2 d.A.; LGU S. 7 = Bl. 399 d.A.).

Mit anderen Worten: Die mit Schriftsatz vom 8.10.2024 – ohne Erfolg – vom Senat begehrte Zusatzregelung wäre eine rein deklaratorische, die nur die ohnehin bereits bestehende Rechtslage ausdrückt. Sie ist daher auch nicht erforderlich.

Sollten die Parteien das anders sehen, steht es ihnen frei, diese außergerichtlich noch zu vereinbaren. Im vorliegenden, durch den Vergleich endgültig beendeten (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., Rn. 13) Rechtsstreit ist dafür aus den oben genannten Gründen unter Beteiligung des Gerichts jedenfalls kein Raum mehr

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gesonderte gerichtliche oder anwaltliche Gebühren sind nicht angefallen.

Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess/ Substantiierungsanforderungen versus Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)

Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess/ Substantiierungsanforderungen versus Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)

von Thomas Ax

Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. nur Urteil vom 18.05.2021 – VI ZR 401/19, Rn. 19, 20 m.w.N.) bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrundeliegenden Vorgängen hat. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von entscheidungserheblichen Einzeltatsachen hat. Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen “aufs Geratewohl” oder “ins Blaue hinein” aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (BGH, Urteil vom 18.05.2021 – VI ZR 401/19, Rn. 19, 20 mwN.). Generell genügt der Besteller im Werkvertragsrecht den Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess bereits dann, wenn er die Erscheinungen, die er auf vertragswidrige Abweichungen zurückführt, hinlänglich deutlich beschreibt. Er ist nicht gehalten, die Mangelursachen im Einzelnen zu bezeichnen (sog. Symptomtheorie, st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 04.11.2020 – VII ZR 261/18, Rn. 14 m.w.N.).

Zur Frage der Drittschadensliquidation

Zur Frage der Drittschadensliquidation

von Thomas Ax

Nach der Rechtsprechung des BGH (zuletzt bspw. Urteil vom 21.04.2023 – V ZR 86/22, Rn. 23 m.w.N.) ist in besonders gelagerten Fällen eine Drittschadensliquidation möglich, bei der der Vertragspartner denjenigen Schaden geltend machen kann, der bei dem Dritten eingetreten ist, der selbst keinen Anspruch gegen den Schädiger hat. Liegen die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation vor, wird in einem ersten Schritt der Anspruch dem (schadenslosen) Vertragspartner gewährt, der ihn dann im zweiten Schritt analog § 285 BGB an den Geschädigten abzutreten hat (vgl. Grüneberg/Grüneberg, a.a.O., Vorb. v. § 249 BGB, Rn. 107; BeckOGK/Mäsch, Stand: 01.07.2024, § 328 BGB, Rn. 175). Drittschadensliquidation kommt bei der sog. mittelbaren Stellvertretung in Betracht. In diesen Fällen schließt der mittelbare Stellvertreter im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung einen Vertrag mit dem Schädiger. Maßgebend ist, dass das Geschäft auf Rechnung des Dritten abgeschlossen worden ist (vgl. MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, § 249 BGB, Rn. 296; BeckOK BGB/Johannes W. Flume, 70. Ed., Stand: 01.05.2024, § 249 BGB, Rn. 369).

VGH Baden-Württemberg zu der Frage der Einsicht in eine Sitzungsniederschrift

VGH Baden-Württemberg zu der Frage der Einsicht in eine Sitzungsniederschrift

vorgestellt von Thomas Ax

§ 38 Abs. 2 Satz 4 GemO gewährt Gemeindeeinwohnern nur dann Einsicht in eine Sitzungsniederschrift, wenn die betroffene Gemeinderatssitzung tatsächlich öffentlich stattgefunden hat. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO ist im Sinne des § 1 Abs. 3 LIFG eine Rechtsvorschrift, die den Zugang zu amtlichen Informationen vorrangig und abschließend regelt. Anspruchsberechtigung, Anspruchsverpflichtung und Anspruchsgegenstand kennzeichnen § 38 Abs. 2 Abs. 4 GemO als eine “Teilmenge” des allgemeinen Informationszugangsrechts nach § 1 Abs. 2 LIFG speziell und abschließend geregelt ist im § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO auch die Art des Informationszugangs (Einsichtnahme in Sitzungsniederschrift). Selbst wenn § 1 Abs. 2 LIFG entgegen § 1 Abs. 3 LIFG neben § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO anwendbar wäre, stünde die gemeinderechtliche Bestimmung gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 LIFG als Ablehnungsgrund einem LIFG (juris: InfFrG BW)-Begehren auf Zugang zu der Niederschrift einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung entgegen. Was nach fachgesetzlichen Vorschriften geheim gehalten werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Landesinformationsfreiheitsgesetzes geheim.

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.02.2020 – 10 S 1229/19

Tatbestand

Der Kläger ist Einwohner der Beklagten. Mit Antrag vom 04.01.2017 hat er unter Berufung auf das Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG)

“Einsicht in das Protokoll der nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung vom 01.12.2016 zu dem TOP, dessen Gegenstand die Abwassergebührennachkalkulation 1994-1996 vom Dezember 2016 war”

beantragt. Die Beklagte hat den Antrag abgelehnt, der Widerspruch ist zurückgewiesen worden. Mit der am 14.07.2017 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die Klage wurde abgewiesen. Der Senat macht sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu eigen und nimmt deshalb Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (§ 130b Satz 1 VwGO).

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Kläger habe nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO keinen Anspruch auf Einsicht in die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats der Beklagten vom 01.12.2016. Der Kläger sei zwar Einwohner der Beklagten, ein Anspruch auf Einsichtnahme in Niederschriften nichtöffentlicher Gemeinderatssitzungen stehe jedoch ausschließlich Gemeinderäten zu; der Kläger sei indes kein Mitglied des Gemeinderates der Beklagten. Ein Anspruch bestehe auch dann nicht, wenn der Gemeinderat unter Verstoß gegen § 35 Abs. 1 GemO nichtöffentlich verhandelt habe; denn § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO stelle nach Wortlaut, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck darauf ab, dass die Sitzung tatsächlich “öffentlich” gewesen sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch nach § 1 Abs. 2 LIFG; gemäß § 1 Abs. 3 LIFG gehe § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO dem allgemeinen Informationsanspruch aus § 1 Abs. 2 LIFG vor und regele die Einsicht in die Sitzungsniederschriften des Gemeinderates abschließend. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO und § 1 Abs. 2 LIFG stimmten in der Zielsetzung, nämlich der Stärkung des Öffentlichkeitsgrundsatzes sowie der Teilhabe der Bürger an der demokratischen Meinungs- und Willensbildung, überein. Die Gesetzesmaterialien zum LIFG dokumentierten, dass § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO gegenüber § 1 Abs. 2 LIFG eine abschließende Spezialregelung sei. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO schließe eine Einsichtnahme in Niederschriften nichtöffentlicher Gemeinderatssitzungen für Einwohner abschließend aus.

Mit Schriftsatz vom 02.05.2019, eingegangen am 06.05.2019, hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das Urteil vom 27.03.2019, zugestellt am 09.04.2019, eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag. Der Kläger rügt die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO und moniert die Untätigkeit der Rechtsaufsichtsbehörde. Im Schriftsatz vom 03.12.2019 hebt der Kläger die aus seiner Sicht entscheidungserhebliche Frage nochmals hervor, ob der Ausschluss des Informationsbegehrens auf der Grundlage des LIFG auch dann greife, wenn die nichtöffentliche Vorberatung eines Satzungsbeschlusses rechtswidrig gewesen sei und diese Rechtswidrigkeit zur Nichtigkeit des Satzungsbeschlusses führe. Es gehe darum, ein Fehlverhalten der Verwaltung bezüglich der Abwassergebührennachkalkulation aufzudecken; das Verwaltungsgericht habe über den Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO befinden müssen. Im Verhältnis der beiden Anspruchsgrundlagen sei eine Deckungsgleichheit in den Zielsetzungen zwischen § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO und § 1 Abs. 2 LIFG entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht gegeben. Schon nach dem Kreis der jeweils Berechtigten würden unterschiedliche Zielgruppen erfasst. Sodann normiere § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO nur ein eingeschränktes Informationsrecht mit eingeschränkter Kontrolle der Arbeit des Gemeinderates, während § 1 LIFG im Interesse einer modernen Informationsgesellschaft ein voraussetzungsloses umfassendes Informationsrecht normiere, dessen Ziel es nicht sei, Mängel der Verwaltung der Beklagten zu schützen; vielmehr werde die Transparenz der Verwaltung vergrößert. Sei demnach der Anspruch gemäß § 1 Abs. 2 LIFG gegeben, könne dem Begehren allenfalls ein Ablehnungsgrund nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 LIFG entgegenstehen; ein besonderer öffentlicher Belang, der den beantragten Informationszugang hindere, sei jedoch nicht ersichtlich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27.03.2019 – 1 K 5856/17 – zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2017 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 07.07.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die vom Kläger beantragte Einsicht in die Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderates am 01.12.2016 in Sachen Abwassergebührennachkalkulation 1994-1996 vom Dezember 2016 zu gewähren, hilfsweise über den Antrag des Klägers unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden;

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für erforderlich zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hebt die Beklagte hervor, das Verwaltungsgericht habe zutreffend entschieden. Ferner verweist die Beklagte auf ihren erstinstanzlichen schriftsätzlichen Vortrag. Ergänzend betont die Beklagte, zum Schutz nichtöffentlicher Gemeinderatssitzungen könne der Gesetzgeber, wie in § 38 Abs. 2 GemO erfolgt, regeln, dass die Beratung und Willensbildung in nichtöffentlichen Sitzungen auch dadurch Schutz erfahre, dass den Einwohnern nur die Einsichtnahme in die Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen gestattet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Akten des Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungsgerichts Freiburg sowie auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. § 1 Abs. 2 LIFG ist nicht anwendbar, sondern wird angesichts der bestehenden Normenkonkurrenz (II.) durch die abschließende Spezialbestimmung des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO verdrängt (III.). Es gilt danach der Vorrang des Fachrechts gegenüber dem allgemeinen Informationszugangsrecht (IV.). Die Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO liegen indessen nicht vor (I.).

I.

Nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO ist den Einwohnern der Gemeinde die Einsichtnahme in die Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen des Gemeinderates gestattet. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind nicht erfüllt. Der Kläger ist zwar Einwohner der Beklagten, er begehrt jedoch nicht eine Einsichtnahme in die Niederschrift über eine öffentliche Sitzung. Die Sitzung vom 01.12.2016, um die es hier geht, ist eine nichtöffentliche Sitzung gewesen; das bestreitet auch der Kläger nicht. Er meint allerdings, die betreffende Sitzung hätte nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO öffentlich stattfinden müssen und die Niederschrift einer zu Unrecht nichtöffentlich abgehaltenen Gemeinderatssitzung stehe einer Niederschrift im Sinne des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO gleich, sodass ihm die Einsichtnahme zu gestatten sei. Wie das Verwaltungsgericht richtig erkannt hat, spricht allerdings gegen die vom Kläger postulierte Gleichstellung schon der Wortlaut von § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO. Die Vorschrift knüpft tatbestandsmäßig allein an die Tatsache an, ob es sich um “Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen” handelt, also ob tatsächlich öffentlich verhandelt worden ist. Hätte der Gesetzgeber etwas Anderes gewollt, hätte er dies unschwer zum Ausdruck bringen können (Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 52). Die normative Anknüpfung an die Faktizität der Öffentlichkeit der Sitzung zeigt sich auch darin, dass § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO selbst dann keine Einsicht in die Niederschriften nichtöffentlicher Sitzungen gestattet, wenn die Gründe für die Nichtöffentlichkeit der Sitzung inzwischen weggefallen sind (Aker in Aker/Hafner/Notheis, GemO BW, 2. Aufl., § 38 Rn. 13) oder wenn die Schweigepflicht der Gemeinderäte mittlerweile aufgehoben worden ist (Bock in Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, EL September 2016, § 38 Rn. 8). Dafür, dass für das Recht auf Einsichtnahme aus § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO entscheidend ist, ob eine öffentliche Sitzung des Gemeinderates stattgefunden hat, sprechen auch gewichtige Gründe der Verwaltungspraktikabilität und der kommunalverfassungsrechtlichen Ordnung. Da das den Einwohnern von § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO eingeräumte Recht, Einsicht in die Niederschriften öffentlicher Sitzungen zu nehmen, in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt worden ist, wäre der Bürgermeister als Leiter der Gemeindeverwaltung und Vertreter der Gemeinde (§ 42 Abs. 1 GemO) auf ein entsprechendes Einsichtsgesuch hin genötigt, auch bei Vorgängen, die unter Umständen schon Jahrzehnte zurückliegen, im Einzelfall zu prüfen, ob seinerzeit zu Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz GemO ausgegangen worden ist. Dies würde nicht nur an faktische Grenzen stoßen, sondern auch das für die Entscheidung über den Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit kommunalverfassungsrechtlich vorgesehene Organisationsgefüge in Frage stellen (hierzu vgl. Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 52 f.). Eine inzidente Prüfung zur Einhaltung bzw. Nichteinhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes für Gemeinderatssitzungen im Rahmen des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO scheidet daher aus. Offenlassen, da nicht (mehr) entscheidungserheblich, kann der Senat die – vom Verwaltungsgericht wohl verneinte – Frage, ob aus dem Öffentlichkeitsgrundsatz in § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO ein gerichtlich einklagbares subjektives Recht Interessierter auf Zutritt zu Sitzungen der Gemeindevertretung, von denen die Öffentlichkeit nicht rechtmäßig ausgeschlossen worden ist, folgt (bejahend z. B. Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl., Rn. 626; Lange, Kommunalrecht, 2. Aufl., Kap. 7 Rn. 90; verneinend z. B. BayVGH, Beschluss vom 04.02.2016 – 4 ZB 15.2506 – juris; Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 53).

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe zu § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO sieht der Senat ab, da im Übrigen die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen ist (§ 130b Satz 2 VwGO).

II.

Sofern der Zugang zu amtlichen Informationen in anderen Rechtsvorschriften abschließend geregelt ist, gehen diese – mit Ausnahme der hier nicht relevanten §§ 29 VwVfG, 25 SGB X – gemäß § 1 Abs. 3 LIFG dem Informationszugangsanspruch nach § 1 Abs. 2 LIFG, auf den sich der Kläger stützt, vor. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO stellt im Sinne des § 1 Abs. 3 LIFG eine abschließende Informationszugangsregelung dar. Das LIFG ist in seiner Grundstruktur dem IFG des Bundes nachgebildet (LT-Drs. 15/7720, S. 25). Das gilt insbesondere auch für § 1 Abs. 3 LIFG (Sicko in Debus, Informationszugangsrecht Baden-Württemberg, 2017, § 1 LIFG Rn. 20). Deshalb können die zu § 1 Abs. 3 IFG Bund gewonnenen Erkenntnisse im vorliegenden Zusammenhang herangezogen werden.

1. § 1 Abs. 3 LIFG setzt eine Normenkonkurrenz voraus und löst die dadurch bewirkte Normenkollision dergestalt auf, dass der Anspruch nach § 1 Abs. 2 LIFG zurücktritt, “soweit besondere Rechtsvorschriften den Zugang zu amtlichen Informationen abschließend regeln” (so LT-Drs. 15/7720, S. 58). “Rechtsvorschriften” im Sinne des § 1 Abs. 3 LIFG sind Rechtsnormen mit Außenwirkung (Beyerbach in BeckOK, Informations- und Medienrecht, 23. Edition 01.02.2019, § 1 LIFG Rn. 11; Sicko a. a. O. Rn. 24, 25). § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO erfüllt diese Voraussetzung offensichtlich.

Bei § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO handelt es sich auch um eine “Rechtsvorschrift”, die den “Zugang zu amtlichen Informationen” regelt. Gefordert ist insoweit eine Rechtsnorm, die einen mit § 1 Abs. 2 LIFG abstrakt identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweist (Sicko a. a. O. Rn. 24; zu § 1 Abs. 1 IFG Bund BVerwG Urteil vom 29.06.2017 – 7 C 24.15 – E 159, 194 Rn. 16; BVerwG Urteil vom 22.03.2018 – 7 C 30.15 – NVwZ 2018, 1401 Tz. 16). Der Regelungsgehalt wird durch den Tatbestand der jeweiligen Norm geprägt, also durch die Antrags- bzw. Anspruchsberechtigung, die Informationsverpflichtung und den Gegenstand des Informationszugangs (Sicko a. a. O. Rn. 26); ergänzend tritt hier die Art des Informationszugangs hinzu. Bestehen bezüglich jener Strukturmerkmale Überschneidungen zwischen der fachgesetzlichen Bestimmung und § 1 Abs. 2 LIFG, liegt eine Normenkonkurrenz im Sinne des § 1 Abs. 3 LIFG vor (Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 54).

2. Der Vergleich zwischen § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO und § 1 Abs. 2 LIFG zeigt, dass bei allen vier Elementen Überschneidungen zwischen dem fachgesetzlichen Informationszugangsrecht und dem allgemeinen Informationszugangsanspruch bestehen. Im Ergebnis stellt § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO eine “Teilmenge” des § 1 Abs. 2 LIFG dar.

a) Anspruchsberechtigt sind nach § 1 Abs. 2 LIFG “Antragsberechtigte”. Das sind nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 1 LIFG unter anderem alle natürlichen Personen. Das Recht auf Einsichtnahme in Sitzungsniederschriften steht gemäß § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO den “Einwohnern” zu; das ist jede Person, die in der Gemeinde wohnt (§ 10 Abs. 1 GemO). Danach repräsentiert der durch § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO berechtigte Personenkreis eine “Teilmenge” der nach § 1 Abs. 2 LIFG anspruchsberechtigten natürlichen Personen.

Ob die “andere Rechtsvorschrift” im Sinne des § 1 Abs. 3 LIFG eine Deckungsgleichheit mit dem nach § 1 Abs. 2 LIFG berechtigten Personenkreis aufweist, ist für die Normenkonkurrenz unerheblich (Sicko a. a. O. Rn. 26; zum Bundesrecht Debus in BeckOK, Informations- und Medienrecht, 23. Edition 01.02.2019, § 1 IFG Rn. 182). Mehr noch, ist fachgesetzlich lediglich ein nach bestimmten Kriterien festgelegter engerer Personenkreis als nach dem allgemeinen Informationsfreiheitsgesetz berechtigt, so ist dies ein starkes Indiz dafür, dass eine spezielle Regelung des Fachrechts vorliegt, die das LIFG verdrängt (BfDI, 4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2012 und 2013, BT-Drs. 18/1200, S. 93, zum IFG des Bundes).

b) Anspruchsverpflichtet sind nach § 1 Abs. 2 LIFG die “informationspflichtigen Stellen”. Das sind gemäß § 3 Nr. 2 LIFG alle Stellen im Anwendungsbereich des § 2 LIFG. Darunter befinden sich auch die Gemeinden (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 LIFG). Das Recht der Einwohner auf Einsichtnahme im Sinne des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO richtet sich an die Gemeinde. Demnach besteht eine Deckungsgleichheit beim informationspflichtigen Rechtssubjekt. Folglich ist auch diese wesentliche Voraussetzung für die Normenkonkurrenz (vgl. Debus a. a. O. Rn. 182) erfüllt.

c) Gegenstand des Informationszugangs sind nach § 1 Abs. 2 LIFG “amtliche Informationen”. Erfasst ist gemäß § 3 Nr. 3 LIFG jede bei einer informationspflichtigen Stelle bereits vorhandene, amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO vermittelt einen Zugang zu den “Niederschriften” über die öffentlichen Sitzungen des Gemeinderates. Diese “Niederschriften” erfüllen nicht nur die Anforderungen an “amtliche Informationen”, eine Niederschrift ist sogar eine öffentliche Urkunde mit der erhöhten Beweiskraft nach §§ 415 ZPO (BGH, Urteil vom 23.04.2015 – III ZR 195/14 – NVwZ-RR 2015, 630 Tz. 18; Aker a. a. O. Rn. 9; Bock a. a. O. Rn. 1; Gern/Brüning a. a. O. Rn. 690; Lange a. a. O. Kap. 7 Rn. 209). Auch in Bezug auf den Gegenstand des Informationszugangs deckt sich § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO mit § 1 Abs. 2 LIFG und erfasst einen spezifischen Teil von “amtlichen Informationen” im Sinne des allgemeinen Informationsfreiheitsrechts.

d) Nach den jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen sind § 1 Abs. 2 LIFG und § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO somit durch einen abstrakt identischen sachlichen Regelungsgegenstand gekennzeichnet; eine Normenkonkurrenz liegt daher vor. Hinzu tritt eine Überschneidung im Sinne einer partiellen Deckungsgleichheit bei der Art des Informationszugangs. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 LIFG kann Auskunft erteilt, Akteneinsicht gewährt oder die begehrte Information in sonstiger Weise zur Verfügung gestellt werden. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO sieht die “Einsichtnahme” in die Sitzungsniederschriften vor. Auch in diesem Punkt erfasst das Fachrecht eine “Teilmenge” des allgemeinen Informationsfreiheitsrechts.

III.

Der Informationszugang nach § 1 Abs. 2 LIFG wird gemäß § 1 Abs. 3 LIFG von der anderen, d. h. speziellen Rechtsvorschrift verdrängt, sofern der Zugang zu amtlichen Informationen spezialgesetzlich “abschließend geregelt ist”. Ob dies der Fall ist, kann nur auf Grund einer bereichsspezifischen Analyse des einschlägigen Fachrechts beantwortet werden. Die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 LIFG weist zwar darauf hin, spezielle und abschließende Regelungen existierten für öffentliche Sitzungen kommunaler Gremien, betont dann aber, ob und inwieweit “eine andere Regelung abschließend ist, ist eine Frage des Einzelfalles” (so LT-Drs.15/7720, S. 58).

1. Der Kläger könnte sein Informationsbegehren allenfalls dann auf § 1 Abs. 2 LIFG stützen, wenn das zeitlich ältere Gesetz (hier: § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO) deshalb keinen Vorrang hätte, weil das LIFG einen Mindeststandard im Informationsfreiheitsrecht statuierte, der von älterem Fachrecht nicht unterschritten werden darf. Dazu wird im Schrifttum unter Hinweis auf den älteren § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO in der Tat die Auffassung vertreten, diese Vorschrift solle “wohl eher ein Mindestmaß an Transparenz gewährleisten”; eine Beschränkung des Informationszugangs unter die durch das LIFG geschaffenen allgemein gültigen Standards “dürfte damit nicht bezweckt sein” (so Sicko a. a. O. Rn. 35).

