vorgestellt von Thomas Ax
Beruft sich ein Unternehmer darauf, dass er wegen Störungen den Fertigstellungstermin nicht habe einhalten können, genügt es zu seiner Entlastung nicht, wenn er zu (vermeintlichen) Störungen des Bauablaufs vorträgt. Nicht jede Störung wirkt sich auf den Bauablauf aus, weshalb es einer bauablaufbezogenen Darstellung bedarf. Die Beklagte müsste also darlegen, wie sie den (hypothetischen, störungsfreien) Bauablauf geplant hatte und in welcher Art und Weise sich die Störungen unter Berücksichtigung des tatsächlichen Bauablaufs ausgewirkt haben.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.03.2024 – 22 U 142/23
Gründe
I.
Die Beklagten zu 1) bis 3) sind in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Architekten tätig. Die Beklagte zu 4), die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wurde von dem Kläger durch im Jahr 2014 abgeschlossenen Architektenvertrag mit Planungs- und Überwachungsleistungen für den Neubau eines Einfamilienhauses betraut. Der Kläger hat wegen verschiedener Ausführungsmängel unter Bezugnahme auf zwei gutachterliche Stellungnahmen des Sachverständigen B. Schadensersatz in Höhe von zunächst 25.347,00 EUR brutto geltend gemacht, weil die Mängel im Rahmen der Bauüberwachung hätten vermieden werden müssen. Zudem hat er Kosten für die gutachterlichen Stellungnahmen des Sachverständigen B. in Höhe von 1.681,30 EUR brutto und außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 1.430,38 EUR brutto geltend gemacht.
In seiner Klage hat der Kläger zunächst nicht angegeben, welcher Teil der Forderung in Höhe von 25.347,00 EUR brutto auf welchen der Mängel entfällt. Mit Schriftsatz vom 23.07.2020 (Blatt 7, LG-GA 330) hat er eine (ungefähre, weil gerundete) Aufteilung vorgenommen und die einzelnen Ansprüche wie folgt beziffert.
Bezeichnung Mangel
netto
brutto
Absturzsicherung
454,00 €
540,26
Putz Absturzsicherung
3.825,00 €
4.551,75
Kellerausgangstüre
1.300,00 €
1.547,00
Durchbrüche
1.010,00 €
1.201,90
Trockenbaufugen
6.300,00 €
7.497,00
Bad
6.000,00 €
7.140,00
Summe
18.889,00 €
22.477,91
gerundet auf
18.000,00 €
21.420,00
Sockelausbildung WDVS
2.530,00 €
3.010,70
Dämmung Lichtschacht
313,00 €
372,47
Fenster WDVS Einf.
424,00 €
504,56
Summe
3.267,00 €
3.887,73
gerundet auf
3.300,00 €
3.927,00
Summe (18.000,00 € + 3.300,00 €)
21.300,00 €
25.347,00
Zugleich hat der Kläger die Teilrücknahme der Klage in Höhe von 7.497,00 EUR brutto erklärt, weil der Mangel “Trockenbaufugen” nach Anhängigkeit aber vor Rechtshängigkeit der Klage am 10.01.2019 beseitigt worden sei.
Mit Schriftsatz vom 17.06.2021 hat der Kläger seine Klage erweitert und 15.000,00 EUR wegen mangelnder Bauwerksabdichtung geltend gemacht. Er hat hierfür auf eine Stellungnahme des Sachverständigen B. vom 10.06.2021(LG-GA 670) Bezug genommen. Die Beklagten haben die Verjährungseinrede erhoben. Der Kläger hat zur Entkräftung der Verjährungseinrede Beweis dafür angetreten, dass die eintretende Feuchtigkeit in Zusammenhang mit einem Mangel steht, der bereits in der Stellungnahme des Sachverständigen B. vom 10.01.2019 angeführt worden ist. Hierzu hat der vom Gericht bestellte Sachverständige A. ein Gutachten erstellt (LG-GA 1106). Nach Erstattung des Gutachtens hat der Kläger im Hinblick auf die von den Beklagten erhobene Verjährungseinrede den mit der Klageerweiterung verfolgten Klageanspruch in Höhe von 15.000,00 EUR für erledigt erklärt. Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner 19.381,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.10.2019 sowie 1.242,84 EUR außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu zahlen und hat festgestellt, dass der Rechtsstreits in Höhe von 15.000,00 EUR erledigt ist. Die Kosten des Rechtsstreits hat es den Beklagten auferlegt. Eine Kostenerstattung zu Gunsten des Streithelfers hat es nicht angeordnet. Das Landgericht hat entschieden, dass dem Kläger wegen der Ausführungsmängel “Durchbrüche” 600,00 EUR brutto, “Bad” 16.000,00 EUR brutto, “Sockelausbildung WDVS” 600,00 EUR und “Dämmung Lichtschacht” 500,00 EUR brutto zustehen, zusammen 17.700,00 EUR. Zudem könne der Kläger Erstattung der Rechnungen des Sachverständigen B. in Höhe von 1.681,30 EUR beanspruchen, zusammen also 19.381,30 EUR. Der mit der Klageerweiterung verfolgte Anspruch sei durch die Verjährungseinrede erledigt worden. Vor Erhebung der Verjährungseinrede sei der Anspruch des Klägers begründet gewesen.