vorgestellt von Thomas Ax
Ein Vertrag über die Ausführung von Gartenbauarbeiten auf einem “verwilderten” Grundstück ist ein Bauvertrag i.S.v. § 650a BGB. Wird der Bauvertrag mit einem privaten Auftraggeber “vor Ort” geschlossen, handelt sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag. Damit hat der Auftraggeber als Verbraucher ein Widerrufsrecht. Die 14-tägige Widerrufsfrist beginnt grundsätzlich mit Vertragsschluss. Das gilt nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Dann läuft das Recht des Verbrauchers zum Widerruf innerhalb von einem Jahr und 14 Tagen nach Vertragsschluss ab. Wurde der Verbraucher-Bauherr nicht ordnungsgemäß belehrt und hat er sein Widerrufsrecht fristgerecht ausgeübt, steht dem Unternehmer für die ausgeführten Arbeiten grundsätzlich weder ein Vergütungsanspruch noch ein Anspruch auf Wertersatz zu.
LG Frankenthal, Urteil vom 15.04.2025 – 8 O 214/24
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Vergütung von Gartenbauarbeiten, die der Kläger erbracht hat.
Nachdem der Beklagte den Kläger telefonisch kontaktiert und kurz sein Anliegen geschildert hatte, vereinbarten die Parteien einen gemeinsamen Termin für den 06.04.2024 im ###-Weg ### in ### vor Ort. Das dortige Grundstück des Beklagten hat eine Größe von ca. ### qm und war zum Zeitpunkt der Besichtigung durch den Kläger “verwildert”. Dort führten Mitarbeiter des Klägers anschließend Gartenbauarbeiten aus. Der Kläger erbrachte auch an einem weiteren Grundstück des Beklagten in ### weitere Tätigkeiten für den Beklagten. Die näheren Einzelheiten sowie die Beauftragung selbst sind durch den Beklagten vollumfänglich bestritten.
Der Kläger rechnete die Arbeiten unter dem 15.05.2024 ab. Die beiden Rechnungen (eAkte S. 6 f. u. 10 f.) beliefen sich auf einen Gesamtbetrag in Höhe der geltend gemachten Klageforderung. Die erste Rechnung weist einen Betrag in Höhe von 15.544,97 Euro für die Tätigkeiten in H. aus, die weiteren 3.439,10 Euro sind für die Arbeiten in D. abgerechnet.
Eine Zahlung durch den Beklagten ist nicht erfolgt.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.09.2024 meldete sich der Beklagte bei dem Kläger und erklärte den Widerruf seiner Willenserklärungen. (eAkte S. 12). Er rügte zudem die Prüffähigkeit der Rechnungen.
Der Kläger trägt vor, die Parteien hätten am 06.04.2024 vor Ort den Arbeitsumfang der auszuführenden Arbeiten in ### besprochen, wobei der Beklagte den Stundensatz des Klägers von 55 Euro zzgl. MwSt. akzeptiert habe.
Zu einem späteren Zeitpunkt, am 18.04.2024 oder 19.04.2025 hätten die Parteien ebenfalls den Umfang der auszuführenden Arbeiten in D. besprochen und der Beklagte habe auch hier die Stundensätze akzeptiert.
Sämtliche Arbeiten seien durch den Kläger in der Zeit zwischen dem 12.04.2024 und 22.04.2024 durchgeführt worden. Im Wesentlichen hätten der Kläger bzw. seine Mitarbeiten Wildwuchs auf den Grundstücken entfernt und diese hergerichtet. Im Einzelnen sei hier auf die in den Rechnungen abgerechneten Leistungen verwiesen.
Die Parteien hätten bei dem gemeinsamen Termin am 06.04.2024 den Beginn der Arbeiten am 12.04.2024 auf dem Grundstück in ### abgestimmt. Es seien im Rahmen dieses Termins die Arbeiten für den 12.04. und 13.04. besprochen worden. Insbesondere habe Efeu und weitere Bepflanzung/ Unkraut entfernt werden sollen. Diese Arbeiten seien von den Mitarbeitern ###, ### und ### ausgeführt worden.