Diese spekulativen Überlegungen finden im geltenden Recht keine Grundlage. Dem Vorschlag (zum IFG des Bundes), in einem modernen Informationsfreiheitsgesetz Mindeststandards zu statuieren (Schoch/Kloepfer, Informationsfreiheitsgesetz, IFG-ProfE, 2002, § 2 Rn. 27 ff.), ist der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 3 IFG Bund bewusst nicht nachgekommen (Schmitz/Jastrow NVwZ 2005, 984, 989); folgerichtig erklärt die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 IFG Bund, die vorrangigen Spezialgesetze könnten enger, aber auch weiter als das IFG sein (BT-Drs. 15/4493, S. 8), und konsequenterweise ist es für § 1 Abs. 3 IFG Bund unerheblich, ob fachgesetzliche Informationszugangsrechte vor oder nach dem Inkrafttreten des IFG erlassen worden sind (Debus a. a. O. Rn. 185). Exakt diesem Konzept folgt § 1 Abs. 3 LIFG. Das LIFG bildet keinen Mindeststandard ab, sondern kann durch restriktivere Spezialgesetze verdrängt werden (Beyerbach a. a. O. Rn. 6); dabei kommt es nicht darauf an, ob das Fachrecht älter oder jünger als das LIFG ist (vgl. Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 55).

2. Die sonach angezeigte Einzelanalyse zeigt, dass es sich bei § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO um eine gegenüber § 1 Abs. 2 LIFG vorrangige und abschließende Spezialbestimmung handelt. Die fachgesetzliche Regelung schließt den Informationszugang von “Jedermann” zu “jedweder” Niederschrift über Sitzungen des Gemeinderates in “beliebiger” Art gerade aus und normiert signifikante Restriktionen. Diese verbindlichen Vorgaben des Gesetzes stehen der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 LIFG zwingend entgegen.

a) Es ist eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung, dass nur die “Einwohner” einer Gemeinde das Recht auf Einsichtnahme in die Niederschriften über Gemeinderatssitzungen haben sollen. Ursprünglich war dieses Recht sogar nur “den Bürgern” (vgl. dazu § 12 GemO) eingeräumt worden (§ 38 Abs. 2 Satz 4 GemO i. d. F. vom 03.10.1983, GBl S. 578). Erst das Gesetz zur Änderung des kommunalen Verfassungsrechts vom 16.07.1998 (GBl S. 418) hat durch seinen Art. 1 Nr. 9 “den Einwohnern” das Einsichtsrecht nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO zuerkannt; Ziel der Gesetzesänderung ist eine Stärkung der Einwohnerrechte gewesen (LT-Drs. 12/2870, S. 18). Fachgesetzlich ist damit entschieden, dass ortsfremden Personen die Einsichtnahme in Niederschriften über Gemeinderatssitzungen nicht gestattet ist (Aker a. a. O. Rn. 13).

Es liegt auf der Hand, dass mit der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 LIFG dieses erste Strukturmerkmal des Informationszugangsrechts zu Niederschriften über Gemeinderatssitzungen unterlaufen würde. Eine gezielt herbeigeführte fachgesetzliche Bestimmung kann indessen nach der lex specialis-Regel nicht durch eine allgemeine Informationszugangsregelung “ausgehebelt” werden. Das Normierungspotential des Fachgesetzgebers zeigt zudem der innerdeutsche Rechtsvergleich. So können “auswärts wohnende Personen hinsichtlich ihres Grundbesitzes oder ihrer gewerblichen Niederlassungen im Gemeindegebiet” nach Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BayGO ebenso wie alle Gemeindebürger “Einsicht in die Niederschriften über öffentliche Sitzungen” des Gemeinderates nehmen. Derartige spezifische Zuordnungen von Informationsrechten zu einem bestimmten Personenkreis behalten ihre fachgesetzlich normierte Substanz nur, wenn sie gegenüber dem allgemeinen Informationszugangsrecht als abschließende Spezialregelungen verstanden werden. Die bereits angestellte Strukturüberlegung bestätigt, dass die bereichsspezifische Berechtigung eines gegenüber dem LIFG engeren Personenkreises nachdrücklich für die Annahme einer nicht nur vorrangigen, sondern auch abschließenden Informationszugangsregelung im Fachgesetz spricht (s. o. II. 2. a).

b) Gegenstand des Informationszugangs sind gemäß § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO “Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen” des Gemeinderates. Damit ist fachgesetzlich definitiv entschieden, dass die Einsichtnahme in die Niederschriften über nichtöffentliche Sitzungen des Gemeinderates den Einwohnern nicht gestattet ist. Diese eindeutige gesetzliche Bestimmung ist keiner Relativierung zugänglich (vgl. zur Parallelregelung in Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BayGO VG Würzburg Beschluss vom 19.04.2005 – W 5 E 05.307 – juris Rn. 7 f.). Doch genau dies bewirkte die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 LIFG neben § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO (Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 56); denn auch Niederschriften über nichtöffentliche Sitzungen des Gemeinderates enthalten “amtliche Informationen” (§ 3 Nr. 3 LIFG) und unterfielen damit dem allgemeinen Informationszugangsrecht. Im Einzelfall könnte zwar ein Ablehnungsgrund dem Informationszugang entgegenstehen (z. B. § 4 Abs. 1 Nr. 6 LIFG), doch gerade diese Verlagerung von Schutzstandards ist Ausdruck der – unzulässigen – Relativierung der durch § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO getroffenen strikten gesetzlichen Entscheidung zur Nichtzugänglichkeit von Niederschriften über nichtöffentliche Gemeinderatssitzungen für die Einwohner.

Der abschließende rechtsnormative Gehalt des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO würde nicht etwa dadurch in Frage gestellt, falls die Sitzung vom 01.12.2016 – wie der Kläger meint – nichtöffentlich habe gar nicht stattfinden dürfen. Der Kläger behauptet einen Verstoß der Beklagten gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO und zieht daraus die Schlussfolgerung, auf Grund des – behaupteten – rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten müsse die Niederschrift über die Sitzung vom 01.12.2016 zugänglich sein. Die “Rechtmäßigkeit” oder die “Rechtswidrigkeit” des einer amtlichen Information zu Grunde liegenden Verhaltens von Amtsträgern ist indessen keine Kategorie des allgemeinen Informationsfreiheitsrechts (Senatsurteil vom 16.05.2017 – 10 S 1478/16 – NVwZ 2018, 750 Tz. 33; bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 28.02.2019 – 7 C 23.17 – NVwZ 2019, 978 Tz. 18). Darin weicht das besondere Informationszugangsrecht, wie etwa § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG zeigt, mitunter ab. Ein entsprechender gesetzlicher Anhaltspunkt fehlt im vorliegenden Zusammenhang. Deshalb kommt es hier nicht darauf an, ob die fragliche Gemeinderatssitzung möglicherweise unter Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO als nichtöffentliche Sitzung stattgefunden hat oder als nichtöffentliche Sitzung durch § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO gedeckt gewesen ist.

c) § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO gestattet den Informationszugang zu den Niederschriften nur in Gestalt der “Einsichtnahme”. Ein Recht auf Mehrfertigungen oder Ablichtungen von Niederschriften steht den Einwohnern nicht zu; darüber befindet die Gemeinde nach pflichtgemäßem Ermessen (Brenndörfer in BeckOK, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 7. Edition 01.08.2019, § 38 GemO Rn. 15; Krebs, Der kommunale Öffentlichkeitsgrundsatz, 2016, S. 212; Engel/Heilshorn, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 11. Aufl., § 14 Rn. 189). Das Recht auf “Einsichtnahme” ist eine definitive Festlegung des Gesetzgebers und schließt andere Arten des Informationszugangs als Folge eines Anspruchs aus. Das hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs schon vor geraumer Zeit geklärt und betont, § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO stehe einer Herleitung sonstiger Arten des Informationszugangs auf Grund “anderer gesetzlicher Regelungen” entgegen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.01.1976 – I 1494/75 – Entscheidungsabdruck S. 4).

Auch diese fachgesetzliche Bestimmung könnte unterlaufen werden, wäre § 1 Abs. 2 LIFG neben § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO anwendbar. Denn ein allgemeines Informationszugangsrecht hat nicht nur die in § 7 Abs. 5 Satz 1 LIFG vorgesehenen Arten des Informationszugangs zur Folge, sondern gibt der antragstellenden Person zudem ein Recht auf die Wahl einer bestimmten Art des Informationszugangs, wovon seitens der informationspflichtigen Stelle nur aus wichtigem Grund abgewichen werden kann (§ 7 Abs. 5 Satz 2 LIFG). Es liegt auf der Hand, dass auch diese Regelung des LIFG weit über das spezifische Zugangsrecht gemäß § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO hinausgeht. Dies zeigt ebenfalls, dass dem Fachrecht gegenüber dem LIFG eine abschließende Wirkung zu attestieren ist.

3. Unabhängig davon hätte der Kläger selbst im Fall der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 LIFG keinen Anspruch auf Zugang zu der begehrten Information. Die durch Rechtsvorschriften geregelten Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflichten im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 LIFG stehen dem Informationszugang entgegen (Debus in ders., Informationszugangsrecht Baden-Württemberg, 2017, § 4 LIFG Rn. 118 f., 124). Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass auch unter der Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes geheim bleibt, was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden muss (BVerwG, Urteil vom 29.10.2009 – 7 C 22.08 – NVwZ 2010, 321 Tz. 46 zur Parallelbestimmung in § 3 Nr. 4 Var. 1 IFG Bund).

Zum Geheimnisschutz in diesem Sinne können auch Bestimmungen der Gemeindeordnung gehören (LT-Drs. 15/7720, S. 68). Auf § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO trifft dies in Bezug auf Niederschriften über nichtöffentliche Gemeinderatssitzungen bei Informationszugangsbegehren von Einwohnern zu. Derartige Niederschriften sind gegenüber Transparenzforderungen von Einwohnern gesetzlich geschützt. Dabei handelt es sich ausweislich der in § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO getroffenen Regelung nicht nur um einen relativen – etwa durch einen Abwägungsvorbehalt eingeschränkten – Schutz, vielmehr ist der gesetzliche Schutz umfassend ausgestaltet. Demnach statuiert § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 LIFG eine Rechtsvorschrift mit einer Geheimhaltungspflicht, soweit – wie im vorliegenden Fall – die Einsichtnahme in die Niederschrift über eine nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderates begehrt wird.

IV.

Die abschließende Regelung der Einsichtnahme in die Niederschriften über Gemeinderatssitzungen durch Einwohner gemäß § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO führt nach der Rechtsfolgeanordnung des § 1 Abs. 3 LIFG zu einer Sperrwirkung, die den Rückgriff auf § 1 Abs. 2 LIFG ausschließt. Der Informationszugang bestimmt sich ausschließlich nach der fachgesetzlichen Regelung. Dass die Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO im vorliegenden Fall allerdings nicht erfüllt sind, ist bereits dargelegt worden (s. o. I.).

