von Thomas Ax
Die schlüssige Geltendmachung eines Anspruches auf Schadensersatz aus § 6 Abs. 6 VOB/B durch den Auftragnehmer erfordert die Darlegung einer oder mehrerer Pflichtverletzungen der Auftraggeberin sowie der sich daraus ergebenden Behinderungen der eigenen Leistung (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2002 – VII ZR 224/00 -, juris Rn.23; Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.13).
Dafür ist eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung erforderlich (vgl. BGH a.a.O.). Das heißt, es ist zusätzlich zu den konkreten Pflichtwidrigkeiten der Auftraggeberin dazu vorzutragen, welche vorgesehenen Bauarbeiten ihretwegen nicht oder nicht in der vorgesehenen Zeit durchgeführt werden konnten und wie sich die Verzögerungen konkret auf die Baustelle ausgewirkt haben (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage, 8. Teil Rn.56).
Aus dem Vortrag muss sich nachvollziehbar ergeben, dass und in welchem Umfang eine Pflichtverletzung eine Behinderung verursacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.18). Angesichts regelmäßig zeitabhängiger Mehrkosten gilt Gleiches für die Dauer der Erschwernis oder Behinderung, so dass es letztlich der Darlegung einer ununterbrochenen Kausalkette vom Verzug der Auftraggeberin mit einer Leistungspflicht über die schadensbegründenden Umstände in Form der konkreten Behinderung bis hin zu den dadurch entstandenen Mehrkosten bedarf (vgl. Kniffka/Koeble a.a.O.).
Der Vortrag zu Pflichtverletzungen und Behinderungen ist im Schadensersatzprozess an den Anforderungen einer Behinderungsanzeige nach § 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B zu messen. Deswegen muss der Auftragnehmer Angaben dazu machen, ob und wann seine Arbeiten, die nach dem Bauablauf zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeführt werden mussten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden konnten (vgl. BGH Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.17).
Irgendwelche aus § 287 ZPO ableitbare Darlegungserleichterungen kommen dem Auftragnehmer nicht zugute, soweit es sich um Tatsachen zum Haftungsgrund handelt, die allein nach § 286 ZPO zu beurteilen sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.15; Kniffka/Koeble, a.a.O.).
Die unbestrittene Schwierigkeit, insbesondere die Kausalitäten darzustellen und zu beweisen, rechtfertigen es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht, dem Auftragnehmer Darlegungs- oder Beweiserleichterungen zu gewähren (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.13; Urteil vom 21. März 2002 – VII ZR 224/00 -, juris Rn.23; BGH NJW 1986, S. 1684 [BGH 20.02.1986 – VII ZR 286/84]). Vielmehr ist es die Aufgabe des sich durch Pflichtverletzungen der Auftraggeberin behindert fühlenden Auftragnehmers, eine aussagekräftige Dokumentation zu erstellen, aus der sich die Behinderung sowie deren Dauer und Umfang ergeben. Sofern ein Auftragnehmer mangels einer ausreichenden Dokumentation der Behinderungstatbestände und der sich daraus ergebenden Verzögerungen nicht zu einer den Anforderungen entsprechenden Darstellung in der Lage ist, geht dies zu seinen Lasten (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.13; Urteil vom 21. März 2002 – VII ZR 224/00 -, juris Rn.23).
Anders verhält es sich im Bereich der Haftungsausfüllung. Auch hier bedarf es für die Darlegung der Mehrkosten regelmäßig einer bauablaufbezogenen Darstellung der Ist- und Sollabläufe, die eine geltend gemachte Bauzeitverlängerung nachvollziehbar macht (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 225/03 -, juris Rn.30f). Allerdings kommen dem Auftragnehmer insoweit die aus § 287 ZPO folgenden Darlegungserleichterungen zugute (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.15).
Über die Frage der reinen Schlüssigkeit des Vorbringens hinaus ist in Rechtsstreitigkeiten über Behinderungen des Bauablaufs regelmäßig von herausragender Bedeutung, ob der Auftragnehmer den von ihm geltend gemachten Anspruch ausreichend substantiiert hat (vgl. Roquette/Bescher, BauR 2018, S. 422, 425f; Kniffka, Festschrift für Prof. Dr.-Ing. Andreas Lang, 2018, S. 65, 76). Die Substantiierungslast kann sich infolge des gegnerischen Vorbringens erhöhen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2011 – VII ZR 24/08 -, juris Rn.14). Sachvortrag bedarf der Ergänzung, wenn er im Hinblick auf die Einlassung des Gegners unklar wird und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1996 – V ZR 196/95 -, juris Rn.6). Es ist damit eine Frage des Einzelfalls, inwieweit der Auftragnehmer unter Berücksichtigung des Wechselspiels von Vortrag und Gegenvortrag ausreichend substantiiert zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen vorzutragen hat (vgl. Roquette/Bescher a.a.O. S. 425; Kniffka a.a.O., 76 – 80). Daraus folgt auch, dass der klagende Auftragnehmer nicht von Anfang an zu allen denkbaren Einwendungen der Auftraggeberin vortragen muss. Das gilt beispielsweise für Darlegungen zu den Fragen, ob mit den in der Kalkulation enthaltenen Mitteln (Personal, Geräte) die Bauzeit einzuhalten gewesen wäre, ob weitere Behinderungstatbestände vorhanden waren, ob Bauablaufumstellungen unmöglich waren oder ob der Auftragnehmer Füllaufträge hätte annehmen können (vgl. Roquette/Bescher a.a.O. S. 432 ff; Kniffka a.a.O., S. 80 – 84).