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Weil der Sachverständige B. sich mit Mängeln befasst habe, wegen derer das Landgericht keine Haftung festgestellt habe, seien die Kosten für die Stellungnahmen des Sachverständigen B. nicht zu erstatten. Zudem wenden sich die Beklagten gegen die landgerichtliche Kostenentscheidung. Der Kläger sei teilweise unterlegen, was in der Kostenentscheidung nicht berücksichtigt worden sei. Wegen der Feststellung der Erledigung machen die Beklagten geltend, dass die Klageforderung in Höhe von 15.000,00 EUR nicht vorgerichtlich geltend gemacht worden sei und sie daher die Einrede der Verjährung vorprozessual nicht hätten erheben können. Zudem hätten sie geltend, dass der Schaden durch Schwarzarbeit entstanden sei. Die Verurteilung zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sei zu beanstanden, weil die Klageforderung teilweise abgewiesen worden sei bzw. sich Verschiebungen ergeben hätten. Sie regen als Kostenentscheidung an, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zur Hälfte und den Beklagte zu je 1/8 aufzuerlegen.
Die Beklagten beantragen,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und sie unter Abweisung der weitergehenden Klage gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 17.700,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.10.2019 zu zahlen und festzustellen, dass der Rechtsstreit in Höhe von 15.000,00 EUR erledigt ist.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und die Kostenentscheidung.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
Das Landgericht hat dem Kläger zu Unrecht die Kosten der Stellungnahmen des Sachverständigen B. und die Kosten des Rechtsstreits in voller Höhe auferlegt. Auch ist die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung nicht zutreffend.
1.Kosten für Gutachten, die der Besteller zur Aufklärung nur vermeintlicher Mängel aufwendet, die entweder nicht bestehen oder für die der Unternehmer nicht einzustehen hat, sind dem Besteller vom Unternehmer nicht zu erstatten. Nur soweit dem Besteller Schadensersatzansprüche zustehen, gehören die Gutachterkosten zum Schaden. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Beklagte nur für die Mängel “Durchbrüche”, “Bad”, “Sockelausbildung WDVS” und “Dämmung Lichtschacht” einstehen muss. Welche Kosten gerade für die Aufklärung dieser Mängel von dem Kläger aufgewendet worden sind, ist gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. Die Rechnungen des Sachverständigen (LG-GA 91 ff.) lassen nicht erkennen, welcher zeitliche Aufwand für die Aufklärung welchen Mangels angefallen ist. Danach kann nur ein Mindestschaden geschätzt werden. Der Senat schätzt auf 400,00 EUR.
2.Auf verschiedene Mängel gestützte Ansprüche sind verschiedene Streitgegenstände (BGH, Urt. v. 19.07.2018 – VII ZR 19/18, Rn. 15, WM 2019, 411 = BauR 2018, 1879; Senat, Beschl. v. 28.10.2022 – I-22 U 53/22, NZBau 2023, 314). Bei der Kostenentscheidung hätte das Landgericht daher berücksichtigen müssen, dass es die Klage wegen mehrerer der von dem Kläger verfolgten Ansprüche abgewiesen hat.
Der Umfang dieser Teilabweisung wird dadurch verdeckt, dass das Landgericht wegen des Mangels “Bad” 16.000,00 EUR statt 6.000,00 EUR zugesprochen hat. Das greift die Berufung nicht an, wobei ein solcher Berufungsangriff – wäre er erfolgt – auch keine Erfolgsaussicht gehabt hätte; denn ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO wird im Berufungsverfahren schon dadurch geheilt, dass der Kläger das angefochtene Urteil verteidigt. Bei der Kostenentscheidung für die erste Instanz kann hingegen nicht zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden, dass das Landgericht für den Mangel “Bad” 16.000,00 EUR brutto statt 7.140,00 EUR brutto zugesprochen hat.
3.Die Berufung rügt zu Recht, dass das Landgericht die von dem Kläger erklärte Rücknahme bei der Kostenentscheidung nicht berücksichtigt hat. Auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung der Beklagten ist es nicht veranlasst, aus Billigkeitsgründen die Kosten trotz Rücknahme den Beklagten aufzuerlegen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass schon im Zeitpunkt der Einreichung der Klage damit zu rechnen war, dass die Mängelbeseitigung noch erfolgen würde.