Umfänglich wird das LIFG durch das Fachgesetz im Rahmen der sachlichen Reichweite der speziellen Informationszugangsregelung verdrängt; außerhalb des Regelungsgehalts einer fachgesetzlichen Bestimmung bleibt das LIFG anwendbar. Diese differenzierte Rechtsfolgeanordnung des § 1 Abs. 3 LIFG missversteht der Kläger, wenn er unter Heranziehung einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen meint, jedenfalls die Rechtsfolge des § 1 Abs. 3 LIFG erlaube ungeachtet des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO den Rückgriff auf § 1 Abs. 2 LIFG. In jener Entscheidung (Urteil vom 17.05.2006 – 8 A 1642/05 – NWVBl 2006, 292, 294) ist u. a. ausgeführt:

“Die Nichtöffentlichkeit der Rats- und Ausschusssitzungen soll die Vertraulichkeit der Beratung gewährleisten. Dieser Schutz erstreckt sich aber nicht auf das Beratungsergebnis und die Beratungsgrundlagen. Soweit die Beratungsgrundlagen lediglich Fakten darstellen und keinen Rückschluss auf den Beratungsverlauf und den Prozess der Willensbildung geben, greift die Schutzfunktion der Nichtöffentlichkeit der Sitzung nicht ein.”

Aus diesen Ausführungen wird im Schrifttum der Schluss gezogen, nach allgemeinen Informationszugangsregelungen bleibe für jedermann “die Einsicht in Grundlagen und Niederschriften dieser Beratungen, die den Verhandlungsgang nicht widerspiegeln, […] möglich” (so Sicko a. a. O. Rn. 35; zustimmend Beyerbach a. a. O. Rn. 12; kritisch dazu Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 55).

Der Senat kann unentschieden lassen, ob die Annahmen zum nordrhein-westfälischen Landesrecht auf das hiesige Landesrecht übertragbar sind. Dahinstehen kann ferner, dass es dort um die Reichweite des Schutzes einer nichtöffentlichen Sitzung ging, während hier die Niederschrift über eine nichtöffentliche Sitzung in Rede steht. Entscheidend ist, dass der Kläger nicht etwa – was gar nicht Regelungsgegenstand des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO ist – Zugang zu Unterlagen (Beratungsgrundlagen) einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung beantragt, sondern Einsicht in die Niederschrift als solche über die nichtöffentliche Sitzung vom 01.12.2016 begehrt. Deshalb kann hier offenbleiben, ob Schutzgut einer nichtöffentlichen Sitzung nur der Beratungsprozess ist oder ob auch Beratungsunterlagen (Beratungsgrundlagen) und das Beratungsergebnis erfasst werden; dazu verhält sich § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO nicht. Wohl aber schließt diese Bestimmung, wie dargelegt, die Einsichtnahme eines Einwohners in die Niederschrift über eine nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderates aus. Allein darum geht es im vorliegenden Zusammenhang, sodass dem auf § 1 Abs. 2 LIFG gestützten Anspruch § 1 Abs. 3 LIFG i. V. m. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO entgegensteht (ebenso zur parallelen Rechtslage gemäß § 3 IZG SH i. V. m. § 41 Abs. 3 GO SH, Dehn in Bülow u. a., Kommunalverfassungsrecht Schleswig-Holstein, EL 64 August 2018, § 41 GO Rn. 18). Unverändert Bestand hat demnach die Feststellung, § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO enthalte eine “abschließende spezialgesetzliche Regelung über die Einsichtnahme in Niederschriften über öffentliche Sitzungen” des Gemeinderates (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.01.1976 – I 1494/75 – Entscheidungsabdruck S. 4).

OLG Schleswig zu der Frage, dass Drainagearbeiten besonders überwachungspflichtig sind

OLG Schleswig zu der Frage, dass Drainagearbeiten besonders überwachungspflichtig sind

Der Architekt muss solchen Baumaßnahmen besondere Aufmerksamkeit widmen, bei denen sich im Verlauf der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben. Er muss insbesondere eine regelmäßige und angemessene Überwachung der Bauleistungen vornehmen. Besonders wichtige Bauabschnitte, von denen das Gelingen des ganzen Werkes abhängt, muss der Architekt persönlich überwachen und sich sofort nach der Ausführung der Arbeiten von deren Ordnungsmäßigkeit überzeugen. Zudem gehören gerade Drainagearbeiten zu besonders schwierigen und gefahrträchtigen Arbeiten, welche besonders beobachtet und überprüft werden müssen

OLG Schleswig, Urteil vom 09.03.2022 – 12 U 16/21

Gründe

I.

Randnummer1

Die Parteien streiten um Schadensersatz im Hinblick auf Architektenleistungen des Beklagten bezüglich des vom Kläger errichteten Einfamilienpassivhauses in B. Die Nebenintervenientin ist Erbin des Herrn W., der die Drainage zu dem Gebäude erstellt hat.

Randnummer2

Das Landgericht hat einen Teil der Streitsache abgetrennt (Beschluss vom 18.12.202, Blatt 419 ff. d. A.) und mit dem angegriffenen Urteil den in diesem Verfahren verbliebenen Antrag des Klägers auf Kostenvorschuss für die Höherlegung des Hauses entschieden. Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs.1 Nr. ZPO).

Randnummer3

Das Landgericht hat der Kostenvorschussklage in Höhe von 186.500,00 € stattgegeben. Der Feststellungsantrag des Klägers sei unzulässig, weil kein Feststellungsinteresse bestehe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs enthalte ein Urteil, mit welchem dem Auftraggeber Vorschuss auf Mängelbeseitigungskosten zugesprochen werde, regelmäßig bereits die Feststellung, dass der Auftragnehmer verpflichtet sei, die gesamten Mängelbeseitigungskosten zu tragen. Es entspreche der Natur des Vorschussanspruches, dass über den Vorschuss abzurechnen sei und bei den den Vorschuss übersteigenden Kosten eine Nachzahlung zu leisten sei. Weil diese Rechtsfolge bereits in dem Ausspruch über den Kostenvorschuss enthalten sei, bestehe an einer separaten Feststellung kein schutzwürdiges Feststellungsinteresse.

Randnummer4

Der Kläger habe aus § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses der für die Beseitigung des durch die mangelhafte Planung entstandenen Schadens erforderlichen Kosten in Höhe von 186.500,00 €.

Randnummer5

Der Beklagte habe eine Pflicht aus dem Architektenvertrag verletzt, indem er das Bauwerk nicht in einer Höhe eingeordnet habe, die eine Drainage entbehrlich gemacht habe. Von dieser Pflichtverletzung sei das Gericht nach dem Ergebnis der Beweiserhebung, insbesondere der Anhörung des Sachverständigen K. überzeugt.

Randnummer6

Nach dem Ergebnis der Beweiserhebung bestünden keine technischen oder bauordnungsrechtlichen Vorschriften, die eine höhere Einordnung des Gebäudes zwingend erforderlich gemacht hätten. Pflicht des Architekten sei es, eine ordnungsgemäße, nach den einschlägigen technischen Vorschriften erforderliche Abdichtung des Gebäudes herzustellen. Nach der Einlassung des Sachverständigen sei dazu entweder eine höhere Einordnung des Gebäudes oder eine dauerhaft funktionsfähige Drainage erforderlich. Die bloße Abänderung des Gefälles der Außenanlagen sei nicht hinreichend, um eine ordnungsgemäße Abdichtung des Gebäudes zu erreichen.

Randnummer7

Ein Architekt erfülle, wenn die rechtlichen und technischen Vorgaben für ein konkretes Bauvorhaben mehrere Planungsmöglichkeiten zuließen, die Pflichten aus dem Architektenvertrag nicht schon dadurch, dass er eine technisch und bauordnungsrechtlich zulässige Planung erstelle. Vielmehr habe er aus den verschiedenen Möglichkeiten diejenige Möglichkeit auszuwählen, die am besten für das konkrete Bauvorhaben geeignet sei und die den Vorstellungen des Bauherrn möglichst nahe komme. Bestünden insoweit Zweifel darüber, welcher Möglichkeit der Vorzug zu geben sei, habe der Architekt den Bauherrn über die verschiedenen Möglichkeiten und deren Auswirkungen zu informieren und eine informierte Entscheidung des Bauherrn zu erwirken. Danach habe der Beklagte nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger die Gebäudeabdichtung mittels einer Drainage planen dürfen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei das Anlegen einer Drainage im Vergleich zur höheren Planung des Gebäudes die teurere Möglichkeit, die indes keine Vorteile gegenüber der Höhersetzung des Gebäudes habe.

Randnummer8

Die Pflichtverletzung des Klägers habe auch zu einem Schaden des Gebäudes geführt. Den Vortrag des Klägers, er hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die Möglichkeit zwischen Drainage und Höhersetzung des Gebäudes für die Höhersetzung entschieden, habe vom Beklagten nicht erschüttert werden können. Ob dieser Vortrag des Klägers im Einzelfall prozessual lediglich einer Erschütterung bedürfe oder sogar eine Beweislastumkehr nach der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gegeben sei, bedürfe nicht der Entscheidung, weil die Behauptung schon nicht erschüttert sei. Denn die Einlassung des Beklagten, der Kläger hätte nur einen stufenlosen Zugang akzeptiert, sei von der Dokumentenlage widerlegt. Ausweislich der E-Mail des Klägers an den Beklagten vom 06.07.2012 (Anlage B 2) habe der Kläger angefragt, ob auf die zuvor angedachten Rollstuhlauffahrten verzichtet werden könne, wenn man das Außengelände auf das Höhenniveau der Hauseingänge bringe. Die Frage sei erkennbar offen gestellt und schließe die Möglichkeit von Rampen gerade nicht aus. Die Frage der Gestaltung der Außenanlagen sei unabhängig von der Frage zu betrachten, in welcher Höhe das Gebäude im Vergleich zum Straßenniveau anzulegen sei. Es sei jedenfalls unter Zugrundelegung des Kenntnisstandes des Klägers vom 06.07.2012 nicht von vornherein ausgeschlossen, das Gebäude im Vergleich zum Straßenniveau anzuheben und dennoch durch die Gestaltung der Außenanlagen einen rampenfreien Zugang zu ermöglichen. Der E-Mail des Klägers vom 06.07.2012 könne danach kein Hinweis dahin entnommen werden, dass sich der Kläger nach ordnungsgemäßer Information für eine Drainagelösung entschieden hätte.