Trägt allerdings die Auftraggeberin dazu vor, kann das zunächst schlüssige Vorbringen des klagenden Auftragnehmers mit der Folge unklar werden, dass es den Schluss auf die darzulegenden Tatbestandsmerkmale nicht mehr zulässt. Selbstredend erschweren die Dynamik möglicher Pflichtverletzungen und Behinderungen die konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Pflichtverletzung und Behinderung erheblich.
Das entbindet den Kläger aber nicht von dem Erfordernis des Vortrages, wie sich das Baufeld an den jeweiligen Tagen darstellte (vorgeworfene Pflichtwidrigkeit), welche vorgesehenen Bauarbeiten nicht oder nicht in der vorgesehenen Zeit durchgeführt werden konnten und wie sich die Verzögerungen konkret auf die Baustelle ausgewirkt haben (Behinderungen). Gerade wenn der Auftragnehmer teilweise gearbeitet hat, ist eine solche Darstellung erforderlich (vgl. zur Darlegungslast bei Teilarbeiten BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.21).
Der Kläger muss damit für jeden einzelnen Tag vortragen, an welchem genauen Ort und aus welchem Grund konkret eine Einschränkung vorlag, welche an diesem Tag in welcher Art konkret geplanten Arbeiten deswegen nicht oder nur eingeschränkt durchgeführt werden konnten und welche Verzögerung dies nach sich zog. Mit diesen Anforderungen wird dem Kläger bzw. der Schuldnerin auch nichts Unmögliches abverlangt.
Gerade die Darlegung der einzelnen Behinderungssituationen ist zur Abgrenzung der Grundfrage, ob eine Pflichtwidrigkeit der Auftraggeberin und eine dadurch ausgelöste Behinderung gegeben ist, zwingend erforderlich.
Eine ordnungsgemäße Behinderungsanzeige i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B ist Voraussetzung des Schadensersatzanspruches nach § 6 Abs. 6 VOB/B.
Eine Behinderungsanzeige gem. § 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B muss alle Tatsachen enthalten, aus denen sich für den Auftraggeber mit hinreichender Klarheit und erschöpfend die dem Auftragnehmer bekannten Hinderungsgründe ergeben. Die Angaben müssen sich darauf erstrecken, ob und wann seine Arbeiten, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 – VII ZR 185/98 -, juris Rn.11).
Eine Behinderungsanzeige kann nach ihrem Sinn und Zweck, der darin besteht, den Auftraggeber vor drohender Inanspruchnahme zu warnen und ihm Gelegenheit zur Abhilfe zu verschaffen, keinen Schadensersatzanspruch wegen in der Vergangenheit liegender Umstände rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund kann auch die Streitfrage dahinstehen, ob eine nachträgliche und damit nicht “unverzügliche” Behinderungsanzeige i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B überhaupt noch Wirkung in die Zukunft entfalten kann (dafür Vygen/Joussen/Lang/Rasch – Vygen/Joussen, Bauverzögerung und Leistungsänderung, 7. Auflage, Teil A Rn.404; Heiermann/Riedl/Rusam – Kuffer/Petersen, Handkommentar zur VOB/B, 16. Auflage, § 6 VOB/B Rn.10; OLG Stuttgart, Urteil vom 29.11.2011, AZ 10 U 58/11 – juris; OLG Köln, BauR 1981, 472, 474; dagegen Ingenstau/Korbion-Döring, VOB-Kommentar, 20. Auflage, § 6 Abs. 1 Rn.7).
Bei Offenkundigkeit kann die Anzeigepflicht nach § 6 Abs. 1 S. 2 VOB/B entfallen. Offenkundig und bekannt sind die hindernden Umstände nur dann, wenn der Auftraggeber nach seinem Verhalten, seinen Äußerungen oder Anordnungen zweifellos darüber unterrichtet ist oder sie im Sinne des § 291 ZPO offenkundig sind (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam – Kuffer/Petersen, Handkommentar zur VOB, 14. Auflage, § 6 VOB/B Rn.13). Sie müssen so deutlich hervortreten, dass sie selbst einem bautechnischen Laien nicht verborgen bleiben können (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam – Kuffer/Petersen a.a.O.).