Die am 15.04.2024, 16.04., 17.04., 18.04., 19.04., ausgeführten Arbeiten auf dem Grundstück in ### seien jeweils gesondert gegenüber dem Mitarbeiter S. durch den Beklagten beauftragt worden und in der Folge entsprechend ausgeführt worden.
Im Rahmen eines Telefonats am 18.04. oder 19.04. habe der Beklagte gegenüber dem Kläger mitgeteilt, noch ein weiteres Grundstück in ###, ###-Weg ### zu haben, für welches der Kläger ebenfalls Gartenbauarbeiten ausführen solle. Der Kläger habe sich abends zu diesem Grundstück begeben. Auch dieses Grundstück habe im Auftrag des Beklagten wieder hergerichtet werden sollen. Am 20.04. und am 22.04. hätten sodann die Mitarbeiter, die zuvor auf dem Grundstück in ### tätig gewesen seien, die mit dem Beklagten abgesprochenen Arbeiten in ### durchgeführt. Die Ausführung der Arbeiten sei am 22.04. vorzeitig beendet worden. Nach Rücksprache mit dem Kläger hätten die Mitarbeiter die Baustelle noch gereinigt und anschließend vorzeitig um 14:00 Uhr verlassen.
Im Rahmen eines Treffens im August 2024 habe der Beklagte – unter Vorhalt des seiner Ansicht nach ihm zustehenden Widerrufsrechts – dem Kläger zur Gesamtabgeltung die Zahlung eines Betrages von 2.500,00 Euro in bar angeboten, was der Kläger abgelehnt habe.
Der Kläger ist der Ansicht, der erklärte Widerruf sei unwirksam. Es habe sich schon nicht um ein Haustürgeschäft im Sinne des § 312b Abs. 1 S. 1 BGB gehandelt, denn alle weiteren Arbeiten ab dem 14.04. seien zeitlich versetzt beauftragt worden, sodass die Voraussetzung der gleichzeitigen Anwesenheit der Parteien bei Vertragsschluss nicht vorliege. Zudem sei der Schutzzweck der Norm nicht erfüllt, eine Situation der “Überrumplung” habe es nicht gegeben.
Im Übrigen sei im vorliegenden Fall die Ausübung des Widerrufrechts unzulässig, denn der Beklagte berufe sich missbräuchlich auf Unionsrecht. Weiter liege auch Verstoß gegen § 242 BGB vor.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 18.984,07 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.10.2024;
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.021,00 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.10.2024.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, die Willenserklärungen seien wirksam widerrufen. Ein Anspruch auf Vergütung bestünde mithin nicht. Mangels erforderlicher Belehrung über das Widerrufsrecht stünde dem Kläger auch kein Wertersatzanspruch für etwaig ausgeführte Arbeiten zu. Im Übrigen seien keine Lohnzettel vorhanden und die Rechnungen insgesamt nicht prüffähig. Der vereinbarte Stundensatz von 55 Euro habe die Mehrwertsteuer beinhaltet.
Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 25.03.2025 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Das angerufene Gericht ist sachlich gem. § 1 ZPO in Verbindung mit §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG und örtlich gem. §§ 29 Abs. 1, 29c Abs. 1 ZPO zuständig.
II.
Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu.
Die Parteien haben zwar zunächst einen Bauvertrag im Sinne des § 650a BGB zur (Wieder)Herstellung von Garten- bzw. Grundstücksflächen vereinbart, aus welchem der Kläger grundsätzlich die vereinbarte Vergütung für geleistete Arbeiten verlangen kann. Für das Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzung ist der Kläger darlegungs- und beweisbelastet. Sofern der Beklagte den Vertragsschluss schriftsätzlich pauschal bestritt, hat er hiervon im Rahmen der mündlichen Verhandlung Abstand genommen und eingeräumt, dass entsprechende Vereinbarungen in Form der Beauftragung grundsätzlich getroffen wurden.