Randnummer9

Zur Schadensbeseitigung sei die Höherlegung des Hauses erforderlich. Zwar lasse sich eine technisch ordnungsgemäße Abdichtung ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen K. auch durch das Anlegen einer funktionsfähigen Drainage erreichen. Es sei jedoch nicht nur die technisch ordnungsgemäße Abdichtung des Gebäudes zwischen den Parteien vereinbart, sondern die für das konkrete Bauvorhaben optimale Abdichtung. Der Kläger müsse sich auch nicht aus Wirtschaftlichkeitsgründen auf die Abdichtung im Wege der Drainage verweisen lassen. Eine Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserungskosten werde in aller Regel nur anzunehmen sein, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer völlig ordnungsgemäßen Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb unangemessener Aufwand gegenüberstehe. Sei die Funktionsfähigkeit des Werkes spürbar beeinträchtigt, so könne Nachbesserung regelmäßig nicht wegen hoher Kosten verweigert werden (BGH, Urteil vom 04.07.1996, VII ZR 24/95). Diese Grundsätze, die zu den Kosten der Nacherfüllung ergangen seien, seien auf die vorliegende Situation des Schadensersatzes übertragbar. Vorliegend könne daher ein Unwirtschaftlichkeitseinwand schon wegen der Funktionsbeeinträchtigung durch die Drainageerstellung nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Die Drainage sei nämlich gegenüber der Höherlegung in der Funktion nachteilig, weil sie einer (wenn auch geringfügigen) Wartung bedürfe und weil eine Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks für das Erstellen eines oberirdischen Druckentspannungsschachtes oder einer Zisterne erforderlich sei.

Randnummer10

Die erforderlichen Kosten der Höherlegung seien in Höhe von 186.500,00 € bewiesen. Weil über den Kostenvorschuss nach Durchführung der Maßnahme abgerechnet werden müsse und die nachträgliche Abrechnung notwendig genauer sei als die vorherige Kostenermittlung, sei für die Höhe des Kostenvorschusses das Beweismaß deutlich unter den Beweismaßstab des § 286 ZPO abgesenkt. In der Regel sei ein Privatgutachten oder ein Kostenvoranschlag ausreichend, um den erforderlichen Beweis zu führen. Danach sei in Höhe von 131.500,00 € der Beweis über die Kostenhöhe durch Vorlage der Kostenermittlung des Dipl.-Ing. Torsten Matthäus vom 18.10.2019 (Anlage K 14) geführt. In Höhe weiterer 10.000,00 € für Auszug, Unterbringung, Wiedereinzug und Sonstiges sowie weiterer 45.000,00 € für Architektenhonorar seien die Kosten plausibel und aus der Lebenserfahrung beziehungsweise der HOAI zum Zwecke der Entscheidung über einen Kostenvorschussanspruch hinreichend nachvollziehbar.

Randnummer11

Der Beklagte führt in seiner Berufungsbegründung aus, die Entscheidung des Landgerichts sei in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht haltbar. Dem Beklagten sei keine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuhalten. Die Baugrundstellungnahme vom 15.04.2011 (Anlage K 13) beinhalte keinerlei Hinweise oder Anhaltspunkte dahingehend, dass der Beklagte als Architekt hätte erkennen müssen, dass bei einer um 19 cm höheren Gründung die Errichtung einer Drainage hätte entfallen können. Vielmehr weise der Inhalt darauf hin, dass im Zuge der Gründung und Abdichtung die Kombination zwischen einer Abdichtung gemäß DIN 18195 Teil 4 in Kombination mit einer Drainage planerisch vorzusehen gewesen sei. Exakt diesen planerischen Ansatz habe der Beklagte in ordnungsgemäßer Form verfolgt. Die Gründungsempfehlung sei auch generell eingehalten worden. Es werde bestritten, dass bei einer theoretischen Höherlegung des Hauses um 19 cm allein deshalb eine Drainage entfallen könne. Die geplante und ausgeführte Gründung in Kombination mit der Drainage stelle eine einwandfreie fachliche Planung dar. Dies habe auch der Sachverständige K. in seiner Anhörung am 30.10.2020 bestätigt, der erklärt habe, dass man eine Lösung der Trockenlegung mit einer Drainage erreichen könne. Es hätten insoweit keinerlei Anhaltspunkte oder gar Verpflichtungen vorgelegen, eine Planung vorzusehen, welche ohne Drainage auskomme. Wenn es mehrere Planungsvarianten gebe, beinhalte dies nicht die Verpflichtung des Architekten, sämtliche Planungsvarianten aufzuzeigen. Es habe keine zwingende Verpflichtung des Beklagten gegeben, das Gebäude höher anzuordnen. Die Planungsleistung des Beklagten in der Kombination Abdichtung gemäß DIN 18195 Teil 4 mit Drainage sei vollkommen ordnungsgemäß gewesen und habe den einschlägigen technischen Vorschriften entsprochen.

Randnummer12

Zudem habe der Kläger die Außenanlagen in Eigenleistung zum Gebäudekörper hin modelliert. Die Geländeoberfläche sei höhengleich und damit barrierefrei an den Gebäudekörper und die Eingangsbereiche angeschlossen worden. Hierdurch sei das Wasser zum Gebäudekörper hingeführt worden. Erst dadurch sei der Lastfall gemäß Teil 6 der DIN 18195 herbeigeführt worden. Die entsprechende Gründungssituation sei erst nachträglich durch den Kläger selbst herbeigeführt worden.

Randnummer13

Eine Anhebung des Gebäudes bei gleichzeitiger Beibehaltung der Gestaltung der Außenanlagen in barrierefreier Form komme nicht in Betracht und würde zu keiner Änderung der Situation führen. Die barrierefreie Gestaltung der Außenanlagen in Relation zum Gebäudekörper sei dem Kläger sehr wichtig gewesen, was deutlich werde im Schreiben des Klägers als E-Mail vom 06.07.2012 als Anlage B 2. Das Problem liege hier darin, dass eine „Tiefgründung“ unterhalb der Geländeoberkante vorliege und das Gebäude nicht oberhalb der Geländeoberfläche liege. Dies sei allein darauf zurückzuführen, dass die Außenanlagen bis oberhalb der Sohle und sogar bis zur Oberkante des Fertigfußbodens geführt worden seien. Wäre die Planung des Beklagten mit einem Höhenunterschied von 18 cm zur Geländeoberkante durchgeführt worden, wäre auch unter Berücksichtigung des Fußbodenaufbaus von 12 cm die Oberkante der Sohle 6 cm oberhalb des Geländes gewesen. In diesem Fall hätte es noch nicht einmal einer Drainage bedurft. Insofern liege kein planerisch fehlerhafter Ansatz des Beklagten vor. Wären die Außenanlagen entsprechend seinen Vorgaben hergestellt worden, würde es noch nicht einmal einer zusätzlichen Drainage bedürfen. Diese habe ein zusätzliches „Sicherungsmittel“ dargestellt, weil der Kläger ständig eine „Havarie“ befürchtet habe. Allenfalls wären somit die Kosten für eine Drainage unnütz aufgewandt worden. Im Übrigen werde auch die Anspruchshöhe bestritten.

Randnummer14

Das Landgericht habe auch zu Unrecht angenommen, dass die Funktionsfähigkeit des Werkes spürbar beeinträchtigt sei. Der Kläger verfüge über eine technisch einwandfreie Lösung. Soweit das Gericht auf die Zisterne verweise, so sei diese bereits von Anfang an Gegenstand des Leistungsumfangs gewesen. Dass ein Druckentspannungsschacht erforderlich sei, werde bestritten. Im Übrigen stelle dieser keine Beeinträchtigung dar, selbst wenn er oberirdisch ausgeführt werden sollte.

Randnummer15

Am Unverhältnismäßigkeitseinwand werde festgehalten. Dass bei einer Drainage Wartungskosten anfielen, stehe dem nicht entgegen, zumal es sich um keine wartungsintensive Drainage handele. Im Übrigen könne der Vertragspartner eines Architekten nicht per se immer das absolute und vermeintliche Optimum verlangen. Gerade bei Architektenleistungen stehe eine Vielzahl gestalterischer und technischer Möglichkeiten zur Auswahl. Die Planung und Umsetzung einer Drainage stelle eine übliche Maßnahme dar. Da der Kläger eine Einbettung des Gebäudes in den Außenanlagen erreichen wollte, letztlich sogar unter dem Maß von 18 cm, hätte er bei einer vorgeschlagenen Höherlegung einen Vorsprung von 30 cm nicht akzeptiert. Damit verlange er vom Beklagten etwas, das er ohnehin nicht umsetzen würde.

Randnummer16

Die Nebenintervenientin meint, der vom Landgericht festgestellte „geringfügige“ Wartungsaufwand für eine Drainage vermöge eine ausgeurteilte Vorschusszahlung in Höhe von 186.500,00 € nicht zu rechtfertigen, zumal bei einer wenig oder nicht beanspruchten Drainage der Wartungsaufwand im Verlauf der erwarteten Lebensdauer des streitgegenständlichen Hauses gen Null tendieren dürfte. Beeinträchtigungen durch einen oberirdischen Druckentspannungsschacht oder eine Zisterne seien in der Entscheidung nicht nachvollziehbar dargestellt, zumal auf dem Grundstück ohnehin eine Zisterne auf Wunsch des Klägers angelegt worden sei. Soweit das Landgericht auf den „oberirdischen Druckentspannungsschacht“ abstelle, beruhten diese Ausführungen des Sachverständigen auf der informellen Anfrage bei einem fachkundigen Tiefbauer. Soweit das Landgericht dies für entscheidungserheblich gehalten habe, hätte es diesbezüglich zuvor einen rechtlichen Hinweis geben und die entsprechende Frage näher aufklären müssen.

Randnummer17

Im Verhältnis der Streithelferin zum Kläger ergebe sich aus dem Berufungsurteil HRO 1 S 250/14, dass die Drainage nach der Auffassung des Gerichts falsch geplant gewesen sei, weil die Drainageleitungen zu weit vom Haus weg angelegt worden seien. Von einem Druckentspannungsschacht finde sich im Urteil nichts. Zudem gehe aus dem Urteil hervor, dass die Streithelferin nur für den Zustand verantwortlich sei, wie er sich aus den Lichtbildern des Sachverständigen K. Blatt 172 bis 175 Band I d. A. ergebe. Dort sei die mit Vlies ummantelte, aber noch nicht verfüllte Drainageleitung zu sehen. Für die nicht funktionierende Drainage sei entweder der Kläger selbst oder eine von ihm beauftragte Firma verantwortlich, welche für die nicht fachgerechte Verfüllung mit nicht sickerfähigem Material verantwortlich gewesen seien. Es habe keine ausreichende Fachplanung einer Drainage für das Grundstück des Klägers gegeben. Zur Funktionsfähigkeit der vorhandenen Drainage schweige sich das angegriffene Urteil aus. Es fehlten zudem Ausführungen dazu, welche Wartungsarbeiten das Landgericht für erforderlich und nicht zumutbar gehalten habe. Die Drainage sei im Übrigen funktionsfähig. Es komme nur kein Sickerwasser an, weil die Verfüllung nicht ausreichend sickerfähig sei. Dafür spreche, dass es in dem vom Kläger angelegten Entwässerungsgraben noch nie einen Rückstau aus der Kanalisation gegeben habe. Das Grundstück des Klägers liege nicht nur deutlich über der Rückstauebene, das Regenwasser staue sich auch nach den örtlichen Gegebenheiten bei Starkregen nicht bis zur Rückstauebene hoch. Zwischen dem Wasserspiegel in der Kanalisation und der Drainage sei immer ausreichend Gefälle vorhanden, sodass ohne Rückstauklappe, Pumpenanlage und Druckentspannungsschacht in die Kanalisation entwässert werden könne.

