vorgestellt von Thomas Ax
1. Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Gründe aus. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
2. Die Ablehnung kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.
3. Der Umstand, dass ein Richter auf einen nachgelassenen Schriftsatz keine Hinweise erteilt hat, ist nicht geeignet, eine unsachgemäße Einstellung oder Vorgehensweise zu belegen.
4. Die richterliche Pflicht zum Erteilen von Hinweisen ist auf die Zeit der Vorbereitung wie auch der Durchführung der mündlichen Verhandlung begrenzt ist.
5. Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ist die Erteilung von Hinweisen erst wieder im Verkündungstermin möglich. In dessen Vorbereitung obliegt es dem Richter zu prüfen, ob das Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz eine Wiedereröffnung der mündlichen Verfahren und gegebenenfalls die Erteilung weiterer Hinweise zur Vorbereitung des Fortsetzungstermins erfordert oder aber die Verkündung eines Urteils angezeigt ist.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.10.2024 – 1 W 45/24
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von 250.000 € aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung im Zusammenhang mit einem Mietkaufvertrag in Anspruch. Die Beklagte hat Widerklage sowie eine gegen den Ehemann der Klägerin gerichtete Drittwiderklage auf Zahlung von 5.657,20 € erhoben, woraufhin die Klägerin und Widerbeklagte (im Folgenden nur Klägerin genannt) sowie der Drittwiderbeklagte beantragt haben, die Dritt-/Widerklage “im Wege einer Zwischenentscheidung” als unzulässig abzuweisen.
Nachdem die Einzelrichterin der 1. Zivilkammer in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2024 auf die Erfolglosigkeit der Klage wie auch der Dritt-/Widerklage hingewiesen, Schriftsatznachlass gewährt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 2. August 2024 bestimmt hatte, haben die Klägerin sowie der Drittwiderbeklagte mit Schriftsatz vom 13. Juli 2024 ergänzend vorgetragen. Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2024 haben sie die Einzelrichterin sodann wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Richterin habe ausweislich der in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweise den Antrag auf Zwischenentscheidung über die Dritt-/Widerklage nicht zur Kenntnis genommen und überdies auch ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 13. Juli 2024 unbeachtet gelassen, zu denen sie explizit Hinweise erbeten hätten. Sie rügten ferner einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter, da sich die Zuständigkeit der Kammer aus den online abrufbaren Geschäftsverteilungsplänen des Landgerichts nicht ableiten ließe.
Die abgelehnte Richterin hat am 26. Juli 2024 eine dienstliche Stellungnahme abgegeben, in der sie erklärt, sämtliches Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und ihre Entscheidungsfindung angesichts der noch laufenden Schriftsatzfrist auch noch nicht abgeschlossen zu haben.
Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 7. August 2024 zurückgewiesen. Soweit das Verhalten der Richterin in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2024 – namentlich das Unterbleiben von Hinweisen zur (Dritt-)Widerklage – beanstandet würde, sei das Gesuch bereits unzulässig. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet. Die fehlende Reaktion der Richterin auf den Schriftsatz vom 13. Juli 2024 gebe keinen Anlass an deren Unparteilichkeit zu zweifeln. Zum einen sei die Richterin bis zum 22. Juli 2024 im Urlaub gewesen und zum anderen sei sie nicht zur Erteilung von Hinweisen vor dem anberaumten Verkündungstermin verpflichtet.
Mit Schriftsatz vom 26. August 2024 legten die Klägerin und der Drittwiderbeklagte beim Oberlandesgericht sofortige Beschwerde gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 13. August 2024 zugestellten Beschluss ein und rügten erneut die Zuständigkeit der 1. Zivilkammer des Landgerichts.
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig, nachdem sie insbesondere innerhalb der in § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmten Frist eingelegt worden ist.
Der Senat ist auch nicht deshalb an einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde gehindert, weil das Landgericht auf die beim Beschwerdegericht eingelegte Beschwerde keine Abhilfeentscheidung getroffen, sondern die Akte auf die Aktenanforderung unmittelbar vorgelegt hat. Mängel des Abhilfeverfahrens stehen der Durchführung des Beschwerdeverfahrens grundsätzlich nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 – V ZB 13/10, und Beschluss vom 15. Februar 2017 – XII ZB 462/16).