Der konkrete Inhalt dieser Vereinbarungen, für welchen der Kläger darlegeungs- und beweisbelastet ist, kann dahin gestellt bleiben, da der Beklagte seine in diesem Zuge abgegebenen Willenserklärungen allesamt wirksam widerrufen hat. Insofern kann der Kläger ohnehin keinen vertraglichen Vergütungsanspruch mehr geltend machen. Auch ein bereicherungsrechtlicher Wertersatzanspruch greift nicht durch.
1. Dem Beklagten stand ein Widerrufsrecht zu. Es handelt sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag im Sinne des § 312b Abs. 1 BGB. Damit hat der Beklagte als Verbraucher (§ 13 BGB) nach § 312g Abs. 1 BGB gem. § 355 BGB ein Widerrufsrecht.
Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind solche, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers – oder von Personen, die in ihrem Namen oder Auftrag handeln – an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers bzw. kein dem Unternehmer zugerechneter Geschäftsraum ist (MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312b Rn. 34, beck-online).
Selbst nach dem Vortrag des Klägers sind diese Voraussetzungen erfüllt. Danach haben die Parteien am 06.04. vor Ort auf dem Grundstück des Beklagten alle Modalitäten besprochen, damit also sowohl Angebot als auch Annahme erklärt. Hieran ändert auch nichts, dass der Beklagte selbst die Initiative ergriffen haben soll, auf den Kläger zugegangen ist und ihn mithin zur Angebotsabgabe auf seinem Grundstück aufgefordert hat.
Denn es nicht maßgeblich, wo die Motivation des Verbrauchers zum Vertragsschluss geweckt wurde, entscheidend ist vielmehr, wo die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen abgegeben wurden und – jedenfalls nach § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – auch dem anderen Teil zugehen und wirksam werden (MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312b Rn. 35, beck-online).
Auch hinsichtlich der weiteren “Aufträge”, die gegenüber den Mitarbeitern des Klägers erteilt worden sein sollen, gilt nichts anderes. Der körperlichen Anwesenheit des Unternehmers steht die körperliche Anwesenheit jeder Person gleich, welche im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt. Diese Regelung ist nicht auf Stellvertreter beschränkt, sondern umfasst gleichermaßen Empfangs- sowie Erklärungsboten (MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312b Rn. 37, beck-online). Wenn der Beklagte vor Ort mit dem Mitarbeiter des Klägers vereinbart hat, welche Arbeiten am jeweiligen Tag durchgeführt werden sollen, dann liegen auch für diese vertraglichen Vereinbarungen jeweils die Voraussetzungen des außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge vor.
Dass diese zeitlich versetzt in Auftrag gegeben worden sind, schadet der Einordnung im Sinne des § 312b Abs. 1 BGB mithin ebenfalls nicht. Dies wäre allenfalls zu berücksichtigen, sofern zwischen dem jeweiligen Angebot und der entsprechenden Annahme ein zeitlicher Versatz festzustellen wäre (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 6. Juli 2023 – VII ZR 151/22 -). Vorliegend stellt sich die Situation jedoch in Bezug auf jegliche vertragliche Übereinkünfte so dar, dass diese an Ort und Stelle jeweils abgesprochen worden sind und damit die konkreten Angebote und Annahmen, auf die es isoliert ankommt, nicht mit zeitlicher Verzögerung erklärt worden sind. Dass vorab Preise im Sinne eines Stundensatzes abgesprochen wurden, stellte für den Beklagten kein Angebot des Klägers dar, das an den Folgetagen jeweils angenommen wurde. Vielmehr erfolgten Angebot und Annahme am jeweiligen Tag durch Vereinbarung der auszuführenden Arbeiten.
Der Ausschlusskatalog des § 312g Abs. 1 BGB, insbesondere Nr. 11, ist vorliegend mangels dringender Instandhaltungsarbeiten nicht erfüllt.
Selbige Ausführungen gelten entsprechend für die vertragliche Vereinbarung hinsichtlich der in ### ausgeführten Arbeiten, für welche der Kläger nach eigenem Vortrag ebenfalls auf telefonischen Anruf hin vor Ort mit dem Beklagten alles besprochen haben will und damit also vor Ort sein Angebot abgegeben hat, welches sodann von Seiten des Beklagten angenommen worden ist.