Randnummer18

Zudem wisse der Kläger offensichtlich selbst nicht, was er wolle, Anheben des Hauses oder fachgerechte Drainage. Dies ergebe sich aus seinem Schreiben an die Streithelferin vom 25.03.2021, in welchem er von dieser einen Kostenvorschuss in Höhe von rund 15.000,00 € für die Erneuerung der Drainage einfordere (Blatt 512 ff. d. A.). Offensichtlich sei die Beeinträchtigung durch die Drainage für den Kläger nicht so groß, dass er deshalb darauf verzichten wolle. Wenn diese ordentlich funktioniere, gebe es keinen nachvollziehbaren Grund für den Wunsch des Klägers auf Anheben des Hauses.

Randnummer19

Der Beklagte beantragt,

Randnummer20

das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 29.01.2021 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Randnummer21

Der Kläger beantragt,

Randnummer22

die Berufung zurückzuweisen.

Randnummer23

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Die Pflichtverletzung des Beklagten habe darin bestanden, das Gebäude in der Höhe fehlerhaft einzuordnen und, um einen Fehler zu kaschieren, nachträglich eine Drainage zu planen. Noch der Bauantrag sei ohne die Planung einer Drainage erstellt worden. Diese sei erst nachträglich zur Verdeckung des Fehlers des Beklagten geplant worden. Dabei habe er gegen seine umfassenden Hinweis- und Aufklärungspflichten verstoßen. Über mögliche verschiedene Planungsansätze habe der Beklagte den Kläger nicht aufgeklärt. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit greife nicht durch, wenn durch die fehlerhafte Planung die Funktionsfähigkeit des Werkes spürbar beeinträchtigt sei (Verweis auf BGH-Urteil vom 04.07.1996, VII ZR 24/95).

Randnummer24

Soweit der Beklagte behaupte, er sei der Gründungsempfehlung der Baugrundstellungnahme vom 15.04.2011, Anlage K 13, gefolgt, so ergebe sich daraus gerade keine Gründungsempfehlung, sondern diese verhalte sich nicht zur Höheneinordnung. Zudem entbinde eine Gründungsempfehlung den Beklagten nicht von der Einhaltung der DIN-Vorschriften. Da sich auf dem Grundstück des Klägers ein bindiger Boden befinde, sei vom Lastfall „drückendes Wasser“ auszugehen, sodass eine Abdichtung nach DIN 18195 Teil 6 erforderlich sei. Der Beklagte sei fehlerhaft vom Bezugspunkt für die Höheneinordnung des Gebäudes von dem uneinheitlichen Gelände ausgegangen und nicht vom Schachtdeckel der Anliegerstraße. Die Sockeloberkante hätte bei 300 mm über diesem Bezugspunkt von 11,53 m HN liegen müssen, also bei HN 11,83 m.

Randnummer25

Der Beklagte sei auch auf der Baustelle noch vor dem ersten Aushub auf seinen Planungsfehler der fehlerhaften Höheneinordnung hingewiesen worden, und zwar vom Vermesser Dipl.-Ing. Kr. und Herrn W. Er hätte deshalb noch vor Beginn der eigentlichen Bauarbeiten seinen Fehler problemlos korrigieren können und es wären dann keine Mehrkosten entstanden. Insofern sei hier auch das Verschulden des Beklagten zu berücksichtigen, der geradezu sehenden Auges die Katastrophe in Kauf genommen habe.

Randnummer26

Soweit eine Abdichtung nach DIN 18195 Teil 4 in Kombination mit einer Drainage als fachgerechte Planung dargestellt werde, lasse dies unberücksichtigt, wo das Drainagewasser bleiben solle. Die Genehmigung der Einleitung durch den Zweckverband Kühlung sei nur unter dem strikten Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erfolgt. Zudem hätten die Maßgaben des ZVK in Planung und Bau der Ringdrainage beim Bauvorhaben des Klägers keine Berücksichtigung gefunden. Auch biete selbst eine funktionierende Drainage im Havariefall keine Sicherheit. Hätte der Beklagte den Kläger umfassend aufgeklärt, hätte der Kläger selbstverständlich die risikoärmere, einfachere und preiswertere Möglichkeit der um 19 cm höheren Gründung gewählt.

Randnummer27

Die fehlerhafte Geländemodellierung sei auch nicht vom Kläger veranlasst worden, sondern vom Beklagten. Dies ergebe sich aus dem Auftrags- und Leistungsverzeichnis des Tiefbauunternehmers W. (Anlage K 18, Punkt 02.1 und Punkt 02.2), nach dem durch Verteilen und Andecken des Oberbodens das Gelände verändert werden sollte. Der Beklagte selbst habe das Verbleiben von Mutterboden auf dem Grundstück angeordnet, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass dies einen lehmigen Anteil gehabt habe. Auf Anweisung des Beklagten sei der gelagerte Mutterboden auf dem Grundstück verteilt worden.

Randnummer28

Zutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht nur einen stufenlosen Zugang akzeptiert hätte. Es gehe auch zu Recht von einem abgesenkten Beweismaß für die Feststellung der Höhe des Kostenvorschusses aus.

Randnummer29

Auch der Unverhältnismäßigkeitseinwand greife nicht durch. Die Haushebung versetze das Bauwerk in einen Zustand erheblich niedrigerer Schadensanfälligkeit als eine Drainagerevision. Aufgrund des Klimawandels müsse verstärkt mit Starkregenereignissen und Überschwemmungen gerechnet werden, sodass ein Widerruf der Einleitungsgenehmigung für das Drainagewasser möglich sei.

II.

Randnummer30

Die Berufung ist teilweise begründet. Dem Kläger steht ein Vorschussanspruch gerichtet auf Neuherstellung der Drainage sowie Geländemodellierung, nicht jedoch auf Anhebung des Hauses zu.

1.

Randnummer31

Der Vorschussanspruch ergibt sich aus §§ 634,280 BGB. Der Bundesgerichtshof hat entschieden (vgl. Urteil vom 22.02.20218 – VII ZR 46/17, Zitat nach juris), dass der Besteller vom Architekten für Planungs- und Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 BGB einen Vorschuss verlangen kann, ebenso wie gegenüber dem Bauunternehmer. Architekt und Bauunternehmer hafteten insofern gemeinsam für Mängel des Bauwerks und den hierdurch entstandenen Schaden (BGH, aaO, Rn. 68).

a)

Randnummer32

  1. aa) Eine Pflichtverletzung des Beklagten in Form eines Planungsfehlers ist nicht festzustellen. Unzutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Architekt die am besten geeignete Lösung auszuwählen hat. Nach Auffassung des Senates stellt es keinen Planungsfehler dar, wenn ein Architekt nicht die „Ideallösung“ erbringt. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus der als „Optimierungsurteil“ bezeichneten Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 1998, 1064).

Randnummer33

Entscheidend sind vielmehr die Vorgaben des Bauherrn. Wird von diesen abgewichen, wird dies regelmäßig zu einer mangelhaften Planung führen, auch wenn dem Architekten ein gewisses Maß an planerischem Ermessen zuzugestehen ist. Die Vorgaben des Bauherrn sind für den Architekten verbindlich (vgl. hierzu Korbion/Mantscheff/Vygen-Wirth, HOAI, 9. Aufl., Teil B, Rn. 488 mwN).

Randnummer34

Ausgangspunkt ist hier die Vereinbarung der Parteien in der Anlage K 2, wo sich unter der Überschrift „Gebäudekonzept“ folgende Angabe findet:

Randnummer35

„Höhenunterschied von ca. 18 cm zwischen OK FFB und OK Gelände“.

Randnummer36

Die entsprechenden Angaben finden sich auch in der Anlage K 3, der Planzeichnung, in der ein Wert von – 0,18 der Oberkante Fertigfußboden zum Gelände angegeben wird. Die entsprechende Höhe sollte überbrückt werden durch die geplanten Rampen, welche das Gebäude barrierefrei machen sollten. Die ursprüngliche Planung enthielt keine Drainage, sondern diese wurde erst nachträglich geplant. Sie findet sich in der genannten Schnittzeichnung vom 15.05.2011 (Anlage K 3).
Zunächst hatte der Kläger diesbezüglich lediglich gerügt, dass die Drainage fehlerhaft geplant worden sei, weil sie nicht direkt an der Bodenplatte entlanggeführt worden war. Um den entsprechenden Abstand war bereits im Verfahren vor dem Landgericht Rostock zum Aktenzeichen 2 O 721/19 gestritten worden. In dem betreffenden Verfahren wurde festgestellt, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen die Drainageanlage hätte anders geplant und angelegt werden müssen (Urteil LG Rostock, Seite 9).
Zudem wurde vom Kläger gerügt, dass das Außengelände ein Gefälle zum Haus hin aufwies und die vorhandene Abdichtung den Anforderungen der DIN 18195 Teil 6 (drückendes Wasser) nicht entsprach. Erst später wurde der Mangel darin verortet, dass die Bodenplatte nicht in der erforderlichen Höhe ausgebildet worden sei weil eine Festlegung der geplanten Höhen im Gebäude im Verhältnis zum Bezugspunkt Straßenmitte mit 11,53 m HN nicht erfolgt sei. Insofern ist der Kläger der Ansicht, dass das Gebäude so hätte geplant werden müssen, dass die Oberkante des Fertigfußbodens auf 11,95 m HN hätte liegen müssen, da in diesem Fall eine Drainage entbehrlich gewesen wäre.

Randnummer37

Der Fertigfußboden wurde indes so geplant, dass er nunmehr laut Feststellungen des Sachverständigen in seinem Gutachten 01 auf Seite 18 auf 11,76 m HN liegt. Die begehrte Anhebung von 19 cm bezieht sich auf die Differenz zwischen diesen 11,76 m HN und der verlangten Höhe des Fertigfußbodens von 11,95 m HN. Die maximale Sockelhöhe nach Bebauungsplan hätte bei 11,83 m HN gelegen, zu denen jedoch noch die 12 cm für den Fertigfußboden hinzukamen, da es sich bei der Festlegung im Bebauungsplan um die Höhe des Rohbaufußbodens handelt. Insofern verlangt der Kläger, dass der Beklagte die Vorgaben des Bebauungsplans hätte „ausreizen“ müssen, nach denen der Rohbaufußboden maximal 30 cm über dem festgelegten Bezugspunkt Straßenmitte von 11,53 m HN hätte liegen dürfen (vgl. hierzu Anlage B 14: Auszug aus dem B-Plan).

Randnummer38

Nach Ansicht des Senates ist zu unterscheiden zwischen der Verpflichtung, das Gebäude 18 cm über der Geländeoberkante zu errichten und der Einordnung des Gebäudes im Gelände. Die vertragliche Verpflichtung, dass der Bau 18 cm über Geländeoberkante liegt, ist vom Beklagten nicht eingehalten worden.

Randnummer39

Insoweit ist zwischen den Parteien streitig, ob die entsprechende Aufschüttung vom Kläger oder vom Beklagten zu vertreten ist. Die Entscheidung dieser Frage kann hier offenbleiben, da es maßgeblich auf den Zeitpunkt der Planung durch den Beklagten ankommt, denn er konnte damals noch nicht vorhersehen, dass nachträglich viel zu hoch aufgeschüttet werden würde, sodass zum einen ein Gefälle zum Haus hin entstehen und zum anderen die Drainage letztlich viel zu tief liegen und trocken laufen würde.