4.Die Entscheidung des Landgerichts zur Erledigung der Hauptsache ist nicht angegriffen. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Rüge der Beklagten, das Landgericht habe Vortrag zur Erledigung der Hauptsache übergangen, nicht an. Auch ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Feststellung der Erledigung der Hauptsache bei der Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten gewertet hat. Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Für die Kostenentscheidung kommt es danach allein darauf an, ob sie unterlegen sind. Das ist nach der Entscheidung des Landgerichts der Fall. Auf die von den Beklagten angestellten Billigkeitserwägungen wäre es nur dann ankommen, wenn sie sich der Erledigungserklärung angeschlossen hätten.
5.Gleichwohl trifft den Kläger bezüglich des für erledigt erklärten Anspruchs ein Kostennachteil. Gemäß § 96 ZPO sind ihm die Kosten für die Erstattung des Gutachtens A. vom 07.06.2022 aufzuerlegen, weil er ein unbegründetes Angriffsmittel geltend gemacht hat. Der Sachverständige A. hat den unter Beweis gestellten Sachvortrag nicht bestätigt. Deshalb war der geltend gemachte Anspruch verjährt und ist für erledigt erklärt worden.
6.Abzuändern ist auch die Entscheidung des Landgerichts zu den vorgerichtlichen Kosten. Dem Grund nach besteht allerdings ein Kostenerstattungsanspruch. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte zu 4) wegen mangelhafter Bauüberwachung gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 BGB Schadensersatz wegen im Bauwerk realisierter Mängel schuldet. Zu dem zu ersetzenden Schaden gehören auch außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung. Unschädlich ist, dass die die Beklagte zu 4) zur Zahlung von “Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung gem. § 637 Abs. 3 BGB” aufgefordert worden ist. Ein solcher Kostenvorschussanspruch gemäß § 637 Abs. 3 BGB besteht zwar nicht; er entspricht aber inhaltlich dem auf Ersatz des Vorfinanzierungsschaden gerichteten Schadensersatzanspruch des Bestellers, den der Bundesgerichtshof dem Besteller eines Architekten- und Ingenieurvertrags wegen im Bauwerk realisierter Mängel des Planungs- und Überwachungswerks vor Mängelbeseitigung zubilligt (BGH, Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17, Rn. 67, NZBau 2018, 201). Der Beklagte ist aufgefordert worden, einen Vorschuss in Höhe von 25.000,00 EUR zu zahlen. Das entspricht (ungefähr) der auf die Mängel gestützten Klageforderung in Höhe von 25.347,00 EUR. Diese auf die Mängel gestützte Klageforderung war indessen – wie vorstehend ausgeführt – wegen mehrerer Mängel unbegründet, so dass zu Gunsten des Klägers für die vorgerichtliche Kostenerstattung von einem Gegenstandswert in Höhe von 8.840,00 EUR auszugehen ist. Das Landgericht hat angenommen, dass nur eine Gebühr von 1,3 anzusetzen ist. Das wird nicht angegriffen. Zu erstatten sind danach vorgerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 808,13 EUR brutto.
7.Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass ein Teilunterliegen des Klägers in erster Instanz vorliegt. Die Kostenentscheidung war daher gemäß §§ 92, 269 ZPO entsprechend abzuändern. Zugunsten des Klägers hat der Senat gewertet, dass er die Höhe der Mängelbeseitigungskosten schätzen musste. Danach erscheint als angemessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben. Die Beklagten haften gemäß § 100 Abs. 4 ZPO für die Kostenerstattung als Gesamtschuldner. Im Falle der Kostenaufhebung ist keine Kostenerstattung zu Gunsten des Streithelfers zu treffen.
8.Der Senat setzt den Streitwert abweichend von der Entscheidung des Landgerichts gemäß § 63 Abs. 3 GKG für den Zeitraum nach der Erledigungserklärung vom 01.08.2022 auf bis 22.000,00 EUR fest. Bei teilweiser einseitiger Erledigungserklärung ist dem Streitwert der nicht für erledigt erklärten Hauptsache das Kosteninteresse wegen des für erledigt erklärten Anspruchs hinzuzusetzen (BGH, Beschl. v. 09.05.1996 – VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210).
9.Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 92, 100 Abs. 4, 101 ZPO. Auch hier war zu Gunsten des Klägers zu werten, dass die Entscheidung von einer Schätzung abhängt, weshalb die Kosten gegeneinander aufzuheben waren.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen.
Berufungsstreitwert: 2.924,14 EUR (die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten waren bei der Bemessung des Streitwerts zu berücksichtigen, weil die Hauptforderung nicht mehr in Streit ist).
… … …