2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat das Ablehnungsgesuch der Klägerin und des Drittwiderbeklagten zu Recht zurückgewiesen, da die vorgebrachten Ablehnungsgründe die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterin nicht rechtfertigen.
a) Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Gründe aus. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfG Beschluss vom 16.02.1995 – 2 BVR 1852/54 -, BVerfGE 92, 138, 139).
Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein dem Rechtsmittelgericht vorbehalten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (zum Maßstab KG, Beschluss vom 02.07.2015 – 10 W 13/15 -).
b) An diesem Maßstab gemessen liegen keine objektiven Gründe vor, welche aus Sicht eines vernünftigen und besonnenen Betrachters Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin rechtfertigen.
aa) Ihr Ablehnungsgesuch können die Klägerin und der Drittwiderbeklagte dabei zunächst nicht auf den Umstand stützen, dass die Richterin in der mündlichen Verhandlung am 10. Juni 2024 keine Hinweise in Bezug auf den Antrag erteilt hat, die Dritt-/Widerklage im Wege einer Zwischenentscheidung als unzulässig abzuweisen. Ein diesbezügliches Ablehnungsrecht haben die Klägerin und der Drittwiderbeklagte – wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausführt – gemäß § 43 ZPO verloren, nachdem sie sich in Kenntnis des Sachverhalts und des damit nach ihrer Auffassung verbundenen Ablehnungsgrundes in die Verhandlung eingelassen und Anträge gestellt haben.
bb) Der Umstand, dass die abgelehnte Richterin auf den nachgelassenen Schriftsatz vom 13. Juli 2024 keine Hinweise erteilt hat, ist nicht geeignet, eine unsachgemäße Einstellung oder Vorgehensweise zu belegen. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten verkennt die Reichweite der richterlichen Hinweispflichten nach § 139 ZPO wie auch die gesetzlichen Regelungen zum Ablauf des Zivilprozesses.
Sowohl der Wortlaut des § 139 ZPO als auch dessen Stellung innerhalb der ZPO – namentlich im Titel 1 “Mündliche Verhandlung” des Abschnitts 3 im 1. Buch – und sein Sinn und Zweck machen deutlich, dass die richterliche Pflicht zum Erteilen von Hinweisen auf die Zeit der Vorbereitung wie auch der Durchführung der mündlichen Verhandlung begrenzt ist. In diesem Rahmen dient sie u.a. der Konzentration auf die wesentlichen Streitfragen und damit der Beschleunigung des Prozesses (vgl. MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, ZPO § 139 Rn. 2, beck-online).
Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ist die Erteilung von Hinweisen – wie das Landgericht zutreffend ausführt – erst wieder im Verkündungstermin möglich. In dessen Vorbereitung obliegt es der Richterin, zu prüfen, ob das Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz eine Wiedereröffnung der mündlichen Verfahren nach § 156 Abs. 1 ZPO und ggf. die Erteilung weiterer Hinweise zur Vorbereitung des Fortsetzungstermins erfordert oder aber die Verkündung eines Urteils angezeigt ist. Diese prozessrechtlichen Regelungen beanspruchen auch dann Geltung, wenn eine Partei – wie hier – um die Erteilung von Hinweisen schon vor dem Verkündungstermin bittet. Der Umstand, dass die Richterin ihre Vorgehensweise an den gesetzlichen Verfahrensregelungen ausgerichtet hat, spricht gerade für die Unparteilichkeit ihrer Verhandlungsführung und ist deshalb nicht geeignet, eine Voreingenommenheit gegenüber der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten zu belegen.
cc) Anlass an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richterin zu zweifeln, gibt auch nicht der Umstand, dass der ohne ihre Beteiligung gefasste Beschluss vom 7. August 2024 keine näheren Ausführungen zu der – seitens der Klägerin und des Drittwiderbeklagten in Abrede gestellten – Zuständigkeit der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) enthält.
3. Im Rahmen der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch hat schließlich auch der Senat keinen Anlass, über die Zuständigkeit der Zivilkammer zu befinden.