Randnummer40

Nach Ansicht des Senates schuldete der Beklagte keine Planung dahingehend, dass durch eine höhere Gründung insgesamt eine Drainage hätte entfallen können. Denn sowohl die Einhaltung der Vorgaben des Bebauungsplans als auch die Höhe des Fertigfußbodens von 18 cm über Geländeoberfläche wäre nach den ursprünglichen Geländehöhen mit der nunmehrigen Höhe des Fertigfußbodens einzuhalten gewesen. Dies ergibt sich aus der Anlage B 10, wo sich die ursprünglichen Geländehöhen mit 11,60 m HN wiederfinden. Auch die Baugrundstellungnahme als Anlage K 13 weist Höhenunterschiede nur in einer Größenordnung von 0,2 m auf dem Gelände aus.

Randnummer41

Der Sachverständige K. hat hierzu in dem Gutachten 01 vom 20.03.2014 auf Seite 34 ausgeführt:

Randnummer42

„Für die Höheneinordnung eines Gebäudes auf dem Grundstück ist üblicherweise der Architekt verantwortlich, wobei dieser allein das Verhältnis zwischen der Oberfläche des Fußbodens/der Bodenplatte zum anschließenden Gelände vorgibt, sofern durch ihn nicht auf einen besonderen Bezugspunkt hingewiesen wird. Insofern ist den Architektenplänen im Regelfall nicht die Einordnung nach HN oder NN zu entnehmen, sondern allein der oben ausgewiesene Höhenunterschied zwischen dem geplanten Gebäude und den Terrainebenen.“

Randnummer43

Nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten 02 auf Seite 26 wird die vom Kläger verlangte Höheneinordnung des Gebäudes im Gelände nicht als zwingend angesehen und eine Ausführung der Abdichtung nach DIN 18195, Teil 4 mit einer dauerhaft funktionsfähigen Drainage als den Fachregeln entsprechend bewertet, wobei allerdings diese Ausführung als wesentlich schadensanfälliger angesehen wird.

Randnummer44

Der Senat verkennt nicht, dass die Planung des Beklagten gegenüber Höhersetzung des Gebäudes Mehrkosten verursacht hat. Diese bewegen sich indes in dem Toleranzrahmen (30 %), welcher bei Baukostenüberschreitungen üblicherweise von der Rechtsprechung angenommen wird, um eine Pflichtverletzung bzw. einen Schadensersatzanspruch des Bestellers annehmen zu können.

Randnummer45

bb) Eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Beklagten ist ebenfalls nicht festzustellen. Der Kläger meint, der Beklagte habe ihn über die verschiedenen Alternativen nicht aufgeklärt und insbesondere statt der Planung der Drainage nicht die Höherlegung des Gebäudes angeboten. Ein Gespräch auf der Baustelle stelle eine Zäsur dar, als bemerkt worden sei, dass eine Drainage nicht geplant worden war. In dieser Situation wäre es damals noch ein Leichtes gewesen, das Gebäude höher zu legen. Der Bundesgerichtshof habe bereits entschieden (Bau R 2002,1536), dass eine höhere Gründung eines Gebäudes zu einer Aufklärungspflicht führe; umgekehrt müsse das bei einer tieferen Gründung ebenso gelten (Schriftsatz vom 24.02.2022, Seite 8).

Randnummer46

Einer Aufklärungspflichtverletzung steht bereits entgegen, dass damals nicht ohne weiteres erkennbar war, dass durch eine Höherlegung des Gebäudes die Drainage entfallen würde. Dies hat sich erst ex post durch entsprechende Begutachtung herausgestellt.

Randnummer47

Außerdem kann bei der Verletzung von Aufklärungs- bzw. Beratungspflichten nicht ohne weiteres ein beratungsgerechtes Handeln unterstellt werden. Für die Fälle der Baukostenüberschreitung hat die Rechtsprechung insofern entschieden, dass sich eine typisierende Betrachtungsweise verbietet, wonach davon auszugehen sei, dass sich der Auftraggeber bei der geschuldeten Aufklärung sachgerecht verhalten hätte (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage, Rn. 2287).
Im vorliegenden Fall kann ein Wunsch des Klägers (bei unterstellter Aufklärung durch den Beklagten), das Gebäude ohne Drainage höher zulegen, schon deshalb nicht unterstellt werden, da in diesem Fall zumindest die 0,18 m Abstand zur Geländeoberkante erhalten geblieben wären, die er ausweislich der E-Mail-Korrespondenz (Anlage B 2) gerne vermeiden wollte.

Randnummer48

Der Kläger, der sich offensichtlich viele Sorgen bezüglich eines Havariefalls während seiner Eigentümerstellung und der seiner Nachfahren macht – wie er auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte -,verfolgt außerdem nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Nebenintervenientin in der Berufungsinstanz nach wie vor einen Vorschuss zur korrekten Herstellung der Drainage von der Nebenintervenientin parallel zu dem hier verfolgten Vorschuss für eine Höherlegung des Gebäudes. Auch diese Umstände begründen durchgreifende Zweifel daran, ob der Kläger tatsächlich bereit gewesen wäre, auf die Drainage zu verzichten, die er in einem anderen Verfahren eingeklagt hat.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger letztlich den Nachtrag hinsichtlich der Drainage gebilligt und auch den Einbau der Drainage mitbekommen und entsprechend befürwortet hat.

Randnummer49

cc) Dem Beklagten ist allerdings die fehlerhafte Planung bzw. Überwachung des Drainagebaus sowie eine fehlende Überwachung der Geländegestaltung vorzuwerfen. Der Architekt muss solchen Baumaßnahmen besondere Aufmerksamkeit widmen, bei denen sich im Verlauf der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben. Er muss insbesondere eine regelmäßige und angemessene Überwachung der Bauleistungen vornehmen. Besonders wichtige Bauabschnitte, von denen das Gelingen des ganzen Werkes abhängt, muss der Architekt persönlich überwachen und sich sofort nach der Ausführung der Arbeiten von deren Ordnungsmäßigkeit überzeugen. Zudem gehören gerade Drainagearbeiten zu besonders schwierigen und gefahrträchtigen Arbeiten, welche besonders beobachtet und überprüft werden müssen (vgl. zum Ganzen Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage, Rn. 2021).

Randnummer50

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die entsprechende Aufschüttung des Geländes vom Kläger oder dem Beklagten zu vertreten ist. Der Kläger wollte ausweislich der E-Mail Anlage B 2 vom 06.07.2012 gerne auf die 18 cm Unterschied zur Geländeoberkante verzichten, um auf die Rollstuhlauffahrten zu verzichten. Er fragt in dieser E-Mail an, ob dies möglich sei, indem man alles auf das Höhenniveau der Hauseingänge bringe. Dem hat der Beklagte seinerzeit mit der Maßgabe zugestimmt, dass noch ein Gefälle vom Gebäude weg vorhanden sein sollte. Die entsprechenden Anlagen sollten ausweislich der entsprechenden E-Mail-Korrespondenz vom Gala-Bauer fertiggestellt werden. Der Kläger bezieht sich insofern auf das vorgelegte Leistungsverzeichnis am Ende der Anlage K 17, wo es unter 02.2 heißt „Oberboden liefern und den zum Teil seitlich gelagerten Oberboden wieder aufnehmen und im Baustellenbereich verteilen und andecken, Auftragsdicke: i.M. 40 cm“.

Randnummer51

Demgegenüber verweist der Beklagte darauf, dass er für die Gestaltung der Außenanlagen nicht verantwortlich gewesen sei.

Randnummer52

Aus dem geschlossenen Vertrag als Anlage K 1 ergibt sich insofern ein Pauschalhonorar für die Planung der Terrassen, der Pflasterwege entlang des Gebäudes und von der Straße zum Carport sowie die Planung des Carports mit Lagerraum von 1.000,00 €. Auch die E-Mail-Korrespondenz zwischen den Parteien belegt, dass der Beklagte in die Planung der Außenanlagen eingebunden war.

Randnummer53

Hinzu kommt, dass nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen K. (Gutachten 02, Seite 41) folgende Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um bei der vom Beklagten vorgenommenen Planung eine ausreichende Sicherheit des Hauses gegen Niederschlagsbeeinträchtigungen herzustellen:

Randnummer54

– Herstellung einer fachgerecht hergestellten Abdichtung nach Vorgabe der DIN 18195, Teil 4,

Randnummer55

– eine auf die tatsächlichen Verhältnisse abgestimmte dauerhaft funktionsfähige Drainage nebst Rückstausicherung und

Randnummer56

– eine notwendige Geländemodellierung.

Randnummer57

Mithin erforderte die vom Beklagten konkret gewählte Planung auch eine Überwachung der Ausführung der Modellierungsarbeiten. Der Beklagte hätte zumindest sicherstellen müssen, dass gerade im Hinblick auf die vom Auftraggeber gewünschte Heranführung des Geländes bis auf Bodenniveau dieses nicht zu hoch angeschüttet wird und kein entsprechendes Gefälle zum Gebäude hin entsteht.

Randnummer58

Das Gefälle zum Gebäude hin ist auf den entsprechenden Lichtbildern deutlich ersichtlich und aufgrund der behaupteten Hinweise an den Beklagten seinerzeit durch Herrn W. und Herrn Kr. (vgl. hierzu Vortrag Blatt 112 d.A. und Anlage K 7) ist dem Beklagten auch bekannt gewesen, dass diesbezüglich besondere Umsicht vonnöten war. Es bestand insofern eine gesteigerte Pflicht zur Planung bzw. Überwachung, dass aufgrund der geplanten Drainage und des geplanten Höhenunterschiedes bzw. der möglicherweise auch entfallenden Rampen eine nicht zu hohe Anschüttung erfolgte. Aus der Anlage B 2 ergibt sich, dass die Problematik dem Beklagten bekannt war. Da er selbst auf die entsprechenden Hinweise für die relativ tiefe Gründung des Gebäudes hin keine Höherlegung veranlasst hatte, trafen ihn bei der von ihm gewählten Planungsvariante insofern zumindest gesteigerte Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die korrekte Planung und Durchführung der nunmehr gewählten Ausführungsvariante.

Randnummer59

Da sich entsprechende Planungs- bzw. Überwachungsfehler bereits im Bauwerk verwirklicht haben, ist eine Nacherfüllung nicht mehr möglich.

Randnummer60

b) Der Beklagte schuldet einen Vorschuss, soweit durch seine Pflichtverletzung ein kausaler Schaden entstanden ist.

Randnummer61

Dieser besteht zunächst in den Kosten für die Herstellung einer funktionstüchtigen Drainage, die der Gutachter in seinem ersten Gutachten vom 20.03.20214 (Gutachten 01, Seite 34) anhand von Kostenschätzungen mit 18.372,00 € netto bewertet hat. Im Hinblick auf die gerichtsbekannten Kostensteigerungen im Baugewerbe nimmt der Senat eine Anpassung von 16 % an, so dass sich der Nettobetrag auf 21.311,52 € und der Bruttobetrag auf 25.360,70 € erhöht.

Randnummer62

Den voraussichtlichen Aufwand des Klägers für die erforderliche Geländemodellierung schätzt der Senat, der seit einigen Jahren mit Bausachen betraut ist und über einschlägige Erfahrungen mit den Kosten von Erdarbeiten verfügt, gemäß § 287 ZPO wie folgt:

Randnummer63

Die Grundstücksfläche beträgt 1308 m², die Grundfläche des Hauses 126,52 m² und die Fläche der Nebenanlagen 189 m². Mithin ist eine Fläche von maximal 992,48 m² zu bearbeiten.