2. Der Widerruf ist gem. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB durch den Beklagten jedenfalls mit anwaltlichem Schreiben vom 10.09.2024 erklärt worden.
3. Die Erklärung erfolgte auch fristgerecht. Grundsätzlich beginnt die 14-tägige Frist gem. § 355 Abs. 2 BGB mit Vertragsschluss. Nach § 356 Abs. 3 S. 1 BGB beginnt die Frist hiervon abweichend allerdings nicht, bevor der Verbraucher nicht entsprechend Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.
Eine ordnungsgemäße Belehrung ist auch nach dem Vortrag des hierfür beweisbelasteten Klägers weder vor Vertragsschluss noch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Der Lauf der Widerrufsfrist wurde damit auch bis heute nicht in Gang gesetzt.
Andere Umstände, die den Beginn des Fristlaufs zur Folge haben (etwa gem. § 356 Abs. 2, 4 oder 5) liegen ebenfalls nicht vor.
Damit läuft gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB in Verbindung mit 355 Abs. 2 S. 2 BGB das Recht zum Widerruf des Verbrauchers mit der Höchstfrist von einem Jahr und 14 Tagen nach Vertragsschluss ab. Dass diese Frist durch den am 10.09.2024 erklärten Widerruf gewahrt wurde, steht im Hinblick auf die erste Kontaktaufnahme zwischen den Parteien am 06.04.2024 außer Frage.
4. Dem Kläger steht auch kein Wertersatz für die bereits erbrachten Leistungen zu, denn hierfür ist nach § 357a Abs. 2 BGB in Umsetzung der Verbraucherschutz-Richtlinie (Art. 14 der Richtlinie 2011/83) in jedem Fall Voraussetzung, dass der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ordnungsgemäß informiert hat. Es liegt die Konstellation vor, dass der Unternehmer mangels entsprechender Widerrufsbelehrung vor Ablauf der dem Verbraucher zustehenden Widerrufsfrist bereits Leistungen erbracht hat und der Verbraucher erst nach Erbringung der Leistungen sein Widerrufsrecht ausübt.
5. Gleiches gilt auch für einen dem Grunde nach in Betracht kommenden bereicherungsrechtlichen Anspruch des Klägers. Die entsprechend einschlägigen nationalen Normen dienen der Umsetzung von Art. 14 der Richtlinie 2011/83 (Verbraucherschutz-Richtlinie) sodass es auf die Auslegung der Richtlinie ankommt.
Danach ist die Anwendung bereicherungsrechtlicher Wertersatzansprüche ausgeschlossen.
Denn Sanktion der Richtlinie ist nicht nur, dass im engeren Sinne (lediglich) nach den Rechtsfolgen des Widerrufs ein Wertersatz nicht zu leisten ist, sondern dass die normierte Sanktion auch nicht durch die Anwendung anderer nationaler Normen ausgehebelt und umgangen wird. Andernfalls würde die durchaus harte Rechtsfolge, die zugleich als Sanktion des Unternehmers zu verstehen ist, den beabsichtigten Anreiz zur Rechtsbefolgung konterkarieren (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Mai 2023 – C-97/22 -).
6. Dem Beklagten ist eine Berufung auf sein Widerrufsrecht auch nicht deshalb verwehrt, weil er sich damit in missbräuchlicher Weise auf Unionsrecht beruft. In diesem Zuge wird teilweise versucht, das Ergebnis unter Anwendung von § 242 BGB zu korrigieren.
Es entspricht zwar der etablierten Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass eine im Einzelfall missbräuchliche und gegen Treu und Glauben verstoßende Berufung auf das Unionsrecht “nicht erlaubt” ist.
Die Annahme einer Treuwidrigkeit der Berufung auf den Ausschluss von Wertersatz gem. Art. 14 Abs. 4 Richtlinie 2011/83 auf Grundlage genereller Gesichtspunkte wurde von Seiten des EuGH (aaO) indes bereits eindeutig verneint.
Sofern sich der Kläger auf die Auffassung des Kammergerichts Berlin beruft, vermag dies nicht abzuhelfen.