Randnummer64

– Arbeitsaufwand von 120 Stunden á 70 € pro Stunde = 8.400,00 €,

Randnummer65

– Abfuhr von Erdreich und Entsorgung, pauschal: 1.500,00 €,

Randnummer66

– neues Erdreich liefern und einbauen, pauschal: 2.500,00 €,

Randnummer67

– Maschinenkosten: 1.000,00 €

Randnummer68

– Ansatz für Unvorhergesehenes: 500,00 €,

Randnummer69

– Planungskosten (6 Stunden á 250,00 €): 1500,00 €

Randnummer70

– Summe netto: 15.400,00 €

Randnummer71

– Summe brutto 18.326,00 €

Randnummer72

Insgesamt besteht mithin ein Vorschussanspruch des Klägers in Höhe von 43.686,70 €. Der Senat geht auch davon aus, dass der Kläger gewillt ist, die entsprechenden Maßnahmen nach Zahlung des Vorschusses in Auftrag zu geben.

Randnummer73

Dieser Betrag ist seit dem 02.06.2017 zu verzinsen.

Randnummer74

Zwar hat der Kläger zunächst Schadensersatz in Höhe von 100.000,00 € verlangt, nach Hinweis des Landgerichts wegen der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auf einen Vorschussanspruch umgestellt und diesen auf die Kosten gerichtet, die für die Anhebung seines Hauses anfallen werden. Dieser Umstand ist jedoch unerheblich, denn die Vorschussklage umfasst immer den Vorschussanspruch in der Höhe, in der er zur Beseitigung des Mangels sachlich erforderlich ist (vgl. Werner-Pastor, a.a.O., Rn. 2145).

Randnummer75

c) Sofern abweichend von vorstehenden Ausführungen zu aa) und bb) eine Pflichtverletzung des Beklagten festzustellen wäre, würde der geltend gemachte Vorschussanspruch auf Hebung des Hauses jedenfalls daran scheitern, dass die geforderten Aufwendungen nicht erforderlich sind; außerdem greift der Unverhältnismäßigkeitseinwand des Beklagten durch.

Randnummer76

aa) Grundsätzlich richtet sich bereits die Erforderlichkeit der Aufwendungen für die Schadensbeseitigung danach, für welche Maßnahme sich ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Besteller bei einer ex-ante-Betrachtung nach sachkundiger Beratung entscheiden würde (vgl. Messerschmidt/ Voit-Moufang/Koos, Privates Baurecht, 3. Auflage, § 635, Rn. 58).

Randnummer77

Der Kläger hat die Kosten mit 208.500,00 € beziffert (vgl. Blatt 244 f. d.A.) zuzüglich Architektenkosten von 45.000,00 € weiteren 10.000,00 € für Versicherung des Gebäudes, Umzugskosten und Unterbringungskosten, insgesamt 263.500,00 €.

Randnummer78

Nach Auffassung des Senates würde sich ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Besteller nicht für die entsprechende Lösung entscheiden.

Randnummer79

Zunächst ist die Hebung des Hauses mit erheblichen Risiken behaftet ist. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass es ihm anfangs nicht gelungen sei, einen Architekten zu finden, welcher bereit war, das Projekt planerisch zu begleiten (vgl. Schriftsatz vom 03.06.2020, Blatt 303 d.A.).

Randnummer80

Es kommt hinzu, dass das Grundstück nach den Angaben der Nebenintervenientin über dem Rückstauniveau liegt, sodass sich eine Hebung nicht als einzige Möglichkeit darstellt, um möglichen Feuchtigkeitseintritten vorzubeugen. Der vom Kläger angelegte Graben funktioniert bisher. Auch hat der Gutachter bestätigt, dass eine Drainage in Verbindung mit der vorhandenen Abdichtung und ggf. einer Ummodellierung des Geländes zur Abdichtung des Gebäudes fachgerecht wäre. Vor diesem Hintergrund eine planerisch unsichere Lösung zu wählen und sich für die Risiken zu entscheiden, welche mit einer Gebäudehebung einhergehen, erscheint nicht vernünftig und wirtschaftlich. Außerdem wäre mit erheblichen Eingriffen in die Statik zu rechnen, welche einen Minderwert des Gebäudes bei einem künftigen Verkauf zur Folge hätte, im Gegensatz zu bloßen Arbeiten an der Drainage und am Gelände, welche die Bausubstanz des Gebäudes unangetastet lassen würden (vgl. zum Ganzen Löffelmann/Keldungs/Baldringer, Architektenrecht, 7. Auflage, E. Rn. 168).

Randnummer81

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Gesamtkosten des Hauses, die der Kläger mit 500.000 € angegeben hat. Der Kostenkalkulation des Klägers folgend würden hiernach mehr als 50 % der ursprünglichen Herstellungskosten des Hauses für die verlangte Anhebung entstehen. Diese Kosten stehen nach Ansicht des Senates außer Verhältnis zu der damit einhergehenden Verbesserung des Schutzes des Hauses vor Feuchtigkeitseinflüssen. Hierbei übersieht der Senat nicht, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen K. die vom Beklagten gewählte Planung gegenüber der grundsätzlichen Heraushebung des Geländefußpunktes aus der wasser-/ feuchtigkeitsbelasteten Zone schadensanfälliger ist und eine Drainage der Wartung bedarf.

Randnummer82

Unzutreffend ist die wiederholt vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretene Ansicht, es müsse für die Beurteilung der Erforderlichkeit der Aufwendungen auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung des Beklagten abgestellt werden, zu dem seiner Ansicht nach keine oder nur geringere Kosten angefallen wären.

Randnummer83

bb) Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit greift durch. Der Architekt kann sich, wenn auch nicht nach § 635 Abs. 3, so doch nach § 251 Abs. 2 BGB auf Unverhältnismäßigkeit berufen (vgl. Beck´scher HOAI und Architektenrechtskommentar- Klein, 2. Auflage, § 650 q, Rn. 168). Insofern sind unverhältnismäßig hohe Kosten der Mangelbeseitigung nicht zu ersetzen. Die Grenze liegt dort, wo Kosten als unnötig, unzweckmäßig oder überteuert anzusehen sind (vgl. Beck´scher HOAI und Architektenrechtskommentar, a.a.O.).

Randnummer84

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat im Urteil vom 26.03.2019 zum Aktenzeichen 23 U 102/18 (Beck RS 2019, 19093) ausführt:

Randnummer85

„Unverhältnismäßig in diesem Sinne sind Aufwendungen für die Beseitigung des Mangels, wenn der in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielte Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht und es dem Unternehmer nicht zugemutet werden kann, die vom Besteller in nicht sinnvoller Weise geltend gemachten Aufwendungen tragen zu müssen. In einem solchen Fall würde es Treu und Glauben widersprechen, wenn der Besteller diese Aufwendungen dem Unternehmer anlasten könnte.“ (OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 22 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 11.10.2012, Az.: VII ZR 179/11, NJW 2013, 370).

Randnummer86

Die Frage der Verhältnismäßigkeit kann weder allein aufgrund der Höhe der Mängelbeseitigungskosten noch aufgrund einer Relation dieser Kosten zu den Herstellungskosten der mangelhaften Bausache entschieden werden (vgl. BGH, BauR 1995, 540,541). Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit ist deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn das Bestehen auf ordnungsgemäßer Vertragserfüllung mit Rücksicht auf das objektive Interesse des Bestellers an der ordnungsgemäßen Erfüllung im Verhältnis zu dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller Umstände einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt. Besteht nur ein objektiv geringes Interesse des Auftraggebers an einer mangelfreien Vertragsleistung und steht diesem ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Kostenaufwand gegenüber, kann von einer Unverhältnismäßigkeit gesprochen werden (vgl. Werner-Pastor, a.a.O., Rn. 2102). Diese für die verweigerte Nacherfüllung entwickelten Grundsätze sind auch vorliegend zu berücksichtigen.

Randnummer87

Die vom Beklagten vorgenommene Planung ist nicht mangelhaft. Es wird auf die Ausführungen des Sachverständigen K. (Gutachten 02, Seite 26) verwiesen. Da der Beklagte gegenüber der Anhebung der Bodenplatte eine schadensanfälligere und teurere, jedoch den Fachregeln entsprechende Variante gewählt hat, wird die unterlassene Aufklärung des Klägers vom Senat lediglich als fahrlässiges Verhalten bewertet.

Randnummer88

Das Interesse des Klägers auf Anhebung des Gebäudes stellt sich bei objektiver Betrachtung als gering dar. Er befürchtet, dass die Einwilligung des Anschlusses an die neu zu errichtende Drainage von der Behörde widerrufen werden könnte. Eine solche Gefahr des Widerrufs ist jedoch nicht konkret festzustellen. Nach den Erfahrungen des Senates handelt es sich bei der entsprechenden Klausel um die übliche Genehmigungspraxis der Behörden, um auf etwaige Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse reagieren zu können. Dass einmal von dem Widerrufsvorbehalt Gebrauch gemacht wurde, ist dem Senat nicht bekannt.

Randnummer89

Der in der mündlichen Verhandlung geäußerte Wunsch des Klägers, der von einer Lebensdauer des Hauses zwischen 100 -150 Jahren ausgeht und das Eigentum späteren Generationen mit einem größtmöglichen Schutz vor Wasserbeeinträchtigungen und Wasserschäden vererben möchte, lässt bereits außer Betracht, dass die Folgen des Klimawandels selbst in den kommenden Jahrzehnten noch nicht absehbar sind (Zunahme von Starkregenereignissen/Trockenheit und Wasserverknappung auch in Mitteleuropa). Insofern ist schon nicht feststellbar, ob in Zukunft überhaupt eine größere Belastung des streitgegenständlichen Grundstücks mit Wassereintrag zu erwarten ist.

Randnummer90

Schließlich vermag auch die dem Senat bekannte, überschaubare Pflegebedürftigkeit einer Drainage kein erhebliches Interesse des Klägers an der verlangten Anhebung des Hauses zu begründen. In der Regel ist die Wartung einer Drainage nach dem Kenntnisstand des Senats in mehrjährigen Abständen mittels Sichtkontrollen und gegebenenfalls notwendig werdenden Reinigungsarbeiten durchzuführen.

Randnummer91

Im Rahmen der Abwägung ist schließlich auch der vom Kläger veranschlagte Kostenaufwand für die Anhebung des Hauses mit 263.500,00 € im Verhältnis zu den Herstellungskosten von 500.000,00 € zu berücksichtigen. Insoweit wird auf die Ausführungen zu aa) verwiesen.

Randnummer92

Nach alledem stellt sich das Verlangen auf Anhebung des Hauses als unverhältnismäßig dar.

Randnummer93

Aus diesen Gründen kann dahinstehen, ob sich der Beklagte auch auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 BGB wegen faktischer oder praktischer Unmöglichkeit berufen kann, wofür nach Auffassung des Senates einiges sprechen dürfte.

Randnummer94

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den Darlegungen im Schriftsatz vom 24.02.2022, soweit sie Rechtsauffassungen enthalten.

2.

Randnummer95

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.