Das Kammergericht Berlin hat in einem ähnlich gelagerten Fall mit Beschluss vom 09. April 2024 (- 21 U 61/23 -) dem Gerichtshof die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob eine Einschränkung der – oben dargestellten – Rechtsfolgen in Form des Zugestehens von Wertersatz aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Einzelfall einzuschränken sein kann (aaO, Rn. 54).
Der vorliegende Fall ist indes schon insoweit anders gelagert, als der Verbraucher in dem Verfahren vor dem Kammergericht Berlin unter Einschaltung eines Architekten beraten war.
Abgesehen hiervon knüpft das Kammergericht Berlin die Möglichkeit, die Treuwidrigkeit der Berufung eines Verbrauchers auf den Ausschluss von Wertersatz gem. Art. 14 Abs. 4 Richtlinie 2011/83 zu bejahen, daran, dass im dortigen Fall ein besonderer Ausnahmefall vorliege. Dies sei mit Blick auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs des Verbots einer missbräuchlichen Berufung auf Unionsrecht auch vereinbar, denn die vorgesehene Rechtsfolge des Widerrufs wird nicht vollständig revidiert, sondern lediglich in wenigen Ausnahmefällen modifiziert bzw. beschränkt.
Besondere Umstände, die den vorliegenden Rechtsstreit als einen Ausnahmefall charakterisieren würden, vermag die Kammer indes nicht festzustellen. Es liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die neben dem Vorliegen der grundsätzlich schon misslichen Situation hinausgehen und mithin die beabsichtigte Sanktion besonders “hart” und mithin eine Modifikation erforderlich erscheinen ließen.
Davon, dass der Beklagte in berechnender Weise vorgegangen ist, indem er sich nach Erbringung der Dienstleistungen auf das ihm zustehende Widerrufsrecht beruft, was gegebenenfalls zur Begründung eines außergewöhnlichen Umstands herangezogen werden könnte, ist nach Überzeugung der Kammer nicht auszugehen. Dies käme etwa dann in Betracht, wenn der Beklagte vor Vertragsschluss in berechnender Weise darauf spekuliert hätte, keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung von Seiten des Unternehmers zu erhalten, um so aufgrund der langen Höchstfrist von über einem Jahr erst im Anschluss aus die dann durchgeführten Arbeiten den Vertrag zu widerrufen. Dies würde indes voraussetzen, dass zur Überzeugung nach § 286 Abs. 1 ZPO feststeht, dass der Beklagte schon vor Vertragsschluss von dieser Rechtslage überhaupt Kenntnis hatte.
Da sich der Kläger auf diese für ihn günstige Tatsache beruft, liegt auch bei ihm die Darlegungs- und Beweislast. Der klägerseits behauptete Inhalt des Gesprächs zwischen den Parteien im August 2024, in welchem der Beklagte dem Kläger zur Abgeltung insgesamt 2.500,00 Euro in bar angeboten haben soll, belegt lediglich die Kenntnis des Beklagten von der Rechtslage zu diesem Zeitpunkt. Diese Kenntnis kann der Beklagte aber auch durch eine zwischenzeitlich erfolgte Beratung oder Recherche erlangt haben. Selbst wenn das Gespräch in dieser Art stattgefunden haben sollte, vermag das zwar für den Kläger den Anschein eines “dreisten” Ausnutzens der Rechtslage zu erwecken, lässt aber gerade nicht darauf schließen, dass der Beklagte bereits vor dem 06.04.2024 oder während der Auftragsdurchführung ein solches Vorgehen planmäßig beabsichtigt hat.
7. Im Ergebnis bleibt es mithin dabei, dass der Kläger von dem Beklagten als durchaus harte Sanktion auch keinen Wertersatz verlangen kann.
Da dies vom EuGH für die vorliegende Fallgestaltung bereits entschieden wurde und kein besonderer Ausnahmefall vorliegt, bedarf es auch keiner Vorlage an den EuGH durch die Kammer und auch keiner Verfahrensaussetzung gemäß oder analog § 148 ZPO im Hinblick auf die oben erörterte Vorlageentscheidung des Kammergerichts Berlin.
III.
Die Entscheidung über die Kosten hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit in § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.